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Eric-Emmanuel Schmitt - Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

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19.05.2006
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Eric-Emmanuel Schmitt - Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

Herausgeber: ‎ Fischer
Gebundene Ausgabe: ‎ 112 Seiten

Zufällig fand ich gestern in einer Gratis-Wühlkiste ein Bändchen von Eric-Emmanuel Schmitt. Ich habe es in weniger als zwei Stunden gelesen, die Lektüre ließ mich nicht los.
Ein kleiner Junge namens Moses berichtet über sein Leben in Paris, das für ihn relativ trist abläuft. Sein Vater ist ein pedanter Jude, der wenig für Individualität übrig hat, kleinlich und bestimmend auftritt. Ständig vergleicht er ihn abwertend mit seinem älteren Bruder, den seine Frau gleich nach Moses Geburt mitnahm, als sie die Familie verließ.
Um die Ecke befindet sich ein Gemischtwarengeschäft, das von einem alleinstehenden, alten Araber namens Ibrahim betrieben wird. In ihm findet Momo, wie er von ihm genannt wird, einen weisen, väterlichen Freund, der ihn Toleranz und Lebensweisheit lehrt, über seine Schwächen hinwegsieht und ihn später sogar adoptiert, als sein Vater ebenfalls abhaut und sich wenige Monate später vor einen Zug wirft.
Gemeinsam unternehmen sie eine Reise, die sie in den Orient führt, wo sich Monsieur Ibrahims Schicksal erfüllt. Moses tritt in seine Fußstapfen, übernimmt den Laden und wird fortan von den Anrainern Mohammed, der Araber genannt. Eines Tages erscheint eine fremde Frau. Es ist Momos Mutter, sie offenbart ihm, dass er keinen Bruder hat und sie den Vater verließ, weil sie ihn nicht liebte. Obwohl sie ihr Kind erkennt, verweigert er sich ihr gegenüber, nennt sich hartnäckig Mohammed, aber im Laufe der Zeit entwickelt sich dennoch eine liebevolle familiäre Beziehung, die von Versöhnung geprägt ist.
Dieses Büchlein zeigt in knapper, aber wunderschöner Sprache, wie wichtig dann und wann ein Lächeln ist, und dass es möglich ist, selbst derart verfeindete Kulturen wie Judentum und Islam auf Basis von gegenseitigem Verständnis, Mitgefühl und Liebe zu versöhnen, wenn man nur dazu bereit ist. Darüber hinaus strotzt es vor Lebensweisheit und tiefen Einsichten. Eine kleine Abendgeschichte, die ich gerne gelesen habe. Sie wurde mit Omar Sharif als Ibrahim verfilmt.

 

»Der gelähmte Pariser Millionär Philippe (François Cluzet) stellt den etwas ruppigen ehemaligen Häftling Driss (Omar Sy) als Pfleger ein. Der Beginn eines ziemlich guten Films – und der Kinohit des Jahres 2011«, fasst heute, Donnerstag, 13. April 2023, die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 86, Seite WTV_1) zusammen, denn
der Film läuft auf RBB ab 20:15 Uhr.

Nicht nur das Buch ist lesenswert, der Film ist sehens- & hörenswert!

fw

 

Haben wir damals in der Schule gelesen. Guter Französischunterricht. Mochte auch den Film zum Buch gerne (ibrahim ou les fleurs du coran). Habe viele Details im Kopf. Der vernachlässigte Sohn, der seinem desinteressierten Vater Pastete besorgen soll und stattdessen das Geld behält und bei Monsieur Ibrahim Katzenfutter klaut, dem Vater das aufbereitet, der den Unterschied nicht bemerkt. Und auch, wie er Monsieur Ibrahim ihn letztlich klauen lässt, obwohl er ja selbst nicht viel hat. Und dass die Blumen ja letztlich die Referenz auf die Frauen auf dem Straßenstrich in dem Viertel, wo die beiden wohnen ist.

 

Finde es interessant, dass dieser Streifen vor 10 Jahren noch von Zuschauern und Kritikern als der Antirassismus-Film gesehen und gefeiert wurde, und mittlerweile im postkolonialen, woken Zeitgeist als Steigbügelhalter der Faschisten rezipiert wird („Politisch gesprochen sind solche Filme wie eine schleichende Vergiftung. Das ist beängstigend, denn die Normalisierung von Rassismus führt dazu, dass jemand wie Marine LePen mit ihrer Rassistenpartei auf einmal bei den Präsidentschaftswahlen in der Stichwahl ist – und niemand reagiert mehr entsetzt.“):
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/rassismus-white-saviourism-in-filmen
https://newsv2.orf.at/stories/2407471/2407475/

 

Ziemlich beste Freunde ist mir damals aber schon sauer aufgestoßen. Das war das wandelnde Klischee vom ewig lachenden Schwarzen, dem kein Wässerchen zu trübe ist.

 
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