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Übermorgen ist Beerdigung

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Übermorgen ist Beerdigung

Übermorgen ist Beerdigung

"Hmmh, riecht das lecker", sagte er und grapschte ihr an den Po. Sie drehte gerade die Hähnchenfilets in der Pfanne um, setzte ihr Lächeln auf und wandte sich ihm zu. Dann gab sie ihm einen Kuss, auf die bereits zuvor geküßte Wange, wie sie am verwischten Lippenstift auf seiner Wange erkannte.
Auch sog sie sein feminines Parfum ein. Chanel Nr. 5.

"Du bist spät", sagte sie und sah ihm in die Augen, während sie ihm verkrampft liebevoll den Nacken streichelte.
Sein Blick glitt zu Boden, als er ihr antwortete: "Die Besprechung mit unserem Chef über das Anizza-Projekt zog sich wieder in die Länge. Du weißt doch, wie wichtig es für unsere Firma ist. Wir müssen eben alle Opfer bringen. Heute machten die Belgier Probleme, sie fanden den Stil doch nicht passend und..."
"Dann hast du sicher Hunger!" unterbrach sie ihn bestimmt und begab sich zu dem schlichten Holztisch, um diesen zu decken.

Ihre zittrigen Hände ließen dabei einen Teller zu Boden fallen. Er holte wortlos ein Kehrblech aus dem Schrank und fegte die Scherben auf.

Sie setzten sich und aßen schweigend. Keine betörenden Blicke, keine leidenschaftlichen Wörter. Es herrschte lediglich eine nichtssagende, inhaltslose und stumme Nichtkommunikation, dennoch folgte sie ihm ins Schlafzimmer, als er aufstand.

Ein schriller Laut durchfuhr die Stille. Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. "Ich gehe schon" erklärte er schnell. Zu schnell. Er griff zum Hörer und nahm das Telefon mit auf den Flur. Bedächtig schloß er dabei die Schlafzimmertür.

Sie lag auf dem Ehebett und zog sich schon mal aus.

Der Regen prasselte sacht und gleichmäßig gegen die Fensterscheibe.
Vom Flur her hörte sie ihn flüstern. Selbst sein Flüstern war zu laut. "Du sollst mich hier doch nicht anrufen", zischte er. Kurze Stille. "Oh, das tut mir leid" sagte er dann mit mitleidiger Stimme, "er war doch noch gar nicht alt! 40 würde ich schätzen...45? Das wußte ich nicht...Ein Schlaganfall?...Ich kann jetzt aber nicht weg, dass weißt du doch...nein, so gerne ich es auch möchte...Morgen habe ich mehr Zeit für dich...Wann ist die Beerdigung?...Übermorgen schon?... Ja...Leg dich schlafen...versuch es mit einer Baldrian-Tablette...Ok...Ciao.“

Sie drückte ihr Gesicht fest ins Kopfkissen und erstickte so ihr Schluchzen, dabei zählte sie langsam in Gedanken von zehn abwärts. Ihr Atem beruhigte sich.

Er kam zurück ins Zimmer und stellte das Telefon auf den Nachttisch zurück. "Wer war das?" erkundigte sie sich. Ihrer Stimme merkte man nichts mehr an. "Mein Chef, du weißt doch, die Belgier! Wir müssen ab übermorgen das ganze Projekt komplett umändern! So ein Mist."
Er schlug die Bettdecke zurück unter der sie nackt lag und entkleidete sich ebenfalls.

Der Mond kämpfte sich durch die Regenwolken und spendete fahles Licht. Sie sah den blauen Knutschfleck in seinem Nacken, klein und rund. Hatte sie einen zierlichen Mund oder volle Lippen?

Seine Männlichkeit war steif, wahrscheinlich war seine Nase noch betäubt vom Chanel Nr. 5. Er benetzte seine Finger mit Speichel, glitt zwischen ihre gespreizten Schenkel und befeuchtete ihre Vagina. "Bei seiner Anderen brauchte er das wohl nicht", dachte sie noch. Dann drang er in sie ein. Auf und ab.

Als er ihr Innerste mit seinem weißem Giftschleim näßte, stöhnte er. Sie kniff ihm fest in die kleine, blaue, runde Stelle im Nacken, während sie, wie so oft, dachte: "Ab morgen...spätestens ab übermorgen nicht mehr!"

Sie stand auf, zog sich ihr weißes Nachthemd über, legte sich in ihre Seite des Bettes und beobachtete die tanzenden Wasserperlen auf der Fensterscheibe.

Maya 2002

[Beitrag editiert von: Maya20 am 11.02.2002 um 23:08]

 

Recht hübsch gezeichnet, finde ich, diese Nichtbeziehung, aus der weder er noch vor allem sie die Kraft hat, auszubrechen. In der die Rollen seltsam vertauscht sind ... er betrügt sie offenbar, macht sich aber keinerlei sonderliche Mühe, es zu verbergen, und sie spielt ihm etwas vor. Liebe? Abhängigkeit? Schön, dass du es offen lässt. Die Paarung (ich glaube, das Wort ist treffend) als Metapher für eine sinnentleerte Beziehungshülse.

Deine kleine Irreführung des Lesers ist mir nicht entgangen, ich kann nicht glauben, dass das Zufall ist: "Die Beerdigung" als Titel und "Ab morgen ... spätestens ab übermorgen nicht mehr" in der Schlussgegend. Eine falsche Erwartung als Falle, in die der kursorische Leser tappen soll? ;)

Zur Sprache: "Giftschleim", das mag hier angehen, weil es glaubhaft ist, dass sie es so empfindet, so nennt.
"das Körperteil welches er heute wohl schon bei einer anderen Person erobert hatte". Auch wieder so eine Sache. Du möchtest, so denk ich mir, ihre Empfindungen möglichst knapp in die Beschreibung einfließen lassen. Mir fällt momentan auch keine bessere Formulierung ein, aber -hmmm - die find ich trotzdem nicht so gut.

Nur mal eine Hypothese: bei der Beschreibung einer Paarung kann man die Geschlechtsteile bei ihren anatomischen Namen nennen - da braucht es keine poetischen Umschreibungen. Vielleicht möchtest du das einmal ausprobieren - keine Ahnung, ob es funktioniert.

Den Schlusssatz find ich einfach gut. Er drückt ohne unnötige Worte die unendliche Traurigkeit dieser Szene aus, die er wohl nicht einmal wahrnimmt. Er schläft wahrscheinlich schon.

 

Hallo Strider!

Hey, danke für deine Kritik. Hmmh, du hast auch direkt die Stelle gefunden, die mir am meisten Kummer bereitet:

befeuchtete das Körperteil welches er heute wohl bereits schon bei einer anderen Person erobert hatte.

Was kann man für Körperteil einsetzen? :confused: :confused: :confused:
Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele "Gedanken" ich dafür verwendet habe, mir etwas Besseres einfallen zu lassen.

Ganz zu Anfang hatte ich auch die anatomischen Bezeichnungen, aber ich bin dann beim "Nachlesen" jedesmal darüber gestolpert.

Ich nehme jeden Vorschlag dankend an!!!!
Und zur "Irreführung": "Ein bißchen Spaß muß sein, dann... :D "

 

Hey.

Warum denn nicht die nüchterne, anatomische Beschreibung, sprich Vagina oder Scheide? Die Tatsache, dass er sie erst anfeuchten muss, spiegelt doch die Lethargie der (sexuellen) Beziehung der beiden Charaktere wieder, eine kalte Formulierung würde dies noch unterstreichen.

San

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 11.02.2002 um 04:18]

 

Hallo,

da du ausdrücklich darum bittest, doch einige Gedanken, wie man das Problem lösen könnte.

Nicht einfach, genau das zu treffen, was ich aus deinem Text heraus empfinde.

... und befeuchtete (eventuell: wie beiläufig; oder: sorgfältig; oder: ohne Eile) ihre Schamlippen, die Innenseite ihrer offen daliegenden Scheide. Dann ...

das wäre eine Formulierung, bei der leider ihr Gedanke an die andere verloren geht.

Er benetzte seine Finger mit Speichel, befeuchtete sie zwischen ihren gespreizten Schenkeln. Hatte er das vor einigen Stunden auch getan? Dann ...

Ein anderes Beispiel, das aber zur "anderen" einen etwas anderen Bezug herstellt als du.

Er benetzte seine Finger mit Speichel, sie fühlte die Feuchtigkeit zwischen ihren gespreizten Schenkeln. Ob sie die auch gefühlt hatte?
Dann drang er in sie ein. Auf und ab.

Hier bringe ich einen neuen Aspekt ein, die Doppeldeutigkeit des "Fühlens der Feuchtigkeit". Ich bin keine Frau, ich weiß nicht, ob dich das überzeugt.

Viel Spaß noch dabei, deine persönliche Formulierung zu finden.

Ciao

[Beitrag editiert von: Strider am 11.02.2002 um 06:12]

 

Moin,

@San: Guter Vorschlag, hatte ich mir zu Beginn auch überlegt. Der erste Gedanke ist doch meist der Richtige.

@Strider:
Danke für deine Bemühungungen, habe mir auch Gedanken gemacht, habe mich dann aber doch für die simpelste Formulierung entschieden. Allerdings konnte ich mit deinem letzten Vorschlag nicht ganz anfreunden, da nicht genau hervorgeht, "welche" Flüssigkeit gemeint ist, sein Speichel oder wäre gemeint, dass sie doch ein wenig erregt ist? Na ja, aber solche Fachdiskussionen überlassen wir dem Dr. Sommer Team :D !
Trotzdem danke für deinen Einsatz

Lieben Gruß
Maya

 

Oops, hast recht! Da fehlt vielleicht noch ein knappes "... , benetzte sie, sie fühlte ..."

Wie auch immer, ich find deine Entscheidung sehr gut.

 

Hallo Maya!

Woher kenne ich nur diese Thema. Fliegt mir in letzter Zeit so oft um die Ohren. Auch ich bin ueber so manche Formulierungen gestolpert, aber ansonsten sehr gut geschrieben. Ich finde, v.a. die Unpersönlichkeit zwischen dem Ehepaar, diese (sch****, sorry) Gewohnheit, ist gut getroffen!

Liebe Gruesse
Dany

 

Hallo Maya,

Deine Geschichte gefällt mir recht gut - aber sie könnte, glaube ich jedenfalls, noch besser sein, wenn sie länger und ausführlicher wäre. Die Charakterisierung kommt ein wenig dünn daher. Wenn die beiden sich so offensichtlich nichts mehr zu sagen haben, warum leben sie dann noch zusammen? Tatsächlich nur aus reiner Gewohnheit, oder gibt es noch andere Motive (Menschen aus Fleisch und Blut könnten sich vielleicht der Hoffnung hingeben, dass alles gut wird...)

Ein paar Dinge noch, die mir so aufgefallen sind.

Dann gab sie ihm einen Kuss, auf die bereits zuvor geküßte Wange, wie sie am verwischten Lippenstift auf seiner Wange erkannte.

´auf die bereits zuvor geküßte Wange´ klingt nicht so toll.

Sein Blick glitt zu Boden

Ich hoffe, das war als Futter für den aufmerksamen Leser gedacht. Klingt gut und ersetzt die etwas umständliche Formulierung, dass die Frau seine Lüge durchschaut.

dennoch folgte sie ihm ins Schlafzimmer, als er aufstand.

wie ein Hund etwa? Na, bevor sie ins Schlafzimmer gehen, müssen sie doch irgendwas reden.

Vom Flur her hörte sie ihn flüstern. Selbst sein Flüstern war zu laut.

Aber die Schlafzimmertür ist doch zu. Kann sie ihn da wirklich Wort für Wort verstehen? Besser wäre, die Tür stünde einen Spalt offen, und die Frau steht auf und lauscht. Machen das nicht überhaupt alle Frauen? :rolleyes:

Seine Männlichkeit war steif, wahrscheinlich war seine Nase noch betäubt vom Chanel Nr. 5.

Hm, wo ist denn der Zusammenhang?
Wäre seine Männlichkeit mit 4711 weniger prächtig?

Giftschleim

klingt ein bisschen unrund. Wie wäre es mit ´Gift´, nur das?

Jetzt hab ich wohl doch etwas viel rumgemäkelt, wollte ich gar nicht. Aber das sind halt die Dinge, die mir beim Lesen aufgefallen sind.

Schönen Gruß

sb

[Beitrag editiert von: sb am 17.02.2002 um 17:35]

 

Moin Dany,
hey, da wir haben wohl ein recht ähnliches Thema gewählt!

...bin ueber so manche Formulierungen gestolpert,...

Hmmh, nur für den Fall, dass du mal sehr große Langeweile haben solltest: würde mich freuen, wenn du ein paar nennen würdest.
Und danke für's Lesen.

@sb: Danke für deine Kritik.

...noch besser sein, wenn sie länger und ausführlicher wäre. Die Charakterisierung kommt ein wenig dünn daher.
Die Figuren in Kurzgeschichten sollen ja nicht entwickelt sein, sondern nur angerissen. Auch soll sich eine Kg auf das Wesentliche beziehen. Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass es keiner ausführlicheren Charakterisierung bedarf und das die Lethargie zwischend den Beiden deutlich ist.

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dennoch folgte sie ihm ins Schlafzimmer, als er aufstand.

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wie ein Hund etwa? Na, bevor sie ins Schlafzimmer gehen, müssen sie doch irgendwas reden.


Genau die Stelle soll zeigen, dass die Beiden sich nichts mehr zu sagen haben. Das sie selbst in solchen Momenten, wo normalerweise geredet wird, nichts sagen.

Vom Flur her hörte sie ihn flüstern. Selbst sein Flüstern war zu laut.
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Aber die Schlafzimmertür ist doch zu. Kann sie ihn da wirklich Wort für Wort verstehen? Besser wäre, die Tür stünde einen Spalt offen, und die Frau steht auf und lauscht. Machen das nicht überhaupt alle Frauen?


Hey, hey, hey, glaubst du das wirklich, das so etwas alle Frauen machen?
Diese Stelle sollte noch einmal die Einsamkeit der Frau darstellen. Sie weiß davon, deswegen braucht sie noch nicht einmal die Gewißheit. Heißt, sie weiß es schon länger. Hätte sie nur einen Verdacht, stände sie lauschend an der Tür, das stimmt.

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Seine Männlichkeit war steif, wahrscheinlich war seine Nase noch betäubt vom Chanel Nr. 5.
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Hm, wo ist denn der Zusammenhang?
Wäre seine Männlichkeit mit 4711 weniger prächtig?


Das Chanel Nr. 5 ist bereits zu Beginn genannt. Es ist das Parfum der Anderen. Seine Frau glaubt also, dass er nur deshalb "kann", weil er in Gedanken bei seiner Anderen ist.
Ich glaube mit 4711 würd echt gar nichts mehr laufen, da hälfe auch kein Viagra ;)

Mit "Giftschleim" sollte die Konsistenz etwas erläutert werden.

Konnte ich deine Kritikpunkte ein wenig erklären? Falls du nicht meiner Meinung bist, würde mich dieselbige deinerseits interessieren.
Nochmal Danke für's Lesen!

Lieben Gruß
Maya

[Beitrag editiert von: Maya20 am 18.02.2002 um 20:59]

 

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