Magistern
Ud den Leren Magistern Tieffenpaches:
DÄr was en Sgüler, der hatte sig torch konsikwent Arbejten sehr gude Noten khoolt. Toch er kwam immer tzu spät zer Ler-Stunden, unde ouch bej Classenarbejten überzoock er immer. Werent die Lerarn bej andarn Sgüllern glijch mit straffend Wordten umbheerwarpen unde ouch rechte Straff vbten, gienck dießer Sgüler fast immer ohne Straff ous. War er toch sonste immer recht fleißick, unde paste uf unde benam sich guote.
Die andarn Sgüllern toch, welche gerechte warn, woldten diß nitte lenger dulden, so kwam es mit der Zijt, dasz sich immer mere von besaacktem Sgüler abwandten. Nuor wenige, welche ien ob sijnes Wissens unde sijner Kendniße blos ous ze nuotzen gedachten, hieldten noch zu ieme.
Där kwamen danne aber die letzen zwey Jar vor der Graduatio, in welichen der Ler-Stoff immer swirigar wordte, unde jener Sgüler, der kondte sich (mit sijnen Fähigkeiden, die begrentzet warn) torch blosses konsikwentes Arbejten nitte mer wohl slagen. Där fielen ouch die letzten, weliche ien lediglich ousgenuotzet, von ieme ab. Er wordt cranck in sejner Sele, unde miedt die Sgulen.
Toch immer noch dachte er, daß das, was er thaat, rechte war, wie er ouch zevor dachte, daß die Sonder=Rechte, die er sich genomen, rechte warn. Er verboock eijnfach die Wahrheide in sejnem Sin. Toch die Sgulen war en Leip des Rechtes, so muoste er zeletzte von ihr udgestossen wörden.
Drumb wisset, junge unde gerechte Geyster: Wer dencket, er kendte sig geintüber andarn Vor=Rechte nemen, der is zem Schejtarn unde zor Straff verurtheilt torch das Sgicksale unde das Recht.
En Sgüler des Magisters frachte: So warn die andarn Sgüller wirckliche gerechte vor dißem einen Sgülern, so er ungerechte was ienen geintüber? Hatten sie nitte andernortes Rechte, weliche sie dißem verweerten, so etwa ihre Achtung?
En andar frachte drvff: Ja, unde wolde er wirckliche ungerecht sijn geintüber den andarn, oder wolde er blos Rechte besitzen, die er jedem andarn ouch zugönte? Den nitte ER hat die andarn Sgüller gestrafft, sondarn die Lereren, unde dieselbigen hatten ien geschonet. Unde Milde ist höher zu werthen alß jede Straff, maack die Straff eijnfacher unde würckungvoller scheijnen alß die Milde.
En dritter sprach: Woher wöllet Ihr wißen, das all die, die sig von iem abwandten, dis ous Gerechtigheide thaaten, unde all die, die zuo iem hieldten, ien blos ous ze nuotzen gedachten? Giebet es nitte nog andare Werthe für den Umbgang der Mensgen unterejnandar, die nitte blos torch den eijgenen Nuotzen bestimet wern? Oder war dißer Mensch von sijnem Wesen her gar tzu abschewlich, daß nuor Eygennuotz andare zu ieme brachten?
Sließlig meinte en vierdter: Ruhig, werthe Brüder. Magistern wöllte unß mit dißer Geschichten eijn Bildt zejgen. So spielet das Leben im Theaterspiele der Weldt, es ist das Sgicksal von Köningen, Velckern, Herren unde Knechten. Gloubet Iher fürwar, daß solche Heimtücken unde Empfintlichkeiden in der armen Sele junger Sgüller wie wir ze suochen seind? Magistern ist im waren Sinne sijnes Namens eijn Meyster der Historia, der die brillantesten Folgeschlüsze im Welttheater zu treffen im Standt ist. Für die blose Betrachtung eijner kleinen Sguln wäre sejn Geyst toch warlich vil tzu grosze!
EN andarn Mal ward dißer vierdte Sgüler von eim newen Sgüler gefracht, der von den Kendnißen unde der Brillance Magistern Tieffenpaches gehördt hatte, nemlich, ob Magistern Tieffenpach würklich eijn so trefflicher Lerare sij, wie von so vielen Sgüllern zevor er Beschreijbungen gehördt.
Drvff antwerdtete dißer: O gewieß. Du müstest wißen, Magistern hat uf eim Ohre en Lejden, weliches sich äußeret, so es tzu vil Lärm ze Gehör bekomt. So wär es gar en leychtes Unterfangen, ien ze schädigen, wen eijn nitte wohlmeynender Sgüler, deme er mißfiele, iem laut in diß Ohr hieneinprüllte. Magistern wäre zer Lere danne nitte mer im Standt für lange Zijt. Toch wie du siehest, er lauffet immer nog munter umb wie ejn junges Reh.
Der newe Sgüler toch entgegnt: Oder die Prüller seind jene, die ejn tzu milde Gemüth füren.