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Monster im Kopf
Nervös tippelte ich von einem Fuß auf den anderen. Wie oft hatte ich mir dieses Szenario in meinem Kopf schon ausgemalt. Meine Hände schwitzten und der Rest meines Körpers durchlief heiße und kalte Phasen. Gedanklich zählte ich bis drei und öffnete die Tür, ehe ich mich wieder dagegen entschied.
„Bin wieder Zuhause,“ rief ich ins Leere.
„Ist gut.“ Hörte ich vom Schlafzimmer rufen. „Ich bin schon im Bett.“
Ich spürte wie die Nervosität an mir rüttelte. Sie sprang auf mich und versuchte mich nieder zu reißen. Doch mein Fokus lag auf dem schwachen Lichtstrahl der am Ende des dunklen Gangs auf mich wartete. Meine Schuhe zog ich aus und schmiss sie einfach auf den Boden. In solchen Stresssituationen war ich nicht zur Ordnung fähig. Ich linste um die Ecke und sah meine Mutter im Bett. Sie war ihrem Buch zugewandt und schlürfte nebenbei eine heiße Suppe.
„Na, was habt ihr den Abend getrieben?“ fragte sie ohne den Blick von ihrem Buch zu lassen.
„Nichts Besonderes. Sind durch die Gegend gestreift, was zu trinken vom Supermarkt geholt und haben viel gequatscht.“ Langsam schlenderte ich auf die freie Seite vom Bett zu. Bin ich dazu wirklich schon bereit?
„Klingt doch schön.“ Sagte sie und blätterte eine Seite weiter.
Warum macht auch jeder daraus so ein Thema? Ich könnte es auch einfach lassen.
Klopfte die innere Stimme an meinen Hinterkopf.
Doch ich war nur noch stiller Zuschauer dieses Geschehnisses. Ich fuhr fort.
„U-Und wie... hast du deinen Abend so verbracht?“ zögerte ich den Smalltalk noch weiter heraus. In der Hoffnung es würde nicht auffallen. Das Bett ächzte leicht, als ich mich darauf setzte. Doch anscheinend bestätigte sich meine Angst. Denn sie blickte auf, ohne sich dabei zu bewegen. Nicht einmal die Brille auf ihrer Nase verrutschte. Was las ich da in ihrem Gesicht? War sie irritiert? Bin ich etwa schon aufgeflogen? Nächtliche Gespräche über alltägliches war bei uns nicht üblich. Natürlich weiß sie über alles Mögliche in meinem Leben Bescheid. Immerhin ist meine Mutter ein sehr wichtiger Mensch. Für viele ist die Mutter wahrscheinlich die Bezugsperson. Deshalb lege ich auf ihre Meinung besonders Wert. Mir klebte der Mund. Alles war trocken und mein Hals kratzte. Angestrengt versuchte ich dem Blick standzuhalten und mir nichts anmerken zu lassen. Sie schaute wieder nach unten und suchte die Zeile in der sie stoppte.
„Nun heute habe ich den Holzboden gereinigt und gewachst. Sei also vorsichtig, dass du nicht ausrutschst. In der Küche steht noch ein Auflauf, falls du noch Hunger hast. Und nein, ich habe dieses Mal keine Zwiebeln verwendet.“
Angespannt versuchte ich ihr zu folgen, als wäre es nicht nur eine Taktik von mir Zeit zu schinden und Mut zu sammeln. Doch je länger sich das Gespräch zog, desto mehr juckte es mich. Nicht ein Wort von ihr kam bei mir an. Der Schweiß lief mir den Rücken hinab. Eiskalt und warm zugleich. Mein Kopf pulsierte und meine Zunge brannte. Die Worte die ich ihr schon lange anvertrauen wollte steckten mir im Halse und bewegten sich kein Stück weit nach vorne. Plötzlich überkam mich ein Schwall von Übelkeit.
Ein Hebel in meinem Kopf knallte um.
„Mama ich muss dir was sagen!“ spuckte ich ungewollt aus.
Mit aufrichtiger Mine sah sie mich an. Erschrocken über mein automatisiertes Handeln entschied ich, jetzt oder nie.
„Ich bin Schwul.“ Sagte ich so leise, dass ich mich fragte ob es bei ihr ankam.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ach, das ist doch ok.“ Antwortete meine Mutter mit lieblicher Stimme. Die Worte hallten in meinem Kopf als verstünde ich ihre Sprache nicht mehr. Es dauerte einen Moment ehe ich überhaupt in der Lage war zu begreifen. Währenddessen fuhr sie fort von ihrem Alltag zu erzählen. Mein Körper füllte sich plötzlich mit einer Leichtigkeit, als könnte ich jeden Augenblick einfach davonfliegen. War es wirklich so einfach gewesen? Hatte ich mich in meiner Vorstellung so getäuscht? Mit wackligen Beinen erhob ich mich vom Bett und lief Richtung der Zimmertüre.
„Schatz?“ ertönte es von hinten.
Ich drehte mich um und sah ihr in die Augen.
„Schön, dass du es mir erzählt hast.“ Sagte sie und schenkte mir ein Lächeln, welches mein Herz erwärmte.