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Viel Freude
Seltsame Lichter in der Dunkelheit
Den meisten fallen sie gar nicht auf. Wenn man sie sehen möchte und sich auf nichts Anderes sonst konzentriert, nur darauf, dann bemerkt man die Anwesenheit leuchtender Augen in der Dunkelheit, und zwar überall. Ich starre aus dem Fenster und sehe schon wieder verschwommen, weil meine Augen seit Stunden weit aufgerissen sind, während ich am Fenster stehe und erwartungsvoll in die Dunkelheit gaffe, ich kann nur noch starren und alles draußen fokussieren. Wie versteinert zwingt mich die Nacht dort am Fenster zu verharren und raus auf die Bäume zu gucken, auf die Wiese und zwischen die Äste - nichts bewegt sich, es ist dunkel und still da draußen. Also schaue ich in die Dunkelheit aus dem Fenster – starre so lange, bis ich es endlich schaffe, mehr zu sehen als nur den dunklen Garten. In der Dunkelheit funkelt es, kleine Punkte leuchten auf, schwach und kaum zu erkennen schleichen sich die Lichter in das Bild und leuchten auf, sie blitzen immer wieder hier und da zwischen den Ästen und unter Bäumen auf. Je länger man in die Dunkelheit hineinblickt, desto sichtbarer werden all die leuchtenden Punkte. Ich weiß, dass sie da sind. Ich weiß nicht so genau, was genau da leuchtet... ich denke, es sind die Augen geheimnisvoller Wesen! Und ihre Augen reflektieren an jeder Ecke, die Nacht ist voll von diesen Wesen, wie besessen suche ich flimmernde Punkte, kann nicht wegschauen– ich bemerke sie bald überall da draußen. Ich habe sie schon so oft beobachtet, ich denke ich lasse sie dadurch existieren, und deshalb gucke ich so lange hinaus ins Dunkle, bis sie da sind und sich zeigen.
Wie eine Katze liege ich auf der Lauer, und es werden immer mehr Augen und mehr funkelnde kleine Lichter, verstreut wie Sterne am Himmel, funkelt es zwischen Büschen, Blättern und sogar auf den entfernten Tannen blitzen immer wieder Augen auf, von den unbekannten Wesen, mit denen ich versuche in Kontakt zu treten. Sie sind scheu, denn sie bemerken sicher wie ich sie stundenlang regungslos anstarre, wie versteinert, bis die Morgendämmerung einbricht und mich aus meiner Trance erlöst. Beine und Hände tuen weh, der Rücken ist gekrümmt, die ganze Nacht habe ich gebannt am Fenster gekauert und nun ist es hell, und der Verstand kehrt langsam auf andere Bahnen zurück, die Besessenheit muss warten. In der Helligkeit ist der Bann verpufft, die mystischen Wesen sind nicht mehr da. Die nächsten Stunden werde ich mich wieder dem Alltag zuwenden und mein Gefühl in Bezug auf Übernatürliches und der Anwesenheit bizarrer, fremder Wesen lässt schleichend nach. Meine Augen entspannen sich endlich und meine Sinne sind nicht mehr zwanghaft geschärft. Mit der Helligkeit nimmt der Tag schon bald seinen Lauf, ich widme mich wieder ganz üblichen Dingen, wie sonst auch. Nachdem der bizarre Wahn der Nacht mich nicht mehr packt und mich zwingt aus dem Fenster zu sehen ist die Realität wieder die Alte– ganz unspektakulär und vertraut.
Als Ich mittags bei einer Tasse Tee erschöpft auf meinem Klappsessel weg nicke, mein Kopf ist nach hinten in den Nacken gefallen, überkommt mich ein tiefer Schlaf. Ich liege da und schnarche und grummele unruhig vor mich hin, so als hätte ich schon tagelang kein Auge mehr zubekommen. Den Kopf noch immer nach hinten geneigt reiße ich dann plötzlich erschrocken und geschockt meine Augen auf und kriege vor Schreck keinen Ton raus: Ich liege im Garten unter einem Baum, es ist inzwischen wieder Nacht, und ich kann meine Beine nicht bewegen. Mit weit aufgerissenen Augen schaue ich rüber zum Haus zu meinem Fenster, wo ich gestern noch stand. Was war passiert? Wieso liege ich unter einer Tanne, die Beine mit Blättern bedeckt, keine Kraft sie zu bewegen, da die Kälte in die Knochen eingedrungen ist und …. Scheiße mein Knie fühlt sich wie ein altes Verschleißteil an, ich bin wie eine alte Puppe, die früher mal beweglich gewesen war und nun unter den Baum geschmissen wurde. Am Fenster steht doch jemand! "HILFE!" – denke ich und will es laut rufen, doch ich habe vergessen, wie ich meine Stimme benutze, ich kann nicht mehr sprechen. Ich kann nur gucken und glotze bettelnd zum offenen Fenster rüber, in der Hoffnung, dass der Unbekannte reagiert. Nichts. Er bemerkt mich nicht. Ich gucke zur Seite, drehe meinen Kopf, doch die Anstrengung ist zu groß, mein Kopf so schwer, dass ich ihn nur wieder sinken lassen kann. Ich kauere unter dem Baum und bekomme Panik. Was geht hier ab? Atme ich? Fließt Blut durch meine Adern und funktioniert mein Herz noch? Oder bin ich nur noch ein Puppenkopf, zwei krampfende Hände und ein unterkühltes Knie, dass sich nicht bewegen lässt? Die Tanne über mir wippt gelassen im Wind hin und her, so herzlich und wohlgesinnt wippt sie hin und her. Ich liege darunter und wippe gedanklich mit. Ich verstehe schon – die Welt dreht sich weiter, nicht dein Problem, sondern allein mein Problem. Gelassen weht das Gras im Wind. Und ich kann nur zum Fenster sehen, doch der Unbekannte sieht meine Augen nicht, er ist nicht in meiner Welt. Ihn beschäftigen die Augen der Nacht nicht, in seiner Wahrnehmung findet das Szenario hier gerade nicht einmal statt, er lebt seine eigene Wirklichkeit. Ich gucke zu den leuchtenden Sternen und die Sterne schauen zu mir zurück. Ich kapituliere, schließe die Augen, um dem Wind zuzuhören und um zu begreifen. Der Wind hat so eine wunderbare Gelassenheit, segelt durch den Garten, als würde er auf Wellen reiten – er scheint gut gelaunt zu sein, wie er da so umherpfeift. Ich freue mich für ihn und höre weiter zu.
Plötzlich: Bumm! Ein Baum ganz in der nähe fällt um, der Knall hallt nach und alles scheint für ein paar Sekunden die Luft anzuhalten. Der Wind wird stärker und bläst nun in alle Richtungen. Schlagartig wechselt das Wetter von einer unbeschwerten Brise, zu peitschenden Böen und unruhigen Tannen über mir, die wild all ihre Äste umherschlagen. Der Unbekannte schließt schnell das Fenster, ich versuche Blickkontakt herzustellen und hoffe, dass er mich wahrnimmt und mir helfen kann, doch er bemerkt mich nicht. Im Garten zeichnen sich auch diese Nacht wieder überall leuchtende Augen ab, ich fühle mich beobachtet, eingekreist von unheimlichen Bestien und überlege, ob die Gestalten harmlos, oder doch bösartig sind. Die ganze Sache ist unbehaglich und ich halte die beklemmende Atmosphäre kaum aus, diese Blicke! Diese Augen in der Finsternis! Ich falle wieder erschöpft in eine Art Ohnmacht, die Ohren dröhnen und ein dumpfer Ton klingelt in meinem Ohr, ich resigniere, dann verliere ich das Bewusstsein.
Als ich aufwache, liege ich in meinem Bett und mir geht es gut. Es dauert einige Sekunden, bis ich realisiere, dass ich mich in Sicherheit befinde, und ich gestehe mir ein, dass ich das wohl alles nur geträumt haben muss. Meine Faszination für geheimnisvolle Beobachtungen und Übernatürliches in der Finsternis sind heute Nacht der Stoff für Schauergeschichten und Alpträume geworden. Meine Stimmung ist noch immer düster und unheimlich, der Traum lässt mich erstmal nicht los. Ich bin froh, dass ich nicht wirklich hilflos unter einem Baum im Garten liege. Liebes Unterbewusstsein, deine Ideen sind mal wieder bescheuert und total überzogen! Egal, erst einmal wach werden und zurück ins richtige Leben denke ich mir. Ich will gerade die Nachttischlampe einschalten, als ich zwei leuchtende große Lichter, rechts neben mir bemerke. Ich bin nicht allein. Die Augen sind hier in meinem Zimmer. Sie kommen näher, ganz nah an mein Gesicht heran. Ich erstarre vor Angst und halte sofort die Luft an, instinktiv verberge ich jedes Lebenszeichen und bewege mich nicht mehr.
Die Augen kommen noch näher, werden größer. Verrückte, riesige Pupillen glotzen mich barbarisch an, glotzen mich einfach nur an wie ein Tier seine Beute. Oh nein, mir wird bewusst, ich bin die Beute. Ich sitze in der Falle, mein Herz schlägt so laut, kurz habe ich Angst es springt mir gleich aus der Brust. Es pocht mir bis in den Kopf, glaube ich. Auf der andern Seite meines Zimmers funkelt es plötzlich aus der Dunkelheit und es kommen weitere Lichter zum Vorschein. Meine Mundwinkel ziehen sich zusammen. Entsetzt gucke ich in die Ecke. Dutzende Augenpaare bewegen sich direkt in meine Richtung und fallen über mich her. Ich fühle wie meine Stirn durchwühlt wird. Mein Verstand setzt sofort aus, mein Gehirn wird erst warm, dann heiß, und immer heißer. Ich fühle wie meine Stirn schmilzt, es tropft Gehirn über meine Wange, ein kleines Stück purzelt über mein Gesicht herunter auf meinen Schoss. Ich glotze verwirrt und blöde auf meine Beine, überall Blut. Mein Arm bekommt unkontrollierte Spastiken, klatscht gegen die Wand, immer wieder hinter mich gegen die Wand, ich habe keinen Verstand mehr, kein Bewusstsein, keine Persönlichkeit.
Ich gebe auf - und kratze ab. Ende.