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150! Feier schön!

Seniors
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15.04.2002
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150! Feier schön!

Rennen. Hastiger Blick zurück. Die Gang ist noch hinter mir her, schwenkt Fäuste und Banner, johlt.
Rennen. Kein Blick zurück. Nur nach vorn.
Rennen. Konzentrierte Amphetamine dröhnen durch meine Adern, treiben mich vorwärts.
Die Gang will diese kleine Pappschachtel. Ihren Inhalt. Sie haben mich beim Kaufen beobachtet, drüben, hinterm Bahnhof.
»Pille«, sagt der Volksmund. Und meint unterschiedliche Dinge, wenn Mann oder Frau sie nimmt. Diese ist für Männer. Und bewirkt quasi das Gegenteil der anderen.
Rennen. Eine Kurve, dann noch eine. Endlich an der Bonzen-Kreuzung. Ich bremse, gehe normal. Wer hier rennt, fällt auf. Den automatischen Augen der Kreuzung. Sie beobachten uns. Uns alle. Ich sehe mich um. Die Gang steht an der Ecke und tut so, als warte sie auf den Bus.
Ich grinse, atme durch. Hier wird keiner beraubt. Die stämmigen Uniformierten sind gut bezahlt. Halten den Bonzen die Aussicht sauber, die Aussicht aus ihren Glasbunkern, wo sie hinter blitzsauberen Scheiben die Zukunft der Menschheit planen. Jedenfalls soweit die ihren eigenen Kontostand betrifft.
Die Schachtel in meiner Jackentasche fühlt sich unschuldig an, erinnert mich an mein erstes Mal. Aber ich kann mich täuschen. Ist ne ganze Weile her.
Fast hätte die dumme Schachtel vorhin mein Ende bedeutet. Dabei ist sie nicht mal für mich selbst. Sondern für meinen Opi, der wird heute 150, und zum runden Geburtstag kriegt er von der Familie eine Hure. Und zum Kuchen eine Überdosis Pillen, damit es sich auch lohnt.
Wir feiern in der »Tankstelle«, die früher »Posthorn« hieß und davor »Bei Egon«, aber Egon ist vor der Erfindung der Tanks Teufelchen Krebs erlegen.
Als ich das resevierte Hinterzimmer betrete, schlägt mir der Muff der versammelten Jahrhunderte entgegen. Nur wenige Organismen vertreten das andere Ende der Alterspyramide. Die Anwesenheit rund einer Person erfreut mein Herz; der Rest ist die Schicht Schimmel auf dem Käse, die man dringend hinfort kratzen möchte.
Ich drücke Tante Marie-Claire die Schachtel in die Hand: »Nächstes Mal besorgst du das Geschenk.«
Mehr als ein eiliges Abwinken gönnt sie mir nicht, denn sie muss noch ihre Verpackungsmagie wirken und rauscht in ihrem schneeweißen Kleid nach nebenan.
Ich gratuliere Opi, der mich anscheinend tatsächlich erkennt, jedenfalls guckt er ziemlich böse. Er trägt einen geliehenen Zweireiher mit Krawatte. Statt Signale von Seriösität zu senden, offenbart der Anzug nur die hohe Leihgebühr.
Von der lästigen Pflicht befreit fange ich an, die dargebotenen Getränke auszuprobieren. Für den Anfang wähle ich ein Alt Plus Plus, suche mir einen Stehplatz mit unverbaubarer Aussicht und überprüfe mit meinem Handy meine Lebensfunktionen.
Der strenge Zeitplan der Location fordert umgehend Hochlebenlassen und Bescherung.
Opi löst die Schleife, Tante Marie-Claire hilft ihm beim Packpapier. Mit 150 zittern einem die Finger, stelle ich fest. Ich starre auf meine eigene Hand.
Leider hat Opi die Brille vergessen, und im Tank verkümmert die Hornhaut ein wenig. Er kann nicht lesen, was auf der Schachtel steht. Tantchen erklärt es ihm. Und dann nochmal, diesmal lauter, weil er nicht reagiert.
Endlich nickt Opi. »Ah. Ah so«, macht er. Er grinst, aber es wirkt gezwungen, die Familie zieht eine Fleppe.
Hat Opi noch nicht kapiert? Natürlich ist die Schachtel nur das Augenzwinkern, darauf folgt das richtige Geschenk.
»Oooohooo!«, macht Onkel Ortmar demonstrativ. Klatschen setzt ein, als hätte jemand ein »Applaus«-Leuchtschild angeknipst, dabei stakst bloß Nanina herein, auf hohen Schuhen, mit Lebkuchenherz um den Hals, auf dem ihr Name steht. Die ein Blümchenkleid tragende Großtante Neumann kreischt vor gespielter Begeisterung, hüpft aufs Buffet. Dann sieht sie nochmal genauer hin und fällt beinahe in die Torte. Die Hure trägt eine Schuluniform, die ihr ein paar Nummern zu klein ist, vor allem oben rum. Ein Teil der Onkels wird rot, unsere fundamentalistische Nichte Lea-Marie betet ein Frühergabesdasnicht. Irrt gewaltig und weiß es genau.
Nanina stolziert Richtung Opi, die männlichen Neumanns machen die Welle. Am Ende der Tafel pflanzt sich Nanina auf Opis Schoß, quietscht in die einsetzende Stille hinein: »Sie haben nach mir geschickt, Herr Direktor?«
»Eeeeh«, macht Opi und blinzelt, bestimmt tränen seine Augen.
»Ist das nicht ein schönes Geschenk?«, schreit Tante Marie-Claire in Opis Ohr. Dann, leiser: »Die hatte Ortmar auch bei seinem Vierundachtzigsten.« Als wäre das ein Qualitätsmerkmal. Ortmar »muss dringend aufs Klo.«
Die Neumanns schleichen sich von hinten an und spicken in Naninas Ranzen. Ihr Kichern durchquert den Raum wie eine Gewitterfront.
Ich gehe lieber zur Torte, aber die schmeckt nach Pappe.
»Ich war ja dagegen«, sagt Lea-Marie zu mir.
»Mich hat keiner gefragt«, zucke ich mit den Schultern. »Wie läuft's mit Jesus?«
Lea-Marie verdreht die Augen. »Gut«, schnappt sie nach der Hoffnung, mir würde das reichen. Ich tue ihr den Gefallen, nicke ein Bravenichte, reiße ihr nur in Gedanken das alberne Kopftuch runter, trample drauf rum, rotze ihr ein »Amen« hin. Die Dankbare entlastet ihr Gesichtsfeld von meinem Anblick und gafft Kreuze in die weiße Wand.
In meiner Hosentasche drehe ich nachdenklich die kleine, runde Pille hin und her, die ich mir von Opi geborgt habe. Ich lasse den Blick schweifen, von Lea-Maries Rückseite bis Großtante Neumanns Fülligkeit. Niemand im Raum lässt mich die Pille nehmen wollen. Nicht einmal die neben mir stehende Rosi, die ich mal süß fand mit den bunten Schleifen im Haar. Die sind lange fort, leisten an unerreichbaren Koordinaten der Raumzeit meiner Jugend Gesellschaft.
»So abseits?«, frage ich Rosi, lasse den Blick über das Papp-Buffet schweifen und wähle eine Gelee-Ananas.
»Herrje, das ist so peinlich«, haucht Rosi. Sie rückt drei Millimeter zur Seite, so dass ich an ihr vorbei sehen kann. Hinter ihr versteckt sich ihre Tochter Luzi.
»Warum ...«, beginne ich, stutze, vergewissere mich durch einen Blick auf Nanina.
Leise klagt Rosi: »Die arme Luzi!« ... trägt dieselbe Kleidung, in der Tat.
»Ich war schon immer gegen Schuluniformen«, rutscht es mir raus. »Markenkleidung hat ja auch viel mehr ... Niveau.«
Nanina hat Opi nach nebenan getragen. Peinliche Stille füllt das Loch. Dabei will genaugenommen niemand die Geräusche hören, wenn die Wirkung der Pille eintritt.
Ich klatsche in die Hände. »Zeit für ein Spiel!«
Vereinzeltes Entkrampfen, strichweise Dankbarkeit.
»Was spielen wir?«, fragt Rosis gespielte Begeisterung. Ich bemerke das Löchlein in ihrer Nase, wo sie anno dazumal ein Piercing getragen hat. Luzi steht jetzt neben ihr, trägt aber eine Jacke. Bis jemand »ist dir kalt?« fragen kann, habe ich schätzungsweise eine Sekunde. Also die erste Idee: »Wir spielen ... Wahrheit oder Pflicht.«
»Spinnst du?«
»Aber ohne Ausziehen!«
»Wir haben keine Flasche!«
Ich winke mit meinem Telefon. »Ich habe eine App mit einer drehenden Flasche.«
»Wie altmodisch«, urteilt Luzi.
»Bildet einen Kreis«, bestimme ich bar jeder Duldung von Widerspruch.
»Ist dir kalt?«, fragt Tante Fürsorge-Claire. Ich scheuche sie auf ihre Position, lege das Handy an die Tischkante. So kann jeder sehen, was es auf den Fußboden projiziert.
Die erste Flasche zeigt auf Großtante Neumann. »Wahrheit«, sagt sie selbstzufrieden.
»Wie alt bist du?«, schieße ich zurück.
Die Neumann explodiert. Ihre Flüche donnern mir ins Gesicht, und nur mit Mühe kann die Sippe ihr Einhalt gebieten.
»Die Spielregel kennt weder Ausnahme noch Gnade«, lege ich fest. »Also?«
Mein Opfer schluchzt. Eine hohe, dreistellige Zahl entrinnt dem Haufen Elend. Die Familie verkneift sich unter großer Anstrengung jeden Kommentar, das Leben ist zu wertvoll.
»War doch gar nicht so schwer. Du darfst die Flasche drehen. Dazu musst du nur sagen ... Entschuldigung, jetzt habe ich's versehentlich schon selbst gesagt.« Das ist mir wirklich unangenehm, die Großtante musste so leiden, und durfte nicht einmal die Flasche selbst in Bewegung setzen. Sie rotiert fein animiert, zielt schließlich auf Ortmar. Der entscheidet sich für »Pflicht«.
Lautes Gemurmel, aus dem heraus Großtante Neumann befiehlt: »...in die Torte.«
»Was?«, krächzt Ortmar. »Hab den Anfang nicht mitgekriegt.«
»Dein Handy. In die Torte.« Die Neumann zeigt mit dem Finger Richtung Sahnestapel.
»Das kannst du mir nicht antun«, erbleicht der Onkel. Sein geliftetes Antlitz ist zum Zerreißen gespannt, sucht Hilfe bei Ehefrau Marie-Claire.
»Hättest ja Wahrheit wählen können«, lautet deren relatives Mitgefühl.
Onkel Ortmar erkennt das geringere Übel und marschiert zur Torte, stopft sein Handy mitten rein. Holt tief Luft und donnert: »Flasche drehen!«
Die komplette Familie versucht, den projizierten Verderbenszeiger telekinetisch zu beeinflussen.
»Zwischenfrage«, kommt es von der jungen Luzi. »Wir hatten gesagt: Ohne Ausziehen. Richtig?« Ihr letztes Wort ist Akustik geworde Hoffnung.
»Nö«, spricht die Familie, und ein Stausee aus Jahrzehnten von Befindlichkeiten spült alle Menschenrechte hinfort.
Die Flasche zeigt auf Rosi. Die sieht dem entmannten Onkel ins Gesicht und wählt Wahrheit, weil ihr ihre Kleidung lieb ist.
Ortmars Frage ist eine Peitsche. »Wer ist Luzis Vater?«
»Ein hübsch geformtes, anspruchsloses Reagenzglas.« Rosi zuckt die Schultern. »Steht doch in meinem Profil. Das war wirklich eine ziemlich dumme Frage. Flasche drehen!«
»Der größte Teil seines Hirns steckt ja auch in der Sahne«, wiehert Tante Neumann.
Teufelchen Zufall sucht sich Marie-Claire aus. Die wählt Wahrheit, nimmt noch schnell einen Schluck Wodka und überprüft, ob ihr Kleid keine Flecken abbekommen hat.
»Mit wievielen der Anwesenden hast du geschlafen?«, will Rosi wissen.
»Meinst du nur die Männer oder auch ...« »Marie!«, dröhnt ihr Ehemann dazwischen.
»Drei«, sagt Marie-Claire und grinst. »Grübelt ruhig, ich sag schonmal: Flasche drehen!«
Lea-Marie wählt Pflicht, und Marie-Claire befiehlt ihr, das Kopftuch abzunehmen.
»Nein«, haucht meine Nichte, »dann doch lieber Wahrheit.«
»Du kennst doch die Regeln.«
Tränen sind keine Medizin gegen Grausamkeit. Das Tuch muss runter, entblößt harmlose Haare sowie religiösen Wahn. Ich halte nichts von Lea-Maries Fundamentalismus, den sie zur Schau stellt wie obszöne Werbung, obwohl er nicht mehr ist als eine virale, geistige Vergewaltigung.
Da Lea-Marie verkrümmt am Boden hockt und betet, starte ich an ihrer Stelle die Flasche.
Luzi ist dran, wählt Wahrheit und wartet geduldig, bis Lea-Marie ihr Kopftuch gerichtet hat und wieder sprechen kann: »Bist du Jungfrau, Luzi?«
»Nö. Ich bin Fünfzehn!« Sie schüttelt verständnislos den Kopf. »Flasche drehen.«
Diesmal trifft es mich. Luzis Lächeln verheißt große Gefahr. Ich sage »Pflicht«.
»Schenk mir deinen Level-250-Paladin.«
»Nein«, entfährt es mir.
»Pflicht!«, rufen alle.
»Du ...«
»Was meinst du, wieso ich zu dieser Feier gekommen bin, hä?« Angriffslustig kommt Luzi auf mich zu, Zeigefinger voraus. »Um euch beim Altern zuzugucken? Okay, ist schon lustig, wie ihr euch gegenseitig foltert, und wenigstens hat sich keiner ausgezogen. Halb skelletierte Zombies will doch keiner nackig sehen. Nein, das hier ist eine prima Möglichkeit, an einen Highlevel-Charakter zu kommen. Meine Gilde wird mich anbeten
»Zweifellos«, füge ich mich in mein Schicksal und nehme an meinem Handy die nötigen Eingaben vor.
»Mach dir nichts draus«, sagt Luzi, »du hast ja genug Zeit, einen neuen Charakter zu leveln.«
Ich nicke gequält, habe Luzi aber offenbar so glücklich gemacht, dass sie mir einen Kuss auf die Wange drückt. »Bist von den Wracks hier noch der Netteste«, flüstert sie mir ins Ohr.
Ich überlege, ob ich mich dafür bedanken soll, dann geht die Tür zum Nebenraum auf, und Nanina stakst heraus. »Wir sind dann jetzt fertig.« Sie trägt jetzt Straßenkleidung, gibt Marie-Claire professionell die Hand. »Am besten rufen Sie einen Arzt, man weiß ja nie. Schöne Feier noch!«
Ein verschenkter Wunsch. Unser Spiel ist beendet, Ortmar gräbt sein Handy aus, nicht ohne seine Ehefrau mit fossilen Flüchen zu bedenken. Die meisten warten noch höflich, bis Opi vom Rettungswagen abtransportiert wird, zuerst auf die Intensiv, dann zurück in seinen Tank.
Luzi winkt mir zum Abschied zu.
Ihre Mutter murmelt einen ungelenken Verzeihungsvers.
»Für Intelligenz muss man sich nicht entschuldigen«, quittiere ich. »Sehen wir drei uns die Tage mal?«
»Zu einer Quest? Warum nicht«, lacht Luzi.
»Okay«, seufzt Rosi.
Ich spiele den Verschwörer und raune ihr zu: »Ich hab eine von Opis Pillen geklaut.«
Rosi schließt die Augen, dann sehe ich nur noch ihren Rücken.
Allmählich wird es auch für mich Zeit. Die Aufputschmittel lassen nach. Muss in meinen Tank zurück.
Zeit zum Spielen, Zeit zum Nachdenken.
Hat Rosi als einzige gelogen?

 

Hah! Der Erste .:)

Wieder einmal beweist du, dass SF und Humor trotz häufiger gegenteiliger Behauptung sehr wohl zusammen können. Flüssig geschrieben läßt mich die Geschichte den desaströsen Geburtstag des Opis schmunzelnd miterleben. Im ganzen wirkt die Feier wie eine Quintessenz aller Familienfeiern, die jeder schon einmal erlebt hat.
Etwas störend fand ich den Nebenstrang des "Ich-klaue-dir-deinen-Top-Charakter".
Aber die geklaute Pille fand ich gut. Auch den Anklang des Fundamentalismus. Auch Christen sind Fundamentalisten. Und im Übrigen eine Weltuntergangssekte, nur so am Rande.

Wieder einmal eine echte Post, und wieder einmal sehr gelungen.

lg
Dave

P.S.:Gönne doch der Peson ein "r"

 

Hey, endlich mal ne SciFi ohne Technik-Klimbim, auch mal was feines. Wenn ich mich richtig entsinne, stehst du ja ein für mehr gesellschaftliche Zusammenhänge in der Science-Fiction. In dieser Geschichte ist dir das gelungen, sie hat mich amüsiert.

Die ein Blümchenkleid tragende Großtante Neumann (Vorname ist mir gerade entfallen) kreischt vor gespielter Begeisterung,
  • Kannst du auf die Klammerbemerkung wirklich nicht verzichten? Denke schon. Redet man über Verwandte mit dem Nachnamen, zeigt das deutlich in welchem Verhältnis er mit ihr steht, wobei man so oder so den Vornamen vergessen hätte.

Angriffslustig kommt Luiz auf mich zu,
  • Buchstabendreher "Luzi"

»Gut«, schnappt sie nach der Hoffnung, mir würde das reichen.
[...]
»Zeit für ein Spiel!«, klatsche ich in die Hände.
  • man kann direkte wörtliche Reden weder nach Hoffnung schnappen noch klatschen. Das ist Unsinn, keine Verdichtkunst. Der erstere Satz ist auch nicht wirklich kompatibel mit der personalen Erzählperspektive, eher >> »Gut« meint sie, hofft bestimmt, mir würde das reichen.

Gern gelesen,
-- floritiv.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi floritiv,

Danke für die Anmerkungen, werde ich nachher einarbeiten. Sehr hilfreich! :)

Bei den wörtliche Rede einleitenden Verben sind wir leicht unterschiedlicher Meinung. Ich glaube, dass man auch Verben verwenden darf, die nicht direkt den Akt des Aussprechens meinen, sondern diesen verbildlichen. Das ist beim "nach Hoffnung schnappen" so. Wäre die Sprecherin unverkrampft (was in dieser Szene keiner ist), hieße es: "Lass mich in Ruhe", sagte sie. Die Verkrampfung wird vom Erzähler identifiziert, daher liegt nicht zwingend ein Perspektivwechsel vor. Es ist für den Erzähler offensichtlich, wie der Tonfall des "Gut" gemeint ist, und ich habe es hingeschrieben, um es dem Leser unmissverständlich zu vermitteln. Natürlich hätte ich das auch anders erreichen können. Hierzu würden mich weitere Meinungen interessieren.

Betreffend die allgemeine "Zweckentfremdung" nicht "sprechender" Verben bei wörtlicher Rede wollte ich ohnehin mal recherchieren. Öfter als selten ist mir dergleichen aufgefallen, oft in Zeitungen. Ob solcher Stil nun Reportagen vorbehalten sein soll, dank "die anderen machen es auch" legitim wird oder schlicht und ergreifend falsch ist, würde ich gerne mal diskutieren.

@Dave:
Luzis Beitrag zum Spiel ist im Gegensatz zu allen anderen nicht durch familiäre Befindlichkeiten geprägt, weil sie die Jüngste ist, und Befindlichkeiten über Jahre entstehen, wie Schimmelkrusten auf Käse. Es war mir wichtig, diesen Gegensatz einzubringen.

Danke euch!

Uwe

 

HAllo Uwe,

Insgesamt ziemlich wirr, aber ich unterstelle dir einfach mal, dass du dieses chaotische so haben wolltest. Letztlich scheinen da auch alle schon einen an der Tank-Waffel zu haben, weswegen dieses Gehetzte und Springende passen will.
Einige sprachlich sehr schöne Absätze drin.

Lea-Marie verdreht die Augen. »Gut«, schnappt sie nach der Hoffnung, mir würde das reichen. Ich tue ihr den Gefallen, nicke ein Bravenichte, reiße ihr nur in Gedanken das alberne Kopftuch runter, trample drauf rum, rotze ihr ein »Amen« hin. Die Dankbare entlastet ihr Gesichtsfeld von meinem Anblick und gafft Kreuze in die weiße Wand.
Das hier knallt nur so voller toller Bilder und ist damit schon fast überfrachtet. Zumindest im Vergleich mit nüchterneren Absätzen.

denn sie muss noch ihre Verpackungsmagie wirken und rauscht in ihrem schneeweißen Kleid nach nebenan.
Das fand ich auch richtig gut.
Werde ich ab jetzt in meinen Wortschatz aufnehmen.

Inhaltlich hat mir die Vision gefallen. Schaffst es in der Kürze mit einigen Schlaglichtern die Gesellschaft zu kissieren. Durch den Kniff mit der Verfolgung und dem Flaschendrehen. Ist ja immer so ein Drahtseilakt, ob die Infos nicht zu reingequetscht wirken, aber ich fand es insgesamt stimmig.

Wie Flo fand ich es zudem gut, dass hier nicht mit viel technichem Schnickschnack um sich gesci-fied wurde;) Tank, App und dergleichen reichen hier vollkommen aus.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hmm ... Uwe ... also ... Flaschendrehen in der Zukunft als alte App auf dem Handy? Och nee, hat mir wirklich nicht gefallen: ich find's auch recht lieblos geschrieben bzw. inszeniert, und ich habe jetzt auch keine einzige originelle Idee finden können ... nö, war irgendwie nix! ;) Das kannste aber besser!

Reinhauen!

Der Dante

 

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