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Fehlgeschlagen

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08.01.2004
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Fehlgeschlagen

Fehlgeschlagen

Und da liegst du neben mir und ich kann deinen Atem hören.
Und deine Ruhe macht mich so wütend, das ich laut Schreien möchte und diesem widerlichen Elchplüschtier neben mir die Augen auskratzen.
Ich will bersten!
Ich versuche es und kratze mit meinem Fingernagel über die gestickte Fläche – der Versuch schlägt fehl. Ich schmeiße es von mir und hoffe damit einen Ordner polternd vom Regal zu befördern. Fehlgeschlagen! Und dieser Begriff ist auch genau richtig für das, was du mich fühlen machst.
Durch die Öffnung des Vorhangs dringt ein wenig Licht und mit dem frühen Morgen wird für mich mit aller Gewalt zur Sicherheit, dass unser letztes Gespräch kein surreales Kopfkino war.
Ich will dich schütteln und dich fragen was du denkst. Verletzend will ich zu dir sein, so sehr, dass ich dich weinen sehe.
Du sollst mich bitten...
Aber ich traue mich nicht, dich aus dem Schlaf zu reißen. Ich stehe auf, steige in meine Schuhe und realisiere die Dunkelheit innen und außen.
Ich trete hinaus und laufe am Wasser längs, durch den Nebel Richtung Hafen.
Ich renne und denke an deine gestrigen Worte. Hohl klingt deine Stimme in meinem Kopf und mein Atem vermischt sich mit ihr.
„Weißt du ich kenne keinen Menschen wie dich, du bist so wenig greifbar, aber weißt du...“
Aber Corinna, welch eine Name...
Ich erinnere mich, wie ich dich gefragt habe seid wann du sie kennst und du geantwortet hast, dass kennen zu viel gesagt wäre.
Wie ich gefragt habe, ohne meine Stimme zittern zu lassen, was so besonders an ihr sei und du nur mit den Schultern zucktest.
Wie ich gefühlt habe, wie mein Hals immer schmaler wurde und die Luft nicht entweichen konnte, sich auf mein Herz stürzte und es so schmerzvoll wurde.
Und wie ich keine Miene verzogen habe, als du sagtest, du wüsstest nicht ob es weitergehen könne.
Ich gehe weiter, laufe schneller, keuche, Übelkeit steigt in mir auf und ich denke an deinen stumpfen Gesichtsausdruck.
Du hast ganz anders ausgesehen, nicht so müde wie ich, eher emotionslos. Dein Gesicht verschwimmt vor meinem inneren Auge, verformt sich zu einer undefinierbaren Masse.
Ein anderer Jogger kommt mir entgegen, doch ich weiche nicht.
Deine einzige Gefühlsregung war ein erstaunter Blick, denn ich habe nicht geweint, ich habe nicht geweint nach der langen Zeit.
Und jetzt will ich Weinen, so sehr, dass ich Schluchzen muss und keine Luft mehr bekomme, ich will mich befreien.
Doch keine Träne füllt meine trockenen Augen, nur eine Schlinge legt sich fester um meinen Hals und das Gefühl in einer wabernden Masse schwimmen wird stärker.
Ich renne, keuche und mir entgleitet jedes Bild unserer Gemeinsamkeit, dann befinde mich vor der Tür. Leise stoße ich sie auf und verstaue meine Dinge in meiner Tasche. Ich setze das Plüschtier zurück aufs Bett und ziehe die Vorhänge zu. Ganz zu. Ich schließe die Tür.
Ich laufe.

 

Hallo lenale,

eine Geschichte hast du geschrieben, aus der Verletzung und Hilflosigkeit spricht. Zwischen den Zeilen spricht deine Protagonistin von einer geliebten Person, die fremd gegangen ist, die sie enttäuscht und verletzt hat.
Du beschreibst die Schlüsselsituation, in der die Wahrheit ans Licht gekommen ist, in der die Befürchtung Gewissheit wurde. Obwohl innerlich zutiefst verletzt, bleibt deine Protagonistin ihrem Freund/Mann gegenüber stark, zeigt ihm nicht, wie sehr sie leidet. Solche Geschichten sind alltäglich, deshalb aber nicht minder schrecklich. Wenn das Vertrauen zerbricht, wie ein Scherbenhaufen am Boden liegt, in dem sich die ganzen schönen Momente widerspiegeln, dann tut das weh. Das schmerzt, als wenn der Spiegel der Seele selbst zerbrochen wäre.
Die Reaktion der Protagonistin verstehe ich gut: erstmal laufen, weg von alledem, hinaus in den Nebel, laufen, laufen, laufen...
Mich hat der Text an einen Tagebucheintrag erinnert, weil du sehr direkt das Geschehen erzählst und implizit zwischen den Zeilen die ganze Enttäuschung spürbar wird.
Ein melancholischer Text, den so manch einer sicherlich nachvollziehen kann.

Gruß Jan

 

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