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Serie ß in der Krise

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02.02.2005
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ß in der Krise

ß stand im Vorraum der Toilette vor dem Spiegel. Er drehte sich hin und her und schlug sich leicht auf die Wölbung seines Bauches. Langsam traten ihm Tränen aus den Augen und kullerten über seine runden Backen.
„Oh, entschuldige, ß!“, rief ihm s zu, der in den Raum stürmte, ohne anzuklopfen. „Aber ich muss mich unbedingt frisch machen. Ich bin ja so im Stress! Fast alle Schulklassen schreiben am Ende des Schuljahres noch Diktate. Und da ich in so vielen Worten vorkomme, verlangt man überall nach mir.“
Schnell spritzte s sich etwas Wasser ins Gesicht. Als er den Kopf hob und ebenfalls in den Spiegel schaute, stutzte er: „Warum weinst du denn? Was ist dir zugestoßen?“
„Keiner mag mich“, jammerte ß. „Die Kinder sind ständig wütend auf mich, weil sie eine Menge Fehler in ihren Arbeiten machen. Immer vergessen sie, dass es auch noch einen Buchstaben wie mich gibt.“
„Jetzt mach’ dir keine so tristen Gedanken“, beruhigte s seinen Buchstabenfreund. „Sie müssen erst lernen, dass es verschiedene Schreibweisen für ein s gibt. Auch bei mir ist es nicht immer einfach. Mal komme ich alleine vor, wie in dem Wort ‚reisen’. Aber will ich ein Stück Stoff kaputtmachen, also ‚zerreißen’, dann trittst du in Aktion und musst mich ersetzen. Das Wort hat dann eine andere Bedeutung.“
„Aber ich werde in dem Moment wieder von dir und deinem Zwillingsbruder ersetzt, wenn der Stoff schon kaputt ist, also wenn er ist bereits ‚zerrissen’ ist“, fällt ß in das Wortspiel ein. „Kein Wunder, dass die Kinder so viele Fehler machen. Das ist ja furchtbar verwirrend.“
„Da siehst du es. Es ist nicht deine Schuld, wenn sie sauer sind, weil sich wieder scheußlich viele Fehler in ihre Arbeiten geschummelt haben.“ S legte beruhigend seinen Arm um die schmale Taille von ß.
„Ja, du hast Recht. Und das ist jetzt nur ein einziges Wort mit drei verschiedenen Schreibweisen und drei verschiedenen Bedeutungen. Da tun mir die Schüler wirklich Leid.“ ß musste schniefen, denn es traten ihm weitere Tränen in die Augen.
„Wollen mal sehen, ob wir noch so ein Wort mit mehreren Bedeutungen finden“, schlug s vor und begann scharf nachzudenken.
„Mir fällt noch etwas ganz Kompliziertes ein“, rief s nach einer Weile. „Nehmen wir das schöne Wort ‚wissen’. In der Grundform trete ich im ss-Doppelpack auf. Aber wenn ich etwas ‚weiß’, da ersetzt man mich durch dich. Auch bei der Farbe ‚weiß’ wird deine Anwesenheit verlangt.“
„Aber da haben wir es doch schon wieder!“, jammerte ß. „Die Worte werden nicht so ausgesprochen, dass man erkennt, dass sie mit ß geschrieben werden. Und dafür werden mich die Kinder hassen.“
„Da ist natürlich dann der Fleiß der Kinder gefragt. Sie sind verpflichtet, die Regeln zu lernen“, antwortete s.
Einen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden Buchstaben. Nur ab und zu hörte man ein leises Seufzen und Schniefen von ß.
Plötzlich rief s laut: „Jetzt habe ich ein schönes Beispiel, das dir bestimmt gefallen wird.“
ß sah seinen Buchstabenfreund skeptisch an.
„Nimmt mal das Wort ‚messen’. Mit was misst man?“
„Na, mit dem Metermaß, mit was sonst“, antwortete ß und schnäuzte sich in sein Taschentuch.
„Und Maß schreibt man mit …? Mit ß natürlich.“ S war ganz aufgeregt. „Und hier hast du einen Fall, wo man sofort hört, dass deine Anwesenheit verlangt wird. Man spricht das a lang gezogen, also Maaaaaß.“
„Ja, stimmt“, entgegnete ß und wischte sich heimlich die letzte Träne aus dem Gesicht. „Das gleiche gilt für ‚Maaaaßstab’, ‚Maaaaaßnahme’, ‚Maaaaaaßeinheit’….“ ß wollte gar nicht aufhören und zog die Worte immer weiter in die Länge.
„Für das Wort ‚Hefekloß’ gilt das auch“, unterbrach s die Wörterkette von ß. „Da siehst du, wenn du auftauchst, kann man erkennen, wann ein Vokal vorher lang gesprochen wird."

Plötzlich ertönte im Lautsprecher auf den Gang eine laute Stimme: „Hallo s! Wo bist du? Beeile dich! Wir brauchen dich sofort im Klassenzimmer der 5 b. Der Lehrer will mit dem Diktat beginnen. Alle anderen Buchstaben sind schon da, nur du und ß fehlen noch. Wenn du deinen Buchstabenpartner siehst, dann sag ihm, dass er sich ebenfalls sputen soll. Denn ohne ihn hagelt es wieder Fehler um Fehler in den Klassenarbeiten.“
S stieß seinen Freund in die Seite: „Da, hörst du es! Wir werden beide verlangt. Na, dann mal los Sportsfreund!“

 

Liebe Nicht-Deutsche,

ich hoffe ihr versteht die Geschichte, obwohl ihr den Buchstaben nicht kennt. *smile*

Viel Spaß
bambu

 

Hallo Bambu,

Deine Geschichte habe ich gerne gelesen! :) Total witzig fand ich, wie die beiden Buchstaben am Ende über die Lautsprecheranlage zurück in die KLasse 5b zum Diktat gerufen wurden.

Ich bin zwei- oder dreimal über Wortwiederholungen gestolpert - das schreibe ich Dir morgen irgendwann, wenn ich mehr Zeit habe.

Eine grundsätzliche Bemerkung habe ich allerdings. Wenn Du Deine Geschichte zur Unterhaltung für uns Erwachsene gedacht hast, dann finde ich sie gelungen. Wenn Dir aber vorschwebte, die Geschichte im Unterricht mit Grundschülern zu verwenden, dann denke ich, dass sie ihren Zweck nicht erfüllt, da die Erstleser ja heute die neue Rechtschreibung lernen und durch Vergleiche mit der alten, uns vertrauten Rechtschreibung, nur verwirrt werden würden ...

Liebe schnell Grüße
al-dente

 

Hallo al-dente,

fein, dass du auch diese Geschichte witzig fandest.
Das mit der neuen und alten Rechtschreibung hat sich halt so angeboten. Aber du hast Recht, für die Schulanfänger ist es natürlich nicht geeignet.
Falls mir noch andere Geschichten einfallen sollten, werde ich künftig drauf achten, dass ich nur die neue Rechtschreibung berücksichtige.

In welche der Rubriken würde denn meine Geschichte passen, wenn sie für Erwachsene bestimmt wäre? Humor vielleicht?

Bis bald
bambu

 

Hallo al-dente,

ich habe die Geschichte noch mal überarbeitet und die Rechtschreibreform rausgelassen.
Ihr könnt nun entscheiden, ob ich die alte Fassung in eine andere Rubrik für Erwachsene schieben soll, ober durch die neue Fassung ersetzt wird und ganz wegfällt.
Ich wäre mit beiden Möglichkeiten einverstanden. Selbst kann ich bei einer Verschiebung ja nichts machen.

Viele Grüße
bambu

 

Hoi bambu,

Du hast nur auf eine offizielle Schreibaufgabe gewartet, gibts zu. :D
Klasse. :)

Ich finde die neue Version gut geeignet! Gerade, weil s, ss und ß wirklich oft Fehlerquellen sind. Die alte Variante ... wenn ich ehrlich bin, würde ich an Deiner Stelle sie nicht verschieben ... weiß nicht, sie scheint mir in keine der Erwachsenenrubriken zu passen. Aber wenn Du das möchtest, schreibe mir einfach, dann erledige ich das natürlich. :)

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Anne,

ja, wenn ich ein Thema vorgegeben habe oder mir eine Aufgabe gestellt wird, dann kommen mir eher Ideen, als wenn ich mir selbst Themen ausdenken muss.
Mit dem Verschieben hast du sicherlich Recht. Für Erwachsene scheint es mir doch ein bisschen zu kindisch. Ich glaube, wenn man die Rechtschreibreform auf dem Arm nehmen will, da gibt es bestimmt andere Geschichten.
Ich werde die alte Version noch drinnen lassen, bis al-dente sich gemeldet hat. Dann lösche ich sie am besten.

Übrigens vielen Dank für dein Lob.

Bis bald
bambu

 

Hi bambu,

die Idee, dass ß sehr traurig ist und von s getröstet wird, gefällt mir.

Es wird für den Leser etwas anstrengend, den verschiedenen Schreibvarianten zu folgen, da in der Geschichte fast nur über dieses Thema gesprochen wird und wenig Handlung vorangeht.

Mein Lieblingssatz:

S legte beruhigend seinen Arm um die schmale Taille von ß.

Ich stimme al-dente zu, dass es für Grundschulkinder wohl zu kompliziert werden würde, aber ich habe es gerne gelesen :).
Um kindgerechter zu verändern, müsstest du die Beispiele kürzen und das ß noch ein Abenteuer bestehen lassen.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo bambu,

Deine zweite Version gefällt mir sehr! Ich finde nicht, dass sie für Grundschüler zu kompliziert oder zu langweilig ist! :)

Ich würde die neue Version hier stehen lassen und die andere einfach entfernen - für Erwachsene ist sie zu kindlich und für Grundschüler ist der Vergleich alte / neue Rechtschreibung zu verwirrend.

S legte beruhigend seinen Arm um die schmale Taille von ß.

Dieser Satz gefällt auch mir ... :D

Die Wortwiederholungen, die mir in der ersten Version auffielen, scheinen auf einmal verschwunden zu sein ...

Lieben Grüße
al-dente

 

Hallo bernadette,

schön, dass du die Geschichte gerne gelesen hast.
Ich habe extra das Thema der verschiedenen Schreibweisen gewählt, weil es doch gerade bei Schüler, aber auch bei uns Autoren noch die häufigste Fehlerquelle ist.
Vielleicht sollte man nicht gleich in der ersten Klasse beginnen, diese Geschichte vorzulesen, aber bei älteren Jahrgängen, finde ich sie doch ganz angebracht.
Bei deinem zitierten Satz, wollte ich die Traurigkeit des kleinen ß noch ein bisschen hervorheben.

Hallo al-dente,

jetzt habe ich dich mit meiner zweiten Fassung um die Arbeit der Fehlersuche gebracht. *smile*
Die alte Version habe ich inzwischen gelöscht, habe sie aber noch auf einer Diskette zu Hause gespeichert, denn ganz wegschmeißen wollte ich sie dann doch nicht.
Aber ich glaube auch, dass die zweite Fassung besser zu Schulkindern der Jetzt-Zeit passt.
Du hast wohl auch, wie bernadette, einen Beschützerinstinkt, da auch dir der zitierte Satz so gut gefallen hat.

Viele Grüße an euch beide
bambu

 

Hallo Bambu,

das Monatsthema löst ja richtige Kreativitätsschübe bei dir aus. :)

Deine Geschichte über das ß fand ich auch total süß. Gerade die Idee, dass es sich auf der Toilette mit dem s unterhält, fand ich sehr gelungen. Das Ende, als die beiden Buchstaben zum Diktat gerufen werden, fand ich auch gut.

Ich kenne ja die erste Version nicht, aber ich finde, dass diese Geschichte durchaus für Grundschüler geeignet ist.

Sorry, nicht sehr konstruktiv, dafür ein dickes Lob.

LG
Bella

 

Hallo Bella,

danke für dein dickes Lob. Habe mich sehr darüber gefreut.
In der ersten Version bin ich auf das Problem zwischen neuer und alter Rechtschreibung eingegangen. Aber al-dente hat mich gelehrt, dass es für die neuen Schulanfänger ja eine "alte Rechtschreibung" nicht gibt und so ein Vergleich zwischen beiden Unsinn ist.

Übrigens haben mir die Buchstaben-Geschichten von al-dente schon immer gut gefallen. Und ich hatte mir schon selbst mal Gedanken über solche Art von Geschichten gemacht. Daher kommen in so kurzer Zeit diese drei Geschichten. Aber nun muss ich wieder denken und Ideen sammeln. Und wie ich schon bei einer anderen Antwort sagte, wenn ich ein Thema habe, da kommen mir eher Geschichten in den Sinn.

Bis bald
bambu

 

Hi bambu!

Herrje, diese Buchstabengeschichten müssen wirklich idiotensicher zu schreiben sein. Hab mich jedenfalls so gut unterhalten gefühlt wie den anderen aus dieser Kategorie.

Zum Glück hab' ich noch was gefunden, woran ich meckern kann, sonst würde ich mich hier bald überflüssig fühlen:

„Ja, du hast Recht. Und das ist jetzt nur ein einziges Wort mit drei verschiedenen Schreibweisen und drei verschiedenen Bedeutungen. Da tun mir die Schüler wirklich Leid.“ ß musste schniefen, denn es traten ihm weitere Tränen in die Augen.
„Wollen mal sehen, ob wir noch so ein Wort mit mehreren Bedeutungen finden“, schlug s vor und begann scharf nachzudenken.

Warum sollte es ß aufheitern, wenn er noch mehr deprimierende Beispiele vorgesetzt bekommt? Er nimmt die Fehlerträchtigkeit seiner Verwendung als Problem wahr, wie kann er dann so übergangslos darauf eingehen, dass s ein Spiel daraus macht?
Da muss noch irgendwas dazwischen kommen. Er soll doch begreifen, dass er wegen seiner schwierigen Anwendung nicht weniger gemocht wird. Wenn s ihm nur Beispiele für das Kreuz mit s und ß liefert, bekräftigt das doch eigentlich seine Meinung, dass ihn ganz bestimmt keiner leiden kann.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du das Wörtererklären und die Story drumrum willkürlich zusammengeklebt hast. Es gibt eine ziemlich unschöne Nahtstelle, die sich in ßs unplausiblem Verhalten ausdrückt.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Megabjörnie,

es muss ja immer jemanden geben, der meckert. Dafür sind ja die Kritiken in KG.de da. Freue mich immer darüber, egal ob sie possitiv oder negativ sind, denn nur daraus kann ich erkennen, ob meine Geschichte auch allgemein verständlich ist.
So, nun zu deinem Problem. Ich finde nicht, dass der von dir zitierte Absatz die Depressionen von ß schürt. Denn wenn du in der Story weiterliest, dann beteiligt sich ß an der Wortsuche und stellt dabei fest, dass es nicht überflüssig ist, denn ohne ß gäbe es z.B. die Farbe "weiß" nicht usw. Also sieht ß ein, dass es gebraucht wird.

So einfach wie sich die Geschichten lesen, so schwierig ist es manchmal zu den einzelnen Beispielen, die man anführt, auch die passenden Worte zu finden. Das ist vielleicht der Grund, weshalb es dir vorkam, als ob die Geschichte und die enthaltenen Wortbeispiele nicht nahtlos ineinander über gehen.

Ich hoffe, ich habe dein Problem richtig erkannt. Wenn nicht, kannst du mir vielleicht eine kleine Hilfe geben, wo oder welche Bemerkung ich noch einfügen müsste, damit es verständlicher wird. Ich wollte durch das Suchen von anderen Worten mit dreierlei Bedeutung nur erreichen, dass ß mitspielt und von seiner Traurigkeit abgelenkt wird und auch einsieht, dass es nicht überflüssig ist.

Bis bald
bambu

 

Die Eingangsthese von ß ist aber:

„Keiner mag mich“, jammerte ß. „Die Kinder sind ständig wütend auf mich, weil sie eine Menge Fehler in ihren Arbeiten machen. Immer vergessen sie, dass es auch noch einen Buchstaben wie mich gibt.“

Das bedeutet nach meiner Interpretation: ß fühlt sich minderwertig, weil es nur dazu beiträgt, die Sprache kompliziert zu machen ( was gewissermaßen ja auch stimmt *g* ).
Und dann kommt s an und gibt ihm auch noch Beispiele dafür.

Vielleicht solltest du überlegen, bei welchen Beispielen das ß den Gebrauch der Sprache erleichtert. Ich würde sagen, es ist hilfreich bei der Kennzeichnung von langen Vokalen. Dann sollte der inhaltliche Schwerpunkt des Dialogs auch darauf liegen.

 

Hallo Megabjörn,

ich habe jetzt im Mittelteil die Änderung gemacht. So wird jetzt etwas deutlicher, dass ß das Geühl hat, von den Schülern gehasst zu werden.

Übrigens ich hoffe, dass der von al-dente zitierte Satz im Scherz gemeint ist, sonst würde ich dir raten, es auch mal mit einer solchen "idiotensicheren" Geschichte zu versuchen. Da kommt man manchmal ganz schön ins Schwitzen.

Viele Grüße
bambu

 

Okay: Das war nur ein Scherz. :D
Da wusste ich auch noch nicht, was ich alles an der Geschichte auszusetzen hatte. In der neuen Version finde ich leider nichts, aber warte mal, wenn ich mit der Lupe suche ... *such* *überleg* *schwitz* *verzweifelweilnichtsfind* :schiel:
Tja, das muss ich wohl durchwinken. Besser könnte ich es auch nicht mehr machen. Also: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

 

Hallo Megabjörnie,

vielen Dank für den dreifache Daumen.

Viele Grüße
bambu

 

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