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Über Nacht

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16.01.2004
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Über Nacht

Hank Martin ist müde. Fast 500 km Fahrt durch die Nullabor-Ebene im südlichen Australien liegen heute hinter ihm. Vier monotone Tage am Steuer sind verstrichen, seit er Adelaide mit einer Ladung Aceton verlassen hat. Eineinhalb Tage bis Perth und zu seiner Frau liegen noch vor ihm. Es ist schon dunkel und das nächste Motel, das auf der Karte eingezeichnet ist, noch ca. 2 Stunden entfernt. Der Lichtkegel seiner Scheinwerfer arbeitet sich Meter für Meter vor. Hank fährt nicht so gerne im Dunkeln. Er hat immer Angst, Tiere zu überfahren.

Da taucht am Rande der Piste ein Haus auf. Hank fährt langsamer und schaut hinüber. Auf dem Dach steht in großen, aber schon etwas verwitterten Holzbuchstaben „Hotel“ und darunter „The Lone Sigh“. So ein Glück! Wenn er morgen früh aufsteht, wird er locker übermorgen daheim sein und kann nun gleich hier übernachten.

Er bringt seinen Truck hinter dem Hotel zum Stehen, stellt die Maschine aus, springt hinunter und trabt durch den Sand erfreut zum Hoteleingang. Das Hotel ist nicht groß, ein Stockwerk hoch mit vielleicht 4 Zimmern. Vom Eingang geht es direkt in die Bar. Hinterm Tresen begrüßt ihn ein korpulenter alter Herr mit schwarzem Backenbart und schulterlangen grauen Haaren mit deftigem Lächeln. „Na, gute Fahrt gehabt? Wo geht’s hin? Nach Perth? Was hast Du geladen? Ach, so chemisches Zeug. Ich hasse das. Aber irgendwer wird’s schon brauchen.“ Hank nickt freundlich und schaut sich im Raum um. Nur wenige Tische sind mit mehr oder weniger älteren Männern besetzt, an der Bar sitzt niemand.

Hank fragt den Dicken nach einem Zimmer. Der nickt zu einer jungen Frau mit weißer Küchenschürze hinüber, die gerade aus der Tür hinter der Bar hereintritt. Sie ist mittelgroß, schlank und feingliedrig. Sie hat eine dunkle Gesichtsfarbe. Ihr Lippen blassrosa, ihre Nase klein und fein gezeichnet. Schwarze halblange, etwas strubbelige Haare hängen ihr über die Stirn. Darunter strahlen hellblaue Augen.

Hank ist überrascht, ein weibliches Wesen in dieser Einsamkeit vorzufinden. Einen Moment zu lang hält er seinen Blick auf sie gerichtet, so dass man es schon fast als Starren bezeichnen könnte. Sie nimmt einen Schlüssel vom Bord an der Wand und bedeutet ihm, ihr zu folgen. Sie klettern eine enge Holzwendeltreppe hinauf. Der feine Duft ihres Haares umfängt ihn. Während die Stufen unter ihren Füßen knarren, ist Hanks Blick auf ihren Rücken geheftet. Er genießt die Bewegungen ihres zierlichen Körpers. Er senkt etwas den Blick und beobachtet die Bewegungen ihrer Schürze. Fasziniert folgt er dem Auf und Ab, bis sie sein Zimmer erreichen.

"Hier ist der Schlüssel." Sie hält ihm ihre kleine Hand entgegen und lächelt. Er nimmt den Schlüssel und spürt den Schweiß in seinen Händen. Sie fragt, ob er noch einen Wunsch habe.

„Nein danke... – oder doch, sagen Sie, wie lange hat die Bar noch geöffnet?“ „Bis 11“ „Ich danke Ihnen.“

Er holt ein paar Sachen aus dem Truck, überlegt, ob er gleich schlafen soll, beschließt aber dann, noch etwas an der Bar zu trinken. Er bestellt ein Bier. Ab und zu schaut er zur Küchentür, doch da tut sich nichts. Er hätte sie gerne noch einmal gesehen. Nach vier Tagen Straße, Staub und Einsamkeit war das nur verständlich. Natürlich nur sehen. Er ist verheiratet. Und das nimmt er ernst. Nicht so wie einige seiner Kollegen, die die Perioden der Abwesenheit von Zuhause zu mancherlei Zerstreuung nutzen.

Dann taucht sie doch noch auf. Sie hat wohl ihre Küchenarbeit erledigt. Nun steht sie am anderen Ende der Bar und schaut sich um. Immer wenn sie zu Hank sieht, lächelt sie. Schließlich kommt sie zu ihm herüber und zeigt auf ein großes Glas mit Bonbons. „Nehmen Sie eins als Betthupferl“, sagt sie und verschwindet wieder in der Küche. Dann ist es 11 und der dicke Barmann klatscht in die Hände und erinnert die Gäste an ihre Arbeit am nächsten Tag. Hank bezahlt, schnappt sich ein Bonbon und verdrückt sich auf sein Zimmer.

Auf seinem Zimmer wäscht er sich sein Gesicht und spürt seine Bartstoppeln. Er schaut sich im Spiegel an. Wie anders doch Frauenaugen sind, denkt er. Er steckt das Bonbon in den Mund und schneidet ein paar Fratzen. Er geht zum Fenster, öffnet es und sieht die Straße und seinen Truck im matten Licht des Hotels stehen. Er beschließt, erst in der Frühe zu duschen und noch etwas im Bett zu lesen. Bald fallen ihm die Augen zu und er löscht das Licht. Doch er schläft nicht sofort ein. Mehrmals wechselt er die Stellung, um es sich bequemer zu machen. Vor seinen geschlossenen Augen erscheint ihr Gesicht. Er spürt das Verlangen, es in seine Hände zu nehmen und zu sich zu ziehen. Doch schließlich überwindet Hanks Müdigkeit seine Unruhe und er versinkt in einen tiefen Schlaf.

Hank fährt hoch und sitzt aufrecht im Bett mit pochendem Herzen! Draußen ist es schon hell. Er ist verschwitzt und seine Kehle fühlt sich trocken an. Ja, er hat sie gesehen! Sie kam zu ihm. Aus einem weißen Umhang leuchtete ihre bronzene Haut. Sie trug eine goldenen Krone auf dem Kopf. So ein Unsinn! Breitete er die Arme aus? Er kann sich nicht mehr erinnern. Ihre blauen Augen leuchteten ihn an. Sie beugte sich zu ihm herab. Um ihn herum wurde es dunkel und ihr Duft schloss ihn ein. Er spürt seiner Erinnerung nach, verzweifelt jedes Bild, jeden Eindruck festhaltend, doch das Gebäude stürzt ein und ein Stein nach dem anderen versandet und rinnt durch seine Hände zu Boden. Was bleibt, ist eine Ahnung von Glück. Er atmet tief ein und seufzt.

Es gibt ein ordentliches Frühstück. Rührei mit Speck, Weißbrot und Butter, sogar Schinken, dazu schwarzen Kaffee, nicht so gesund auf so langen Fahrten, doch er hat Hunger und langt zu. Er ist spät dran. Die Dichte der Hotels wird zu Perth hin größer, das wird kein Problem sein. Aber er will heute möglichst viel bei Tageslicht schaffen. Nach dem Frühstück packt er seine Sachen. Aber ständig hat er das Gefühl, dass er etwas dagelassen hat. Er bezahlt beim Wirt und lugt noch mal zur Küchentür. Sie kommt heraus. Ihre blauen Augen funkeln. Sie hat einen Stoffsack dabei, stemmt ihn hoch und füllt das leere Bonbonglas auf der Theke auf. „Hat es Ihnen geschmeckt? - Schließen Sie Ihren Mund, bitte!“ Sie lächelt und verschwindet wieder. Er verabschiedet sich von dem Dicken und fährt los.

Nach 10 Minuten Fahrt klingelt sein Telefon. Er sieht, dass es seine Frau ist. Wie jeden Morgen will sie ihm eine gute Fahrt wünschen. Er nimmt den Hörer ab.

"Hallo Liebes." "Guten Morgen, Hank. Du bist spät dran."
"Oh, hast Du schon versucht, mich zu erreichen? Ich hatte das Telefon nicht mit im Hotel."

"Wie war die Nacht?" Hank zögert. "Gut."
"Ich habe Dich vermisst, Liebster."

Hanks Sehnen nach Wärme und Nähe lässt sein Herz wild klopfen. Soll er "Ich auch" sagen? Stimmt das denn? Er spürt Wahrheit und Lüge in seinem Herzen kämpfen, bis sie so stark ineinander verschlungen sind, dass er nichts mehr erkennen kann. Nein, jetzt erkennt er: Die Lüge ist verschwunden.

"Ich liebe Dich", flüstert er in den Hörer.
"Ja", sagt sie. "Bis morgen. - Und beeil Dich".

Er lehnt sich in seinem Sitz zurück und starrt auf die Straße. In der Mitte die endlos gerade Teerpiste, daneben Gras- und Steinwüste, Flachland. Tagelang kein Baum. Er zieht seine Lunge voll Luft und stößt sie ruckweise wieder aus. Er schüttelt die Müdigkeit und die Erlebnisse dieser Nacht ab und steuert geduldig seinem Ziel entgegen.

 

Hallo franck,

gefallen tut mir an deiner Geschichte, dass sie sich vom Plot her von den üblichen Geschichten hier unterscheidet, auch wenn dein Plot zum Ende hin etwas verwirrend ist. Das kannst du aber leicht ausbessern, wenn du die Soannung zum Beginn etwas mehr aufbaust.
Du beschreibst zum Beispiel nur, wie die Frau in der Küche aussieht, als den Prot sie zum ersten Mal sieht, nicht aber, was er sich zu ihr denkt. Da würdest du gut daran tun, sie etwas mehr aus seiner Wahrnehmung zu beschreiben.

Sie nimmt einen Schlüssel vom Bord an der Wand und bedeutet ihm, ihr zu folgen. Sie klettern eine enge Holzwendeltreppe hinauf. Während die Stufen unter ihren Füßen knarren, ist Hanks Blick auf ihren Rücken geheftet. Er nimmt den feinen Duft ihres Haares wahr und ihren zierlich geschnittenen Körper. Sie öffnet ihm sein Zimmer und fragt, ob er noch einen Wunsch habe.
Da verlierst du noch kein Wort darüber, ob ihm gefällt, was er wahrnimmt, nur dass er es bemerkt.
Da kommt diese Passage etwas unvermittelt:
Er bestellt ein Bier. Ab und zu schaut er zur Küchentür, doch da tut sich nichts. Er hätte sie gerne noch einmal gesehen.
Manche Dinge scheinen mir etwas unlogisch zu sein, dadurch wirkt deine Geschichte phasenweise etwas undurchdacht, was zum Eindruck der Verwirrung natürlich beiträgt.
Nach vier Tagen Straße, Staub und Einsamkeit war das nur verständlich.
Ich kenne mich mit den Strecken für einen LKW in Australien nicht so aus, aber für 500 km 4 Tage zu brauchen erscheint mir etwas lang.
Natürlich nur sehen. Erstens ist er kein attraktiver Mann, für den sich Frauen sofort interessieren und außerdem ist er verheiratet.
Dsas er sich unattraktiv findet erklärt nicht, dass er sich nicht nach mehr sehnen könnte als nach dem "ansehen", dass er verheiratet ist, erklärt das natürlich. Auch hier könntest du aber die Sehnscht nach Wärme deutlicher machen, wenn du schon vorher irgendwo einen Hinweis gibst, dass er verheiratet ist, und wie lange er seine Frau schon nicht gesehen hat. Die vier Tage müssten mE also früher in der Geschichte kommen.
Als sie Hank sieht, lächelt sie. Einen Moment zu lang hält er seinen Blick auf sie gerichtet, so dass man es schon fast als Starren bezeichnen könnte. Sie kommt zu ihm herüber und zeigt auf ein großes Glas mit Bonbons. „Nehmen Sie eins als Betthupferl“, sagt sie und verschwindet wieder in der Küche
Hier könntest du ein bisschen mehr mit seiner Fantasie spielen, etwas, wenn er sich einbildet, sie würde ihn auch anschauen, ihn mit dem Bonbonglas freundlcher anlächeln als eventuell die anderen Gäste, oder er könnte in ihrem Lächeln überlegen, ob es eine verführerischen Einladung sein sollte, der er als verheirateter Mann natürlich widersteht. ;)
Das Seufzen würde ich weniger als Horrorszenario behandeln, sondern in einer erotischen Geschichte könnte es ihn eher am Schlafen hindern, wenn es ihn an seine Zeit der Askese durch die Arbeit erinnert und Fantasien schürt.
So, wie du es beschrieben hast, bleibt es mir von Effekt her zu unklar. Unter Seufzen verstehe ich auch nicht zwangsläufig erotische Geräusche, eher würde ich da an Kranke denken. Auch die vielen Stimmen, die du nach und nach ein einführst, verwirren eher. Da würe es schön, wenn du dich zwischen Gespensterspuk und Erotik entscheiden würdest.
Dass er das Telefon nicht abnimmt, erscheint mir auch nciht ganz nachvollziehbar. Ich lese schon deine Begründung dafür, mir erscheint es aber gerade nach solcher Nacht eher wahrscheinlich, dass er sich noch mehr nach Vertrautem sehnt. Die Nacht der Geräusche und das Erwachen nach einem feuchten Traum erklären für mein Gefühl nicht das "neue Gefühl" deines Prot. Da ist bei mir offensichtlich etwas nicht angekommen.
Eine Formulierung am Anfang würde ich noch ändern.
Er bringt sein schweres Gerät hinter dem Hotel zum Stehen
Abgesehen davon, dass so ein Satz in dieser Rubrik unanständige Assoziationen ermöglicht ist mir die Umschreibung "Gerät" für einen LKW doch recht ungeläufig. ;)

So, jetzt habe ich genung gemeckert.
Trotzdem liebe Grüße, sim

 

Sim, vielen Dank.

Die Geschichte war noch ganz neu, mit heißer Nadel gestrickt und noch etwas unreif, vor allem noch etwas unlogisch. Da waren Deine Anmerkungen wirklich hilfreich. Ich habe nochmal kräftig überarbeitet. Vor allem das Horrorszenario ist rausgefallen. Und die Quintessenz ist nicht, dass Hank ein neues Gefühl außerhalb seiner Ehe entdeckt hat, was sowieso nicht so richtig rüberkam, sondern dass seine Einsamkeit und sein Hotel-Erlebnis ihn nur noch näher zu seiner Frau bringen.

 

Hi franck,

so überarbeitet ist dein Plot zwar in sich logischer und nachvollziehbarer, aber auch leider langweiliger.
Die nächtlichen Geräusche hättest du zum Beispiel gern drin lassen können. Dein Prot hätte sich dadurch um den Schlaf gebracht fühlen können, während er sich zwanghaft zwei Bilder abwechselnd vorstellt.
Zum einen den dicken Wirt, wie er es mit der jungen hübschen Frau treibt, zum anderen sich, wie er an der Stelle des Wirts liegt. Dann wäre auch sein schlechtes Gewissen am Morgen noch plausibler.

Eine weitere Kritik, die ich habe bezieht sich auf deinen Sprachstil. Du beginnst sehr viele Sätze mit "Folgeworten" wie dann, nun oder als.
Versuche dir einmal vorzustellen, dir erzählt jemand so eine Geschichte, bei der du zuhören musst. Meist ermüdet das. Viele dieser Saätze kann man sicher anders erzählen. Ich gebe dir mal ein Beispiel, in dem ich auch die Reihenfolge der Wahrnehmung etwas realistischer angepasst habe.

Da taucht am Rande der Piste ein Haus auf. Hank fährt langsamer und schaut hinüber. Auf dem Dach steht in großen, aber schon etwas verwitterten Holzbuchstaben „Hotel“ und darunter „The Lone Sigh“.
Glücklicherweise sieht er in der Ferne ein Licht, das zu einem Haus gehören könnte. Auf dem Dach wird ein großes Schild von ein paar schwachen Strahlern erleuchtet. Er muss noch ein Stück fahren, um die verwitterten Holzbuchstaben entziffern zu können. "Hotel" steht dort und daruter "The Lone Sigh".

Versuche mal alle "Dann" und "Nun" zu streichen und nur ein paar "Als" übrig zu lassen.

Lieben Gruß, sim

 

Danke, sim und maxy, ich habe ein paar Ideen, bin aber noch am Grübeln. Hank wird sich uns noch etwas öffnen und er wird sicher noch etwas schlechter einschlafen können.

 

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