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Österreich 1907

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21.03.2003
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Österreich 1907

Da ich als Kind schon mit schweren Asthma-Anfällen zu kämpfen hatte, galt die Sorge meiner Eltern hauptsächlich mir, dem Nesthäkchen der Familie. Die übertriebenen Befürchtungen meiner Mutter ließen mir in meiner Jugend nur wenige Freiheiten, im Gegensatz zu meinen Geschwistern, denen, so dachte ich damals, so gut wie alles erlaubt wurde. Umso überraschender war es dann für mich, als ich im Alter von 18 Jahren endlich allein verreisen durfte.
Schon lange sehnte ich mich danach, nach Deutschland zu fahren, um eine dort lebende Brieffreundin zu besuchen. Wir schrieben uns seit nunmehr vier Jahren regelmäßig.
Zustande kam dieser Briefkontakt, durch ein Projekt in der Schule. Damals las ich gerade den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe und malte mir in meinen Träumen aus, wie schön es doch wäre, eine derartige Verbindung die meine nennen zu können.
Und nun erfüllten meine Eltern mir meinen innigsten Wunsch und ließen mich nach München fahren, um meine Freundin endlich in die Arme schließen zu können. Ich verbrachte eine wunderschöne Zeit dort. Ich lernte ihre Freunde kennen, von denen sie mir in ihren Briefen immer berichtete, ihren Bruder, über den sie oft so schimpfte und ihre lieben Eltern, die alles dafür taten, mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Gemeinsam spazierten wir mit ihrem Hund durch den Wald, den sie so sehr liebte, gingen ins Theater oder in ein Konzert. Die Zeit verging rasend schnell und bald schon war der Tag meiner Abreise gekommen. Wir gaben uns das Versprechen, uns so bald wie möglich wiederzusehen und überlegten uns, dass sie zu meinem Geburtstag, zwei Monate später, schon zu mir kommen könnte. Noch während der Rückfahrt nach Wien dachte ich darüber nach, was ich alles mit ihr unternehmen würde und war schon jetzt voller Vorfreude.
In Wien angekommen stieg ich voller Enthusiasmus aus dem Zug. Ich wollte meine Eltern überraschen und hatte sie daher nicht über den Zeitpunkt meiner Ankunft benachrichtigt. Erst jetzt fiel mir auf, dass es reichlich schwierig war, allein mein Gepäck nach Hause zu tragen. Immer wieder musste ich meinen Weg unterbrechen, da mir entweder etwas runterfiel, oder ich die Last einfach nicht mehr länger tragen konnte. Während ich mich weiter abmühte – ich muss ziemlich hilflos gewirkt haben – bemerkte ich nicht, wie ein junger Mann auf mich zukam. Zaghaft fragte er: „Kann ich Ihnen helfen?“
Erstaunt blickte ich auf und sah in das Gesicht eines schüchternen, dunkelhaarigen Jungen. Erleichtert und dankbar über die angebotene Hilfe lächelte ich ihn an. Da ich es aber nicht gewohnt war, von einem Fremden einfach so angesprochen zu werden, geriet ich etwas in Verlegenheit und so plapperte ich also einfach drauf los, berichtete ihm von meiner Reise, der geplanten Überraschung und den Schwierigkeiten, die mir der Transport des Gepäcks bereitete. Er war wohl ein wenig erschrocken über meinen plötzlichen Redeschwall, dennoch bot er mir höflich an, mich nach Hause zu begleiten und mir beim Tragen meiner vielen Taschen zu helfen. Er schien ungefähr in meinem Alter zu sein, war etwas kleiner als ich und hielt sich mit Worten sehr zurück. Da mir das immer wieder auftretende Schweigen aber unangenehm war, begann ich ihn auszufragen. Er erzählte, dass er eigentlich mit seiner Mutter in Linz wohnen würde, sich aber in Wien an einer Kunstakademie bewerben wolle, da er schon lange für sich beschlossen habe, Künstler zu werden. Hin und wieder warf er mir während des Gespräches verstohlene Blicke zu, starrte aber, sobald ich ihm mein Gesicht zuwendete, gleich wieder stur geradeaus, so dass ich mich fragte, wie es überhaupt dazu kam, dass er sich traute, mich anzusprechen.
Vor dem Wohnhaus meiner Eltern angekommen bedankte ich mich bei meinem Retter: „Ich hätte jetzt wahrscheinlich noch nicht mal die Hälfte des Weges geschafft, wären sie nicht gewesen. Wie heißen sie eigentlich?“
Mit zögerndem Blick sah er mich an und streckte mir seine Hand entgegen: „Adolf. Adolf Hitler.“
„Ich bin Johanna Weiß,“ sagte ich, während ich ihm meine Hand zum Abschied reichte. Lächelnd fügte ich hinzu: „Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder, wenn sie ein großer Künstler sind.“

Es war Freitag, der 28. September 1907. Während ich die Treppe zu unserem Haus hinaufging, freute ich mich auf die Gesichter meiner Eltern, die in diesem Moment noch nicht ahnen konnten, dass ich bei Sonnenuntergang, dem Beginn des Sabbats, schon wieder gemeinsam mit ihnen bei Tisch sitzen würde.

 

Liebes Schriftbild,

nein, der Plot hat mir null, nada , so rein gar nicht gefallen, während die Geschichte selbst, die Art wie erzählt wird, mir ausnehmend gut gefiel.
Daran hab ich nichts auszusetzen.

Der Plot ist mir zu banal, es läuft alles auf die Pointe hinaus, dass die Protagonistin Hitler begegnet ist. Na und? Niemand hat gesagt, dass dieser Mann nicht auch freundliche Züge an sich hatte, dazu bedarf es nun überhaupt nicht des Aufwandes dieser Geschichte und insoweit empfinde ich es als absolute Zeitverschwendung, leider.

Lieben Gruß
lakita

 

Erstmal schönen Dank für eure Kritiken. ;-)

Ja, was soll ich sagen, meine eigene Geschichte zu erklären erscheint mir nicht wirklich richtig. Eine gute Geschichte sollte doch eher für sich selbst stehen, oder?
Aber gut: Es soll hier selbstverständlich nicht einzig darum gehen, dass Irgendjemand Hitler trifft, sondern kurz gesagt darum, dass es eine Jüdin ist, die den, der ihren Gastod in Auftrag geben wird, als "Retter" kennenlernt...

Gruß S.

 

Hallo Schriftbild

leider kann ich deine Geschichte auch nicht für gelungen bewerten. Ich bin in der Hitlerdokumentationszeit großgeworden. Habe in der Schule viele Filme von und über Hitler ansehen müssen. Ich denke, dass Hitler die Juden mit besonderem Grund, durch Zeichnung, kenntlich machen ließ. Vielleicht um sie besser und leichter auszufiltern.
Warum sollte er nicht einem Mädchen Hilfe leisten? Schließlich war er, wie in deiner Geschichte beschrieben, ein junger Bursche der einem Mädchen gefallen wollte. Von einem ergreifenden oder spannenden Plot. kann ich leider nichts erkennen.
Der anfängliche Teil, deiner Geschichte, hat meiner Meinung nach nichts mit dem Schluss der Geschichte zu tun, da du nicht erwähnst, welche Tragödie daraus resultiert, wie Hitler später mit den Juden umgeht. Ich finde du solltest viel mehr den letzten Teil deiner Geschichte ausbauen.

Einen schönen Abend wünscht dir

Morpheus

 

Ja, schon verstanden, Schriftbild,nur wird damit die Dimension deiner Aussage wuchtiger? Ich finde nicht. Dein Plot beruht auf der allgemeingültigen Aussage, dass wohl jeder Mensch gute und schlechte Seiten in sich birgt. Der Mörder ist zugleich auch Menschenfreund.
Der Plot hat es mir ehrlich immer noch nicht angetan, es entbehrt ihm die Originalität.

Lieben Gruß
lakita

 

Ich freue mich über die rege Diskussion, auch wenn der Text nicht allen gleichermaßen gefällt..*g* Ich werde an meiner Originalität arbeiten.

Gruß S.

 

Hi Schriftbild,

Deine Geschichte ist in einem so flüssigen Deutsch verfasst, dass es eine wahre Freude ist. Habe den Text die ganze Zeit interessiert weitergelesen und mich darauf gefreut, was wohl noch passieren würde.

Sie musste all ihre Koffer alleine schleppen. Da kam ein junger Mann vorbei und half ihr. Später stellte sich heraus, dass es Adolf Hitler war. Naja, also ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Muss Lakita wohl recht geben, dass es jedem von uns klar ist, dass der auch nette Seiten hatte. (...welche wohl doch etwas in der Unterzahl waren) Mir gefällt die Sprache sehr gut. Es macht Spaß, die Geschichte zu lesen. Aber der Schluss. Eher mittelmäßig.
Insgesamt finde ich die Geschichte aber ok. Nicht berauschend, aber ok.

Don

 

Hallo Schriftbild!
Viel wurde bereits gesagt. Ich finde den Text gut ... bis zu der Stelle mit der Kunstakademie in Wien. Da war mir dann klar, wer der nette junge Mann sein muss. Und um den größtmöglichen Kontrast zu erzeugen, muss die Protagonistin natürlich Jüdin sein und einen typisch jüdischen Namen tragen.
Das war mir dann ein, zwei Schichten zu dick aufgetragen und hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, nämlich den, dass du mit der Brechstange versuchst, einen möglichst melodramatischen "Betroffenheits-Text" zu verfassen. Dadurch minderst du die durchaus vorhandene Qualität der Schilderungen, denn letztendlich geht es dir nicht ums Erzählen einer interessanten Episode einer normalen Frau Anfang des letzten Jahrhunderts, sondern allein um die "Pointe", die den Leser nachdenklich stimmen soll. Zumindest bei mir ist dies leider nicht der Fall, da sich die Intention des Textes am Schluss radikal gegen den Text selbst wendet. Sprich: Ohne die krampfhafte "Pointe" stünde die Geschichte wirklich prächtig da.
Mir gefallen solche stillen Schilderungen gewöhnlicher Alltags-Erlebnisse! Da bedarf es der historischen Keule nicht mehr; es sei denn, du würdest den Text ausbauen. Etwa, indem sie Hitler Jahre später wieder sieht. In einem KZ, wo er die Reihen abschreitet. Und sie daran denkt, was für ein netter Junge er doch war. So ein kurzer Moment, wo sie glaubt, er würde sie wiedererkennen ... Und dann wieder sein kalter Blick, weg von ihr.

Hoffe, es ist klar, was ich meine: Entweder die Erzählung strecken und Hitler nicht bloß zur Pointen-Figur verkommen lassen oder ihn streichen und den Text völlig auf die Protagonistin zuschneiden.

 

Danke für eure Kitiken und: Nein, die Story soll nicht zeigen, dass jeder Mensch auch gute Seiten hat, denn wie schon richtig erkannt wurde: Das weiß jeder. Es geht hier einfach nur um eine Begegnung, wie sie durchaus stattgefunden haben könnte und zwischen allen möglichen Menschen tagtäglich stattfindet. Vielleicht beginnt die eigentliche Geschichte tatsächlich auch erst nach diesem Ereignis, in dem Moment, in dem die Jüdin tatsächlich mal wieder den Namen "Adolf Hitler" irgndwo hört..aber auch das kennen wir alle, man weiß, was dann passiert ist. Daher habe ich das auch nicht weiter ausgeführt (muss aber zugeben, dass ich die Idee von Rainer nicht schlecht finde)
Gruß S.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schriftbild,
Mir hat deine Geschichte gefallen. Die Sprache ist schlicht und betont die Alltäglichkeit des Geschehens und der Menschen. Man kann sich über den Plot streiten, aber ich denke, der Konflikt, den du durch die Begegnung mit Adolf Hitler in deine Handlung einbringst ist zu stark emotinal vorbelastet, als dass man ihn rational in eine Kurzgeschichte einbringen könnte.

Aber das ist wie gesagt nur mein Empfinden zu dem Konfkliktstoff, den du hier einbringst.
@lakita
Der Plot ist in meinen Augen nicht banal, denn wenn ich die innere Handlung des Geschehens insoweit interpretiere,als dass es junge Menschen wie Schriftbild gibt, die sich heute auf ihre Art und Weise mit Deutschlands Vergangenheit auseinandersetzen, kann ich es nur begrüßen.

Goldene Dame

 

das ist ein sehr beeindruckender text. irgendwie so anfass- und fühlbar. nicht besonders tief, oder so, aber angenehm und so schön menschlich. Du siehst, fremder schreiber, mir liegt das analysieren nicht, überhaupt nicht. (darum sind meine Arbeiten für die Uni so ein dreck), aber ich weiß, was gut ist. und das ist irgendwie gut. auch, wenn ich dir da die Kritierien nicht sagen kann, die mich zu diesem Urteil gebracht haben.

 

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