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4cl

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06.07.2014
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4cl

Ich schließe mich in meinem Auto ein, schalte die warme Innenbeleuchtung ein und starre aus dem Beifahrerfenster. Neben der Tür zum Treppenhaus hat jemand mit Sprühfarbe geschrieben, dass Thomas eine abgewichste Schwuchtel ist. Wenn ich doch bloß schon betrunken wäre. Ein, zwei Finger Single Malt, ein Schluck vom billigen Penny-Wodka würde aber auch schon reichen. Das wohlig warme Gefühl im Magen, der brennende Gaumen. Der alkoholische Geschmack, der langsam die Nase hochsteigt. Das wäre schön.

Irgendein Schluck, der irgendetwas mit mir macht. Ein Schluck Starkbier. Ein paar Dosen Schaumwein. Selbst die Vorstellung von einem 2-Liter-Karton Weißwein erfüllt mich mit verlangender Gier.

Suff, Stoff, Alk.

Was wäre das Leben ohne Alk? Was bliebe dann noch außer der quälenden Realität? Dieser ansteckenden Krankheit, die alles bestimmen und jeden kontrollieren will? Die sich ständig als die einzig unwiderlegbare Wahrheit bezeichnet, dich überkommt und solange fickt, bis du wie all die Anderen bist und dich langsam ausbluten lässt.

Möglicherweise hätte ich auf Sarah hören und einen Entzug machen sollen. Möglicherweise sollte ich auf Gregor hören und meine Stimmungsschwankungen behandeln lassen. Möglicherweise hätte ich auf Mandy hören sollen, dass meine Bindungsangst und meine Abscheu vor Menschenmengen phobischer Natur sind. Und vielleicht hätte ich auch auf meine Mutter hören sollen, dass ich es gut finde, schlecht zu sein. Von mir aus. Was immer die Küchenpsychologen an mir entdecken, meinetwegen.

Zumindest ein Häufchen Nikotin hilft mir über den Moment. Ich lege mir drei kleine Berge Schnupftabak auf das Armaturenbrett, zieh mir das erste Bisschen in die Nase, verschlucke mich, fange an zu husten und wische den restlichen Tabak in den Fußraum.

Ich lehne mein Gesicht an die Scheibe und bemerke, wie sich die Anspannung ihrem Höhepunkt nähert. Mein Gesicht verzieht sich, die ersten Tränen sammeln sich in meiner Augenfalte und ich weine.

Die salzige Flüssigkeit läuft in einem einzigen Tropfen an meiner Scheibe hinab. Ich öffne die Augen, ein unklarer Blick.

Warum gerade jetzt? Zum ersten Mal seit so langer Zeit. Eine weitere Träne rollt einsam meine Wange herunter, schüchtern, als wäre sie unsicher und müsste sich in dieser seltenen Situation vorerst zurechtfinden. Einen Moment verharrt sie an meinem Kinn, fällt mir auf die Jeans und zieht dann in den Stoff. Wie gut sich das anfühlt, überhaupt etwas zu fühlen. Sich völlig in Selbstmitleid auflösen.

„Allet klar?“ Es donnert an der Scheibe, rüttelt am Türgriff. „Schau ma! Der pennt nicht, der heult nur, das Opfer.“ Zwei jugendliche Typen gucken mich durch das Fenster an.

So plötzlich wie es angefangen hat, so unerwartet ist es auch wieder zu Ende. Ich presse die letzten Tropfen aus meinen Augen, dann muss der sanfte Trübsinn wieder diesem maßlosen Drang weichen. Dem verrückten Monster, das in mir lebt. Eine parallel in mir lebenden Kreatur, mit großem Verlangen, unbeherrscht und nicht zu zähmen.

Auf einmal fühle ich mich wahnsinnig blöde, weinend in diesem Parkhaus zu sitzen mit zwei nervenden Typen vor dem Fenster. Ich wische mir mit dem Ärmel meiner Jacke die Augen trocken, gucke mir das Handyfoto meines Sohnes an, auf dem er gerade in einen roten Apfel beißt und ziehe meine Nase hoch, wie irgend so ein Kokser.

Als ich mein Auto starte, ist da nichts mehr. Nur noch zwei Idioten, die mich doof anglotzen und dieser heftige Durst nach Suff, Stoff und Alk.

 
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Hallo

und willkommen bei den Wortkriegern.
Ich hoffe, Du hast dich hier im Forum schon etwas eingelesen.

Ich komme mal gleich mit dem Punkt, der mich am meisten an deinem Text stört:
Die Lobhymne auf den Alkohol.
Klar - das ist die Meinung deines Protagonisten. und der denkt eben so. Und ich als denkende Leser sollte mir meinen Teil doch denken können. Naja. Trotzdem.
Dein Text liefert inhaltlich aber auch nichts anderes, als dass Alkohol die Lösung ist. Kein "Böses Ende". Kein "Lichtblick". immer nur der Alk -> mehr nicht. Selbst die Situation, wieso er da ist, wo er ist, wird nicht wirklich ausgeleuchtet. der Fokus bleibt auf dem Alk.
Ich persönlich mag das so nicht, weil ich es gefährlich finde. Aber das ist meine persönliche Einstellung zum Thema "Das Leben betäuben".

Zum Text im Detail:

Ich schließe mich in meinem Auto ein, schalte die warme Innenbeleuchtung ein und starre aus dem Beifahrerfenster.
Der Eröffnungssatz klang für mich zu umständlich. Und es waren auch noch zwei Worte drin, die mich aus dem Lesefluss eher raus, als rein, brachten. Das ist schade, weil der Eröffnmungssatz doch den Leser in die Geschichte reinziehen soll.
die zwei Worte sind: "warm" und "Beifahrerscheibe".
Warm. Warum ist das Licht warm - ist es draußen so kalt? Ist das überhaupt wichtig?
Beifahrerscheibe - ich dachte er sitzt dann auch auf dem Beifahrersitz! Wobei ich dann ins grübeln kam, wieso sich jemand allein auf dem Beifahrersitz setzt - im eigenen Auto?

Ich lehne mein Gesicht an die Scheibe und bemerke,...
Das verstärkte dann den Eindruck, da DIE einzige vorher erwähnte Scheibe, die des Beifahrersitzes ist. Also muss er ja auf dem Beifahrersitz sitzen. Später startet er dann das Auto. da war das Bild dann kaputt.

Wie gut sich das anfühlt, überhaupt etwas zu fühlen.
Passt für mich überhaupt nicht zusammen. Ihm gehts dreckig, er weint - wenn das keine Gefühle sind!? Er sehnt sich die ganze Zeit nach Alk, um endlich seine Gefühle zu ertränken.
Und dann freut er sich über etwas Feuchtigkeit an der Hose. DAS sind Gefühle? Nee, oder? ;)

Sich völlig in Selbstmitleid auflösen.
Hier fehlt etwas am Satz. Ist das ein Wunsch, eine Tatsache, oder was anderes? Ich konnte mit dem Satz, so wie er dasteht, nichts anfangen.

Es donnert an der Scheibe, rüttelt am Türgriff.
Schon dreist, die Jungs :)
Aber dass der Alkoholabhängige, zu Gewalt neigende Kerl die Autotüren zusperrt, wenn er sich reinsetzt, kam mir unglaubwürdig vor.
<update> Lese gerade noch, dass der Text ja mit "ich schließe mich ein" anfängt. Ist mir an der Stelle durchgerustcht. Dann könnte das Türrütteln vielleicht doch wieder passen. </update>

Als ich mein Auto starte, ist da nichts mehr. Nur noch zwei Idioten, die mich doof anglotzen und dieser heftige Durst nach Suff, Stoff und Alk.
Eine Ausnahme wäre ok für mich, aber zwei fand ich zu viel. Ich meine: "Nichts, außer X" - damit kann ich leben. Aber "Nichts, außer X und dann noch ..."
Besonders, da es dein Ende - deine Pointe ist.
"Nichts, außer die Jungs" - damit könnte der Leser eine Gewaltszene vermuten. Aber da die Jungs ja neben ihm stehen (weil sie ja am Türgriff gerüttelt haben), ist das mit dem überfahren auch nicht so einfach.
"Nichts, außer der Durst" - wäre auch ein denkbares Ende. Nichts ist wichtiger als Alk. Ab zur nächsten Tanke - Problem gelöst.
oder das Ende wäre einfach: Als ich mein Auto starte, ist da nichts mehr. [Punkt!] Das wäre mal konsequent als Ende. :)
Aber so sitzt da ein weinerlicher Alkoholiker, der nicht weis was er machen soll. Schade.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Gedanken zum Text etwas anfangen.

Viel Spass hier an der Front der Textarbeit. :)
pantoholli

 

Hallo.
Mir scheint es irgendwie, als wärest du während des Schreibens dieser Geschichte selbst stetig betrunkener geworden. Die Geschichte fängt noch einigermaßen in Ordnung an und wird dann immer kitschiger. Das könnte man dem Erzähler anhängen, der da eben besoffen ist und melodramatisch, aber ich behaupte mal, das ist es nicht.

"Warum gerade jetzt? Zum ersten Mal seit so langer Zeit. Eine weitere Träne rollt einsam meine Wange herunter, schüchtern, als wäre sie unsicher und müsste sich in dieser seltenen Situation vorerst zurechtfinden."
Dieser Satz beispielsweise hat mich schon ziemlich gestört. Die Sache mit der einsamen Träne ist ein übles Klischee, zumal die Träne schlecht einsam gewesen sein kann, wenn es "eine weitere war". Der Träne dann noch mehr Persönlichkeit zuzuschreiben, fand ich auch eher lächerlich, zumal du dich wiederholst: "schüchtern, als wäre sie unsicher".

"Möglicherweise hätte ich auf Sarah hören und einen Entzug machen sollen..."
Fand ich eigentlich ganz lustig, auch wenn ich nicht verstehe, was die Mutter nun gemeint haben soll.
Ansonsten denke ich aber, man könnte noch näher auf die Probleme des Protagonisten, die ihn in den Alkoholismus treiben, eingehen. Es klingt ein wenig so, als wäre dir das auch aufgefallen, weshalb du dann in einem Satz den Sohn des Protagonisten erwähnst. Oder vielleicht war das nur die Auflösung der Frage danach, was nun also los sei und du hast die Antwort so lange heraus gezögert, um Spannung aufzubauen. Jedenfalls reicht mir persönlich dieser eine Satz nicht.

Die "zwei Idioten" hätten auch besser in Szene gesetzt werden können. Sie haben nicht so recht etwas zur Handlung beigetragen, weil der Protagonist sie ignoriert hat. Dabei hatte das Potential zu etwas mehr Spannung meiner Meinung nach. Er hätte sie wenigstens überfahren können.

 

Ich finde deinen Text ganz gut. Ein wenig Gesellschaftskritik, gepaart mit einem harten Schicksalsschlag. Klar die zwei Logik-Fehler, aber die kannst du schnell ausmerzen. Ich hoffe ich hab das richtig verstanden, dass der Sohn des Protagonisten verstorben ist. Wenn nicht, klär mich auf.

 

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