Was ist neu

Ohne Titel oder : Die unfreiwilligen Reisen des Mr. Goodnight

Beitritt
10.07.2002
Beiträge
807
Zuletzt bearbeitet:

Ohne Titel oder : Die unfreiwilligen Reisen des Mr. Goodnight

Ein Dienstag im September in einer kleinen Stadt in Amerika. Fabian, Indianer-Leo und Stiller, drei Männer ohne Frauen, mussten feststellen: Das Leben ist anderswo. Der Buick von Stiller stand nachts im Sturm - unterm Rad der Abgrund.
„Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zwickau“, seufzte Indianer-Leo.
„Keine Panik“ unterbrach Fabian.
„Keine Panik?“, schrie Indianer-Leo, „das Schlimmste kommt noch.“
„So läuft das nicht“, erklärte Stiller.
„Freunde“, sagte Fabian, „wir wollten Schnelles Geld, jetzt haben wir jede Menge Ärger. Es geht um Leib und Leben.“
„Der Klient. Die Briefe. Was stand da? Das letzte Gefecht: Familientreffen an Halloween auf dem Friedhof für Verrückte“, fing Indianer-Leo wieder an.
Draußen vor der Tür blies der Wind in den Zäunen, im Zwielicht stand Demian mit Klein Zaches und Voodoo Emmi, Bronsteins Kinder. Demian, der Geschichtenverkäufer, schaute kaltblütig zu dem Buick. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, knurrte Klein Zaches im Dunkel der Nacht. „Schwarze Hunde, Blut und Alpträume“, ergänzte Voodoo Emmi, „Nachtschicht, die Rückkehr der Wölfe.“
Das Lachen der Hyäne rabenschwarz - und die Vögel verstummten. Kurz und bündig: Furcht erregende Darbietungen.

Begonnen hatte die allertraurigste Geschichte oben in der Villa. Fabian, der Spieler, bis über beide Ohren verliebt zwischen Ecke und Elfmeter in Sara, die Speed Queen, plant mit Indianer-Leo und Stiller, in alter Freundschaft Drecksgeschäfte. Feine Freunde! Bei Einbruch der Nacht soll einer nach dem anderen heiße Steine an Bord der Titanic schmuggeln. „Man ist immer zu gut zu den Frauen“, denkt Fabian, der Drahtzieher. Denn die Speed Queen war durchgebrannt. Mit Huckleberry Finn, der Liebhaber ohne festen Wohnsitz. Die wunderbaren Jahre - vorbeigeliebt.
„Das Herz ist eine miese Gegend“, sagt Indianer-Leo. „ Bevor du liebst schmeckt Löwenzahnwein wie Wassermusik. Goldene Zeiten, Herzgetümmel, Liebesbeweise. Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden: Küsschen, Küsschen, erogene Zonen. Die wichtigen Dinge im Leben. Doch das ist die halbe Wahrheit, fromme Lügen. Zwischen den Laken lauern Alpträume und der Sieger geht leer aus. Tränen sind immer das Ende. Nur wer träumt ist frei.“
„Würdest du bitte endlich still sein, bitte.“
„Was sollen wir tun?“
„Keine Ahnung.“
„Der Welt den Rücken“, sagt Fabian, Trinker und Träumer. „Ein Zug durch die Gemeinde. Blauer Rum, mehr Bier, Kinderkorn.“
Unterwegs Frust, die lange, große Wut. Nie wieder Tequila.
Die Heimkehr. Sara. Die Welt steht Kopf.
„Wo warst du, Adam?“, fragt Fabian und meint Sara.
„Frau Rettich, die Czerny und ich...“
„Schade, dass du nicht tot bist“, unterbricht Fabian.
„Bingo. Wie du dir, so ich mir.“
Ein Mann sieht rot. „Lebewohl, mein Liebling“, schreit Fabian. Der Sog der Gewalt: Blut will der Dämon. Ein Mann, ein Mord. „Ruhe in Fetzen!“
„Saubere Arbeit“, sagt Indianer-Leo ein Abend, eine Nacht, ein Morgen später.
„Notwehr“, flüstert Fabian. „Auf Ehre und Gewissen.“
Mord ist nichts für Männer!
Bei Einbruch der Nacht ist die Leiche im Moor.

Ganz früh eines Morgens macht Betty Blue, die Detektivin, jede Menge Ärger.
„Was wollen Sie von mir?“, fragt Fabian.
„Die Tote im See“, sagt Betty Blue. „Selbstmord ausgeschlossen. Tote lügen nicht.“
„Gefährliche Neugier.“
„Gefahr ist mein Geschäft“, antwortet Betty Blue.
„Das war das letzte Wort der Wanderratte“, schreit Fabian. „Bis dann, Schnüffler.“
Tohuwabohu auf Leben und Tod. Betty Blue, die Detektivin, tot. Betty Blue, die kleine Schwester von Demian.

„Doppelmord“, seufzt Stiller, wieder ein Abend, eine Nacht, ein Morgen später. Im Buick. Vor dem Friedhof für Verrückte.
„Es reicht doch, wenn nur einer stirbt“, schreit Indianer-Leo.
„Mitgefangen, mitgehangen“, antwortet Demian. „Mein ist die Rache, denn keiner ist ohne Schuld.“
„Dreifach Geschichte machen“, flüstert Klein Zaches.
„Der Prozess“, wendet Voodoo-Emmi ein. „Keiner werfe den ersten Stein.“
„Jacke wie Hose“ entgegnet Demian kaltblütig. „Heute ist ein schöner Tag zum Sterben.“
„Tod den Ärzten“ schreit Klein Zaches.
Der Buick, der Abgrund.
„Feuerzauber“, jubelt Voodoo-Emmi.
Der Rest ist sterben.

 

Hallo George

Bei "Der Buick..." dachte ich zwar unweigerlich an SK, doch ich muss gestehen, erst bei "Friedhof für Verrückte" isch 's Füfi gfalle.

Der Rest war dann Schmunzeln und Hochachtung vor der Arbeit.
Schöne Idee, gut zu einem skurilen aber durchgängigen Plot zusammengesetzt.
Leider kenne ich manche nicht und - sind das wirklich alles Buchtitel?

Lieben Gruss
dotslash

 

Das Experiment stelle ich mir sehr schwierig vor. Aber es ist nicht nur gelungen, es liest sich sogar sehr lustig!
Der zweite Satz ist schon mein Lieblingssatz, denn diese trockene Feststellung finde ich urkomisch.

Wo kann ich das Buch "Blut will der Dämon" kaufen?
Und könntest du verraten, wo du die Liste mit den Buchtiteln her hast?

 

Vielen Dank für die netten Kommentare!

Der Titel ist eigentlich ein Gag, da die Geschichte ja nur aus Titeln besteht. Das Spröde des Textes stört mich auch. Immer noch. Natürlich hätte ich ihn noch weiter glätten können, dann hätte ich aber auf noch mehr "Nichttitel" zurückgreifen müssen. Oder auf Titel von Büchern, die ich nicht kenne - und das wollte ich nicht. Ich habe mir quasi die Selbstbeschränkung auferlegt, nur Titel von Büchern zu nehmen, die sich momentan in meinem Besitz befinden. Ohne Hinzufügen von einigen Artikel und Verben bin ich dann doch nicht ausgekommen. :(

@ dotslash

Yepp, alles Buchtitel. Bis auf wenige "sagte", "schrie", "erklärte" und so weiter.

@ leif

"Blut will der Dämon" hört sich gruseliger an, als es ist. Tatsächlich ist es ein Krimi von -ky (eigentlich Horst Bosetzky). Bestellen? Wenn Du es bei amazon nicht mehr bekommst, sag Bescheid. Immerhin steht es bei mir im Bücherregal ;)
Ansonsten: Die Liste aller Buchtitel, die in diesem Experiment verwendet wurden, kann ich Dir gerne per PN zusenden.

 

Danke, aber die Mühe musst du dir nicht machen. Die Buchtitel kann man auch so ganz gut rauslesen, obgleich mir einige doch eher skurril erscheinen.

 

Leif schrieb:
Danke, aber die Mühe musst du dir nicht machen. Die Buchtitel kann man auch so ganz gut rauslesen, obgleich mir einige doch eher skurril erscheinen.
Ich liebe skurrile Geschichten!
Und Mühe würde es eigentlich nicht machen. Die Entstehungsgeschichte dieses Experiments ist nämlich wie folgt:

Ein von der Mühsal des Tagwerks ermatteter George Goodnight liegt stundenlang auf seiner Couch und starrt auf die gegenüberliegende Wand. Beziehungsweise auf die Bücherregale vor dieser Wand. Er liest einen Buchtitel, dann noch einen und so weiter. Er schwelgt in den Erinnerungen, die er mit dem ein oder anderen Buch verbindet, da macht es plötzlich Tsssonnng. Oder Tssswusch Oder so ähnlich. Und ebenjener George Goodnight hat eine Vision: Könnte man eine Geschichte schreiben, die nur aus Buchtiteln besteht, fragt er sich. Und schon fällt die Müdigkeit von ihm ab wie ein alter Mantel. Er steht auf, schnappt sich sein i-book und schreibt sich die interessantesten drei- bis vierhundert Buchtitel ab. Das dauert natürlich ein paar Stunden. Tage später starrt er immer noch auf seinen Bildschirm und überlegt, was er mit den abgeschriebenen Titeln machen soll. Und während er noch darüber nachdenkt, legt sich pötzlich die Story wie ein wärmender Mantel um seine Schultern (das ist jetzt bildlich zu verstehen). Diese Story tippt er dann runter. Und postet sie als Experiment.

Was ich sagen will: Die Liste der Buchtitel existiert immer noch in meinem kleinen i-book. Und da ich längst nicht alle Titel verbraten habe, könnte es gut sein, dass demnächst eine ähnliche Geschichte entsteht. Oder auch nicht :)

 

Hallo George,

ohne Titel? Deine nächste Geschichte heißt dann „ohne Worte“? Es ist interessant zu sehen, wie sich das Bild, das bekannte Titel normalerweise hervorrufen, durch den Kontext ändert.
Deine Arbeit hat sich auf alle Fälle gelohnt. Das Ganze erinnert auch an Willy Astor, der eine Geschichte aus über hundert Filmtiteln gebastelt hat (er ist ja berühmt für solche Aktionen).
War nett zu lesen,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

vielen Dank für den Kommentar, Du hast mich da auf eine prima Idee gebracht. Eine "Ohne Worte"-Geschichte. Warum nicht. Mal sehen, was daraus wird ;)

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Willy Astor nur dem Namen nach kenne. Habe ich da evtl. etwas versäumt?

Gruß
George

 

Wow! Respekt!
Echt genial gemacht und sogar noch erstaunlich gut lesbar. Wie viele Titel sind da genau drin? Ich habe wahrscheinlich nicht mal ein Viertel erkannt...

 

@ Stryke

vielen Dank für das enthusiastische Lob. Das zeugt von Deinem guten Geschmack ;)

Die genaue Anzahl der Titel kann ich Dir im Moment gar nicht nennen - das müsste ich selbst noch mal nachzählen.

Gruß
George

 

Der Anfang ist sehr gewitzt... interessant. Dann wird die Aneinanderreihung von Titeln zur Dokumentation eines missratenen Experimentes. Vielleicht solltest Du es ab Abschnitt 2 noch mal versuchen - Übung macht den Meister oder bringt vielleicht etwas Sinn in den manifestierten Bücherschrank. Sinnloses Experiment jedenfalls. Mir zu flach, sorry

 

@ Das A

Wenn es Deiner Meinung nach ein missratenes oder gar sinnloses Experiment ist, dann ist das so. Du musst Dich doch nicht dafür entschuldigen, dass Du eine Meinung hast.

Danke für den Kommentar.

Gruß
George

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom