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#5 Kommissar Springer und der Jungbrunnen
#5: Kommissar Springer und der Jungbrunnen
,,Herr Kommissar, Herr Kommissar. Ich habe einen neuen Auftrag für Sie!’’ Der Polizeidirektor hatte schon ganz rote Bäckchen vor lauter Aufregung.
,,Was steht an?’’, fragte der Kommissar, der sich den ganzen Vormittag über tot gestellt hatte, um nicht mit irgendwelchen Fällen belästigt zu werden. Er war sehr müde, der vorige Abend war für ihn sehr lang gewesen.
,,Frau Hölcker-Wiedenstöck, eine angesehene Politikerin, ist kopfüber in den städtischen Jungbrunnen gefallen – ich sollte lieber sagen: gefallen worden!’’
,,Fremdeinwirkung also wieder einmal. Mord?’’ Der Kommissar bekam große Augen.
,,Der städtische Jungbrunnen ist sehr tief. Keiner weiß, ob die Frau Hölcker-Wiedenstöck schon unten angekommen ist. Wenn ja, gliche es einem Wunder, wenn sie noch lebt!’’
Der Kommissar trat dem im Schlaf sabbernden Köter in die Nieren. ,,Auf, Wauwau! Gassi!’’ Assistent Meyer hatte sich heute frei genommen, weil er seiner Schwiegermutter beim Aufräumen helfen musste. Den Hund hatte er dem Kommissar überlassen, nicht ohne den erfahrenen Kriminologen darauf aufmerksam zu machen, dass der Hund zweimal am Tag ausgeführt werden müsse: Gassi.
,,Hallo? Ist da jemand?’’ Der Kommissar rief laut in den Brunnen hinein. Der Schall verriet ihm, dass der Brunnen sehr tief war. Ein Eimerchen zum Wasserholen war an einem Seil befestigt. Der Kommissar stieg in das Eimerchen und lies sich Stück für Stück von dem Köter hinuntertansportieren.
Doch auf einmal rutschte der Hund mit einer seiner Pfoten ab und der Kommissar fiel kopfüber in den Jungbrunnen.
Unten angekommen roch es ekelhaft. Der Kommissar kannte diesen Geruch: so roch er selber wenn er sich morgens nicht gewaschen hatte.
Die Frau Hölcker-Wiedenstöck lag röchelnd am Boden des Brunnens. Weil der Kommissar immer eine Taschenlampe in seiner Manteltasche mit sich führte, konnte er die Frau als Hölcker-Wiedenstöck identifizieren.
,,Komisch. Sie sehen viel jünger aus als die Bilder aus den Zeitungen vermuten lassen!’’, sagte die Frau Hölcker-Wiedenstöck. Der Kommissar wusste nicht, ob das als Kompliment gemeint war oder nicht.
Da sah der Kommissar auf einmal, dass die 50-jährige Politikerin aussah wie Mitte 20!
,,Der Jungbrunnen!’’, rief der Kommissar entsetzt, ,,Er macht uns jünger. Jetzt müssen wir aber schnell raus hier, bevor wir nur noch krabbeln können!’’
Die Frau Hölcker-Wiedenstöck klammerte sich an den Kommissar. Springer zog seine Kängeruhverkleidung an (die er ebenfalls immer in seiner Manteltasche mit sich führte) und hüpfte mit der Frau Hölcker-Wiedenstöck aus dem Jungbrunnen. Oben wartete freudig kläffend der Köter.
,,So, liebe Frau Hölcker-Wiedenstöck. Da Sie nicht tot sind, hätte ich Sie da gar nicht raus holen müssen. Meine Aufgabenbereiche umfassen lediglich Verbrechen und Morde!’’, sagte der Kommissar und präsentierte der 13-jährigen Frau Hölcker-Wiedenstöck eine deftige Rechnung.
Da kreischte die arme Frau auf einmal los.
,,Da ist ja der Mann, der mich in den Jungbrunnen geschubst hat!’’, krächzte das Mädel und der Kommissar blickte sich um. Assistent Meyer hatte seinen Köter gesichtet und war freudig erregt zu ihm gelaufen.
,,Haben Sie die Frau da rein geschmissen?’’ Des Kommissars Zeigefinger deutete auf den Jungbrunnen.
Meyer wurde rot im Gesicht. ,,Ja. Frau Hölcker-Wiedenstöck ist meine Schwiegermutter. Ich bin einfach total durchgeknallt. Immer muss sie meckern, Meyer räum dieses Teil da hin, nicht dort hin und rasier dich mal wieder, du wächst sonst noch zu. Als ich dann auch noch die Tapeten wechseln sollte, weil ich über einen Teddybären stolpernd mit dem Kopf gegen die Wand gedonnert bin, hat es mir gereicht mit dieser Frau!’’
Der Kommissar überlegte. Lange Zeit. Wie sollte er denn mit diesem Fall verfahren? Versuchter Mord? Dafür reichte die Beweislage nicht. Keiner konnte dem Assistenten Meyer Mordabsichten unterstellen. Er war ja eigentlich ein feiner Kerl.
,,Okay, ich denke wir einigen uns auf ein Remis. Beide zahlen mir für die wertvolle Zeit, die mir wegen eurem Streit gestohlen wurde, jeder 5000.- €uro. Dann will ich mal fünfe grade sein lassen!’’
Sofort zückten beide ihre Scheckbüchlein.
,,Und lasst euch das eine Lehre sein! Vertragt euch und räumt schön auf, bei Frau Hölcker-Wiedenstöck!’’, sagte der Kommissar und zog von dannen. Hinter sich her schleifte er den sabbernden Köter, der entgegen jeder Erwartungen einen großen Laternenpfahl übersah und sich das Genick anbrach. Sollte sich der Polizeiarzt darum kümmern, sagte sich der Kommissar und machte Feierabend.