Was ist neu

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23.11.2002
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Schon wieder wache ich mitten in der Nacht auf, nassgeschwitzt, frierend, einsam. Erstmal einen großen Schluck Jim Beam, die halbvolle Flasche neben dem Bett sollte eigentlich mein Frühstück sein, egal. Die Kälte bringt mich fast um, aber noch schneller bringt mich der Schmerz ins Grab. Das Mondlicht fällt durch das Fenster und ich versuche mit meiner zittrigen Hand Tiere zu imitieren, die ihre Schatten an die Wand werfen, sinnlos.
Der kräftezehrende Traum zwingt mich jetzt unbedingt eine zu rauchen. Kerze an. Die letzten Krümel Tabak vom Boden und aus dem Aluaschenbecher gesammelt, versuche ich zu drehen, doch dazu braucht man ruhige Hände, scheiße.
Noch einen tiefen Schluck, das Frühstück schwindet, aber die Kippe ist fertig. Meine Lippen verkleben an der verdammten Zigarette und der Rauch zieht mir in die Augen, endlich mal wieder Salzwasser in den Augen, nach so langer Zeit. Jetzt fällt es mir ein, das Foto unterm Kopfkissen. Da ist es und der Traum wird wieder deutlicher. Der Mensch vergisst so schnell, besonders Träume, aber manche Erinnerungen wehren sich standhaft gegen das Vergessen, warum? Wieder kommt mir der Gedanke, warum halte ich nicht einfach das Foto in die Flamme der Kerze, schließe meine Augen und vergesse?
Mein Verstand sagt ja, aber mein Herz sträubt sich, so viel Schönheit kann man nicht verbrennen und es ist das letzte Foto. Plötzlich ist die Melodie auch wieder da –You are not alone- aber jetzt klingt sie anders, zynisch, schmerzhaft, entgültig.
Die Digitaluhr am Boden zeigt 2.45 Uhr an, das bedeutet es ist schon der Dreißigste, es ist tatsächlich so weit. Vor einem Jahr war es genau, vor einem Jahr an meinem Geburtstag. Ein Tag, an dem ich begann die Tage zu zählen, denn alle anderen schenkten mir irgendetwas, aber du, du schenktest mir Nervengas. Ich habe es tatsächlich ein Jahr ausgehalten, aber die Finsternis hat sich nicht erhellt und der Schmerz reißt immer noch tiefe Löcher, noch tiefer als zuvor. Das L deines Namens steht seit einem Jahr nicht mehr für Liebe, sondern für Leid.
Dein letzter Satz schwirrt schon wieder in meinem Hinterkopf umher „Versuch damit zu leben“. Ich habe es ein Jahr lang versucht aber das Ultimatum ist abgelaufen. Noch ein tiefer Schluck. Wenn ich das Foto im Kerzenlicht hin und her wende, sieht es so aus, als würdest du dich bewegen. Du bewegst dich so schön wie einst, so anmutig. Es hilft nichts, ich muss dein Bild den Flammen opfern und mir einen Gefallen tun. Dein Gesicht entfacht sich und wird dunkler und dunkler, Schönheit verbrennt doch, aber das Feuer an meinen Fingern verursacht nur einen winzigen Schmerz im Vergleich, zu dem, der meinen Verstand verbrennt. Nun bleibt nur ein Weg, ich muss die kleine Holzkiste aufmachen. In der Innenseite ist das Datum, das ich vor einem Jahr eingeritzt hatte. Das Bild ist verbrannt, nun muss nur noch das Bild aus meinem Kopf heraus. Ein tiefer Schluck, die Flasche ist leer. Das kalte Metal, das sich seinen Weg in meinen Mund sucht, vermischt sich mit dem Nachgeschmack vom Jim Beam.
Der Hahn spannt sich, ein Klicken, in meinem Kopf hallt es nach. Der Mond scheint zu weinen, oder ich tue es, ja ich tue es tatsächlich und die Träne drückt den Abzug, wenn sie mein Kinn verlässt. Es dauert, es sind Stunden, in denen sie meine Wange herunterläuft, sie läuft, sie erreicht mein Kinn, sie will fallen, mein Zeigefinger zittert und will sich endlich krümmen. Fall doch endlich, fall... sie fällt, fällt auf meine Hand, mein Finger zuckt, leb wohl.

 
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Hallo Freak!

Vom Stilistischen hat mir Deine Geschichte ganz gut gefallen, Deine Erzählweise, das Flüssige, finde ich sogar sehr gut.

Womit ich etwas Probleme habe, ist der Inahlt Deiner Geschichte.
Selten genug, daß jemand tatsächlich in einer kaputten Beziehung einen Grund für Selbstmord sieht, geschieht es im Fall Deines Protagonisten sogar über ein Jahr geplant und dann noch, nachdem er begonnen hat, es zu verarbeiten, indem er ihr Foto verbrennt - das kommt mir irgendwie sehr unwahrscheinlich vor. Allerdings ist ja auch der Alkohol mit im Spiel, könnte man sagen - nunja, kann jemand wirklich von einer kaputten Beziehung so tief fallen, daß er solch einen Plan ausführt? Ich glaube nicht einmal, daß man von einer zerbrochenen Beziehung sich so extrem in den Alkohol flüchtet, daß man dann nicht mehr weiß, was man tut und den Plan deshalb geistesabwesend ausführt. - Ich finde keine Erklärung, warum Dein Protagonist sich nicht sagt, daß er eigentlich gar keinen Grund mehr hat, jetzt, wo er das Foto verbrannt hat...?
Laß ihn doch einen kurzen Moment der Besonnenheit erleben und die Pistole wieder aus dem Mund rausziehen, laß ihn von mir aus die Kugeln in die Zimmerdecke jagen oder sonstwohin, damit er sich abreagiert, aber laß ihn nicht so einen Blödsinn machen... ;)

Aber ich möchte noch einmal betonen, daß mir die oben erwähnten Punkte tatsächlich sehr zugesagt haben. Von Deiner Erzählweise werde ich sicher demnächst ein anderes Thema kosten, mal schaun, wie das dann schmeckt! ;)

Zwei Dinge wollte ich noch anmerken:

"entgültig"
- endgültig (kommt von Ende)

"2.45 Uhr"
- zwei Uhr fünfundvierzig - (bitte Zahlen immer ausschreiben, solange sie keine Endloswurst ergeben - das sind Geschichten, keine Geschäftsbriefe)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo Susi (wenn ich so sagen darf)
Freut mich, dass dir meine Art zu Schreiben zusagt.
Sicher währe es harmonischer und optimistischer gewesen, wenn der Protagonist einen anderen Entschluss gefasst hätte, doch die Geschichte sollte zum Ausdruck bringen, dass eine verlorenen Liebe und damit manchmal auch ein verlorenenr Grund zum Leben, einen Menschen zu Grunde richten kann. Das dies nach einem Jahr passiert ist in dem Fall nicht unwarscheinlich, sondern eine Galgenfrist, die er sich selbst gesetzt hat. Ihm ist bewusst geworden, dass es in diesem einen Jahr nicht besser geworden, sondern nur bergab gegangen ist, das passiert. Das Foto hat er nicht als ersten Schritt der Verarbeitung verbrannt, er wollte das nichts von all dem über bleibt, nicht einmal seine Erinnerungen. Als letztes sei noch gesagt, dass ich Geschichten aus dem Bauch und dem Herzen heraus schreibe und deshalb auch ein wenig davor zurückschrecke sie wie ein Mathematiker zu betrachten und zu analysieren, deswegen würde ich eine Geschichte auch nie um der besseren Lesequalität wegen umschreiben.
Also nochmal danke für deine Antwort.

 

Hey Freak!

Erzählt ist das Ganze sehr flüssig, es gelingt Dir, Athmosphre aufzubauen. Toll!
Und ich glaube auch, dass es Meschen gibt, die über die Beendigung einer Beziehung nicht hinwegkommen, einen Selbstmord versuchen... aber auch mir kommt der Schluss zu promt. Er ist nicht nachvollziebar für mich, kommt zu überraschend, wird nicht genug vorbereitet, finde ich.
Zum Thema "überarbeiten": ich denke, jeder von uns hier schreibet "aus dem bauch raus", die wenigsten werden ihre storys am Reißbrett entwerfen. Aber Rechtschreib- oder Grammatikfehler stören einfach!! Und wenn sie Dir jemand raussucht, freu Dich doch. Einmal kurz editieren, davon verändert sich Deine Geschichte, ihre Aussage, Dein Stil nicht!! NUr die potenziellen Leser freuen sich...
Ist bei Dir nicht so krass, aber wenn ich anfang eine Geschhichte zu lesen, die voller Fehler ist, dann hör ich manchmal auf zum lesen! Die kann inhaltlich noch so gut sein, aus dem Bauch raus, die Fehler nerven einfach!

Liebe Grüße , Anne :)

 

Tach Maus. Ich muss dir Recht geben, zu viele Rechtschreibfehler sind schon störend, Rechtschreibung war aber noch nie eine Stärke von mir.
Freut mich, dass ich ein wenig Athmosphäre im Text vermitteln konnte, es fällt nicht immer leicht die Emotionen aus dem tiefsten Inneren, durch den Arm in die Hand auf das Papier zu bringen, meist geht eine Menge verloren.
Nochmals Dank für deine Antwort (Verneigung)

 

o viel Schönheit kann man nicht verbrennen und es ist das letzte Foto.
Da ist es und der Traum wird wieder deutlicher.

in beiden fällen - vor "und" ein komma, weil ein hauptsatz folgt.

Erstmal
erst mal

Mein Verstand sagt ja, aber mein Herz sträubt sich, so viel Schönheit kann man nicht verbrennen und es ist das letzte Foto.
vor "und" ein komma; vor "so viel" anstatt komma ein semikolon.

und endgültig, wie susi bereits sagte.

hi freak,

dein erzählstil ist wirklich gut. selten zuvor habe ich "scheisse" als wort in einer geschichte gelesen und es als passend empfunden.

ein mann, der über den bruch seiner liebe selbst nach einem jahr nicht hinweg kommt, versucht sich mit alkohol zu betäuben und begeht zumindest gedanklich selbstmord. (in der geschichte steht ja nicht ausdrücklich drin, dass er wirklich abgedrückt hat)
ja, ich schreibe "gedanklich". auch wenn du jetzt explizit in deiner gegenkritik geschrieben hast, dass es ein durchgeführter selbstmord ist.
zu allererst, ich glaube, dass nur ein mensch, der das einmal erlebt hat, von seiner liebe (also liebe - mehr als verliebtsein) verlassen worden zu sein, so eine geschichte emotionalgetreu schreiben kann.
ja - liebeskummer kann jahre dauern. das ist das problem, mit der zeit stirbt nicht zwangsläufig die liebe. die todessehnsucht ist nachdem verlassen worden sein völlig normal. wenn die liebe dann nicht stirbt, stirbt auch die todessehnsucht nach einem jahr nicht.
grundsätzlich möchte ich susi hier UNBEDINGT recht geben, das ende ist beknackt *sorry*! zum einen ist es gewöhnungsbedürftig, denn auch wenn die todessehnsucht geblieben ist, ein selbstmörder macht es aus einer empfindung heraus, er setzt sich nicht auch noch ziele. der prota hat sich das ziel gesetzt, ein jahr zu warten. das funktioniert nicht. ein selbstmord geschieht aus einer hoffnungslosigkeit. die hoffnung starb aber schon vorher - und sie würde auch nicht genau nach einem jahr sterben. zum anderen - ok, du schreibst aus dem bauch heraus - aber man setzt mit geschichten auch zeichen. ich schreibe zum ersten mal in einer kritik, dass ein autor seine intention ändern sollte. ja, freak - gib den menschen ein zeichen, dass das leben zwar scheisse ist, so wie es für den prota ist, aber er setzt die waffe wieder ab steht auf und tut irgendetwas sinnvolles - wegen mir auch etwas fürs allgemeinwohl.
das ist meine persönliche meinung.
und noch etwas zum thema, der prota hätte sich nach einem jahr wesentlich weniger schlecht gefühlt, wenn er das foto vor einem jahr schon verbrannt hätte.
und ja - ich weiss, wovon ich spreche!

fazit: sehr guter schreibstil in dieser geschichte, sehr gutes thema, gutes einfühlungsvermögen - aber dennoch eine geschichte, die unbedingt ein wenig sonne am ende braucht. (m.e.)

bye
barde

 

Hi Barde. Erst einmal Dank für deine umfassende Kritik. Es ist bewegend, wenn sich Menschen so intensiv mit dem Text auseinander setzen, besonders, da mir die Geschichte sehr am Herzen lag und liegt.
Der Ansatz des gedanklichen Selbstmordes ist in vielerlei Hinsicht interessant und überlegenswert.
Jetzt zum Punkt des Zwiespaltes: Ich habe bemerkt, dass sich die Leser dieses Textes nach einem harmonischerem Ende sehnen, was auch durchaus verständlich ist, aber es geht nicht (tut mir leid).
Um des Happy Ends Willen kann ich das Gefühl, welches die Motivation zu der Geschichte gegeben hat, nicht ändern.
Ich bedaure es zu tiefst, wenn ich den Menschen da Draußen kein "Zeichen" geben konnte (zumindest kein positives) aber das hieße mich verstellen zu müssen, und obwohl dies jeder von uns täglich mit viel Hingabe tut, ist es mir auf diesem Gebiet nicht möglich.
Ich hoffe trotzdem, dass ihr weiterhin meine Geschichten lesen mögt.
Mit den allerbesten Grüßen: Freak

 

Hi Freak,

ein schöner Tränenaugenblick, gut erzählt. Mir gefällt deine Art zu schreiben. Sie ist kompromisslos. Mach so weiter.

Liebe Grüße - Aqua

 

Danke Aqualung!
Willst du garnichts zum Ende der Geschichte schreiben? Ist sie für dich etwa so O.K. ? (unglaublich)
Ihr versteht hoffentlich alle Spass, eure Kritiken sind für mich weiterhin von unschätzbarem Wert.
Wie funktioniert das eigentlich mit den Smilis?

 

freak, wenn du antwortest, dann klicke links im text einmal auf: "hier"

du wirst dann zum erweiterten antwortenmodus geführt.
dort stösst du förmlich auf die smilies :)

bye
barde

 

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