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Überall und nirgends
Sterben ist seltsam…
Manche sagen, man würde aus seinem Körper herausgerissen werden. Aber eigentlich merkt man den Tod gar nicht, es fühlt sich eher an, als würde man mitsamt seinem Körper in eine sehr enge Kiste gezwängt werden. Und – das war’s.
Ich saß also in meiner engen Kiste und versuchte, meine Augen zu öffnen. Ohne Erfolg. Dann fiel mir auf, beziehungsweise es fiel mir nicht auf, denn ich konnte nicht richtig denken, es war mir auf irgendeine Art und Weise bewusst, dass ich nicht atmete. Mein Atemreflex schaltete sich ein, aber ich atmete nicht.
Wäre ich zu diesem Zeitpunkt im Besitz logischen Denkens gewesen, wäre ich entweder in Panik geraten oder mir wäre aufgefallen, dass ich tot bin. So versuchte ich nur, zu versuchen, mich zu erinnern, was passiert war, aber schon der Versuch des Versuchs scheiterte aufgrund meiner fehlenden Gedanken. Mein Zustand war wohl vergleichbar mit dem des Halbschlafs. Man kann nicht denken, ist sich seines Lebens aber bewusst. Nur, in meinem Fall wachte ich nicht beim Versuch zu denken auf.
Es ist schwierig, sein Unterbewusstsein abzurufen, wenn man nicht denken kann. So dauerte es eine nicht definierbare Weile, bis in meinem Kopf, den ich wie den Rest meines Körpers nicht fühlte, aber von seiner Existenz wusste, die Idee erschien, dass ich in der Unendlichkeit bin. Ich konnte nur mit dieser Idee nichts anfangen. Mir kam aber das erste Mal ein greifbarer Gedanke, der, dass ich diese Idee handhaben sollte. Aber mit einem einzelnen, treibenden Gedanken kann man nichts anfangen.
Was nach dem Tod kommt, fragen sie sich.
Es dauerte eine Weile, oder einen Moment, oder eine Ewigkeit in der Unendlichkeit, bis ich mir meines eigenen Todes bewusst war. Es kamen mir Ideen in den Sinn, mit denen ich nichts anfangen konnte. Und weil die Unendlichkeit kein Ziel hat, waren die Ideen völlig zufällig, sinnlos und ohne Bezug.
Wenn man es menschlich sieht, kann es ewig dauern, bis man auf die Idee seines Todes kommt. Aber was ist ewig in der Ewigkeit?
Der Moment, in dem ich mir meines Todes bewusst wurde, war der erste Moment, den ich nach meinem Tod wahrnahm. Es fühlte sich an, als wäre die Unendlichkeit zuende…
Mit dem Bewusstsein meines Todes wurde mir auch mein Leben wieder bewusst, denn ohne Leben kein Tod. Und das Bewusstsein des Lebens machte mich lebendig, auch wenn ich tot war. Und weil Lebendige denken, fing auch ich wieder an zu denken.
Der Moment, in dem das Bewusstsein des Lebens zurückkehrte, war meine Geburt, und weil zu einer Geburt ein Leben und ein Tod gehören, durchlebte ich noch einmal mein gesamtes Leben. Und ich starb wieder, denn zum Leben gehört ein Tod. Aber der Tod im Tod war anders, denn ich blieb in meinen Gedanken und verstand den Kreislauf des Lebens. Dem Tod im Tod würde dasselbe passieren, und dem Tod im Tod im Tod dann auch, und irgendwann dem Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod im Tod auch.
So entsteht die Unendlichkeit.