Über zwei, die sich verpassen
Ich weiß nicht so recht, was ich mir bei der ganzen Geschichte gedacht habe.
„Das hier soll ein schöner Badeort sein?“, fragt die Prinzessin rotzig.
Und ich glaube, sie weiß es auch nicht.
„Stell Dich nicht so an, der See hier ist sauber wie jeder andere auch.“, entgegne ich, denn ich habe mir vorgenommen, nie freundlicher zu antworten als sie fragt.
„Könntest ja ruhig mal freundlicher antworten.“, sagt sie.
Wir sind mittlerweile ganz gut eingespielt.
Ich habe die Prinzessin vor zwei Wochen auf einer Gartenparty kennen gelernt. Unsere einzige Gemeinsamkeit bestand darin, dass wir die Party langweilig fanden, aber damit hatten wir ein Gesprächsthema. Nach der Party hat sie mich in ihr Auto gezerrt und ausgezogen. Da sagt man ja als Mann nicht nein. Weil mir ihre direkte Art imponiert hat, hab ich gesagt, dass ich sie gerne wiedersehen würde. Da hat die Prinzessin erst gelacht. Aber eine Woche später hat sie sich gemeldet.
Es ist angenehm warm, aber nicht so heiß wie letzte Woche. Aber die Prinzessin friert.
„Hättest Dir ruhig mal früher frei nehmen können.“, sagt sie.
„Das konnte ich mir leider nicht aussuchen, Prinzessin.“, antworte ich.
Sie mag es nicht, wenn ich sie Prinzessin nenne. Dabei mache ich mache das, weil ich sie hübsch und zierlich finde. Aber sie versteht das als Anspielung auf ihre Eitelkeit. Selbst schuld.
Bei unserem ersten Treffen nach der Gartenparty saßen wir mit Bandnudeln und Riesling auf meinem Balkon. Sie hat gesagt, dass sie sehr bald für ihre Firma nach Singapur fahren würde. Das war da noch zwei Wochen hin, von heute aus ist das in sechs Tagen. Sie wird dann mindestens ein Jahr dort bleiben. Sie hat viel über ihre Firma gesprochen, denn sie gehört zu den Menschen, die für die Arbeit leben. Von der Schule direkt an die Uni, von der Uni direkt in den Job. Eigentlich schätze ich solche Menschen nicht besonders. Ich weiß nie, worüber ich mit ihnen reden soll. Zu mir meinte sie, ich hätte mir ganz schön Zeit gelassen.
„Wieso?“
„Du bist fünf Jahre älter als ich und verdienst etwa genau so viel.“
Sie hatte mich gleich gefragt, wie viel ich verdiene, weil das viel über den Beruf aussagt.
„Na und? Ich hab halt noch andere Dinge gemacht.“
„Ich ja auch.“
Dann hab ich gelacht und sie ist beleidigt aufgestanden und gegangen.
Die Prinzessin läuft voran, quer durch die Brennnesseln.
„Ich geh außen rum.“, sage ich.
„Wegen der Brennnesseln?“, ruft sie lachend. „Stell Dich doch nicht so an, Daddy.“
Ich mag es nicht, wenn sie mich Daddy nennt. Sie sagt immer, sie mache das, weil das stark und männlich klingt. Aber sie sagt das zu spöttisch, als dass ich ihr glauben könnte.
Sie zuckt mit den Schultern und geht weiter. Ich zucke auch mit den Schultern, aber laufe ihr hinterher. Am Wasser bereitet sie ihr Handtuch aus, ich ziehe mich aus.
„Kaum sind wir ungestört, willst Du loslegen, oder was?“, fragt sie.
„Ich will schwimmen gehen. Kommst Du mit?“
„Nee, ist mir zu kalt.“
Ich gehe alleine schwimmen, aber nicht lange, denn es ist wirklich ziemlich kalt. Als ich wieder rauskomme, mustert die Prinzessin meinen nackten Körper und bedeutet mir, mich zu ihr zu legen. Dann trocknet sie mich ab.
Bei unserem dritten Treffen lagen wir in ihrem Bett und haben noch mehr Unterschiede festgestellt. Ich hab erzählt, dass ich für den Bürgerrat im Ort kandidieren will, um mich sozial zu engagieren. Sie fand, das sei ein sinnloses Gremium für frustrierte Senioren und hat dann von den sozial benachteiligten Kindern erzählt, denen sie Mathe-Nachhilfe gibt. Ich hab gesagt, ich wäre nicht gut in Mathe. Dann hat sie mich gefragt, ob wir Eislaufen gehen.
„Es ist Juli.“, hab ich geantwortet.
„In der Eishalle.“
So etwas Blödes hatte ich noch nie gemacht. Wir waren die einzigen über 14 und wurden von allen angeglotzt. Hinterher hat sie mich gefragt, ob es mir wenigstens ein bisschen gefallen hätte. Ich hab „Ja“ gesagt und so getan, als würde ich das nur aus Höflichkeit sagen. Aber eigentlich stimmte es.
„Wer sind eigentlich Jenny und Leonie?“, fragt sie und streicht mit der Hand über meinen Bauch.
„Freundinnen. Wieso?“
„Du erwähnst sie dauernd.“
Ich sehe sie überrascht an.
„Bist Du eifersüchtig?“
„Quatsch. Ich frag nur.“
„Mach Dir keinen Kopf, es sind nette Mädchen. Ich hab sie übrigens bei derselben Gartenparty kennen gelernt wie Dich. Nur einen Monat früher.“
„Hast Du mit ihnen auch geschlafen?“
„Nein, die waren nicht mit dem Auto da.“
Sie hört auf, mich abzutrocknen und holt ein Buch aus ihrer Tasche.
Ich bleib ein bisschen so liegen und döse und sie liegt neben mir und liest.
„Wann fliegst Du noch mal?“, frage ich.
„Sonntag.“
„Haben wir dann noch den Samstagabend?“
„Da muss ich packen.“
„Wir könnten ja noch etwas essen, so zum Abschied.“
„Hab die Küche schon verkauft.“
„Aha.“, sage ich. „Soll ich Dich Sonntag zum Flughafen bringen?“
„Das macht schon meine Mutter. Und es wäre komisch, sie Dir vorzustellen, nachher denkt sie noch was Falsches.“
Ich nicke und streichele mit der Hand ihren Nacken.
„Wie wäre das eigentlich?“, frage ich, „nimm mal an, Du wolltest hier bleiben. Ginge das, ohne dass Du Ärger mit der Firma bekämst?“
Sie zuckt mit den Schultern.
„Ja, vielleicht.“
Sie dreht sich zu mir.
„Wieso?“
„Nur aus Neugier.“
„Wegen uns?“
„Nee.“
„Okay.“
Sie dreht sich zur Seite und liest weiter.
Manchmal denke ich, es ist schade, dass es wir uns zu so einem ungünstigen Zeitpunkt getroffen haben. Es hat einfach nicht sollen sein.