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Szenen einer Beziehung

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21.03.2003
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Szenen einer Beziehung

Beide Partner bringen (spontan) Situationen aus ihrem Alltag zu Papier. Keine Absprachen, keine Vorgaben!


IHR TEXT:

>Zimmer in einer durchschnittlichen Plattenbauwohnung. Er, 31, sitzt am Computer. Sie, 24, liegt auf dem Bett und starrt in die Luft.<

Er: (sich zu ihr drehend): Blas mir einen!
Sie: Nein.
(Er zieht sich die Hose aus, steigt zu ihr aufs Bett und macht Anstalten sich auf ihr Gesicht zu setzen)
Sie: Lass den Scheiß (stößt ihn weg)
Er: Du findest mich widerlich. Kann ich verstehen. Ich finde mich auch widerlich.
Sie: Ich find Dich nicht widerlich.
Er: Dann blas mir einen.
Sie: Ich will nicht (nimmt ein Buch vom Nachtisch und beginnt darin zu lesen)
(Er geht wieder zum Computer , setzt sich und starrt auf den Monitor)
Er: Ich habe Kopfschmerzen
(Sie antwortet nicht)
Er: Wir sollten miteinander schlafen. Das hilft.
Sie: Du spinnst.
Er: Sag, dass Du mich widerlich findest!
Sie: Ich find Dich nicht widerlich.
Er: Du brauchst mich nicht anlügen, ich weiß, dass ich widerlich bin. Ich bin fett.
(Sie dreht sich auf den Bauch und schaut weiter in ihr Buch)
Er: Nun sag doch schon, dass Du mich widerlich findest!
Sie (genervt): Ja, ich find Dich widerlich (steht auf und geht ins Bad)
(Er läuft im Zimmer auf und ab, bleibt am Fenster stehen und klopft gelangweilt gegen die Fensterscheibe. Dann dreht er sich um, überlegt, geht ins Bad)
Sie (auf der Toilette sitzend): Kannst Du mich nicht mal in Ruhe lassen?
Er: Du gibst mir nicht, was ich brauche.
Sie: Was Du brauchst, bekommst Du in jedem Puff.
Er: Du bist fies.
Sie: Du nervst (steht auf zieht sich die Hose wieder hoch, spült, geht zum Waschbecken)
Er: Wir sollten uns trennen.
Sie (Hände waschend): Meinetwegen
Er: Es ist Dir egal?
Sie (In den Spiegel schauend): Ich will nur das Beste für Dich.
Er: Heirate mich
Sie (sich zu ihm drehend, lachend): Gerade wolltest Du noch die Trennung.
Er: Ja, weil Du mich krank machst.
Sie: Ich tue doch gar nichts.
Er: Das ist es ja gerade. Du kannst mir nicht gefügig sein... - ... weil Du mich widerlich findest
Sie (verärgert): Ach, hör auf zu spinnen. (verläßt das Bad, legt sich wieder aufs Bett)
(Er geht hinterher, setzt sich zu ihr)
Er: Du willst also die Trennung?
Sie: Das habe ich nicht gesagt.
Er: Aber Du bist einverstanden.
Sie: Ach, hör doch mal auf. Jeden Tag dasselbe. Da wird man ja blöde. (dreht sich um, stellt sich schlafend)
Er: Ja, ich bin ein Langweiler. (legt sich neben sie)
Er: Liebst Du mich?
Sie: Nein.
Er (nochmal): Liebst Du mich?
Sie: -...Ja.
Er: Warum?
Sie: Weil Du widerlich bist.

SEIN TEXT:


Ich ging raus. Dann ging ich wieder rein. Am liebsten mag ich Vanilleeis. Das esse ich wie blöde. Zehn Kugeln flutschen wie nichts. Ich kann sie schlingen, aber auch minimalst auf meiner Zunge zergehen lassen, am besten gefällt mir aber, wie ich mein Gesicht in den leeren Eisbecher drücke, um das Geschmolzene auszuschlecken, dann gucken immer alle und die Kinder lachen, da, sobald ich wieder aufsehe, Vanille von meinen Wangen tropft.

Danach gehe ich raus. Und wieder rein. Meine Freundin findet mich eigentlich scheiße. Sie sagt das auch ganz offen. Ich bin fett, gebe mir mit ihr keine Mühe, singe Karaoke, wenn wir in meiner Wohnung sind bis die Nachbarn klingeln. Ihr ist es mittlerweile nicht mal mehr peinlich. Ich glaube, sie hat mit mir abgeschlossen. Sie geht dann meist ins Bad, duschen oder Maniküre machen oder whatever. Aber bisher kam sie immer wieder rein. Sieht dann wie ich , meinen Schwanz als Mikro nehmend, hello goodbye singe. Sie lacht nicht, sie beachtet es nicht mal mehr. Anfangs gab sie mir noch hin und wieder einen Scheibenwischer oder ´nen Vogel. Danach fahren wir zu ihren Eltern Kaffee trinken, sie erzählt dass ich befördert werde und wir mit dem Gedanken spielen zu bauen. Doch dann sitze ich schon bei ihrem kleinen Bruder im Zimmer und ziehe ihn im Autorennen ab. Wieder Zuhause pisse ich vor ihren Augen in eine Orangensaftflasche. Sie geht dann meist raus. Danach kommt sie wieder rein.

 

Fand ich gut. Nach Abschluß der Geschichte versteht man, es geht hier nicht um die Beziehung, sondern um Geschlechterunterschiede in der Literatur, die du ja quasi satirisierst. Besonders der erste Teil liest sich tatsächlich wie das erste Theaterstück einer 18 Jährigen. Trotzdem wundert mich die wahl Thematik für dieses Experiment. Werd ich nochmal drüber nachdenken müssen.

 

In der Tat ist der erste Teil ein Klischee-Bild. Aber der zweite bringt das ganze auf eine andere Ebene, vor allem, weil man die Angaben "Ihr Text" und "Sein Text" sehr ernst nehmen muß, denke ich. Demnach handelt es sich im ersten Teil um die Gedanken der Frau, die offenbar wesentlich komplexer sind, weil sie dialogisch erscheinen, während der Mann monologisch spricht (denkt). Das wäre aber nur, wenn auch eine sehr originelle, Bestätigung des Klischees: Männer denken nur an das eine - nach deinen Text sogar nur in einer Dimension, während die Frau um die Beziehung besorgt ist.

 

Hey Flint,

du bist richtig gut. Habe nich erwartet, dass jemand erkennt, dass die Frau immer aucg für den anderen denkt, während der Mann rein selbstbezogen bleibt, nur seine Perspektive kennt.

Auch I3en dank ich schön, für sein "Fand ich gut."

Ich selbst sehe natürlich noch mehr drin, aber das ist wohl meist so. Wenn ich dann keine Reaktionen bekomme, zweifle ich immer an der Umsetzung.

Wie sieht denn die Zukunft dieser beiden Menschen aus, werden sie zusammen bleiben?

Liebe Grüße

-S-

 

Ich fand den ersten Teil der Geschichte wunderbar zu lesen. Sie erkennt, dass ihr Freund eher noch ein Kind ist und sich auch so verhält. Doch wieso findet er sich widerlich und besteht darauf, dass sie es bestätigt? In seinem Text stellt er diese Widerlich-Sache auch so dar, als würde sie es von alleine denken und sagen:

"Meine Freundin findet mich eigentlich scheiße. Sie sagt das auch ganz offen."

Ob die zwei zusammen bleiben, hängt für mich davon ab, ob er seine Komplexe in den Griff bekommt. Wahrscheinlich bräuchte er dafür die (positive) Bestätigung seiner Freundin. Die sollte ihn vielleicht mal härter rannehmen. Aber wenn sie keine Lust mehr auf sein Getue hat, dann wird sie wohl gehen.
Allerdings komme ich grad ins Zweifeln, ob sie seine Widerlichkeit nicht doch anziehend findet. Weiß aber auch nicht, ob das lohnenswert wäre, um es genauer noch darzustellen. Ist besser, wenn der Leser im Ungewissen bleibt.

LG
brianna

 

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