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33-Liebe, die ungehörten Zeichen!
Es war mal wieder einer dieser monotonen Tage. Die Hausarbeit war längst erledigt, der tägliche Gang zur Arbeit wie immer der Selbe und auch sonst ist nicht viel los gewesen. Ein kleines Highlight war der biedere Mann vor einer Haltestelle, irgendwo in einem unbedeutenden Kaff, der hektisch mit seiner Aktentasche rangierte und beim Versuch den eiligen Bus zu betreten stolperte.
Einige der Fahrgäste haben geschmunzelt, doch die restlichen Wegbstreiter nahmen keine Notiz davon. Ich fragte mich wieso ihm keiner half, als sich seine Aktentasche öffnete und scheinbar wichtige Unterlagen davon schwebten. Die Frage erübrigte sich schnell, denn auch ich blieb einfach auf meinem hart erkämpften Platz sitzen, machte keine Anstalten und tat so, als würde mich die Zeitung meines Sitznachbarn interessieren.
Angekommen auf meiner Arbeit machte ich mich zügig an die Bearbeitung verschiedener Rechnungen und nahm gelangweilt Anrufe entgegen. Ich hasse meinen Beruf und tue mich schwer damit mir immer wieder zu sagen:“Das ist ja nur ein Job!“. Immerhin macht dieser ¾ des Tages aus, die Fahrt mit einberechnet und nach fünf Tagen Schufterei bleibt nur das Wochenende...die Urlaubstage mal ganz außen vor gelassen. Jeder ist seines Glückes Schmied und ich habe mich nie richtig bemüht mich beruflich umzuorientieren oder meine Freizeit sinnvoller zu gestalten, als mir eine Lunte ins Gesicht zu stecken, um irgendwann einzuschlafen. Soziale Kontakte pflegte ich zu der Zeit wenige und verließ kaum das Haus.
An einem stürmischen Morgen sah ich wie so oft auf dem Balkon stehend in den verwachsenen Garten. Eine unruhige Nacht hatte mich dazu gebracht bereits früh das Bett zu verlassen. Die Vögel schwirrten aufgeregt durchs kahle Gestrüpp-es war Herbst und ein kalter dazu. Nachdenklich schauten mich die Wolken an, zogen aber vom Wind gepeitscht zügig vorbei. In der Nacht schlugen die Äste wie wild gegen die Fassade meines maroden Hauses, was mich immer wieder aufschrecken ließ... begleitet von einem seit Jahren immer wiederkehrenden Traum, an den ich mich beim Erwachen nicht mehr erinnern konnte. Ein unbehagliches Gefühl, welches mir nur dieser mysteriöse Traum zu geben schien machte sich in mir breit. Irgendetwas war heute anders. Als das Telefon meine Gedanken jäh unterbrach schlenderten meine Beine wie von selbst wieder ins Haus und ich schloß die Tür.
Der Joint vom Vorabend war noch zu Hälfte da und lachte mich aus dem Aschenbecher schielend aus. Er war der Grund für meine Erinnerungslücken und das Ausbleiben meiner Träume in der letzten Zeit, aber was hätte ich schon träumen sollen? Grinsend steckte ich ihn an und lauschte in die Stille. Ab und an klopften die Äste durch den Wind getrieben an mein Haus,die Fenster und die Tür.
Die Tür? Ich überlegte kurz...ein kalter Schauer durchlief meinen Körper. Seit Jahren nahm ich diese Klopfgeräusche wahr, doch befand sich nicht ein einziger Baum auf meinem Grundstück. Die Vormieter hatten alles Grün entfernt und stattdessen kleine, hässliche Büsche gepflanzt. Da das Haus am Ende einer Sackgasse stand brauchte man kaum Sichtschutz. Hastig entsorgte ich den berauschenden Glimmstengel und schlich zur Tür. Es rummste kräftig an der Fassade und oben an den Fenstern, die wie gewöhnlich durch die Jalousie zusätzlich verschlossen waren. Kerzenlicht war mir schon immer lieber gewesen, den hässlichen Garten konnte ich noch nie leiden und auch sonst gab es draußen nicht viel zu sehen. Die Gedanken strömten, meine Synapsen glühten, doch keine meiner Erklärungen für die Klopfgeräusche an meinem Haus ergaben auch nur ansatzweise einen Sinn. Das unbehagliche Gefühl, das ich schon so oft aus meinen Träumen in die Realität brachte trat plötzlich wieder ein und das Klopfen verstummte. Man konnte nur noch das leise Summen einer Fliege und die entfernt klingenden Sturmgeräusche hören.
Ich erschrak heftig,als es exakt 33 mal an meine Tür bollerte. Jeden Schlag dagegen zählte ich innerlich mit..nun kamen zur Fliege und dem Sturm mein rasender Herzschlag dazu. Panisch ergriffen meine Hände die Axt neben dem Kamin. Sie war nicht groß, stumpf und der Holzgriff morsch, doch sie verlieh dennoch Sicherheit. Ich schien zur Tür zu schweben, gefangen in meinem Körper, der meine Befehle gänzlich ingorierte und wie von selbst zur Tür wankte. Meine Hände zitterten und griffen zur Klinke, drückten diese langsam hinunter und ich riß die Tür mit einem heftigen Schwung auf, die Axt drohend in der Luft schwebend. Meine Augen konnten niemanden erblicken, so sehr ich mich auch umsah. Erleichtert und trotzdem voller Panik, wieder eine Erklärung suchend ging ich entkräftet zurück ins Haus und zog die Tür schnell hinter mir zu. Der Sturm hatte bereits nachgelassen, doch die Kälte in meinem Haus war unerträglich. Da ich die Axt bereits in den Händen hielt machte ich mich daran den Kamin zu befeuern und versuchte den zerquetschten Joint wieder gerade zu biegen-vergebens.
Beim Versuch den Kamin zu entfachen wurde mir wieder mulmig zumute, das komische Gefühl kehrte zurück. Ein Bild aus vergangenen Tagen thronte auf dem Kamin und erinnerte mich an eine bessere Zeit. Es beruhigt mich immer, doch heute brachte es mein Herz fast zum Stehen. Der Glasrahmen spiegelte eine kleine Gestalt, die hinter mir auf dem Sofa Platz nahm. Sie hatte lange zerzauste Haare, kaputte Strumpfhosen und einen ärmlichen Mantel an. Ich schätzte sie auf etwa 14Jahre, doch mein Verstand fuhr Querstraßen.
Ich drehte mich langsam um, die Gestalt hob ihren Kopf und ich blickte in sehr traurige, glänzende Augen. Der Gesichtsausdruck strahlte dennoch eine gewisse Zufriedenheit aus. Wie kommst Du in mein Haus und wer bist Du? Hast Du an meine Tür geklopft? Die Gestalt senkte ihren kleinen Kopf, raufte sich die Haare und begann zu weinen. Sie weinte drei Tage lang und drei Nächte. Ich blieb neben dem Kamin sitzen, fragte sie hin und wieder nach ihrem Befinden und hatte bereits ein kleines Menü, bestehend aus Keksen, Butterbroten und einer heißen Kanne Tee vor sie auf den Tisch gestellt. Ich war mir mitlerweile sicher, dass keine Gefahr zu erwarten war. Am dritten morgen verstummte sie gänzlich und begann sich über die Kekse herzumachen. Mit freudigen Augen nahm ich auf einem Sesselchen gegenüber Platz und begann mir eine Haschpfeife zu stopfen. Die Gestalt lächelte nun und im Schein des Kaminfeuers konnte ich ihr weiches,freundliches Gesicht erkennen. Die Haare hatte sie aus ihrem gesicht gestreift und lächelte mich durchdringend an. Die Pfeife war Einsatzbereit, doch ich zögerte noch einen Moment, bevor die Glut knisternd die Stille durchbrach und sich der Raum mit einem süßlichen Duft füllte. Das Lächeln der Gestalt verschwand und sie saß plötzlich auf meinem Schoß.
Ich erschrak und die Pfeife fiel fast auf ihre Beine, als ich sie ansah und bemerkte, dass sie mindestens dreißig Jahre alt war. War sie innerhalb von sekunden gealtert? Wie kam sie auf meinen Schoß? War doch mehr in der Pfeife als nur Hasch? Wie konnte sie so schnell wachsen? Die Gedanken rasten und das unbehagliche Gefühl schoß wieder durch meinen Körper, doch ich war mir immernoch sicher, dass keine Gefahr bestand. Die Gestalt begann mit einer sanften Stimme zu mir zu sprechen. Der Raum um uns verblaßte, das Sofa,das Sesselchen, der Kamin...alles löste sich langsam auf und wir begannen zu schweben, als sie mir plötzlich einen Kuß gab, der uns noch höher steigen ließ. Wir schwebten höher und höher, die Wolken lachten uns entgegen, der Sturm war verflogen und die Sonne lachte. Ich wusste nicht wie mir geschah, doch mein Herz war voller Freude.
Im nächsten Moment roch ich wieder den süßlichen Geruch meiner Haschpfeife, die ich immernoch in der Hand hielt, die Gestalt saß auf meinem Schoß,ich auf dem Sellselchen, das Kaminfeuer tanzte und sie flüsterte mir ins Ohr.
Seit Jahren beobachte ich dich, verfolge deine Wege, fahre im gleichen Bus wie du und stehe oft vor deinem Haus. Ich klopfe an die Fassade deines Hauses, rüttle an den Fenstern und reise in deine Träume. Du hast mich nie bemerkt, warst immer wie in Trance, zu geschafft vom Alltag und zu sehr mit deinen Nöten beschäftigt. Was ich auch tat, du konntest mich nie sehen, doch all meine Versuche dich zu erreichen sollen mit diesem Tage zuende sein. Das unbehagliche Gefühl, welches du aus deinen Träumen mit in den Alltag nimmst ist nichts anderes, als dein Herz, auf dass du bereits vor Jahren aufgehört hast zu hören. Es zeigt dir deine Träume, Sehnsüchte und tiefsten Gedanken, doch du warst zu berauscht und unglücklich, hast nur funktioniert. Heute war alles anders, du bist erwacht und hast zugehört. 33 mal klopfte ich an deine Tür, denn dies war der einzige Weg deine Aufmerksamkeit zu erreichen. Genau vor 33 Jahren hast du aufgehört dein leben zu leben. Die Erinnerung auf deinem Kamin schmerzte dich zu sehr, ich schickte Botschaften, die du nie zu verstehen versucht hast. Deine suche hat ein Ende und du wirst wieder glücklich sein. Ich bin die Liebe, die dich so sehr enntäuschte und dich dennoch nie aufgab. Ich bin dein Herz,deine Seele und dein Verstand im Einklang.