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VERGANGENHEIT
Die Sonnenstrahlen, warm und hell, liebkosten seine Haut, und die sanfte Stimme der Sängerin flüsterte leise Worte in sein Ohr. Ein Sommertag, ein Spätnachmittag, ein blauer Himmel mit schmalen weißen Wolkenbändern, die weit entfernt ihre regenlosen Bahnen zogen, und ein Mensch auf einer Wiese, vom Schatten eines hohen Baumes nur gestreift. Die Augen geschlossen, im Gras versunken, das Summen von Insekten, der Duft von Leben und Natur. In der Ferne Meeresrauschen. Schon seit fünf Stunden lag er an dieser Stelle, weit entfernt vom Haus und von der Straße.
Zu Beginn hatte er noch eine Stoffdecke unter sich gespürt, ein T-Shirt und eine kurze Hose getragen und gar nicht vorgehabt, so lange einfach nur zu liegen. Er hatte sein Tagebuch dabei und gehofft, heute endlich wieder viel zu schreiben, Geschichten, Gedichte. Einfach kreativ sein. Doch schnell hatte er gemerkt, wie das Wetter ihn einerseits müde, andererseits auf eine angenehme Art unruhig machte, und dass er gar keine Lust mehr zum Schreiben hatte. Also hatte er das Buch und den Stift beiseite gelegt und sich dem Wetter ergeben. Irgendwann kam es ihm falsch vor, sich mit der Decke vom Erdboden abzugrenzen. Er verspürte den immer stärker werdenden Wunsch, mit seinem ganzen Körper den Planeten zu berühren, auf dem er nun schon seit fast zwei Jahrzehnten lebte. Keine Menschen... Kein Grund, sich zu verstecken, sich zu schämen...
Bei dem Gedanken, sich auszuziehen und nackt ins Gras zu legen, kribbelte es überall in ihm. Da war eine leise Angst... Was, wenn...- Ja, was? Nichts...
Lächerliche Schüchternheit. Er schüttelte ganz bewusst mit dem Kopf, legte die Decke zusammen, entkleidete sich vollständig und ließ sich vorsichtig auf den Rücken nieder. Das Gras piekte in seine Haut, doch schnell spürte er diesen kleinen Schmerz nicht mehr. Er schloss wieder die Augen, ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. Sie fühlte sich gut an, die Erde... Weich und warm, und sie schien vor Leben zu vibrieren. An seinen Fußsohlen kitzelten schmale Grashalme und die Beinchen kleiner Insekten, die an ihnen entlangkrabbelten, und von Zeit zu Zeit kühlte eine schwache Brise seine erhitzte Haut. Nach wenigen Minuten öffnete er seine Augen wieder. Er sah die Sonnenscheibe noch hoch am Himmel stehen, sich aber langsam auf ihren Untergang vorzubereiten.
Er stellte sich eine unsichtbare Linie vor, wie ein dünner Faden, der von ihr nach unten gespannt war und zur Erde führte ? direkt durch seinen Körper... Nein, nicht hindurch... vielmehr teilte er sich an ihm in tausend weitere Fäden, die ihn einhüllten und die sich unter ihm wieder zu einem vereinten... Würde jemand am oberen Ende daran ziehen, würde sich sein Körper in die Luft erheben... Gehalten von Gaia und Uranus - von Mutter Erde und Vater Himmel...
Seine Arme würden locker herunter hängen, sein ganzer Körper entspannt... ganz vertrauensvoll... Er lächelte, dann seufzte er glücklich. Es war so schön hier, an diesem Ort, an diesem Tag... Ein Jucken hinter seinem rechten Ohr, ein kurzes Kratzen, dann war es wieder verschwunden.
Seine Hand berührte die Wange, glitt langsam und wie von selbst den Hals hinunter und kam auf seiner rechten Brustwarze zum Liegen. Die Augen waren nun wieder geschlossen, jetzt, da er so sicher in den Armen seiner Eltern - seiner wahren Eltern - ruhte. Daumen und Zeigefinger der Hand fingen ganz unschuldig damit an, die umliegende Gegend seines Oberkörpers zu streicheln. Sehnsucht in ihm... Er spürte, wie sich das bisherige Kribbeln zu starker Erregung veränderte. Sein Herz pochte lauter, sein Streicheln verlagerte sich in andere Regionen. Es war ein ganz neues Gefühl, sich in freier Natur seinen Gefühlen hinzugeben, und das anfängliche Unbehagen - wer weiß, ob ihn nicht doch jemand beobachtete? - verschwand. Die Vorstellung, nicht allein zu sein, verstärkte den Kitzel jetzt sogar, und während aus seinem leicht geöffneten Mund fast unhörbare Laute drangen, wurde der Rhythmus seiner Bewegung immer schneller. Nach kurzer Zeit - er spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde - drehte er sich auf den Bauch, spannte all seine Glieder an und rieb sich in steigendem Tempo und mit kreisenden Bewegungen an der Welt unter ihm. Er presste seinen Körper ganz dicht an das Gras, seine Fingerspitzen drangen in den Boden ein und der Duft und Geschmack der Natur und die Nähe zu ihr waren so intensiv wie nie zuvor in seinem Leben. Im Moment des höchsten Glücks kam es ihm vor, als würde er mit der Erde selbst schlafen, als würde er jeden Menschen, jedes Tier und jede Pflanze in sich spüren, und er kostete dieses Gefühl bis zum Ende aus. Hinterher entspannte sein Körper sich, und Arme und Beine weit von sich gestreckt schlief er ein.
Doch nicht lange, und er wachte wieder auf. Er hatte etwas gespürt, etwas ungewöhnliches, und leicht erschrocken setzte er sich auf. Seine Augen wanderten nach links und rechts, dann blickten sie auf einmal in das Gesicht einer Frau, die ihn mit einem wissenden Lächeln anschaute. Panisch wollte er nach seiner Kleidung greifen, doch irgendetwas an der Frau hinderte ihn daran. Sie sprach nicht, dennoch schien sie mit ihm zu reden. Sie schien mit der Stimme von hundertjähriger Erfahrung zu sprechen... zu denken vielmehr, und er sah ihre Gedanken als Klänge und Bilder vor einem inneren Auge. Ebenso stumm antwortete er ihr, und dieses lautlose Gespräch kam ihm immer mehr wie ein Traum vor.
"Nein", sprach sie auf einmal, und diesmal kamen Töne aus ihrem Mund. "Wenn du es für eine Illusion hältst, dauert es nicht lange... Es verschwindet. Glaube an mich, und ich existiere. Verleugne mich - und du wirst mich verlieren." Doch er begriff nicht. Erkannte nicht, dass sie sich immer weiter von ihm entfernte, je stärker seine Zweifel wurden. Verstand nicht, was sie ihm zu schenken bereit war. "Glaube an mich..." Ihre Stimme wurde leiser, ein schwaches Flehen war darin zu hören. Er versuchte, sie aufzuhalten, doch all seine Bitten hatten keine Wirkung - weil er nicht an sie glaubte, nicht aus dem Innersten seiner Seele heraus. Schließlich war sie zu einem Schatten geworden, und wenige Augenblicke später war auch dieser verschwunden.
Er dachte noch lange über diese seltsame Begegnung nach... So sie denn stattgefunden hatte. War sie nicht nur Einbildung gewesen? Ein Traum vielleicht? Doch es war so real... Auf einmal schien Melancholie sein Herz einzuschnüren...
Wie gern hätte er sie berührt... Wie gern hätte er mit ihr gesprochen, ganz egal ob sie nun existierte oder nicht... Noch immer war er zu blind einzusehen, dass sein Glaube sie in diesem besonderen Moment, in dem ungeahnte Kräfte in ihm aufgestiegen waren, erschaffen hatte, und dass seine Zweifel sie vertrieben hatten, als das Denken, die Vernunft wieder die Oberhand gewonnen hatten.
Irgendwann, nach vielen Monaten, vergaß er diesen Nachmittag, doch von diesem Tag an war seine Seele nie mehr ganz frei von Traurigkeit.
GEGENWART
An einen Stahlpfeiler gelehnt wartete Paul auf die U-Bahn. Es war kalt, es war spät und er wollte endlich wieder nach Hause. Seine Augen schauten immer wieder nach links und nach rechts, und sobald sie auf Menschen trafen, stieg Verachtung in Paul hoch. Wie gleich sie alle aussahen... wie oberflächlich ihr Lachen, ihre gute Laune wirkte...Ein leichter Windstoß kündigte das Herannahen des Zuges an.
Niemand reagierte. Sie starrten unbeteiligt vor sich hin, und als der Zug zum Stehen kam, setzten sie sich wie hypnotisiert in Bewegung und bildeten Menschentrauben vor den zu engen Türen. Nur mit Mühe gelang es den Passagieren, die aussteigen wollten, die Bahn zu verlassen. Paul wartete nun ebenfalls vor einer Tür. Sein genervtes Seufzen und der generell missmutige Gesichtsausdruck gaben sich keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen.
Oh, wie kalt hier alles war...Die Leute hatten sich auf die alten, mit braunem Kunstleder überzogenen Bänke niedergelassen, saßen sich gegenüber, doch ignorierten sie einander. Bewusste Blicke zu Boden oder an die Decke, wo gelbes Kunstlicht es nicht schaffte, die Illusion von Wärme zu erzeugen. Paul blickte aus dem Fenster. Es war nichts zu sehen, aber das war der Grund, warum ihn die Dunkelheit so anzog. Keine Menschen. Nur eine lange schwarze Röhre, mit öligen Kabelsträngen an den Wänden und der Menschenwelt über sich...Der Zug verließ den Tunnel. Er würde von nun an einige Kilometer oberirdisch weiterfahren, die Strecke würde über einige Brücken führen. Die sich in alle Himmelsrichtungen fast ins endlose erstreckende Stadt schimmerte im rötlichen Licht der untergehenden Sonne in geheimnisvollem Glanz, und die in der Ferne aufsteigenden Rauchwolken aus alten Kraftwerken oder Fabriken erweckten in Paul den Eindruck, durch eine bizarr-schöne Hölle zu fahren.
Er dachte gerade daran, wie er, endlich zu Hause angekommen, sich der warmen Umarmung des Wassers seiner Dusche hingeben und dann unter einer weichen Bettdecke verschwinden würde, endlich in Sicherheit vor den Abscheulichkeiten des Lebens, als ein Ruck durch die Bahn ging und der Zug stoppte. Paul rollte mit den Augen und knurrte innerlich. Er hasste Verzögerungen. Er hasste auch dieses Erstaunen und die Verärgerung in den Gesichtern der anderen Fahrgäste. Und nicht zuletzt hasste er seine beständig schlechte Laune.Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war er ausgeglichen und lebensfroh gewesen. Immer wieder bezaubert von der ihn umgebenden Natur. Freundlich zu den Menschen... Immer wieder so naiv, anzunehmen, sie könnten es einmal doch ehrlich mit ihm meinen.Vor gar nicht so langer Zeit war das gewesen...
Paul wusste nicht, wann seine Einstellung sich gewandelt hatte. Er kannte auch den Grund dafür nicht. Lag es einfach an der Einsamkeit, die er beständig und in immer schmerzhafteren Dosen vom Leben verabreicht bekam? War sie die Ursache für seine negative Sichtweise der meisten Dinge? Ursache - und Wirkung? Teufelskreis. Einsamkeit führte zu Verbitterung, Verbitterung zu Einsamkeit... Irgendeine diffuse Erinnerung schien ihm von Zeit zu Zeit zuzuflüstern, dass er einmal die Chance gehabt hatte, all das, was er nun als sein Elend bezeichnete, abzuwenden... Doch wann immer Paul versuchte, der Stimme ein Gesicht, eine Gestalt oder einen Namen zu geben, verblasste sie und verschwand in den hintersten Winkeln seines Geistes.
Andere Stimmen störten jetzt seine fast schon wehmütigen Gedanken. Die einsetzenden Gespräche der Menschen. "Was ist denn passiert?"-Fragen. "Wieso informiert uns niemand darüber, was geschehen ist?"-Empörungen. Paul stand auf, steckte seine Hände in die Taschen seiner dünnen schwarzen Jacke. Er lief den Gang entlang und trat zu dem freien Platz direkt vor der Tür. Er lehnte sich gegen eine Metallstange und sah hinaus.Der Zug war direkt auf einer Brücke zum Stehen gekommen. Eine schon fast ein Jahrhundert alte Stahlkonstruktion. Schwarz. Von dicken schweren Nieten zusammengehalten. Unzerstörbar. Das Himmelsrot wandelte sich zu einem schwarzen Blau... Paul drehte sich um, als der Gegenzug auf der anderen Seite der Brücke vorbeiraste - und ebenfalls anhielt. Wie seine Bahn blieb er auf der Brücke stehen. "Vielleicht gibt es ein Problem mit dem Strom", vermutete jemand.
Paul trat an ein Fenster seines Zuges heran und schaute in den anderen hinein. Hier wie dort das gleiche Bild. Gestresste Massenmenschen... Er wollte seinen Blick schon wieder abwenden, als er auf einmal etwas Aufblitzen sah. Etwas Unbekanntes, etwas nicht an diesen Ort gehörendes.Er sah genauer hin. Und erkannte eine Frau, die mit der linken Körperhälfte zu ihm gewandt stand und die von ihrer Seite der Brücke hinunterschaute. Das Blitzen gehörte zu einer Kette, die um ihren Hals gelegt war und deren Anhänger auf einem dunklen Oberteil ruhte. Wieso stand sie dort? Es waren genug freie Bänke in ihrem Wagen ? warum saß sie nicht auf einem der Plätze, wie die normalen Menschen? Und weshalb eigentlich starrten ihre traurigen Augen so gedankenverloren auf die Welt außerhalb der U-Bahn?
Wiederum empfand Paul Verachtung. Wie kam diese Frau dazu, es ihm gleich zu tun? Was für eine Rolle spielte sie da? Wahrscheinlich empfand sie es als eine Auszeichnung, die Melancholikerin zu geben! Bestimmt wollte sie Aufmerksamkeit erwecken! Menschen dazu bringen, von ihr fasziniert zu sein und auf sie zuzugehen! Einige Sekunden später bemerkte Paul, dass es, wenn es denn wirklich in ihrer Absicht lag, bei ihm schon ganz hervorragend gelungen war. Und noch schlimmer, dass sie genau das gleiche tat wie er selbst. Ob sie seinen Hass auf alles teilte? Nein... Sie sah nicht so aus, als könnte sie hassen...Pauls Herz schlug höher, als sie ihren Kopf umwandte und direkt in seine Augen blickte. Er wollte schnell wegsehen, doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Seine Augen waren von den ihren angezogen, und die Fensterscheiben änderten nichts daran, verstärkten im Gegenteil noch die Unwirklichkeit der Begegnung und forderten sie und ihn heraus, noch genauer hinzusehen. Er bemühte sich, Details des Anhängers zu erkennen. War es ein Kreuz? Ein Stern? Ein Mond? Er wünschte sich plötzlich, dass die Frau nähertrat. Und war etwas verwundert, dass sie es tat, genau in dem Moment, in dem er daran dachte. Ein Teil von ihm - der irrationale Teil - wollte schon einwerfen, dass das kein Zufall sein konnte - dieses "Treffen" auf der Brücke - dieses, ja, fast schon als Spiegelbild zu bezeichnende Gegenüber...
Doch schnell gewann noch einmal die Vernunft die Oberhand und äußerte sich in achselzuckenden "Zufälle gibt's"-Gedanken.
Die Frau war jetzt ganz dicht an ihr Fenster herangetreten. Leben, oder besser SEELE war in ihrem Gesicht zu erkennen... Verständnis... Paul fühlte Verwirrung in sich. Verwirrung über diesen "Zufall", Verwirrung über die Sympathie, die er der Frau immer mehr entgegenbrachte. Verwirrung über das instinktive Wissen, dass sie beide noch viel mehr Gemeinsam keiten hatten, als jetzt oberflächlich zu erkennen war. Verwirrung über den Wunsch, die Scheiben einzuschlagen und von Angesicht zu Angesicht mit ihr sprechen zu können. Pauls Puls raste, ebenso seine Gedanken, und seine Augen blickten sich im Wagen um. Niemand achtete auf ihn - typisch. Sicher würden die Züge gleich weiterfahren - und dann wäre diese Gelegenheit vergangen... Er sah aus dem Augenwinkel, wie die Frau auf der Unterlippe zu kauen begann - sie war nervös, weshalb? "Na, wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie du...", sagte ihm sein Gefühl.Mit einem schnellen und dafür sehr tiefen Ein- und Ausatmen zwang Paul sich dazu, in seine Jacke zu greifen, sein Notizbuch und seinen Stift herauszuholen. Noch immer führte er immer etwas zum Schreiben mit sich - doch nie mehr war er so kreativ gewesen wie vor der - - - vor...
Jetzt fiel es ihm ein! Diese Erinnerung, dieser Schatten in seinem Denken... Eine Wiese, im Sommer vor fünf Jahren... Eine Frau... Fast panisch schaute er in den anderen U-Bahn-Waggon. DIESE Frau? Sie sah etwas älter aus als damals, aber... Er hatte sie ganz vergessen... War sie nicht nur eine Einbildung gewesen? "Oh Gott", murmelte er immer wieder vor sich hin, während er sein Notizbuch auf einer leeren Seite aufschlug und in großen deutlichen Ziffern seine Telefonnummer aufschrieb. Dann hielt er das Buch gegen die Scheibe, damit die Frau es sehen konnte - und bemerkte, dass sie die gleiche Idee gehabt hatte und ihm ebenfalls einen Zettel mit ihrer Nummer entgegenhielt - und mit ihrem Namen. "Sara..." sagte Paul leise und musste unwillkürlich lächeln. Es war heute selten, dass das bei ihm aus wirklicher Freundlichkeit geschah und nicht aus Ironie oder Sarkasmus. Als die Frau das Lächeln erwiderte, wuchs seines noch mehr in die Breite, wurde ab und zu von einem ungläubigen Kopfschütteln begleitet. Und noch immer wurde er von den anderen Fahrgästen ignoriert.Er schrieb sich die Nummer der Frau auf, sie tat das gleiche mit der seinen. Gerade noch rechtzeitig, denn anscheinend war die Ursache für das Stehenbleiben der Züge nun behoben oder verschwunden, und die beiden Bahnen setzten sich gleichzeitig wieder in Bewegung.
Die Frau sah ihn noch ein letztes Mal an. Aufmunternd blickten ihre großen Augen, und er nickte ihr zu. "Na endlich", sprachen einige von Pauls Mitfahrern und er vermutete, dass im Zug der Frau ähnliches geschah. Die beiden Bahnen hatten sich nun getrennt und fuhren wieder ihrer Wege, doch zwischen Paul und der Frau bestand nun ein unsichtbares Band, und er war sich sicher, dass er anrufen würde.
ZUKUNFT
"If there's one thing I would clarify... one little thing I could justify... Is my love for you... my love for you..."
Die Sonnenstrahlen, warm und hell, wärmten seine von weichen Lippen liebkoste Haut und Saras Stimme füllte sein Ohr mit leisem Gesang. Ein Nachmittag im Sommer, und das Blau des Himmels versprach ihnen endlose Weite, so weit wie das Meer, dessen Brandung in der klaren Luft deutlich zu hören war. Die Zivilisation hatten sie am Straßenrand zurückgelassen - dort, wo auch ihr Auto stand und von wo sie mit nackten Füßen die Wiese entlanggeschritten und schließlich zu diesem Ort gelangt waren, im Schatten eines Baumes. Sie hatten nichts mitgenommen, nicht einmal ihre Tagebücher, und eine Decke benötigten sie nicht. Das Grün unter ihren Füßen, das schon lange nicht mehr piekte, lieferte Wärme genug. Auch keine Angst, dass die leichte Kleidung schmutzig werden könnte durch das Liegen im Gras - sie hatten sie längst abgelegt und lagen nackt beieinander.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal herkommen würde... Und dass du zurückkehren würdest..." Paul lächelte verträumt und blickte den in der Ferne dahinziehenden Wolken nach. Sara hatte einen Grashalm zwischen Zeigefinger und Daumen und strich damit über seinen Oberkörper. "Das kitzelt...", beschwerte Paul sich, ließ sie aber gewähren. "Ja?" Ihre Frage wirkte so naiv, so unschuldig, und wieder einmal erkannte Paul einen der vielen Gründe, warum er sie so liebte. "Ja!" rief er und rollte sich auf die Seite. Dann griff er mit den Händen nach Sara, bekam sie am Po zu fassen und zog sie zu sich herab. Er hielt sie fest und Sekunden später lag sie, schelmisch grinsend, unter ihm.
"Na? Und nun?", fragte sie herausfordernd und ihre Stimme hatte diesen so wundervollen ironischen Klang... "Ich liebe dich", flüsterte er und küsste sie auf den Mund. "Ich liebe dich." Erneut, und die Küsse wanderten tiefer. "Ich liebe dich... liebe dich..." Immer wieder diese drei Worte. Sara hatte die Augen geschlossen, genoss den Klang und die Berührungen. Pauls Zunge liebkoste ihre Brustwarzen, während seine Finger sich ihren tiefer gelegenen Regionen widmeten...
"Glaubst du jetzt an mich?", fragte Sara auf einmal, während ihre linke Hand sein Glied entlangstrich. Er hob den Kopf und erinnerte sich wieder an damals... War dabei für einige Momente wie erstarrt. "Warum zögerst du?" Ihre Stimme klang recht ernsthaft und ihre Finger bewegten sich nicht mehr. "Entschuldige... Ja, natürlich glaube ich an dich! So schön, wie du jetzt vor mir liegst - wie könnte ich da zweifeln?" Er lächelte. "Das hättest du schon viel früher haben können..." Ihre Stimme klang bedauernd. Und ein bisschen wie "Tja, selber Schuld." Was er natürlich war. Er hatte noch immer nicht vollständig begriffen, wie sie auf einmal vor ihm erschienen war, als er allein auf dieser Wiese gelegen hatte und mit sich und seinen Träumen beschäftigt gewesen war. Doch JETZT war sie bei ihm und nur das zählte.
Pauls Finger massierten sanft Saras Kitzler, und ihr Seufzen zeigte ihm, wie es ihr gefiel. Plötzlich hielt er inne. "Mmm?" machte Sara, "Nicht aufhören..." Paul fing auf einmal an zu lachen. "Weißt du... Mir ist gerade klargeworden..." "Was?" Er schüttelte mit dem Kopf. "Ach, nichts... Nur, dass sich jetzt gerade der Kreis schließt... und dass ich mich wieder glücklich fühle... wie damals..." Sara nickte und ihre Augen blickten wissend zu ihm hoch. Sie wusste, dass er lange unglücklich gewesen war, aber lange nicht begriffen hatte, woran es gelegen hatte. Seit sie sich nun an diesem besonderen Nachmittag, der unterschwellig von der gleichen Magie wie bei ihre erste Begegnung erfüllt gewesen war, wiedergesehen hatten, hatte Paul sich wieder verändert. Keine Rückentwicklung, kein naives jugendliches Glück. Seine Melancholie war ihm geblieben, doch konnte er nun mit ihr leben und wurde nicht mehr von ihr beherrscht. Das verdankte er Sara, und er war ihr unendlich dankbar dafür.
"Ich liebe dich..." sprachen beide gleichzeitig und kicherten, als sie das erkannten. Paul wandte sich wieder Saras Körper zu, und die lachende Sonne schaute noch viele Stunden auf das glückliche Paar herab, wie es sich immer wieder mit sich selbst und mit dem Himmel und der Erde vereinte.