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113. Etage

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113. Etage

113. Etage steht auf dem Bildschirm, als der Aufzug zum Stillstand kommt. Ich hebe den Putzeimer hoch, während die Lifttüren aufgleiten. Dahinter wartet ein großräumiges Vorzimmer auf mich. Den anderen Stockwerken nach zu urteilen, müsste an dieser Stelle nur ein enger Flur sein. Der würde hier aber nicht passen. Nein, die Penthouse-Suite muss ja unbedingt pompös wirken. Für mich als Putzfrau bedeutet das bloß mehr Arbeit. Je größer das Zimmer ist, umso länger dauert das Reinigen. Das wurde hier oben offensichtlich schon lange nicht mehr getan, die Dicke der Staubschicht verrät es.
Mein Wischmopp durchbricht die Stille, indem er platschend auf dem Marmorboden landet. Der muss unheimlich teuer gewesen sein. Alleine dieses Vorzimmer ist schon riesig. Wenn es mein Elternhaus noch geben würde, hätte es hier drinnen locker Platz. Was für eine Geldverschwendung. Hinzu kommt auch noch, dass dieses Penthouse seit Ewigkeiten nicht mehr belegt war. Wie lange ist es her? Die Position des Hotelmanagers wurde seitdem jedenfalls mehrmals gewechselt. Von allen, die ich schon erlebt habe, finde ich die derzeitige Managerin am ahnungslosesten. Ansonsten würde sie mich nicht einfach losschicken, um irgendeines der tausenden Hotelzimmer wieder in Betrieb nehmen zu können. Sie kennt große Teile des Hotels selbst nicht einmal. Ich war hier zwar auch noch nie, habe aber nicht das Sagen. In meiner Situation erfahre ich nur das Nötigste. Zu gerne wüsste ich, warum diese Suite überhaupt so zurückgelassen wurde.

Ich wische, bis ich meine Reflexion am Boden erkennen kann. Auch die Stufen, die zur wuchtigen Eingangstür führen, sind jetzt wieder sauber. Der Türrahmen besteht aus dunkel lackiertem Tropenholz und ist neben dem Türgriff abgesplittert. Wollte sich hier etwa jemand Zutritt verschaffen? Ich stecke die Magnetkarte ein und betrete nun endlich die Luxus-Suite.
Hier wartet eine ovale Atriuminsel auf mich, um die ein breiter Gang herumführt. In der Mitte wuchern zahlreiche Topfpflanzen, die sich schon auf den angrenzenden Sitzmöbeln ausgebreitet haben. Manche der Ton- und Steintröge liegen da, als hätte sie jemand umgeworfen. Aber wozu? Der Geruch von Staub und Dreck liegt so deutlich in der Luft, dass ich mich am liebsten wieder umgedreht hätte. Wie soll ich das jemals wieder sauber machen? Räume wie diese sollten nie so lange zurückgelassen werden. Als Durchgangsbereich ist es sinnvoll, ihn erst ganz am Schluss zu reinigen. Stattdessen wende ich mich den Wänden zu, wo viel zu viele Türen auf mich warten.

Die erste Tür führt in ein – klarerweise sehr geräumiges – Badezimmer. Eine überdimensionale Badewanne ist in der Mitte des Raumes im Boden eingelassen. Sie wird mit goldenen Fliesen umrahmt, die früher makellos geglänzt haben müssen. Jetzt sind sie aber schmutzig und verwischt. Das ist bestimmt nicht leicht wegzukriegen. An den Wänden befinden sich Waschbecken, vier undurchsichtige Glastüren und ein raumhoher Spiegel. Trotz seiner verdreckten Oberfläche kann ich mein Spiegelbild darin noch gut erkennen. Meine zerzausten Haare und trübe Augen verraten, wie müde und erschöpft ich bin. Bei dem Anblick wird mir ganz unwohl zumute. Etwas stimmt nicht, liegt in der Luft, aber was? Hoffentlich schimmelt es hier nirgends.

Ich beginne, die Räume hinter den Glastüren zu untersuchen. Sie führen jeweils in eine Sauna, eine Dusche, ein WC und in eine Art Abstellraum. Dieser Raum besitzt Regale mit Seifen, Shampoos, Putzmitteln, Arzneien und anderem Zeug. Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu lange Halskette. Als ich mich nach unten beuge, wird mir schwindelig. Das Putzen im Vorzimmer war wohl anstrengender, als ich dachte. Ich fädle die Kette aus den Stuhlbeinen heraus und nehme sie an mich. Trotz ihrer Überlänge gefällt sie mir. Vorsichtig drehe ich mich zum Licht und halte das Schmuckstück nach oben. Jeder Edelstein darin ist anders, sie funkeln in verlockenden, warmen Farben. Ich atme tief aus. Juwelen sind ein Luxus, den ich mir nie leisten konnte.
Probiere sie an, denke ich. Nur jetzt hast du die Chance dazu. Also gut. Davon muss ja niemand erfahren. Meine Arme schmerzen unter dem Gewicht der Halskette, als ich sie über meinen Kopf hebe. Doch sie ist einfach zu groß und schwer. Ich falle durch sie hindurch, verliere meine Balance und schlage am harten Fliesenboden auf.
„Du liebe Zeit!“, spricht eine aufgebrachte, kräftige Stimme neben mir. „Was fällt Ihnen denn ein?“
Ich rapple mich auf und bemerke einen molligen Mann im Bademantel, der wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Sein Anblick lässt mich erstarren, mein Gesicht wird heiß. Was macht der denn hier? Er deutet auf die Halskette, die zu meinen Füßen am Boden liegt.
„Haben Sie etwa die Kette angefasst?“
Mein Blick wandert zu den Badezimmerfliesen, die ganz verschwommen erscheinen. Ich reibe meine Augen, doch der Effekt bleibt. Als ich aufsehe, blicke ich genau ins Gesicht des Mannes, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen mustert. Hastig suche ich nach einer passenden Antwort.
„Ich– nein! Ich habe nur geputzt. Wer sind Sie?“
„Oh, wie unhöflich von mir. Ich bin bekannt als Herr Thumel und bewohne dieses Penthouse seit geraumer Zeit. Und mit wem habe ich es zu tun?“
„Ich heiße Jia und gehöre zum Reinigungspersonal“, antworte ich mit einem erzwungenen Lächeln. „Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeit. Ich dachte, dass diese Suite gerade nicht belegt ist. Deshalb wurde hier auch schon lange nicht mehr sauber gemacht … und ich habe gerade erst damit angefangen.“
„Ach, vergessen wir diesen unbedeutenden Zwischenfall. Ich bin froh, dass Sie hier sind. Und für die Reinigung bin ich natürlich zutiefst dankbar! Es stimmt durchaus, dass hier seit Jahren niemand mehr geputzt hat. Ich würde es ja selbst machen, aber … das ist einfach keine Option.“
Ich verstehe nicht, was er damit meint. Ist er etwa zu reich und pingelig, um sich selbst die Finger schmutzig zu machen? Mir fällt auf, dass seine Kleidung überraschend rein aussieht. Ich blinzle mehrmals, um klare Sicht zu bekommen. Der violette Stoff des Bademantels weist nur ein paar Scheuerspuren im Bereich des Bauches auf. Mit diesem Mann stimmt etwas nicht. Ich kann hier nicht weitermachen, bevor ich herausfinde, was es ist.
„Wie können Sie hier leben?“, frage ich schließlich.
„Das ist eine ausgezeichnete Frage“, meint er. „Kommen Sie mit. Ich möchte Ihnen etwas zeigen, das mich seit Langem belastet.“

Immer noch ratlos folge ich Herrn Thumel zurück in den ovalen Atriumbereich. Das Ende seines Bademantels zischt leise hinter ihm her, während er sich in einem gleichmäßigen Tempo bewegt. Es sieht fast so aus, als würde er schweben. Oder ist es meine verschwommene Sicht, die mir Streiche spielt? Ich massiere abwechselnd meine Augenlider, doch ohne Erfolg.
Warum wurde mir eigentlich gesagt, diese Suite sei leer? Dass die Hotelmanagerin über vieles nicht Bescheid weiß, ist klar. Aber wie kann sich ein Gast so unbemerkt in dieser Suite aufhalten? Hier läuft einiges gewaltig falsch.
„Ihnen ist bestimmt schon aufgefallen, dass hier noch viel zu tun ist“, sagt Herr Thumel, während wir dem erhöhten Gang über der verwilderten Atriuminsel folgen. „Aber vergessen wir das vorerst einmal. Es gibt da eine wesentlich wichtigere Angelegenheit.“
Wir erreichen eine ausladende Treppe, die ein Stockwerk nach oben führt. Sie verläuft schwungvoll ums Eck, bis sie in einer imposanten Loggia endet, die wie ein Keil in den Wolkenkratzer geschnitten ist. Eine weitläufige Terrasse reicht bis zur meterhohen Glasbrüstung, hinter der sich die nächtliche Großstadt erstreckt. Weil sich die Decke steil nach oben öffnet, wirkt dieser Ort noch riesiger und wuchtiger, als er bereits ist. Die entfernten Hochhäuser sind von künstlichen Neonlichtern umhüllt, doch die Terrasse liegt im Dunkeln. Ihr ungewöhnlich leeres und nicht ihren Zweck erfüllendes Dasein lässt mich schaudern.

„Hier war früher mein Skulpturengarten“, erklärt Herr Thumel. „Ich ließ meine Kunstobjekte eigens hierherbringen, da ich einen langen Aufenthalt plante. Darunter befanden sich richtige Schätze … Marmorstatuen aus Rom, Wasserspeier von gotischen Kathedralen, viktorianische Kupferfiguren … aber jetzt ist alles weg.“
„Wieso?“ Ich versuche, interessiert zu klingen. Hat mich dieser komische Typ etwa nur mitgeschleppt, um mich über seine Skulpturen vollzuquatschen?
„Sie erinnern sich nicht? Der Vorfall hat es doch bestimmt auf die Titelseiten aller Zeitungen geschafft. Nun gut, ich gebe zu, dass es schon lange her ist. Jedenfalls wurde ich damals mitten in der Nacht aus meinen Träumen gerissen. Es war der Krach von splitterndem Holz, der mich weckte. Ich stand auf, um nachzusehen. Und tatsächlich: Die Eingangstür war aufgebrochen. Ich hörte weitere Geräusche im Badezimmer. Naiv, wie ich war, sah ich dort nach und fand zwei Einbrecher.“
Schon ist meine Gleichgültigkeit verflogen. Ein Einbruch. Das hat sich hier oben also ereignet. Aber warum wurde mir nie davon erzählt?
„Es waren allerdings keine gewöhnlichen Einbrecher“, fährt Herr Thumel fort. „Normale Einbrecher hätten mich gefesselt und geknebelt. Aber diese beiden Schurken hatten eine besondere Ausrüstung mit. Sie hingen mir eine Geisterkette um, die mir allmählich das Bewusstsein raubte. Ich wusste nicht, wie sie funktionierte, doch der Effekt war stark.“
„Wie bitte?“ Ich muss mich verhört haben. „Eine Geisterkette?“
„Keine Sorge. Ich erkläre Ihnen gerne alles, was ich darüber weiß. Es ist ein gefährliches Relikt, das die Besinnung seines Trägers verlangsamen kann. Während mich die Diebe zurückließen, nahmen sie alles mit, was sie tragen konnten. In der Zwischenzeit versuchte ich, mich von der Kette zu lösen. Doch dieses Manöver war ein fataler Fehler. Denn die Geisterkette hat noch eine weitere Fähigkeit. Wenn man sie durchsteigt, verlässt man die Realität. Sie ist sozusagen ein Portal, das jedoch nicht sofort wirkt. Der Übergang dauert eine Weile. In meinem Fall war niemand anwesend, um meine Verwandlung in einen Geist zu stoppen. Meine letzte Erinnerung als Lebender ist der Moment, als ich mit dem Stuhl umkippte und bewegungslos am Boden landete.“
Die gesagten Worte hallen in meinem Kopf wider. Ich wusste doch nicht, dass die Kette im Badezimmer gefährlich ist! Allmählich dämmert mir, was das für mich bedeutet, doch ich will es noch nicht wahrhaben.
„Ich … ich bin auch durch die Kette gefallen. Heißt das–“, stammle ich, bevor mich Herr Thumel unterbricht.
„Das dachte ich mir. Es ist schade, dass Sie nicht freiwillig hierhergekommen sind. Zumindest bin ich jetzt nicht mehr alleine … hier in dieser Welt. Spüren Sie es? Das Penthouse, Sie und ich … sind nicht das, wonach sie aussehen. Wir sind nicht mehr an jenem Ort, den Sie Realität nennen.“
„Aber … ich will das nicht …“ Das Atmen fällt mir schwer. Ich suche nach Mitleid in Herrn Thumels Augen, doch er spricht ungerührt weiter:
„Als Geist kann man die Verwandlung nicht umkehren. Es müsste Sie schon jemand von der anderen Seite rausziehen. Und das halte ich für unwahrscheinlich. Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit, dann sind Sie genauso tot wie ich …“
Schwindel überfällt mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich fasse mit beiden Händen an meinen Kopf, der sich schon ganz taub anfühlt. Das geschieht doch gerade nicht wirklich. Hilflos muss ich mitansehen, wie sich das Erscheinungsbild meiner Umgebung noch stärker verändert. Die fernen Gebäude wachsen in die Höhe, bis sie mit dem Nachthimmel verschmelzen und ihre Fenster nicht mehr von den Sternen zu unterscheiden sind. Ich hätte es längst ahnen sollen, dieser Ort hat nichts mehr mit der Realität zu tun. Glaswände fliegen auf mich zu und formen ein enges Gefängnis. Ich blicke in alle Richtungen, doch es gibt keinen Ausweg.
„Wenn ich Ihr Verhalten richtig deute, haben Sie gerade Ihr Finale vor sich.“ Herr Thumel steht wie ein amüsierter Zuschauer neben mir. „Ich fühle mich geehrt, dabei sein zu können!“
Angst und Hilflosigkeit umkreisen mich. Nur mit Mühe kann ich dagegen ankämpfen. Da lässt der Druck für einen Moment überraschend nach, sodass ich kurz nachdenken kann. Warum musste ich mir bloß diese Kette umhängen? Ich hätte sie einfach liegen lassen sollen. Putzfrau zu sein war nie mein größter Wunsch, doch alles ist besser, als die Welt der Lebenden für immer zu verlassen.
„Jia! Was ist passiert?“, spricht eine Stimme zu mir. „Jia, sag doch was!“
Ich blicke Herrn Thumel ratlos an, er regt sich aber nicht. Die Stimme klingt auch nicht nach ihm, sondern nach meiner Hotelmanagerin … ich begreife erst, was passiert, als alles um mich herum verblasst.

 

Hallo @Michael Weikerstorfer,

Etage 13 ist ein Horrortopos, mit 113 anzukündigen, dass es sich um hier um deine ganze eigene Variante handelt, finde ich eine legitime Idee. Vielleicht wäre es bei diesem Titel angemessen, mit dem Thema Höhe zu spielen?

Eine Reinigungskraft soll also dieses Zimmer auf Vordermann bringen. Dass es da drin spukt, ist klar, die Frage ist eigentlich nur, wie genau der Spuk nun aussieht.

Als der Kunstsammler da auftritt, habe ich gedacht, es wird so die „Was? Sie können ihn nicht gesehen haben, Herr XYZ ist vor zwanzig Jahren aus dem Fenster gesprungen …“-Nummer. Stattdessen also die Geisterkette.

Nicht das Ding an sich, aber das Drumherum finde ich einigermaßen absurd. Einbrecher okay. Aber sie haben eine Geisterkette dabei, um sie ihm umzuhängen? Wie die meisten Einbrecher halt eine haben, falls sie auf frischer Tat ertappt werden?

Das ist für mich erzählerisch so der größte Schwachpunkt. Das Betreten des Zimmers, da herrscht Spannung. Auch gut, mit der Reinigungskraft einen Alltagsmenschen als Prot zu nehmen, mit denen fiebert man lieber mit. Dann Auftritt Kunstsammler und ich persönlich bin drangeblieben, um zu sehen, ob wirklich oben angesprochene Pointe kommt. Nicht direkt. Aber die Geisterkette und die Einbrecher, die sie eben so dabei haben, das ist mir zu bequem.

Vom Erzählstil ist mir sonst noch aufgefallen, dass vieles auserklärt und in die Länge gezogen wird.

Es ist verantwortungslos, große Teile des Hotels selbst nicht zu kennen. Ich war hier zwar auch noch nie, habe aber nicht das Sagen. In meiner Situation erfahre ich nur das Nötigste. Zu gerne wüsste ich, warum diese Suite überhaupt so zurückgelassen wurde. Was hat sich damals überhaupt ereignet und warum wurde es verheimlicht? Solche Fragen sollte ich lieber nicht stellen.
Sie kennt das Hotel selbst kaum. Ich habe keine Ahnung, was hier passiert ist. Geht mich auch nichts an.

Ich hab jetzt sehr verknappt, aber das Obere nimmt dem Leser im Grunde alles ab, das wird auf Dauer immer ein bisschen langweilig.

Denn die Geisterkette hat noch eine weitere Fähigkeit. Wenn man sie durchsteigt, verlässt man die Realität. Sie ist sozusagen ein Portal, das jedoch nicht sofort wirkt. Der Übergang dauert eine Weile. In meinem Fall war niemand anwesend, um meine Verwandlung in einen Geist zu stoppen.
Das ist auch, dass der das alles so runterrattert, das ist ein bisschen faul. Und sehr bequem, dass er als Geist natürlich genau Bescheid weiß.

Mein Tipp wäre wirklich, etwas aus dem Thema Höhe zu machen, da schreit der Titel einfach nach. Vllt brauchst du gar keine Geister und bekommst die Geschichte einfach weniger gängig in ihrem Verlauf hin. In so Ecken in leerstehenden Häusern nisten sich ja zum Beispiel mitunter die tollsten Tiere ein. Aber vor allem: Die Einbrecher, die eben die Geisterkette dabei haben. Da würde ich zuerst dran.


Viele Grüße
JC

 

Hallo @Michael Weikerstorfer =)

Mir erscheinen ein paar Dinge unrund. Aber das ist subjektiv. Ich hoffe, ich klinge nicht zu besserwisserisch oder arrogant!

Der Text scheint noch nicht zu wissen, in welche Richtung er will: Geht es um eine Juwelenkette oder um die Arbeit einer Putzfrau? In der ersten Hälfte verwendest du lange Beschreibungen von Aufbau und Gestalt der verlassenen Luxussuite; hier lese ich einen Text, der eigentlich den Charakter, die speziellen Beobachtungen und/oder die harte Arbeit einer Reinigungskraft in einem Luxushotel porträtieren will, aber auf Möbel- und Raumbeschreibungen beschränkt bleibt. Im zweiten Teil taucht Herr Thumel auf, dann die magische Juwelenkette; hier lese ich einen Text, der eine kleine, wilde, spukende Geschichte erzählen will und weniger auf die Darstellung der Weltsicht eines Charakters als vielmehr auf eine schnelle, schräge Handlungsabfolge fokussiert.

So entstand bei mir der Eindruck eines Zwei-Teile-Textes.

Das wurde hier oben offensichtlich schon lange nicht mehr getan, die Dicke der Staubschicht verrät es. War hier etwa schon seit dem Vorfall niemand mehr?
Das könntest du sprachlich eleganter lösen. Der Leser soll sich ja fragen, was das denn für ein Vorfall gewesen ist. Es ist also etwas passiert. Später erfahre ich, dass es einen Einbruch gab. Mit einer solchen Selbstfrage, die sich an den Leser richtet, lese ich deinen unbedingten Willen, Spannung zu erzeugen. Aber interessanter wird der Text nicht durch das Erwähnen eines Vorfalls - wie hier - sondern wenn ich aus den Sätzen erschließe, dass es da mal irgendwas gab, was passiert ist und dieses irgendwas etwas bedeutet.

Für mich als Putzfrau bedeutet das bloß mehr Arbeit. Je größer das Zimmer ist, umso länger dauert das Reinigen. Das wurde hier oben offensichtlich schon lange nicht mehr getan, die Dicke der Staubschicht verrät es. War hier etwa schon seit dem Vorfall niemand mehr?
Ja, das stimmt natürlich. Und eine dicke Staubschicht ist ja das Allerweltsindiz schlechthin auf eine lang, lang zurückliegende Reinigung. Jetzt beschreibst du aber das Penthouse aus Sicht einer Reinigungskraft, die ihren Job tagtäglich verrichtet. Interessant wird diese Figur durch ihren anderen Blick auf das Zimmer. Sie wird ja nicht einfach wischen. Sie wird nach einem bestimmten System putzen, die Zimmer auf Materialeigenschaften prüfen, sie wird verschiedene Reinigungslappen verwenden. Kästchenbildung, von oben nach unten ... Sie wird auch ein Gespür haben, was eigentlich anders ist. Vielleicht wirkt diese Hotelwohnung auf die meisten Menschen sehr normal, ein luxuriöses Penthouse eben, aber die Reinigungskraft entdeckt durch ihre Arbeitserfahrung "Spuren des Spuks". Fingerabdrücke, rosafarbene Spuren, Substanzen, die sich keinem Getränk zuordnen ...
Ich wische, bis ich meine Reflexion am Boden erkennen kann. Auch die Stufen, die zur wuchtigen Eingangstür führen, sind jetzt wieder sauber. Der Türrahmen besteht aus dunkel lackiertem Tropenholz und ist neben dem Türgriff abgesplittert. Ich stecke die Magnetkarte ein und betrete nun endlich die Luxus-Suite. Hier wartet eine ovale Atriuminsel auf mich, um die ein breiter Gang herumführt. In der Mitte wuchern zahlreiche Topfpflanzen, die sich schon auf den angrenzenden Sitzmöbeln ausgebreitet haben.
Beispielhaft die obere Stelle. Hier lese ich eine einzige "reinigende Tätigkeit". Die Beschreibung ist lang und könnte eher einer Innenarchitektin zugeordnet werden.
„Du liebe Zeit!“, spricht eine aufgebrachte, kräftige Stimme neben mir. „Was fällt Ihnen denn ein?“ Ich rapple mich auf und bemerke einen molligen Mann im Bademantel, der wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Sein Anblick lässt mich erstarren, mein Gesicht wird heiß. Was macht der denn hier? Er deutet auf die Halskette, die zu meinen Füßen am Boden liegt.
Große Überraschung: In der Suite lebt ja doch jemand. Vielleicht könntest du im Vortext einige Hinweise geben. Hier hat mal ein Mensch gelebt; aber lebt hier doch noch ein Mensch?
„Wie können Sie hier leben?“, frage ich schließlich. „Das ist eine ausgezeichnete Frage“, meint er. „Kommen Sie mit. Ich möchte Ihnen etwas zeigen, das mich seit Langem belastet.“
Fällt mir jetzt nicht leicht, sich vorzustellen. Die Frau wird ja arbeiten und eine gewisse Hoteletikette einzuhalten haben. Darf sie mit Gästen reden? Wie ist ihr Zeitplan?
Ein vornehmer Herr in einer heruntergekommenen Hotelsuite – irgendwie passt das nicht zusammen.
Kurz zurück: Solche Stellen könntest du vermeiden. Ich als Leser wundere mich ja schon, dass in dieser Hotelsuite überhaupt jemand lebt.
„Hier war früher mein Skulpturengarten“, erklärt Herr Thumel. „Ich ließ meine Kunstobjekte eigens hierherbringen, da ich einen langen Aufenthalt plante. Darunter befanden sich richtige Schätze … aber jetzt ist alles weg.“
Vielleicht etwas atmosphärischer ... war Herr Thumel vielleicht ein Erforscher von Mayaglyphen? Dem Vorläufer der Hieroglyphen? Ein Entdecker des Zweiten Phönizischen Alphabets, dessen Schreiber verfolgt wurden, konnte man doch in diesem Alphabet Dinge denken und Dinge erschaffen, die in eine andere Realität führen? Nett, dass er Skulpturen sammelt, aber solche Stellen schreien nach Details! Erklärt er ihre eine Theorie?

Das war's!

Lg aus Markkleeberg
kiroly

 

Hallo @Proof,

ich freue mich sehr über deine Eindrücke.

Etage 13 ist ein Horrortopos, mit 113 anzukündigen, dass es sich um hier um deine ganze eigene Variante handelt, finde ich eine legitime Idee.
Genau so war das gemeint. Ich bin froh, dass du das erkannt hast.
Einbrecher okay. Aber sie haben eine Geisterkette dabei, um sie ihm umzuhängen? Wie die meisten Einbrecher halt eine haben, falls sie auf frischer Tat ertappt werden?
Ursprünglich gab es keine Geisterkette. Die Einbrecher haben Herrn Thumel einfach nur gefesselt, und als er sich befreien wollte, verschüttete er einige der Chemikalien im Abstellraum. Durch das entstehende Gemisch verstarb er langsam, und dasselbe passierte später auch Jia. Ich fand es nicht glaubhaft, dass so ein Chemikalienmix (den ich noch dazu nur vage beschrieben habe) nach so vielen Jahren noch wirken soll.
Deshalb gibt es die Geisterkette, die als übernatürliches Relikt all diese Probleme lösen sollte. Leider behebt es die genannten Probleme nicht einfach, sondern verpasst ihnen nur einen neuen Anstrich. Zusätzlich taucht die Frage auf, warum die Einbrecher die Kette haben. Das zu beantworten habe ich leider versäumt, kann es aber nachholen. Vielleicht sind es keine normalen Einbrecher, sondern eine berüchtigte Bande, die mit übernatürlicher Ausrüstung arbeitet?
Vom Erzählstil ist mir sonst noch aufgefallen, dass vieles auserklärt und in die Länge gezogen wird.
Da hast du eine meiner Schwächen entdeckt. Danke für das Beispiel, ich werde versuchen, den Abschnitt in angemessener Weise zu kürzen.
Das ist auch, dass der das alles so runterrattert, das ist ein bisschen faul. Und sehr bequem, dass er als Geist natürlich genau Bescheid weiß.
Ja, es ist praktisch, dass er das weiß. Leider fällt mir keine andere Möglichkeit ein, wie ich diese Information in den Text bringe. Ich kann die Stelle zumindest so schreiben, dass er es nur auf Nachfrage erklärt und nicht einfach unaufgefordert.
Mein Tipp wäre wirklich, etwas aus dem Thema Höhe zu machen, da schreit der Titel einfach nach. Vllt brauchst du gar keine Geister und bekommst die Geschichte einfach weniger gängig in ihrem Verlauf hin. In so Ecken in leerstehenden Häusern nisten sich ja zum Beispiel mitunter die tollsten Tiere ein.
Danke für die Vorschläge. Bevor (oder ob) ich größere Veränderungen an der Geschichte vornehme, brauche ich Zeit, darüber nachzudenken.


Hallo @kiroly,

danke für die ehrliche Kritik.

So entstand bei mir der Eindruck eines Zwei-Teile-Textes.
Es stimmt, dass der Text keine Einheit bildet. Mein Gedanke dahinter war, die Verwandlung der Hauptperson in einen Geist zu verdeutlichen. Das habe ich für deinen Geschmack wohl ein wenig übertrieben, sodass der ganze Fokus des Texts gespalten wurde. Hier nachträglich etwas auszubessern wird schwierig.
Das könntest du sprachlich eleganter lösen. Der Leser soll sich ja fragen, was das denn für ein Vorfall gewesen ist. Es ist also etwas passiert. Später erfahre ich, dass es einen Einbruch gab. Mit einer solchen Selbstfrage, die sich an den Leser richtet, lese ich deinen unbedingten Willen, Spannung zu erzeugen. Aber interessanter wird der Text nicht durch das Erwähnen eines Vorfalls - wie hier - sondern wenn ich aus den Sätzen erschließe, dass es da mal irgendwas gab, was passiert ist und dieses irgendwas etwas bedeutet.
Das ist ein guter Tipp, den werde ich umsetzen. Ich neige oft dazu, den Leser in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das ist im Vergleich dazu nicht so elegant.
Jetzt beschreibst du aber das Penthouse aus Sicht einer Reinigungskraft, die ihren Job tagtäglich verrichtet. Interessant wird diese Figur durch ihren anderen Blick auf das Zimmer. Sie wird ja nicht einfach wischen. Sie wird nach einem bestimmten System putzen, die Zimmer auf Materialeigenschaften prüfen, sie wird verschiedene Reinigungslappen verwenden. Kästchenbildung, von oben nach unten ... Sie wird auch ein Gespür haben, was eigentlich anders ist. Vielleicht wirkt diese Hotelwohnung auf die meisten Menschen sehr normal, ein luxuriöses Penthouse eben, aber die Reinigungskraft entdeckt durch ihre Arbeitserfahrung "Spuren des Spuks". Fingerabdrücke, rosafarbene Spuren, Substanzen, die sich keinem Getränk zuordnen ...
Mit diesem Hinweis hast du mir die Augen geöffnet. Ich kann die Geschichte noch viel mehr ausschmücken und realistischer gestalten, sollte es aber nicht übertreiben. Jeden Handgriff beim Putzen zu beschreiben, ist auf Dauer natürlich nicht mehr aufregend.
Die Beschreibung ist lang und könnte eher einer Innenarchitektin zugeordnet werden.
Hmm ... ich bin derjenige, der in einem Architekturbüro arbeitet. In der Beschreibung bin ich also selbst mehr zu Wort gekommen als Jia, um deren Eindrücke es ja eigentlich geht. Darauf sollte ich besser achten.
Fällt mir jetzt nicht leicht, sich vorzustellen. Die Frau wird ja arbeiten und eine gewisse Hoteletikette einzuhalten haben. Darf sie mit Gästen reden? Wie ist ihr Zeitplan?
Interessanter Einwand. Ich finde, dass Jia in der Situation wohl kaum an diese Fragen denken wird. Vielleicht sehe ich das aber nur so, weil ich als Autor vorwiegend daran gedacht habe, sie zum nächsten Handlungsort zu schicken.
Vielleicht etwas atmosphärischer ... war Herr Thumel vielleicht ein Erforscher von Mayaglyphen? Dem Vorläufer der Hieroglyphen? Ein Entdecker des Zweiten Phönizischen Alphabets, dessen Schreiber verfolgt wurden, konnte man doch in diesem Alphabet Dinge denken und Dinge erschaffen, die in eine andere Realität führen? Nett, dass er Skulpturen sammelt, aber solche Stellen schreien nach Details! Erklärt er ihre eine Theorie?
Auch das ist eine gute Idee. Da werde ich mir etwas einfallen lassen.


Viele Grüße
Michael

 

Vielleicht sind es keine normalen Einbrecher, sondern eine berüchtigte Bande, die mit übernatürlicher Ausrüstung arbeitet?
Für mich persönlich klingt das ziemlich weit hergeholt, aber musst du wissen. Warum eigentlich nicht simpel? Er überrascht die Einbrecher und einer zieht ihm im Affekt ein Werkzeug aus dem Einbrecher-Inventar über den Kopf. Weil er da unversorgt mit eingeschlagener Rübe liegt, ist er ein paar Stunden später tot.

Leider fällt mir keine andere Möglichkeit ein, wie ich diese Information in den Text bringe.
Das gilt nicht. :)

 

@Proof

Warum eigentlich nicht simpel? Er überrascht die Einbrecher und einer zieht ihm im Affekt ein Werkzeug aus dem Einbrecher-Inventar über den Kopf. Weil er da unversorgt mit eingeschlagener Rübe liegt, ist er ein paar Stunden später tot.
Und Jia findet das Werkzeug Jahre später, hebt es neugierig hoch und lässt es sich versehentlich auf den Kopf fallen? Ich weiß nicht. Vielleicht fällt mir noch eine andere Lösung ein.
Das gilt nicht. :)
:(


Ich wünsche noch einen schönen Abend!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Michael Weikerstorfer ,

du wirst sicher den Text grundüberholen und soweit kann ich mich nur den Vorrednern anschließen.

Einen generellen Tipp aber hierzu:

Vielleicht fällt mir noch eine andere Lösung ein.
Wenn ich die Geschichte und deine Antworten auf die Kommentare lese, sieht es ganz so aus, als wäre dein spekulatives Worldbuilding - hier genauer: die Gesetze, denen deine Figuren unterworfen sind - noch nicht ganz wasserdicht geplant.

Manche Schreibende machen sich ja kleine Biographie-Kärtchen für ihre Protas, und es ist gar nicht verkehrt, das auch für paranormale Figuren zu tun. Jetzt mal ins Blaue (also nicht im Detail auf deine Geschichte bezogen):
- Sind das Geister von verstorbenen Menschen, und wenn ja, an was sind sie gebunden: spuken sie in einem bestimmten Gebäude, in einem Zimmer, erscheinen sie an verschiedenen Orten, aber nur einer bestimmten Familie, Person oder benötigen sie besonders befähigte Seher oder besondere Umstände (eine Séance, ein Medium, eine emfängliche Person, eine, die ähnliches durchmacht ...)?
- Sind es nicht Geister Verstorbener, sondern Wesen aus ... anderen Dimensionen, irgendwelchen noch zu definierenden Reichen, die kein klassisches Jenseits darstellen - was in Richtung Mehrdimensionalität in der Physik oder aber was aus dem 'Okkulten' oder aber etwas vollkommen Selbsterdachtes? Wie unterscheiden sich solche Geister von klassischen Totengeistern?
- Was will der Geist? Rache, Aufklärung, Lösung? Wie will er (sie) das erreichen?
- Was sind die Grenzen, denen der Geist unterworfen ist? Kann er vielleicht nicht aus dem Haus (Zimmer) - kann er also einer Person in ihre eigene Wohnung folgen oder nicht? Was sind die Grenzen seiner Macht - ist er spektral oder physisch anwesend, kann er töten / verletzen, kann er durch Sprache kommunizieren oder nicht?
- Warum existiert der Geist überhaupt? (Bei Milliarden von Toten wäre es ja verdammt voll, würden die hier alle in der Welt der Lebenden rumspuken - es sind ja immer nur 'besondere' Tote die spuken, was macht also deinen Geist besonders, dass er spuken darf?)
- Hast die die Grenzen der Bewegungsfreiheit und der paranormalen Kraft / ggfs. physischen oder magischen Macht, ist es wichtig, dass diese Logik nicht durchbrochen wird: Kann der Geist durch Wände gehen, sollte er keine Person physisch angreifen können - außer, du stellst eine paranormale Regel auf, unter welchen Umständen es doch geht. Aber solche Kräfte sollten nicht an- und abgeschaltet werden wie es gerade zum Plot passt.

Wenn du all das im Detail überlegt und gut durchdacht hast, ergeben sich ganz bestimmt fast von selbst Szenen und Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein magisches / dämonisches Amulett irgendwohin gerät und wie die Prota damit in Verbindung kommt. (In deinem Fall: wie sie es überstreift und warum und wie es erstmal dahin geriet und was das alles mit ihr macht und warum ...).

Es ist super frustrierend zu lesen, wenn ein Text keine 'paranormale Logik' hat. Das ist dann so wie in einem Krimi, bei dem man zehn Verdächtige präsentiert bekommt, das Buch lang überlegt, wer nun davon der Mörder war, nur, damit es am Schluß ein Gärtner war, der bislang gar nicht erwähnt wurde. Es ist nur spannend, wenn man weiß, was der Spuk soll und will, welche Möglichkeiten und Grenzen er hat und was sich dadurch für den Plot und die Figuren ergibt.

Vielleicht hilft dir ja so ein 'paranormales character sheet'. Das ist besonders wichtig, wenn du ein oft beackertes Thema / Motiv / Setting verwendest - wie eben dieses haunted room / haunted hotel Ding.

Ich fand es anfangs auch gut mit dem Reinigungspersonal, aber wenn du mit Architektur beruflich zu tun hast, halte ich das für einen verschenkten Ansatz. Du könntest doch mit dem Hintergrund viel spannendere Verknüpfungen überlegen (es gibt ja die Theorie, dass Wohnungen mit nicht-rechtwinkligen Ecken und mit schiefen Wänden unerwünschte Zustände auslösen (Lovecraft spielte sogar damit, bevor es als Fakt galt): z.B. das von Saha Hadid entworfene Wohnhaus in Berlin, woraus wohl einige Mieter ausziehen mussten, weil sie Kopfschmerzen / Schwindelgefühl bekamen und das auch außerhalb des Hauses andauerte.
Müsste sich nicht mit den Mitteln der Architektur ein spekulatives Worldbuilding / paranormale Logik toll konstruieren lassen? Da könntest du aus der Not eine Tugend machen, und hättest einen riesigen Vorteil vor sehr vielen anderen Schreibenden.


Prosa-Recherchetipp: Adam Nevill kann Spukhaus-Grusel wirklich (auch, wenn nicht alles gleich gut ist): Last Days oder die ersten zwei Drittel von Apartment 16. Bei ersterem hab ich ernsthaft überlegt, ob ich bei Licht schlafen soll, obwohl ich mich extrem selten grusele.
Enden / Auflösungen gehören zwar nicht zu seinen Stärken, aber ich meine, soweit würde dir es durchaus nutzen, da mal einen Blick reinzuwerfen. Beide müsste es auch auf Deutsch geben.

Rein formal: du hast viele doppelte Zeilenumbrüche und Leerzeilen. Da würde ich mal durchgehen und das zu einem Fließtext machen: Zeilenumbruch bei Sprecherwechsel und bei Szenenwechseln; und nur ab & zu wo es passt eine Leerzeile, damit es einfach nicht so eine Textwüste ist. Es ist anstrengend zu lesen, wenn alles so weit auseinandersteht, obwohl es inhaltlich direkt anschließt.

Ich wünsche viel Spaß und bin gespannt, was du daraus machst.


Das gilt nicht.
:rotfl:

(Michael, ich lache nicht über dich, ich lache aus einer Position, die beides so gut kennt.)


Herzlichst,
Katla

 

Hallo @Katla,

danke für die ausführliche Antwort. Du hast mir sehr wertvolle Tipps gegeben, die mir nicht nur bei dieser Geschichte weiterhelfen werden. Ich denke, dass ich diese Komponente unterschätzt habe, weil es ja "nur" eine Kurzgeschichte und kein längeres Werk ist. Dabei ist es klar, dass sich jede fiktive Welt an Logik und Regeln halten muss, um Sinn zu ergeben.

Wenn du all das im Detail überlegt und gut durchdacht hast, ergeben sich ganz bestimmt fast von selbst Szenen und Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein magisches / dämonisches Amulett irgendwohin gerät und wie die Prota damit in Verbindung kommt. (In deinem Fall: wie sie es überstreift und warum und wie es erstmal dahin geriet und was das alles mit ihr macht und warum ...).
Das ist natürlich der Idealfall. Es ist eine Gratwanderung, die festgelegten Regeln auch richtig in die Geschichte einzubauen. Einerseits soll der Text nicht zu erklärend wirken (das passiert mir oft), andererseits sollen die Regeln auch nicht zu schwach angedeutet werden, sodass sie nicht mehr als solche wahrzunehmen sind.
Du könntest doch mit dem Hintergrund viel spannendere Verknüpfungen überlegen (es gibt ja die Theorie, dass Wohnungen mit nicht-rechtwinkligen Ecken und mit schiefen Wänden unerwünschte Zustände auslösen (Lovecraft spielte sogar damit, bevor es als Fakt galt): z.B. das von Saha Hadid entworfene Wohnhaus in Berlin, woraus wohl einige Mieter ausziehen mussten, weil sie Kopfschmerzen / Schwindelgefühl bekamen und das auch außerhalb des Hauses andauerte.
Interessante Theorie, die sicher wahre Aspekte hat. Damit könnte man einer Geschichte mehr Tiefe verleihen.
Müsste sich nicht mit den Mitteln der Architektur ein spekulatives Worldbuilding / paranormale Logik toll konstruieren lassen? Da könntest du aus der Not eine Tugend machen, und hättest einen riesigen Vorteil vor sehr vielen anderen Schreibenden.
Das ist leicht gesagt. Es fällt mir noch schwer, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich das in der Geschichte äußert.
Rein formal: du hast viele doppelte Zeilenumbrüche und Leerzeilen. Da würde ich mal durchgehen und das zu einem Fließtext machen: Zeilenumbruch bei Sprecherwechsel und bei Szenenwechseln; und nur ab & zu wo es passt eine Leerzeile, damit es einfach nicht so eine Textwüste ist. Es ist anstrengend zu lesen, wenn alles so weit auseinandersteht, obwohl es inhaltlich direkt anschließt.
Bei mir ist es umgekehrt: Ich finde es anstrengender zu lesen, wenn der Text zusammenklebt. Aber gut, es ist bestimmt besser, wenn ich mich der Mehrheit anschließe.

Viele Grüße
Michael

 

So, ich habe jetzt klare Regeln für die übernatürlichen Elemente der Geschichte festgelegt. Ich liste sie hier zur Übersicht auf:

• Es gibt einen Ort außerhalb der Realität. Mithilfe einer Geisterkette kann man diese Welt aufsuchen, aber sobald man sich gänzlich in einen Geist verwandelt hat, gibt es keinen Rückweg mehr.
So äußert sich das im Text:

Denn die Geisterkette hat noch eine weitere Fähigkeit. Wenn man sie durchsteigt, verlässt man die Realität. Sie ist sozusagen ein Portal, das jedoch nicht sofort wirkt. Der Übergang dauert eine Weile.

• Diese Geisterwelt ist ein Gegenstück zur realen Welt. Sie sieht etwas verschwommener aus und folgt nicht immer physikalischen Gesetzen.
So äußert sich das im Text:
Mein Blick wandert zu den Badezimmerfliesen, die ganz verschwommen erscheinen. Ich reibe meine Augen, doch der Effekt bleibt.
Es sieht fast so aus, als würde er schweben. Oder ist es meine verschwommene Sicht, die mir Streiche spielt?
Die fernen Gebäude wachsen in die Höhe, bis sie mit dem Nachthimmel verschmelzen und ihre Fenster nicht mehr von den Sternen zu unterscheiden sind.

• Geisterketten stellen eine Verbindung zwischen der Realität und der Geisterwelt her. Diese Risse zwischen den Welten besitzen eine Aura, die eine lockende Wirkung auf Lebewesen haben kann.
So äußert sich das im Text:
Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu große Halskette. Als ich mich nach unten beuge, wird mir schwindelig.
Trotz ihrer Übergröße gefällt sie mir. Vorsichtig drehe ich mich zum Licht und halte das Schmuckstück nach oben. Jeder Edelstein darin ist anders, sie funkeln in verlockenden, warmen Farben.
Probiere sie an, denke ich. Nur jetzt hast du die Chance dazu. Also gut.

• Wenn man durch eine Geisterkette steigt, startet man dadurch die allmähliche Verwandlung in einen Geist. Während dieser Verwandlung kann man sich frei in der Geisterwelt bewegen. Zur selben Zeit löst sich der bewusstlose Körper in der realen Welt allmählich auf, bis man gänzlich verschwunden ist. Ab diesem kritischen Punkt ist es für eine außenstehende Person nicht mehr möglich, die Verwandlung umzukehren.
So äußert sich das im Text:
Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu große Halskette.
In meinem Fall war niemand anwesend, um meine Verwandlung in einen Geist zu stoppen.
Als Geist kann man die Verwandlung nicht umkehren. Es müsste Sie schon jemand von der anderen Seite rausziehen.

• Als Geist ist man für immer in einer Welt gefangen, die keine Interaktion mit den Lebenden ermöglicht. Man kann sich zumindest mit anderen Geistern unterhalten.
So äußert sich das im Text:
Es ist schade, dass Sie nicht freiwillig hierhergekommen sind. Zumindest bin ich jetzt nicht mehr alleine … hier in dieser Welt.

Natürlich bleiben noch nebensächliche Fragen offen, etwa warum es Geisterketten überhaupt gibt. Diesen Beitrag werde ich ergänzen, falls mir noch etwas einfällt.

Ich bedanke mich außerdem bei @Katla für die Anregung.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Michael Weikerstorfer ,

wow, ich freue mich riesig, dass dir mein Komm eine solche Hilfe war - ich finde es wirklich super spannend, wie du die Struktur offenlegst und bin schon sehr neugierig auf die Neufassung (werde den Text zeitnah lesen, muss mich bis zu einer Deadline morgen Nacht aber erstmal um etwas Eigenes kümmern).
Klasse, dass du deine Geschichte strukturell 'abgeklopft' hast, das ist imA schwieriger im Nachhinein als in der Planungsphase - das wird dir sicher dann schnell zur Gewohnheit.

Herzliche Grüße erstmal,
Katla

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Edit 7.1.2021
Hallo @Michael Weikerstorfer noch mal,

ja, ich finde, der Text hat schon gewonnen, aber - sorry - richtig rund finde ich ihn immer noch nicht. Kann es sein, dass das generell ein Schnellschuss war (auch, wenn du jetzt nacharbeitest)?

Ich werfe noch ein paar Stichpunkte ein, vielleicht kannst du etwas damit anfangen.

Aufbau: Du hast einen extrem intro-lastigen Textkörper. Ich bin mal dreist und sage, dass du hiervon nur vier Sätze benötigst. Davon treibt doch eigentlich nichts die Geschichte an. Das ist doch auch irgendwie - noch mal sorry - echt langweilig, weil wir vermutlich alle wissen, wie man putzt. Selbst, wenn man das so selten tut wie ich. :D

Ich wische, bis ich meine Reflexion am Boden erkennen kann. Auch die Stufen, die zur wuchtigen Eingangstür führen, sind jetzt wieder sauber. Der Türrahmen besteht aus dunkel lackiertem Tropenholz und ist neben dem Türgriff abgesplittert. Wollte sich hier etwa jemand Zutritt verschaffen? Ich stecke die Magnetkarte ein und betrete nun endlich die Luxus-Suite.
Hier wartet eine ovale Atriuminsel auf mich, um die ein breiter Gang herumführt. In der Mitte wuchern zahlreiche Topfpflanzen, die sich schon auf den angrenzenden Sitzmöbeln ausgebreitet haben. Manche der Ton- und Steintröge liegen da, als hätte sie jemand umgeworfen. Aber wozu? Ansonsten hat sich hier extrem viel Staub und Dreck angesammelt. Wie soll ich das jemals wieder sauber machen? Räume wie diese sollten nie so lange zurückgelassen werden. Als Durchgangsbereich ist es sinnvoll, ihn erst ganz am Schluss zu reinigen. Stattdessen wende ich mich den Wänden zu, wo viel zu viele Türen auf mich warten.

Die erste Tür führt in ein – klarerweise sehr geräumiges – Badezimmer. Eine überdimensionale Badewanne ist in der Mitte des Raumes im Boden eingelassen. Sie wird mit goldenen Fliesen umrahmt, die früher makellos geglänzt haben müssen. Jetzt sind sie aber schmutzig und verwischt. Das ist bestimmt nicht leicht wegzukriegen, vielleicht hilft dagegen Zitronensäure. An den Wänden befinden sich Waschbecken, vier undurchsichtige Glastüren und ein raumhoher Spiegel. Trotz seiner verdreckten Oberfläche kann ich mein Spiegelbild darin noch gut erkennen. Meine zerzausten Haare und trübe Augen verraten, wie müde und erschöpft ich bin. Bei dem Anblick wird mir ganz unwohl zumute. Etwas stimmt nicht, liegt in der Luft, aber was? Hoffentlich schimmelt es hier nirgends.

Ich beginne, die Räume hinter den Glastüren zu untersuchen. Sie führen jeweils in eine Sauna, eine Dusche, ein WC und in eine Art Abstellraum. Dieser Raum besitzt Regale mit Seifen, Shampoos, Putzmitteln, Arzneien und anderem Zeug. Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu große Halskette. Als ich mich nach unten beuge, wird mir schwindelig. Das Putzen im Vorzimmer war wohl anstrengender, als ich dachte. Ich fädle die Kette aus den Stuhlbeinen heraus und nehme sie an mich. Trotz ihrer Übergröße gefällt sie mir. Vorsichtig drehe ich mich zum Licht und halte das Schmuckstück nach oben. Jeder Edelstein darin ist anders, sie funkeln in verlockenden, warmen Farben. Ich atme tief aus. Juwelen sind ein Luxus, den ich mir nie leisten konnte.


Nach dem Intro kommt eine lange Passage, in der über Dialoge in Rückschau das Ganze mit der Kette erklärt wird. Es ist aber zu kurz, um in diesem klassischen Gothic Geschichte-in-der-Geschichte zu funktionieren. Das ist eigentlich keine Geschichte, sondern Erklärbär. Damit dein Ende einen Sinn ergibt. Und dann folgt eben auch nur noch das Ende.

Insgesamt bekomme ich beim Lesen des Textes wenig Geschichte. Vielleicht schaust du dir das Ganze noch mal an - im Hinblick auf Aufbau, Plot, Spannung und Handlungsverlauf. Prämisse.

Ein Detail noch rausgepickt:

Wenn es nach den anderen Stockwerken ginge, müsste an dieser Stelle nur ein enger Flur sein.
Das kann man so nicht sagen (nur: "Wenn es nach meinem Vater ginge, wäre ich wie er Metzger geworden, anstatt ...XY."). Weil die Stockwerke keine Meinung haben können, müsste es: Den anderen Stockwerken / dem Zimmerplan des restlichen Gebäudes nach zu urteilen oder sowas in der Art, wobei klar wird, dass der Sprecher das vergleicht.

Raten möchte ich dir auch, dich wirklich mehr mit Kommentaren einzubringen - dieses Forum funktioniert wirklich nur über Nehmen und Geben. Auf deiner Haben-Seite sieht es gut aus, allerdings bietest du anderen nicht im gleichen Umfang Hilfe an. (Und nein, man muss nicht alles selbst besser können, was man kritisiert: Wald und Bäume und so.)

Herzliche Grüße,
Katla

 

Hallo @Katla,

ich habe erst jetzt deine Meinung gesehen. (Man erhält anscheinend keine erneute Benachrichtigung, wenn ein Kommentar bearbeitet wird) Danke dafür. Es ist toll, dass der Text deiner Meinung nach dazugewonnen hat. Wie ich sehe, gibt es aber noch einige Schwachstellen.

Ich bemühe mich, meine Texte so gut wie möglich zu gestalten. Das ist aber nur in einem bestimmten Ausmaß möglich. Erstens kann man es nicht allen recht machen – teilweise gibt es Wünsche, die sich gegenseitig ausschließen: Kiroly will, dass ich mehr über das Putzen schreibe, und du willst, dass ich weniger darüber schreibe.
Zweitens bin ich durch mein eigenes Können einschränkt: Nicht jeder kann gut schreiben. Es reicht auch nicht, zu wissen, was man besser machen könnte und wo die eigenen Schwachstellen liegen. Ich schreibe zwar schon seit meiner frühen Kindheit(und das ohne größere Pausen zwischendurch), aber das alleine ist nicht genug, um wirklich gut zu werden. Manchen Leuten fällt es leichter, einen eleganten Schreibstil zu entwickeln, andere schaffen das nie. Und jeder schreibt aus verschiedenen Gründen. Ich schreibe in erster Linie nicht, weil ich besonders gut schreiben will, sondern weil es mir Spaß macht.

Meinen Text kann ich jetzt so viel bearbeiten, wie ich will, aber es gibt eine Grenze. Diese Grenze wird von meinen Schreibfähigkeiten definiert, und nicht vom Potential, das die Geschichte hat. Wenn ich mich weiterentwickle, wächst die Grenze mit. So schnell geht das aber nicht.
Ich finde, dass ich in den letzten fünf Jahren schon viel dazugelernt habe. Alleine seit vergangenem November habe ich auch in diesem Forum viele Erkenntnisse gesammelt.

Du hast einen extrem intro-lastigen Textkörper. Ich bin mal dreist und sage, dass du hiervon nur vier Sätze benötigst.
Das ist für mich eher eine persönliche Meinung.

Davon treibt doch eigentlich nichts die Geschichte an.
Muss wirklich jeder Satz die Geschichte antreiben? Ich finde es gut, wenn eine Geschichte ruhigere Stellen hat, die Atmosphäre erzeugen.

Das ist eigentlich keine Geschichte, sondern Erklärbär. Damit dein Ende einen Sinn ergibt.
Puh, das muss ich erst einmal verdauen. Andererseits kann ich ohne Kritik wie dieser nichts dazulernen. Ich bin in dieser Geschichte wohl zu tief auf die Struktur eingegangen, ohne an die Folgeschäden zu denken. Man bemerkt sozusagen noch das Baugerüst, das in einer fertigen Geschichte nicht mehr sichtbar sein sollte.
Vielleicht liegt das daran, dass ich Techniker bin und folglich auch an meiner zu "technischen" Vorgehens- und Denkweise. Diese Angewohnheit werde ich mir nur mit viel Mühe abgewöhnen können.

Ein Detail noch rausgepickt:
Wenn es nach den anderen Stockwerken ginge, müsste an dieser Stelle nur ein enger Flur sein.
Das kann man so nicht sagen (nur: "Wenn es nach meinem Vater ginge, wäre ich wie er Metzger geworden, anstatt ...XY."). Weil die Stockwerke keine Meinung haben können, müsste es: Den anderen Stockwerken / dem Zimmerplan des restlichen Gebäudes nach zu urteilen oder sowas in der Art, wobei klar wird, dass der Sprecher das vergleicht.
Danke für den Tipp. Der Satz gefiel mir auch nicht, aber ich wusste nicht, warum. Wird geändert.

Raten möchte ich dir auch, dich wirklich mehr mit Kommentaren einzubringen - dieses Forum funktioniert wirklich nur über Nehmen und Geben. Auf deiner Haben-Seite sieht es gut aus, allerdings bietest du anderen nicht im gleichen Umfang Hilfe an.
Muss ich mich dazu rechtfertigen? Ich weiß, dass ich hier nicht regelmäßig (oder nicht oft genug) kommentiere. Ich finde es aber übertrieben, wenn auf jeden meiner Schritte geachtet wird.
Als ich hier neu im Forum war, konnte ich mich nicht einmal dazu überwinden, überhaupt einen Kommentar zu schreiben. Seitdem ist es schon besser geworden. Aber für die Zukunft kann ich nichts versprechen.

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer ,

(Man erhält anscheinend keine erneute Benachrichtigung, wenn ein Kommentar bearbeitet wird)
ah, danke - ich dachte, wenn man das alte '@-Tagging' löscht und ein neues setzt, gäbe es auch eine neue Benachrichtigung - sorry dann von mir.
Erstens kann man es nicht allen recht machen – teilweise gibt es Wünsche, die sich gegenseitig ausschließen: Kiroly will, dass ich mehr über das Putzen schreibe, und du willst, dass ich weniger darüber schreibe.
Letztlich sollst du es ja keinem Recht machen, sondern die Komms zur Hilfe nehmen, deinen Text zu verbessern: So, dass er dir dann selbst besser gefällt. Einige Kritiken passen - nach Autorensicht - besser zum Text, andere weniger, das ist doch klar. Nimm, was du brauchen kannst.
Ich schreibe in erster Linie nicht, weil ich besonders gut schreiben will, sondern weil es mir Spaß macht.
Das schließt sich doch nicht aus, oder? ;)
Meinen Text kann ich jetzt so viel bearbeiten, wie ich will, aber es gibt eine Grenze. Diese Grenze wird von meinen Schreibfähigkeiten definiert, und nicht vom Potential, das die Geschichte hat.
Klar, ich behaupte mal, das gilt für jeden Text. Hier im Forum und außerhalb. Aber die Fähigkeiten können sich ja - potenziell zumindest - ändern.
Muss wirklich jeder Satz die Geschichte antreiben? Ich finde es gut, wenn eine Geschichte ruhigere Stellen hat, die Atmosphäre erzeugen.
Auch eine ruhige Szene / Stimmung / Setting kann die Geschichte voranbringen - wenn sie etwas Wesentliches vermittelt bzw. beiträgt. Es gibt aber auch 'leere' Sätze und Szenen oder Passagen, die eigentlich nix dazu beitragen. So war es gemeint, also nicht non-stop action.
Vielleicht liegt das daran, dass ich Techniker bin und folglich auch an meiner zu "technischen" Vorgehens- und Denkweise. Diese Angewohnheit werde ich mir nur mit viel Mühe abgewöhnen können.
Das müsste dir doch eigentlich zugute kommen, wenn du an Aufbau von Geschichten überlegst. Man redet ja sogar von 'Fundament', 'Struktur', 'Aufbau' bei Geschichten. Fände ich mal sehr spannend, wie ein mit technischem Blick aufgezogener spekulativer Prosatext wirken würde.
Muss ich mich dazu rechtfertigen? Ich weiß, dass ich hier nicht regelmäßig (oder nicht oft genug) kommentiere.
Tja ... du musst natürlich gar nix. Es wird sich aber sicher an der Quantität und Qualität der Komms unter deinen Texten bemerkbar machen, wenn du dich wenig einbringst. Du hast auch weniger Lerneffekt für dich selbst. Und es ist nicht besonders höflich, nur zu nehmen, aber selbst so wenig zu geben. Was soll ich sagen ...?

Herzlichst,
Katla

 

Moin @Michael Weikerstorfer,

habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut und mache direkt mal den Gegenbesuch. Ich habe in den Kommentaren gelesen, dass es dir Spaß macht zu schreiben und das finde ich sympathisch. Meiner Einschätzung nach hat dein Text gute Ansätze, auf denen du noch weiter aufbauen könntest. Nichtsdestotrotz ging es mir etwas wie @kiroly, dass ich mich gefragt habe, was genau das Thema ist? Hat das Putzen eine besondere Funktion für die Geistergeschichte, habe ich mich gefragt? Könnte ja auch sonst ein Einbrecher sein, oder? Daher denke ich, dass es wohl eher um die Idee der Geister geht und das fand ich auch einen spannenden Ansatz. Was ich mir ab und an gewünscht hätte, wären weniger Beschreibungen und dafür dann einige, wenige Beschreibungen, die noch stärker die Sinne mit reinholen. Du hast zwar viele Orte und auch Details drin, aber so richtig konnte sich für mich noch keine Atmosphäre einstellen, was möglicherweise auch einfach an meinem eigenen Lesegeschmack liegen kann. Ich glaube, mich hätten hier sensorische Informationen gut abholen können.

Eine große Stärke deines Textes ist die Innenansicht deiner Prota, da sind viele gute Stellen dabei, wo ich das Gefühl hatte ihr nahe zu sein und ich fand die Gedanken oft gut getroffen. So etwas lese ich gerne.

Ich gehe im Detail auf meinen Leseeindruck ein:

Ich hebe den Putzeimer hoch, während die Lifttüren aufgleiten.
Für mich als Putzfrau bedeutet das bloß mehr Arbeit.
Für meinen Geschmack müsstest du gar nicht explizit erwähnen, dass sie eine Putzfrau ist, das ergibt sich schon aus dem Text.

Mein Wischmopp durchbricht die Stille, indem er platschend am Marmorboden landet.
Hier hat sich für mich kein passender Eindruck einstellen könne. Der Wischmopp landet platschend am Marmorboden? Was genau ist hier mit "an dem" gemeint? Ich konnte das nicht richtig greifen.

Es ist verantwortungslos, große Teile des Hotels selbst nicht zu kennen.
Das habe ich deiner Prota nicht abgekauft. Das war mir etwas zu direkt und ich hab hier ein bisschen den Autor dahinter vermutet.

Ansonsten hat sich hier extrem viel Staub und Dreck angesammelt. Wie soll ich das jemals wieder sauber machen? Räume wie diese sollten nie so lange zurückgelassen werden.
Das bleibt hier leider bei der Behauptung und ich muss das als Leser so kaufen. Ich hätte mir hier gewünscht, dass du mir den Staub und Dreck zeigst, mich ihn vielleicht riechen lässt und dann hätte ich wohl selbst die Schlussfolgerung ziehen können, dass das nicht einfach zu reinigen ist.

Jetzt sind sie aber schmutzig und verwischt. Das ist bestimmt nicht leicht wegzukriegen, vielleicht hilft dagegen Zitronensäure.
Hat sie hier nicht chemische Mittel, die viel besser als Zitronensäure wirken?

Trotz seiner verdreckten Oberfläche kann ich mein Spiegelbild darin noch gut erkennen. Meine zerzausten Haare und trübe Augen verraten, wie müde und erschöpft ich bin.
Das fand ich etwas zu klischeehaft: der Spiegel, um das Aussehen deiner Ich-Erzählerin zu zeigen. Denke, dass hier noch Verbesserungspotential liegt.

Ich beginne, die Räume hinter den Glastüren zu untersuchen. Sie führen jeweils in eine Sauna, eine Dusche, ein WC und in eine Art Abstellraum. Dieser Raum besitzt Regale mit Seifen, Shampoos, Putzmitteln, Arzneien und anderem Zeug. Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu große Halskette.
Die Beschreibung war mir etwas langatmig und generell hätte ich mir bei dem Tag "Horror" etwas mehr Tempo gewünscht. Ich kann mir vorstellen, dass du durch die Details den Raum klar umreißen willst, aber mich konnte das nicht so abholen, war mir zu langsam und die Beschreibungen nicht lebendig genug.

Warum wurde mir eigentlich gesagt, diese Suite sei leer? Dass die Hotelmanagerin über vieles nicht Bescheid weiß, ist klar. Aber wie kann sich ein Gast so unbemerkt in dieser Suite aufhalten? Hier läuft einiges gewaltig falsch.
Das mochte ich wiederum, das ist diese Innenanschau und ich kann ihre Gedanken miterleben. Ja, finde ich immer spannend, das ist ein großer Reiz von Literatur für mich.

Ich ließ meine Kunstobjekte eigens hierherbringen, da ich einen langen Aufenthalt plante. Darunter befanden sich richtige Schätze … Marmorstatuen aus Rom, Wasserspeier von gotischen Kathedralen, viktorianische Kupferfiguren … aber jetzt ist alles weg.“
Das mochte ich, weil du damit schon andeutest, wie alt er ist. Hat für mich gut funktioniert, fand ich gelungen.

„Keine Sorge. Ich erkläre Ihnen gerne alles, was ich darüber weiß. Es ist ein gefährliches Relikt, das die Besinnung seines Trägers verlangsamen kann.
Dieser Dialog war mir dann wiederum zu stark an mich als Leser gerichtet und ich könnte mir nicht vorstellen, dass er das so ausschweifend noch einmal erklärt.

Ich finde, dass du hier gute Ansätze hast, die an einigen Stellen sehr gut für mich funktioniert haben und an anderen Stellen könnte es für mich noch etwas dichter sein mit einem erhöhten Tempo. Bin gespannt, auf deine nächste Geschichte.

Beste Grüße
MRG

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @MRG,

danke, dass du bei mir vorbeischaust und dich mit meinem Text befasst! Ich schätze deinen Gegenbesuch sehr.

Nichtsdestotrotz ging es mir etwas wie @kiroly, dass ich mich gefragt habe, was genau das Thema ist? Hat das Putzen eine besondere Funktion für die Geistergeschichte, habe ich mich gefragt? Könnte ja auch sonst ein Einbrecher sein, oder? Daher denke ich, dass es wohl eher um die Idee der Geister geht und das fand ich auch einen spannenden Ansatz.
Ja, der Fokus der Geschichte ist die Verwandlung in einen Geist. Das soll man am Anfang aber noch nicht ahnen. Die Putzfrau soll sozusagen eine falsche Fährte erzeugen, eine andere Erwartung. Die Funktion der Geisterkette kommt dann unerwartet und überraschend. Das habe ich wohl übertrieben, sodass der ganze Text gespalten erscheint. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass ich hier nachträglich nicht so leicht etwas verändern kann.

Eine große Stärke deines Textes ist die Innenansicht deiner Prota, da sind viele gute Stellen dabei, wo ich das Gefühl hatte ihr nahe zu sein und ich fand die Gedanken oft gut getroffen. So etwas lese ich gerne.
Das freut mich wirklich. Bei meiner letzten Geschichte wurde noch bemängelt, dass man sich zu wenig in die Charaktere hineinversetzen kann. Die war zwar keine klassische Kurzgeschichte, weshalb das schwieriger umzusetzen war, ich bin aber trotzdem zufrieden damit, dass sich meine Bemühungen gelohnt haben.

Für meinen Geschmack müsstest du gar nicht explizit erwähnen, dass sie eine Putzfrau ist, das ergibt sich schon aus dem Text.
Eigentlich stimme ich dir zu. Aber wenn es um eine zentrale Information geht, die ich schon von Anfang an vermitteln möchte, erwähne ich sie zur Sicherheit trotzdem. An dieser Stelle erfährt man ja, dass die Hauptperson eine Frau ist.

Mein Wischmopp durchbricht die Stille, indem er platschend am Marmorboden landet.
Hier hat sich für mich kein passender Eindruck einstellen könne. Der Wischmopp landet platschend am Marmorboden? Was genau ist hier mit "an dem" gemeint? Ich konnte das nicht richtig greifen.
Das sollte nicht an dem, sondern auf dem heißen. Habe ich korrigiert.

Es ist verantwortungslos, große Teile des Hotels selbst nicht zu kennen.
Das habe ich deiner Prota nicht abgekauft. Das war mir etwas zu direkt und ich hab hier ein bisschen den Autor dahinter vermutet.
Ich verstehe, warum du dein Eindruck hast. Den Satz habe ich geändert auf:
Sie kennt große Teile des Hotels selbst nicht einmal.
Das ist weniger direkt, die Verantwortungslosigkeit wird hier nur impliziert.

Ansonsten hat sich hier extrem viel Staub und Dreck angesammelt. Wie soll ich das jemals wieder sauber machen? Räume wie diese sollten nie so lange zurückgelassen werden.
Das bleibt hier leider bei der Behauptung und ich muss das als Leser so kaufen. Ich hätte mir hier gewünscht, dass du mir den Staub und Dreck zeigst, mich ihn vielleicht riechen lässt und dann hätte ich wohl selbst die Schlussfolgerung ziehen können, dass das nicht einfach zu reinigen ist.
Deine Idee, mehr Sinneseindrücke zu verwenden, gefällt mir. Anhand deiner Texte hast du ja bewiesen, wie effektiv das sein kann. Ich probiere da mal was:
Der Geruch von Staub und Dreck liegt so deutlich in der Luft, dass ich mich am liebsten wieder umgedreht hätte.

Jetzt sind sie aber schmutzig und verwischt. Das ist bestimmt nicht leicht wegzukriegen, vielleicht hilft dagegen Zitronensäure.
Hat sie hier nicht chemische Mittel, die viel besser als Zitronensäure wirken?
Den markierten Satzteil habe ich ursprünglich hinzugefügt, um mehr darauf hinzuweisen, dass sie ans Putzen denkt. Jetzt finde ich aber, dass er zu sehr ablenkt. Deshalb nehme ich ihn wieder raus.

Trotz seiner verdreckten Oberfläche kann ich mein Spiegelbild darin noch gut erkennen. Meine zerzausten Haare und trübe Augen verraten, wie müde und erschöpft ich bin.
Das fand ich etwas zu klischeehaft: der Spiegel, um das Aussehen deiner Ich-Erzählerin zu zeigen. Denke, dass hier noch Verbesserungspotential liegt.
Ja, es ist ein Klischee ... aber ich lasse das mal so, wenn mir keine Alternative dazu einfällt. Ich finde, Klischees schaden nur, wenn es zu viele davon auf engem Raum gibt.

Ich beginne, die Räume hinter den Glastüren zu untersuchen. Sie führen jeweils in eine Sauna, eine Dusche, ein WC und in eine Art Abstellraum. Dieser Raum besitzt Regale mit Seifen, Shampoos, Putzmitteln, Arzneien und anderem Zeug. Am Boden liegen ein weißer Plastikstuhl und eine viel zu große Halskette.
Die Beschreibung war mir etwas langatmig und generell hätte ich mir bei dem Tag "Horror" etwas mehr Tempo gewünscht. Ich kann mir vorstellen, dass du durch die Details den Raum klar umreißen willst, aber mich konnte das nicht so abholen, war mir zu langsam und die Beschreibungen nicht lebendig genug.
Hier ist wieder mal meine Technikersprache auffällig geworden. Ich persönlich finde die Stelle so in Ordnung, aber ich kann deinen Wunsch nach mehr Tempo oder Lebendigkeit nachvollziehen.

Warum wurde mir eigentlich gesagt, diese Suite sei leer? Dass die Hotelmanagerin über vieles nicht Bescheid weiß, ist klar. Aber wie kann sich ein Gast so unbemerkt in dieser Suite aufhalten? Hier läuft einiges gewaltig falsch.
Das mochte ich wiederum, das ist diese Innenanschau und ich kann ihre Gedanken miterleben. Ja, finde ich immer spannend, das ist ein großer Reiz von Literatur für mich.
Wow, danke für das Kompliment!

„Keine Sorge. Ich erkläre Ihnen gerne alles, was ich darüber weiß. Es ist ein gefährliches Relikt, das die Besinnung seines Trägers verlangsamen kann.
Dieser Dialog war mir dann wiederum zu stark an mich als Leser gerichtet und ich könnte mir nicht vorstellen, dass er das so ausschweifend noch einmal erklärt.
Diese Stelle wurde zu Recht schon mehrmals bemängelt. Ich finde, sie ist der größte Schwachpunkt der Geschichte.
Die großen Schwachstellen bringe ich eben nicht so einfach weg. Dazu müsste ich die ganze Struktur umgestalten, und dafür bin ich noch nicht bereit. Ich kann es ja bei der nächsten Geschichte besser machen.

Viele Grüße
Michael

 

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