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Iain Banks: Die Wespenfabrik

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Iain Banks: Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autor: Iain Banks
Broschiert: 268 Seiten
Verlag: Heyne (1997)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3453124383
ISBN-13: 978-3453124387


Francis Leslie Cauldham ist ein sechzehnjähriger Psychopath, der gemeinsam mit seinem Vater, von der übrigen Welt nahezu isoliert, auf einer kleinen Insel im Familienbesitz, irgendwo an der schottischen Küste lebt.
Nur durch eine schmale Hängebrücke ist sie mit dem Festland verbunden, für Autos unerreichbar.
Die ausgeflippte Hippie-Mutter hat ihre Familie unmittelbar nach Francis Geburt verlassen, sein älterer Bruder, Eric, sitzt im Sicherheitstrakt einer Irrenanstalt, nachdem er Hunde mit Benzin übergossen und angezündet hat und Kinder zwang, Würmer und Maden zu essen. Aber auch Francis hat es faustdick hinter den Ohren. Er ging nie zur Schule, offiziell existiert er gar nicht, hängt skurilen Tagträumen nach und gibt sich ungestört allen möglichen Grausamkeiten hin. Vorzugsweise tötet er Kleintiere und Vögel, zündet Kaninchen an und pflanzt deren Köpfe auf Pfähle, Totems gleich, rund um sein Lieblingsversteck, einen Betonbunker aus dem zweiten Weltkrieg. Am Dachboden des Elternhauses, unerreichbar für den gehbehinderten Vater, befindet sich die Wespenfabrik, eine Art lebendes Orakel, das von Francis mit Hilfe aufgespießter Wespen regelmäßig befragt wird.
Um Kinder aus der nahegelegenen Kleinstadt abzuhalten in sein Inselreich einzudringen legt er heimtückische Fangschlingen aus. Täglich unternimmt er ausgedehnte Kontrollgänge, bewaffnet mit Steinschleuder, selbstgebastelten Benzinbomben und einem leistungsfähigen Luftdruckgewehr bewacht er sein Revier.
Aber er ist zu weit Schlimmerem fähig. Bereits im zarten Kindesalter brachte er drei Menschen auf grausamste Weise um, alles Kinder, eines davon sein jüngerer Bruder Paul. Niemand in Francis Umgebung ahnt etwas von seinem „kleinen Geheimnis.“
Lakonisch resümiert er dazu: „Ich habe schon seit Jahren niemanden mehr umgebracht und habe auch nicht die Absicht, es je wieder zu tun. Es war lediglich eine Phase, die ich durchlaufen habe.“
Eines Tages erhält sein Vater Besuch vom Dorfpolizisten Diggs und Francis Idylle bekommt Risse. Sein verrückter Bruder Eric ist ausgebrochen und befindet sich auf dem Weg nach Hause. Benzin- und Brandgeruch begleiten ihn, eine Katastrophe steuert auf die Insel zu ...

***

Selten habe ich einen derart ausgeflippten, zugleich enorm spannenden Plot gelesen wie den der Wespenfabrik ... wenn da nicht ... aber dazu komme ich später.
Eins vorweg: Der Ekelfaktor dieses Romans ist stellenweise sehr hoch, manchmal geradezu abstoßend. Oft entstand bei mir allerdings der Eindruck, der Autor würde damit bewusst spielen, den Schockeffekt seiner unappetitlichen Beschreibungen nur als Lockfutter für den Leser verwenden, manchmal über das sprachlich Notwendige erheben.
Zunächst die Pluspunkte: Der Autor bedient sich einer anspruchsvollen, bildhaft atmosphärischen Sprache, sein Hauptprotagonist, der Psychopath Francis Cauldham ist derart lebendig gezeichnet, dass man glauben könnte, er würde jeden Moment mit seiner Steinschleuder aus den Buchseiten herausschießen. Es gibt wunderschöne, stimmungsvolle Landschaftsbeschreibungen, alle Figuren sind individuelle Persönlichkeiten, selbst Nebenfiguren werden sorgfältig gezeichnet, wie der Liliputaner Jamie, die skurile Haushälterin Mrs. Clamp oder die hoffnungslos überdrehte Hippie-Mutter von Francis.
Immer wieder macht Banks dezent versteckte Andeutungen betreffend das frühere Schicksal seines Hauptprots, führt den Leser damit bewusst in die Irre, holt ihn wieder heraus, nur, um ihn erneut zu verwirren. Auch gelingt es ihm, die Spannung und Ungewissheit über den Ausgang der Story bis zur letzten Seite aufrecht zu halten, bis sich alles, schlussendlich, zu einem verständlichen Ganzen abrundet. Und damit komme ich zum negativen Teil.
Verständlich ist der Plot dieses Romans, gewiss, aber nicht realistisch.
Einige der Geschehnisse erschienen mir schlecht recherchiert, bzw. auf mangelndes Wissen der Leserschaft vertrauend, geschrieben zu sein. Ich denke dabei an die Durchführung der ersten beiden Morde des kindlichen Hauptprots, deren Ablauf mir nicht plausibel wurde; und an das geradezu bizarre Ende der Geschichte. Auch hier vermisste ich gewissenhafte Recherche in der Darstellung.
Speziell beim Schluss des Romans wäre mir lieber gewesen, wenn Banks die bittere Konsequenz seines Plots – ein menschliches Inferno - durchgezogen hätte. Explizit darauf einzugehen verwehre ich mir, ich möchte nicht die Pointe verraten.
Die ersten beiden Drittel des Romans gefielen mir ausgezeichnet. Dann fiel mein Interesse etwas ab. Verantwortlich dafür waren vor allem oben genannte Ungereimtheiten, auch wandelt sich der Hauptprot gegen Ende des Buchs immer mehr zu einem Normalbürger, der sogar Mitgefühl für Mensch und Tier empfindet. Eine Veränderung, die aus dem Handlungsablauf nicht schlüssig wird.
Dennoch ein empfehlenswertes Buch, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Ich habe diesen Bestseller trotz aller genannten Vorbehalte recht gerne gelesen.

 

Da ich dieses Buch schon lange in meinem Regal stehen habe, werde ich mir da jetzt mal vornehmen. Iain Banks ist ein toller Autor, mit originellen Ideen der verdammt gut schreiben kann. Schade, dass er so in diese SF-Ecke gedrängt wird möchte man da meinen. Ich kenne von ihm "Die Brücke", "Inversionen", das unglaublich schräge "Barfuss über Glas" und "Bedenke Phlebas" (letzteres ist ja auch reine SF). Freue mich nun dank deines Textes richtig auf die Wespenfabrik!

 

Freue mich nun dank deines Textes richtig auf die Wespenfabrik!

Viel Spass beim Lesen, ist schon ein außerordentliches Werk.

Manuela :)

 

Ich habe es auch noch zuhause seit einigen Jahren ungelesen im Regal liegen, neben Banks Förchtbar Maschien.
Ich bin über Sci-Fi auf Ian Bank gekommen, habe aber bislang noch nichts von ihm gelesen.
Ich denke bis Herbst sollte ich mich an Die Wespenfabrik schmeißen können. :)

 

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