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Der Dritte

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11.09.2001
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Der Dritte

Die Saiten waren völlig verstimmt, doch langsam und müde spielte Torff die Melodie seiner eigenen kleinen Wahrheit. Ton für Ton entkam jenes Gleichgütigkeit schürende Lied dem Bauch des schweren, hölzernen Instrumentes, das er wie ein Kind in seinen Armen trug. Die Zeilen der Hoffnung, so glaub er, waren es, die all die kleinen Melodien in ihm am Leben erhielten.
Note für Note zupfte er die Klänge aus den Saiten und beobachtete die Vögel am Himmel, die völlig verspielt im Takte seines Weines tanzten. Ja, der Wein… schon wieder ereilte ihn das Gefühl, die Welt sei ein Werk des Friedens, gepresst aus den Trauben der Hoffnung zu einem Wein der Verneinung jeder Zustimmung eines Dritten. Des Dritten, der ihm niemals erschienen ist.
Zitternd legte Torff das Instrument aus der Hand und sah hinaus in die grüne Welt der Felder und des blauen Himmels. Die Uhr lief, doch er kam nicht. Im Schatten des goldenen Käfigs regte sich ein Wesen, klein und benutzt. Er gab dem Wesen, was es brauchte und erklomm selbstlos den Gipfel seines eigenen Herzens.
Der Wald der Ewigkeit legte sich wie ein Teppich über das Land, verschmolz am Horizont mit dem Himmel und in Symbiose bildeten sie einen Anblick, den selbst die Götter nicht zu deuten wagten. Pflanzen wuchsen aus dem feuchten Boden und schöpften Kraft aus der Erde, dem Himmel und dem Wissen, das Leben sei doch nur eine kurze Episode des Universums.
Die Zeiger des Wissens kehrten ergeben ihre andere Seite dem Licht zu, öffneten sich dem Spiegel der Seelen. Torff versank in Demut und trat hinab in das Dunkel des Lichts.
Die Linie der Weiterführung der Zeilen wuchs unendlich in die Länge bis nur noch ein Stummel von ihr übrig blieb und die Einsamkeit im Wahn erklomm. Ein kleiner Spatz landete in der geöffneten Faust und sang sein klagendes Lied zur Stunde der Sehnsucht. In goldenen, weiten Kreisen ging Torff fast bis in den Tod und vergaß für einen kurzen Moment, wer die wahren Hüter des geheimen Wissens am Stein oben am Hügel unter dem Sternengebirge waren.
Doch der Dritte zeigte sich noch immer nicht am Horizont der verlorenen Tage. Nur die Tiere lagen in ihren im silbrig schimmernden Sternenlicht strahlenden Nestern und ein weiteres Mal entglitt eine Melodie dem Leib des Instrumentes in Torffs Hand, welche dem Wein eine neue, besondere Geschmacksnote versprach.
Der Dritte wartete schon lange auf sein Erscheinen, doch Torff entkam der Hoffnung seiner Befürchtungen und glitt hinab unter die Decke seiner Angst.

By Neawoulf

Kurzer Kommentar von mir: Bevor ihr fragt, worum es in dieser Geschichte geht: Versucht nicht die Worte zu verstehen, lest zwischen den Zeilen.

*Edit*
vielleicht wäre hier eine Rubrik für Geschichten angebracht, in der es um Psychologie und die Umwandlung von abstrakten Gedanken in Bildbeschreibungen geht ... hab das einfach mal unter Experimente gepackt. Hoffe, ich bin hier richtig.

 

ich denke eher, seltsam würde passen, aber egal. Vielleicht ist der Prot ein Alkoholiker, der Dritte ist der Anschub, den er braucht, um seine Sucht zu beenden.
Kann das in etwa sein? Wenn nicht, wie ist es dann zu verstehen, nachdem du ja gesagt hast, dass es zu deuten ist. Falls ich total daneben liege, verzeih mir, aber ich bin eben kein zweiter Freud.

 
Zuletzt bearbeitet:

Interessante Interpretation. Es geht um eine Form von Sucht, das passt schon so ungefähr.

"Die Zeilen der Hoffnung, so glaub er, waren es, die all die kleinen Melodien in ihm am Leben erhielten." -
Das Lied selbst habe ich als Droge dargestellt.

Und wegen dem Dritten... hmmm, ich werde jetzt noch nicht allzu viel dazu schreiben, da ich erst noch abwarten will, ob noch andere Meinungen dazu kommen. Ich will niemanden zu sehr in seiner Fantasie beeinflussen.

Greetings by Neawoulf

 

Hallo Neawoulf,

ein schöner, trotz der inneren Spannungen des Protagonisten sanfter Text. Deine Sprache gefällt mir, auch wenn sie sehr kryptisch ist. Ich vermute, der Dritte ist das Über- Ich, dessen Anerkennung der Prot. bedarf, das Ich ringt um seine eigene, unabhängige Wahrheit.

Kleiner Tippfehler: erschie-nen.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

puuuuh... also, erst mal (damit ich einen Anfang finde) denke ich auch, dass diese KG besser in die Kategorie Seltsam passt.
Ja, hier sind waaaahnsinnig viele Bilder... und im Moment sehe ich noch so aus :drool: :sick: .
Aber ich schließe mich so im Groben Woltochinon an. Wenn Du schon den Tip mit der Psychologie gibst. Es ist zwar laaaange her (und eigentlich habe ich das Fach Pädagogik, wo das auch Thema war, mehr verdrängt), aber ich kann mich da auch an drei Teile erinnern. Ich bekomme sie nur nicht mehr zusammen... :D, aber es war auf jeden Fall auch die Rede von einem wichtigen Überich...
boaah, neee. Da muss ich erst mal kramen gehen, bevor ich hier weiter plappere.
Aber schonmal so viel. Deine KG ist dick und schwer an Metaphern, die es zu interpretieren gilt. Und da diese beim Durchlesen sehr undurchsichtig scheinen, vergeht einem auch schnell die Lust, sich durch diesen Bilderurwald zu schlagen, um das Verborgene zu entdecken...

 

Hallo Neawoulf,
ich bin neu hier, aber deine Geschicht hat mich gleich fasziniert. Du verstehst es den leser zwischen den zeilen lesen zu lassen und die Gefühlswelt deiner Hauptperson deutlich werden zu lassen.
Meine Interpretation deiner Geschichte:
Das wonach jeder Mensch im Insgeheimen strebt: Die vollkommene Freiheit. Eine Sehnsucht nach der vollkommenen Löslösung von einer Welt die verlernt hat die einfachen Dinge des Lebens als etwas Besonders zu sehen.
Ice

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe inzwischen ja doch einige Recht interessante Meinungen gehört. Ich gebe zu: Ich hab die Gedanken doch ein wenig sehr verfremdet. Nun, um ein wenig davon aufzulösen:

Es geht um Einsamkeit. Die Zeilen des Liedes, die die Melodien in Torff am Leben erhalten, sind andere Menschen. Musik ist und war schon immer ein Zeichen von Geselligkeit. Man setzt sich zusammen, hört Musik, macht Musik... die Person, die ich beschrieben habe, mach die Musik allein. Somit stellt "der Dritte" andere Leute dar, die jedoch nicht anwesend sind. Wo ein Dritter ist, ist auch ein Zweiter: Die Musik selbst. Das kleine Wesen ist quasi er selbst, der mit Hilfe der Musik gegen die Einsamkeit ankämpft.

Hoffe, ich konnte so ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Das nächste Mal werde ich alles wieder ein wenig verständlicher Formulieren :)

Greetings by Neawoulf

 

Ich möchte nur eines zu diesem Text sagen: WUNDERBAR!!!!!!!!!! Diese bildhafte Sprache, so wunderbar *baff*.... und sowas von sprachlich gewandt

Ansonsten : mir fehlen einfach die Worte.

Mich hat diese Geschichte ziemlich in ihrer eigenartigen Stimmung mitgerissen....

Danke für solche Texte =)

 

Also ich kann mich nur Zeitloop anschließen, deine Ausdrucksweise ist echt verblüffend. du solltest dich daran halten und sollche Geschichten öfftes schreiben!

 

und noch etwas! ich finde das die geschichte nicht so gut lesbar ist durch deine Art sich auszudrücken. aber das ist eigentlich total überflüssig. Weil die Geschichte einfach super ist. Mach einfach weiter so

 

@ das Zitat: Ist eben auch sprachlich anspruchsvoll....
aber stimmt, bei manchen Sätzen bin ich auch manchmal in meinem Lesefluss gestoppt worden... aber das macht überhaupt nichts =) nobody's perfect

 

Ich kann mich dem nur anschließen! Deine Ausdrucksgewandtheit und dein Gefühl für schöne sprachliche Bilder sind Zeugen einer nicht zu stoppenden Leidenschaft fürs Schreiben. Weiter so!

Everything is clear:headset:
Punaro

 

Danke für das positive Feedback von euch allen. Ich weiß noch nicht, ob ich noch einmal so schnell sowas schreiben werde... mit der Zeit wäre es wohl langweilig und es fällt mir auch nicht allzu leicht, Gefühle in dieser Art zu verfremden, ohne dass es lächerlich, konstruiert oder völlig unpassend wirkt.

Greetings by Neawoulf

 

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