Über den Dächern der Stadt
Ich seh ihn nur da sitzen. Es ist wie eines dieser Schattenbilder, eine Silouhette vor der untergehenden Sonne.
Einige alte Damen schwimmen noch ihre Runden, und ein paar Kinder planschen kreischend vor sich hin. Es ist leer geworden, ich habe die Lektüre beendet, und möchte nach Hause gehen. Ich werde mir ein Bier genehmigen, mich auf den Balkon setzen und meine Blicke über die Dächer der Stadt schweifen lassen – der Stadt, dieser Stadt, die ich so liebe.
Die Dächer, unter denen das Leben an diesem Sommertag einfach eine Pause macht, weil sich die Menschen lieber im Biergarten oder Restaurant oder einfach auf der Liegewiese am großen Fluß aufhalten, sprechen in diesen Tagen oft zu mir. Mit der roten Glut der Sonne im Rücken leuchten mir die Ziegel intensiv entgegen, zeigen mir Dimensionen in Schatten und Licht. Und ich – da oben.
Es ist fast so wie immer, wenn ich ihn sehe. Abends, auf meinem Weg nach Hause, wenn ich die Wiese verlasse, sehe ich ihn. Er sieht in meine Richtung, ich bleibe stehen. Ich verharre, geniesse diesen Anblick, diesen Augenblick der Stille. Ich denke nach, ob ich es diesmal wagen soll, und löse mich gesenkten Hauptes. Am Fahrradständer holt er mich ein.
Es wird ein Gefühl der Freiheit sein. Erfüllt vom Leben und der Wärme dieses Tages werden wir durch die Straßen der Stadt laufen, uns auf eine Bank am Strom setzen, einem Ruhepunkt, der doch Aussicht auf den Lauf der Dinge bietet. Es wird der Moment sein, in dem ich weinen werde, ohne zu wissen, warum.
[Beitrag editiert von: rearview am 27.01.2002 um 21:59]