11 - Schmerz
11 - Schmerz
Er sitzt da, schaut ins Leere und weiß nicht, warum er in die Schule kam. „Alles geht vorbei“, das hat ihm jedenfalls ein Freund einst gesagt. Der Lehrer schaut ihn an. Er merkt es nicht. „Und was sagst du dazu Lukas?“, fragt der Lehrer stutzig. Überrascht schaut er ihn an und sagt: “Es ähm, es tut mir Leid, ich habe nicht zugehört.“ Das Licht scheint ihm heute viel zu hell zu sein. Seine Augen schmerzen. Er hat das Gefühl, als würden sie brennen. Der Klassenraum scheint ihm kleiner als sonst. Alles ist so laut, und gleichzeitig herrscht eine unerträgliche Ruhe in seinen Gedanken. Ihm wird heiß, er fängt an zu schwitzen. Er spürt einen Schmerz, doch er weiß nicht woher es kommt. Da ist es wieder, dieses Gefühl, das Gefühl, dass er niemandem beschreiben kann. Es plagt ihn seit Tagen. Mal etwas mehr und mal etwas weniger. Das Einzige was er weiß ist, dass es schmerzt.
Er war eigentlich nie ein Mensch, der sich viele Gedanken darüber machte, was andere denken. Er war eher jemand, der machte was er für richtig hielt. Seine Ziele hatte er stets vor Augen, dachte er jedenfalls. Seine Eltern waren ihm wichtig, besonders seine Mutter. Sie sagte ihm, er müsse studieren, und dass hatte er dann auch vor. Sein Vater sagte nur: „Tu was deine Mutter dir sagt.“ Das Leben war einfach. Er ging zur Schule, kam nachhause, traf sich mit Freunden und ging zum Sport. In der Schule musste er sich nie wirklich anstrengen. Seine Noten waren gut. Es gab nicht mehr als das in seinem Leben. Alles schien perfekt zu sein.
„Hey, bist du noch da?“, fragt sein Kumpel. „Ja, ich denke nur nach“, erwidert er. „Seit wann bist du denn so nachdenklich? Und überhaupt, irgendwas stimmt doch nicht mit dir in letzter Zeit.“ Er antwortet nicht. Ihm wird übel, ein flaues Gefühl macht sich in seinem Magen breit. Er will nur noch, dass die Stunde vorbei geht, doch jede Sekunde kommt ihm vor wie eine Ewigkeit. Früher hat er sich nie so gefühlt, so schwach und lustlos. Alles um ihn herum scheint an Bedeutung zu verlieren. Seiner Mutter ist auch aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmt. Zuhause hatte sie ihn darauf angesprochen. „Du willst die Schule schwänzen, so kurz vor deinem Abschluss? Was ist bloß in dich gefahren, du warst doch sonst nie so. Hast du etwa Streit mit deinen Freunden? Glaub mir, das passiert mal, ich bin mir sicher, dass alles wieder gut wird zwischen euch.“, sagte sie tröstend, als er ihr Montag sagte, dass er nicht zur Schule will. Seine Schwester dachte, er werde gemobbt. Was sonst sollte es gewesen sein? Sie dachte, es würde jedenfalls erklären warum er so bedrückt wirkt in letzter Zeit und nicht zur Schule will. Sie war die Art von Mensch, die immer alles wissen will. Man konnte nichts vor ihr verbergen. Doch bei ihm war das anders. Das Ganze war anders. Er war anders. So etwas kannte man einfach nicht von ihm. Als er damals an die Zukunft dachte, hätte er niemals geahnt, dass das auf ihn zukommt. Er dachte nicht einmal im Entferntesten an die bloße Möglichkeit, dass ausgerechnet er dieses Los zieht. Keiner hätte das gedacht. Die Leute die ihn kannten, haben ihn immer als den ruhigen Jungen gekannt, der sich nie wirklich mit vielen Dingen beschäftigt. Doch nun war er zu ruhig. Als würde alles an ihm vorüber ziehen, er alles in Zeitlupe sehen würde.
„Kennst du das, wenn alles einfach keinen Sinn mehr macht? fragt er seinen Kumpel, ohne eine Antwort zu erwarten. „Was ist denn los mit dir? Du kannst es mir ruhig sagen.“, erwidert er. Er antwortet nicht. Schaut wieder ins Leere.
Irgendwo hat er mal gehört, dass alleine die Seele die liebt, glücklich sein kann. Er wusste nie, was er damit anfangen soll. „Ich bin doch glücklich.“, dachte er sich nachdem ihm bewusst wurde, dass er sowas wie Liebe nie empfunden hat, zumindest nicht für jemand anderes außerhalb seiner Familie. „Warst du schon mal verliebt?“, fragte ihn eine Klassenkameradin auf einer Party. „Nein ich denke nicht.“, antwortete er unwissend, als würde man ihn über theoretische Physik ausfragen.
Er schaut nun in die Klasse, wendet seinen Blick nach links und da passiert es. Ihre Blicke treffen sich. Das wollte er eigentlich vermeiden. Der Schmerz wird größer, er guckt wieder weg. Ein lautes Klingeln. Die Stunde ist vorbei, er will nur noch raus. Doch bevor er seine Sachen einpacken kann, spricht sie ihn an: „Wir müssen reden.“
M.A.K