3+1
Lautes Geschrei. 5.Klässler, die ausgelassen Fangen spielten. Ältere Schüler, die mit ihren Umhängetaschen in Kreisen standen und sich teils lachend unterhielten. Mittendrin ich. Suchend. Ich rolle den Zettel in meiner Hand nervös immer wieder zusammen und auseinander. Bahne mir meinen Weg durch die Menge. Hin zur Cafeteria. Niemand. Sie war voll. Doch trotzdem. Niemand, den ich suchte, war dort. Zusammen gepresste Lippen, aufgerissene Augen. Ganz ruhig! Gerade Haltung, geh langsamer! Du bist nicht auf der Suche, du bist stark, du bist unabhängig! Ein vorsichtiger, prüfender Blick quer durch die Pausenhalle. Nein, auch hier waren sie nicht. Dann eben auf dem Pausenhof. An den Stufen! Da saßen welche. Haltung! Sei gelassen! Beim Vorbeigehen ein Lächeln. „Hey, habt ihr die anderen gesehen? Nein? Naja, ich finde sie schon.“ Ein angestrengtes Lächeln.
Vielleicht… Ich gehe ums Gebäude herum. Die Südseite. Die Sonne scheint. Es ist Sommer geworden. Bald gibt es Ferien. Dann ein neues Schuljahr, neue Klassen. Zum Glück. Da sitzen sie! „Hey! Ihr wart einfach weg, ich musste doch nur schnell ins Sekretariat. Aber ist auch egal. Wie schön warm es ist.“ Ich setze mich dazu. Daneben. Eine vernuschelte Antwort.
„Habt ihr die neue Frisur von der aus der a gesehen?“ „Schrecklich!“ „Haha, das sieht aus, wie als ob sie einen Zopf gemacht hat und den dann abgeschnitten hat.“ „Seitdem die nicht mehr mit ihrem Freund zusammen ist…“ „Ja das ist klar, deshalb die neue Frisur!“ „Aber er war auch ein Arschloch, er hat sie zweimal betrogen.“ „Ja so ist der, aber sie ist auch irgendwie komisch.“ Über wen genau reden sie eigentlich? Nichts anmerken lassen! Sag auch etwas! Irgendwas! „Also ich war ja letzten Samstag auf der Party und da hat sie die ganze Zeit nur an ihm drangehangen, sie integriert sich einfach nicht in seinen Freundeskreis.“ Das hättest du auch sagen können! Nur dass du nicht auf der Party warst. „ Also ich kann ihn schon verstehen, dass er Schluss gemacht hat.“ „ Immerhin, aber trotzdem, dass er sie betrogen hat. Auch noch zweimal!“ „ Es heißt, sie hätte ihn nicht rangelassen.“ „ Ja habe ich auch gehört. Also ich würde ihn auch nicht ranlassen. Er ist und bleibt ein Arschloch!“ Du hast schon wieder nichts gesagt! Beteilige dich doch am Gespräch! Und hör auf dir einzubilden, dass sie dich ausgrenzen! Ein Punkt. Ein Punkt an dem Baum, der 20m von uns entfernt steht. Ich fixiere ihn. Schon seit geraumer Zeit. Hör auf den Punkt anzustarren! Das wirkt nicht normal! Worüber sprechen sie eigentlich gerade? Toll, jetzt hast du den Faden verloren. Nachfragen? Nein! Tu normal! Und hör endlich auf den Punkt anzustarren! Naja. Eigentlich müsste auch mal einer was merken. Immerhin starre ich komisch ins Leere, wirke ich nicht abwesend? Wirke ich nicht so, als ob mich etwas bedrückt? Los, Mädels, jetzt fragt schon! Sie beachten dich nicht! Du bist ihnen egal! Realisier es endlich! Ach, quatsch! Hör endlich auf mit der Einbildung. „Wir müssen unbedingt mal wieder an den See gehen diesen Sommer!“ Na geht doch. Endlich hast du was Produktives gesagt. Zustimmendes Gemurmel. „ Ich weiß noch, wie ich letzten Sommer mit den Jungs am See gezeltet habe, als ihr im Urlaub wart, das war so lustig!“ „Ja glaub ich dir! Das müssen wir unbedingt dieses Jahr wieder machen und diesmal bin ich auch dabei!“ Sag dass du das auch toll findest! „Coole Idee!“ Immerhin! Aber du warst auch echt schon mal kommunikativer!
Es klingelt. Die Pause ist zu Ende. „Gehen wir rein?“ Sie stehen auf. Ich auch. Wir gehen in einer Reihe. Ich rechts außen. Die Tür. Vor uns. Nur von innen lässt sich der zweite Flügel öffnen. Jetzt ist er zu. Ich gehe schneller. Gehe vor den anderen durch die Tür. Drinnen, verunsichert. Ein Stück nach rechts, ein Blick nach hinten. Und wieder an die Reihe dran. Wir 4. Die Englischstunde steht bevor. Confidence. Das zeige ich allen. Ich bin ein Teil der Gruppe. Wieder eine Tür. Diesmal reagiere ich zu spät. Zu dritt laufen sie nebeneinander durch die Tür. Ich hinterher. Hinter der Tür ist es voller. Die Reihe fällt auseinander. Hintereinander nun, okay. Den Anschluss nicht verlieren! Die Treppe rauf. Oben ist mehr Platz. Die Reihe ist wieder hergestellt. Links außen nun eine andere. Rechts außen. Immer noch ich. Konzentrier dich! Sei Teil der Gruppe! Du läufst mal wieder außen? Zufall! Ich und meine Mädels gehen zum Klassenraum – wir. Freundinnen seit fünf Jahren.