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#16 Kommissar Springer und der Karne-Wal
#16 Kommissar Springer und der Karne-Wal
„Herr Kommissar, Herr Kommissar, ein neuer Fall wartet auf Auflösung!“ Polizeidirektor Günter Franz-Horst stürmte in des Kommissars Büro um den erfahrenen Kriminologen um seinen wohlverdienten Mittagsschlaf zu bringen. Friedlich ruhte der Kopf des Kommissars auf seiner Schreibtischplatte während er gekrümmt in seinem Sessel saß.
Horst kannte kein Pardon und schlug den Kommissar wach. Zweimal donnerte er mit seiner rechten Handfläche auf Springers rechte Wange, die sofort rot anlief.
Die brutale Seite seines Vorgesetzten kannte der Kommissar nicht und daher wehrte er sich mit einem perfekt vorgetragenen Handkantenschlag. Horst fiel bewusstlos auf den Boden. Springer war endlich wach.
Aus der Handfläche des Direktors zog der Kommissar einen kleinen, weißen Zettel auf dem ungeheuerliche Sachen standen!
Auf dem diesjährigen Karnevalszug in Köln sollte auf einem Wagen ein Terrorist als Wal verkleidet sitzen. Diese Information hatte die Kriminalpolizei einem Kleindealer zu verdanken, der am Abend zuvor hopsgenommen worden war und nun als Kronzeuge gegen seinen Chef aussagte. Der Terrorist sollte laut Aussagen des Verhafteten Kopf einer Abzweigung der italienischen Mafia in Köln sein. Er hätte vor, mit einem Präzisionsgewehr sämtliche Polizisten zu töten, da einige von ihnen vor einer Woche seinen Bruder Johnny in Köln-Brühl verhaftet hätten. Johnny hatte unmittelbar vor dem Kommissariat eine alte Frau erschossen, die ihm nicht ihre Brieftasche hatte geben wollen...
„Auf, auf!“, trieb sich der Kommissar selbst an. In den letzten zehn Jahren war Springer zwanzig Jahre älter geworden. Jedenfalls fühlte er sich so. Ächzend und stöhnend verließ er das Büro, weil sein Körper im Gegensatz zu seinem regen Geist noch zu Mittag schlief.
„Wo ist denn dieser dämliche Assistent schon wieder?“, echauffierte sich der Kommissar und lies seinen Blick durch den Flur der Kriminalpolizei schweifen.
Aus einer kleinen Abstellkammer kamen unmenschliche Laute und Springer entschloss sich, dort einmal nach dem rechten zu sehen.
Was er sah, erschrak ihn zutiefst: sein tierlieber Assi hatte in der Abstellkammer ein bißchen Platz geschaffen um im großen Stile ein Tierkrankenhaus zu gründen.
Überall lagen halb aufgegessene Ratten, verstümmelte Katzen und viel kleines Getier herum.
Leise erbrach sich der Kommissar in sein Sakko.
Doch schnell hatte er sich von dem kleinen Schwächeanfall erholt, schnappte sich seinen wackeren Assistenten, zog ihn aus der Abstellkammer um nur Sekunden später ein kleines Feuerchen zu legen.
Wenn es um die korrekte Ausführung seines Jobs ging, kannte Springer kein Erbarmen.
„In drei Minuten spätestens wird der Feueralarm losgehen. Vielleicht kann man ja noch das ein oder andere Tier retten!“, tröstete der Kommissar seinen heulenden Assistenten, hinterm Berg haltend, dass die Kriminalpolizei aufgrund finanzieller Defizite über keinen Feueralarm verfügte.
„Was haben Sie nur gegen Tiere, Herr Kommissar? Die brauchen mich doch jetzt ganz dringend!“
Springer trat das Gaspedal seines Audi A1 ganz durch. So erreichte er im 9. Gang Tempo 750 km/h und preschte durch die Stadt, in der er ermittelte nach Köln.
„Jetzt jammern Sie nicht rum, Meyer, sondern kümmern sich einmal um Ihren Job. Sie sollen Verbrechen aufklären und keine Tiere heilen. Vielleicht hätten Sie einen anderen Beruf erlernen sollen!“
Assi Meyer spielte in seinen Gedanken mit einer Kündigung. Vielleicht sollte er wirklich Tierarzt werden? Allerdings hatte er nur einen Baumschulabschluss. Er wusste nicht, ob der zu der momentanen Wirtschaftslage das Erlernen eines Tierarztjobs berechtigte...
„Kölle Alaaf!“ Kommissar Springer glaubte, sich verhört zu haben. Er selbst war Düsseldorf orientiert und kannte nur „Düsseldorf helau!“. Daher stieg er aus seinem schnellen Audi A1 und maßregelte den Karnevalisten mit einem für ihn typischen Handkantenschlag.
Doch plötzlich rief die ganze Menschenmenge, die sich an den Seiten der Straße versammelte „Kölle Alaaf!“. Springer setzte sich wieder in sein Auto und schlug den Assistenten, um sich abzuregen. Gegen diese Menschenmenge konnte er nicht ankommen.
Und da sank auch schon der erste Polizist in die Kniee! Der Karnevalswagen mit dem Wal fuhr an dritter Stelle und lautlos hatte der Terrorist zugeschlagen. Springer explodierte vor Wut: so eine Dreistigkeit!
Er schnappte sich eine Granate, betätigte sie und warf sie dem sich entfernden Wal hinterher.
Wenig später war der Wal kaputt. Nichts deutete mehr auf den lustigen Karne-Wal hin. Kommissar Springer war außer sich vor Freude. So schnell konnte es gehen!
„Herzlichen Glückwünsch zu Ihrem jüngsten Erfolg!“, sagte Polizeidirektor Günter Franz-Horst. Seine Bäckchen waren vor Freude rosarot und zufrieden schüttelte er dem Kommissar seine Hand. Assi Meyer stand verlegen im Hintergrund und plante in Gedanken seine Kündigung: immer stand Kommissar Springer im Vordergrund. Immer war er der tolle Held! Und er selbst? Was würde der Kommissar nur ohne seinen wackeren Assistenten tun? Nun, Meyer fiel spontan keine Antwort ein. Er lud einfach seine Pistole durch und hielt sie dem Kommissar an den Kopf.
„Meyer!“, schrie der Polizeidirektor panisch.
„Ich kann den Macho einfach nicht mehr sehen!“, schrie der Assi verzweifelt.
Horst zuckte und förderte mit einem ungeschickten Griff in seine Manteltasche ein Taschentuch zu Tage.
„Tun Sie ihm nichts. Wir können über alles reden!“
„Sie hätten mich damals nicht wieder zum Assistenten degradieren dürfen, Herr Horst. Ich bin außer mir vor Wut. Ich bin der weitaus bessere Ermittler. Ich kann das ganze Geschwätz einfach nicht mehr hören. Springer beschäftigt sich tagein-tagaus nur mit seiner Fanpost um anschließend mit seinem schnellen Audi A1 irgendwelche Fälle aufzuklären. Dabei ist der Audi A1 sogar geklaut! Was sagen Sie dazu, Herr Horst? Der Kommissar hat den Wagen an einer Raststätte an der Autobahn 1 geklaut!“
Horst wehrte ab. „Aber das weiß ich doch. Und trotzdem schätze ich unseren Herrn Kommissar. Jeder hat seine Macken. Er fährt halt gerne schnell und klärt gerne ebenso schnell seine Fälle. Was ist denn daran auszusetzen?“
Der Assi wurde zunehmend nervöser. Ihm gingen die Argumente aus.
„Los, befördern Sie mich zum Kommissar oder ich töte ihn!“
Horst sah Meyer mit vor Schrecken geweiteten Pupillen an.
„Nur das nicht! Ich befördere Sie zum Kommissar der Mordkommission sechs. Sie hätten mich doch nur zu fragen brauchen, ob ich sie versetzen kann, wenn Sie es mit dem Kommissar nicht können!“
Meyer überlegte. Noch vor wenigen Stunden hatte er Tierarzt werden wollen. Aber jetzt konnte er es sogar zum Kommissar schaffen. Außerdem hatte er ja schon fest gestellt, dass er nicht die Voraussetzungen für das Erlernen des Berufs Tierarzt mitbrachte.
Plötzlich stellte der Kommissar dem Assistenten ein Beinchen. Meyer stolperte. Seine Waffe entglitt seinen Händen.
Ein Schuss löste sich. Tot sank der Assistent in die Kniee. Ausgerechnet als sich die Waffe durch die Erdanziehungskraft, der Lorentzkraft und der Zentripitalkraft gedreht hatte, musste sich der Schuss lösen.
Polizeidirektor Günter-Franz Horst kam mit einem Besen und kehrte die Leiche unter den Teppich. Dann entfernte er sich aus dem Büro des Kommissars. Pfeifend. Unauffällig.
Kommissar Springer setzte sich an seinen Schreibtisch. Er würde einen neuen Assistenten brauchen. Vielleicht sollte er einen Antrag schreiben. Allerdings konnte er auf diese Weise eine Zeit lang alleine ermitteln. Ohne dass ihm jemand durch sein theoretisches Wissen die Fälle in die Länge zog.
Vielleicht war es auch gut so, dass Springer jetzt auf sich alleine angewiesen war...