„Pronto?“
Ich saß auf der Treppe und schaute auf den Platz hinunter. Die Sonne schien herrlich. Ich konnte den Platz gut überblicken.
Ich beobachtete die Menschen. Rund um den Platz saßen sie an den Außentischen der Cafes und Bistros. Trotz der Sonne, waren fast keine Sonnenschirme aufgespannt. Die Menschen schienen die ersten Sonnenstrahlen dieses Jahres genießen zu wollen.
Es war Mittagszeit. Der Platz wurde immer voller. Viele kehrten in ihrer Mittagspause zum Essen ein.
Ich erhob mich, um die Treppe hinunter zu gehen und unten im „Alessandro“ einen Salat zu essen. Da sah ich sie. Sie stand mitten auf dem Platz in der Sonne, ihr blondes Haar wehte leicht in der leisen Brise, die vom Meer her kam. Ich richtete meine Augen direkt auf sie, schaute ihr tief in die Augen. Als wenn sie es gespürt hätte, wandte sie ihren Blick in meine Richtung, und wie von meinem Blick angezogen schaute sie direkt in mein Gesicht. Mein Herz setzte für einen Moment aus und synkopisch wieder ein. Ich fühlte mich wie in ein anderes, ein neues Leben versetzt.
Langsam ging ich die Treppe hinunter. Sie kam mir langsam entgegen. Als wir uns trafen, warf sie einen Blick auf ihre Uhr, erschrak, kramte kurz in ihrer Handtasche und drückte mir eine Karte in die Hand.
Ich hatte die Zeit völlig vergessen, kramte in meiner Handtasche nach einer Karte, drückte sie ihr in die Hand und rannte zurück zur Kanzlei.
Meine Laune hatte sich durch dieses eigenartige Erlebnis völlig geändert. Ich öffnete die Tür zum Vorzimmer, Guido telefonierte. Er nickte mir flüchtig zu. Hielt inne. Hörte auf zu sprechen. Schaute mich irritiert an. Fing sich wieder und telefonierte weiter. Ich ging in mein Büro. Auf dem Schreibtisch lagen viele Akten. Es würde spät werden.
Ich schaute auf ihre Karte, wusste nicht was ich sagen sollte, und hielt meinen Blick gesenkt. Es war alles so neu, ein so sonderbares, neues Gefühl. Ich blickte lächelnd auf.
Sie stand nicht mehr vor mir. Ich drehte mich um. Sie war verschwunden.
Ich schaute mir die Karte noch einmal an. Es stand ihr Vorname und eine Telefonnummer darauf.
Ich ging zum nächstbesten Telefon, gab ihre Nummer ein. Es dauerte lange bis sie abhob und fröhlich rief „Pronto?“. Ich wollte gerade anfangen zu sprechen, als die Ansage des Anrufbeantworters mir ins Wort fiel, „Ich bin zur Zeit leider nicht erreichbar, hinterlasst bitte eine Nachricht, ruft später oder auf dem Handy noch mal an!“. Es piepste. Wieder suchte ich nach Worten. Als ich gerade ansetzen wollte, piepste es wieder. Ich hasse ABs. Also versuchte ich den ganzen Tag bei ihr anzurufen. Spät abends gab ich es auf.
Am nächsten Morgen ging ich sofort zum Telefon und versuchte es wieder. Ein letztes Mal wie ich mir vornahm.
Es war, wie ich es vorrausgesagt hatte, spät geworden. Auf dem Nachhauseweg fiel mir die seltsame Begegnung von Mittags wieder ein. Es beschlich mich das komische Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben. Dieses Gefühl mischte sich mit Verliebtheit und Abenteuerlust.
Zuhause hörte ich schnell noch den Anrufbeantworter ab, um zu hören, ob sie angerufen hatte. Keine Nachricht. Keine, – von ihr.
Mit Ungewissheit und leerem Magen ging ich ins Bett.
Das Klingeln des Telefons weckte mich. Müde stand ich auf und wankte zum Telefon. Kurz bevor der AB anfangen wollte, sein Sätzchen herunter zu beten, rief ich fröhlich in den Hörer „Pronto?“ und hörte ein leises Klicken am anderen Ende.