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24/7
Ich wünschte, ich könnte mich öfter auf eine der oberen Etagen zurückziehen. Einfach nur ausruhen. Zwischen der dreißigsten und fünfunddreißigsten, wo sie seit Ewigkeiten herumwerken, wo viele Räume leer stehen. Kaum ein Mensch kommt dorthin, ein paar Monteure vielleicht.
Am liebsten würde ich natürlich aufs Dach. Doch da mache ich mir nichts vor: Das wird für immer ein Traum bleiben. Verdammt noch mal! Jetzt nicht sentimental werden – im Foyer, auf den Fluren, in den Gängen wird es hell! Es ist Montag, Punkt sechs Uhr. Die Pforten werden geöffnet. Eine harte Woche beginnt.
Seit der Lockdown beendet ist, hat die Belastung wieder zugenommen. Immer mehr Angestellte kehren vom Homeoffice zurück. Damit muss ich erst mal klarkommen. Wir sind schließlich alle ein wenig eingerostet während der Lockdown-Phase.
Vereinzelte Frühaufsteher treten ein. Schlaftrunken, gähnend auf das Handy schauend. Am schlimmsten wird es zwischen acht und zehn. Hektisch, eng, laut, stickig. Zum Glück haben sie vor Jahren Rauchverbot im gesamten Gebäude erlassen. Auch bei mir hängt so ein Schild.
Momentan sind wir nur zu dritt im Einsatz. Einer von uns ist am Wochenende ausgefallen. Er ist mein Jahrgang. Ich habe ihn stöhnen gehört, er war klapprig, kam kaum mehr hoch. Hoffe, nichts Ernstes. Mein letzter freier Tag liegt auch lange zurück.
Wenn es mir zu viel oder zu hektisch wird, stelle ich mich taub, gebe keinen Mucks von mir. Sollen sie doch zusehen, wie sie den Andrang ohne mich bewältigen wollen. Mensch, ich bin in einem Alter, in dem einige in den wohlverdienten Ruhestand treten. Bei einem Kollegen ging es Schlag auf Schlag. Ohne Vorankündigung arbeitsunfähig. Raus, ersetzt durch einen neuen. Die Erkenntnis, vielleicht nicht mehr viel Zeit zu haben, macht mich nachdenklich, melancholisch.
Ich will nicht nur meckern. Es gibt auch schöne, lustige und nachdenkliche Momente in meinem Berufsleben, die ich nicht missen möchte. Die pralle Blondine aus der Achtzehnten – bin schon aufgeregt, ob sie heute wieder kommt. Dienstzeit neun bis siebzehn Uhr, schickes Kostüm, vermutlich Sekretärin. Ungeniert zieht sie sich vor dem Spiegel die Lippen nach. Wenn sie sich unbeobachtet fühlt, der Höhepunkt: Sie schiebt ihr Umhängeband mit der Firmenkarte zur Seite, prüft ihr Dekolleté, rückt den Busen mehrmals gerade, klimpert mit den Augen und macht ein Duckface.
Ziemlich merkwürdig die Typen, die mit Zunge und Fingern versuchen, sich Essensreste aus den Zähnen zu pulen, in der Nase popeln. Oder die, die sich nichts zu sagen haben, obwohl sie sich schon seit Jahren begegnen.
Richtig unangenehm die Kerle, die den Bauch einziehen, den Frauen auf dem Hintern glotzen und ihnen nachgaffen. Die Fettwanste, zu faul, ein paar Stufen zu gehen und sich fahren lassen, – um dann selbst einen fahren zu lassen und so zu tun, als seien es andere gewesen.
Und einfach nur nervig die Leute, die das Spiegelglas betatschen, mit spitzen Gegenständen rundherum Kratzer verursachen, ihre Abfälle zurücklassen.
Jedes Mal mitfiebernd für mich, wenn Leute mit hohem Herzschlag und hoffnungsvollem Gesicht nach oben fahren. Sehne mir herbei, dass sie Erfolg haben, wissend, dass die meisten von ihnen nach nicht mal einer Stunde wieder herunterkommen und auf den Boden der Tatsachen landen. Ins Leere blickend, ahnend, ihre Zukunftspläne aufzugeben oder zu ändern.
Manchmal mache ich mir selbst einen Spaß. Lass die Leute drücken und drücken, noch heftiger drücken – und reagiere nicht. Oder sorge dafür, dass mal ein rotes, mal ein grünes Lämpchen aufpoppt. Öffne die Türen ganz langsam, nur einen kleinen Spalt breit. Und verschließe sie wieder, wenn sie gerade versuchen, durchzuschlüpfen. Ich würde am liebsten lauthals lachen, wenn ich nur könnte. Den Ärger bekomme nicht ich, sondern die völlig schuld- und ahnungslosen Techniker.
Wenn sie nur ahnten, dass ich mir heimlich Zugang zur Kamera, zum Mikrofon und zum ganzen System verschafft habe. Schönes Tauschmaterial unter den Kollegen – wir sind schließlich alle über das Intranet verbunden.
Das Material außer Haus zu schaffen stellt kein Problem dar. Ich würde es heimlich einem Techniker zuspielen, wenn er sein nerviges Prüfsystem oder Fehlerdiagnosegerät anschließt. Dann ginge es wahrscheinlich viral. Peinlich für die feinen Kerle in Nadelstreifen, mit Schlips und Krawatte, den Damen in ihren Hosenanzügen.
Was sollte mir schon passieren? Sie pappen vorne ein „Außer Betrieb“-Schild dran und ziehen mir sämtliche Strippen. Und nach einer Generalüberholung befördere ich wieder wie eh und je maximal 1020 Kilo oder 13 Personen. 24/7.