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15.04.2003
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'Gott sei dank, dass ich einen nur für mich reservierten Parkplatz habe' schießt es mir wieder einmal durch den Kopf als ich die Zufahrtsschranke passiere. Die Parkplätze am Haus sind mehr als knapp bemessen und zu dieser Zeit ist es auch in der näheren Umgebung völlig aussichtslos, noch eine freie Stelle zu finden. Aber solche Sorgen muss ich mir ja zum Glück nicht machen.
Das Einparken gehört zwar nicht zu meinen Stärken, aber nach einigem Hin und Her schaffe ich es schließlich doch, meinen Daimler einigermaßen passabel auf dem Vorsteherparkplatz abzustellen. Ich begebe mich in das Hauptgebäude des Finanzamts Herne-Nord. 'Mein Amt' wie ich es gerne nenne seit ich dieser Behörde als Oberhaupt vorstehe.
Meine Güte, ich hasse diesen Saftladen. Das Bürgerbüro ist schon wieder überfüllt und ich danke dem lieben Gott auf Knien, dass ich mit diesem Pöbel nichts zu tun habe.
'Morgen, Herr Dörner. Ist ja schon ganz schön was los.' Unser Pförtner Markus Dörner ist wohl ein heisser Anwärter auf den Titel der ärmsten Sau des Amtes. Sämtlicher Publikumsverkehr läuft zuerst bei ihm auf, ob es nun stinkende Kümmeltürken und asoziale Polacken sind, oder sonstiger Bodensatz der Gesellschaft. Aber der gute Herr Dörner nimmt sämtliche Belästigungen mit stoischer Gelassenheit hin. Fußvolk! Naja, auch solche Leute muss es geben.
'Guten Morgen, Herr Höfer. Kann man wohl sagen. Aber das kriegen wir schon geregelt.'
Na, dann viel Vergnügen. Ich für meinen Teil drücke den Anforderungsknopf für den Aufzug, um mich möglichst schnell aus diesen plebejischen Niederungen entfernen zu können. Die Türen öffnen sich endlich und ich trete schnell in die Kabine. Das Schließen der Türen bringt erleichternde Stille und nur das leise einschläfernde Brummen des Lifts dringt an meine Ohren.
Im vierten Stock angekommen passiere ich auf dem Weg in mein Büro die sanitären Anlagen und wie schon so oft drängt sich mir der Gedanke auf, dass es langsam wirklich einmal Zeit wird, mir eine eigene Toilette zuzulegen, anstatt die selben Räumlichkeiten benutzen zu müssen wie die übrigen Beschäftigten. Es kann doch schließlich nicht angehen, dass sich Hans und Franz beim Pissen neben mich stellen und meinen Johannes begaffen kann.
'Morgen, Frau Kerkhoff, Kaffee fertig?' begrüße ich meine Vorzimmerdame.
'Guten Morgen, Herr Höfer. Kommt sofort.'
Schon schön, wenn man sich um nichts selber kümmern muss. Kaum zwei Minuten später steht die dampfende Tasse bereits auf meinem Tisch. 'Wenn Sie dafür sorgen könnten, dass ich für die nächste Zeit nicht gestört werde?'
'Aber natürlich. Gerne, Herr Höfer.'
So und jetzt verschwinde endlich, du alte Wachtel, damit ich mich endlich wichtigeren Dingen widmen kann.
Die Tür schließt sich hinter ihr und lässt mich allein in meinem Elfenbeinturm. Endlich. Für einen Moment lehne ich mich in meiem Sessel zurück, geniesse einfach die Stille und atme tief durch.
Ich öffne meine Tasche, nehme die heutige Zeitung heraus und lege sie zunächst zur Seite. Das hat noch Zeit. So wichtig können die Nachrichten gar nicht sein, als dass sie nicht noch warten könnten.
Viel wichtiger ist der Gegenstand, den ich nun heraushole, mein Begleiter durch so viele Jahre.
Seit 1983 gab es keinen Arbeitstag ohne ihn. Ich weiss nicht, ob ich ihn lieben oder hassen soll.
Mehr als zwanzig Jahre widersetzt er sich mir nun schon standhaft, aber ich stehe ganz sicher kurz davor, ihn zu bezwingen.
Meine Güte, wenn irgendjemand wüsste, womit ich meine Zeit verbringe. Nicht auszudenken!
Doch bald ist es vollbracht, es kann nicht anders sein. Vier Seiten habe ich schon geschafft, da ist der Rest doch nur noch ein Kinderspiel. Oder etwa nicht?
Aber soweit war ich schließlich schon einmal, im Sommer 1997.
Verfluchte Scheisse, dieses elende Mistding wird mich wohl noch bis auf das Sterbebett begleiten!
Mein Fluch.
Meine Nemesis.
Soll ich ihn lieben oder hassen?
Ich hasse ihn.
Diesen gottverdammten Zauberwürfel!

 

Hallo tflieger,

Deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen.
Du bringst die Abscheu, die Dein Prot für sein Umfeld empfindet, sehr schön rüber. Auch die Pointe ist nett und verdeutlicht, dass auch objektiv unwichtige Dinge eine zentrale Bedeutung einnehmen können - alles eine Frage der Prioritätensetzung ;) Ich habe zum Glück die Erfahrung gemacht, dass solche Menschen entgegen des gängigen Klischees auch in deutschen Verwaltungen die Ausnahme sind - ganz aussterben wird sowohl dieser Typ Beamter als auch erst recht die entsprechenden Klischees wohl nie.

Zwei sprachliche Anmerkungen habe ich:

'Gott sei dank, dass ich einen nur für mich reservierten Parkplatz habe' schießt es mir wieder einmal durch den Kopf als ich die Zufahrtsschranke passiere.
Ein Komma fehlt nach Ende der wörtlichen Rede bzw. der Gedanken Deines Prots. Das gilt übrigens auch für andere Sätze in Deiner Geschichte.
Im vierten Stock angekommen passiere ich auf dem Weg in mein Büro die sanitären Anlagen und wie schon so oft drängt sich mir der Gedanke auf, dass es langsam wirklich einmal Zeit wird, mir eine eigene Toilette zuzulegen, anstatt die selben Räumlichkeiten benutzen zu müssen wie die übrigen Beschäftigten.
Hast Du mal überlegt, aus dem recht langen Satz zwei kürzere zu machen? Ich glaube, das wäre dann einfacher zu lesen.

Liebe Grüße,
Juschi

 

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