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Ansichten eines Klassenclowns

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28.01.2006
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Ansichten eines Klassenclowns

Es ist scheußlich, allwissende Lehrer zu haben, besonders scheußlich natürlich, wenn man von deren Wissen nie etwas gehabt hat.

Ich bin ein Klassenclown, offizielle Berufsbezeichnung: Schüler, angehender Abiturient, keiner Kirche steuerpflichtig, einundzwanzig Jahre alt, und eine meiner Nummern heißt: Mich zum Affen machen. Dabei richte ich, der ich eigentlich ein guter Schüler bin, eine Frage an einen eigentlich schlechten Lehrer, deren Niveau weit unter dem bayerischer Abiturienten angesiedelt ist, gar hessische könnten sie ohne großes Denken aus dem Stegreif beantworten. Dass ich mich dabei zum Affen mache liegt nun aber nicht daran, dass der Lehrer meine Frage dank überquellender Kompetenz beantworten und mich somit vor versammelter Klasse bloßstellen im Stande wäre, viel mehr daran, dass niemand im Zimmer der Parodie meiner Verklausulierung folgen und ich somit der einzige bin, der über meinen Witz lachen kann. Genau das nämlich unterscheidet einen Klassen- von einem tatsächlichen Clown, diese lachen nicht über ihre eigenen Witze, haben in der Regel ein Publikum, das frenetischen Beifall spendet und in für den Künstler süßlichem Tonfall lautstark nach einer Zugabe ruft.

Der nichts ahnende Lehrer atmet auf, da meine Meldung nicht auf etwaige Verständnisprobleme im Bereich der Devisenswapgeschäfte zurückzuführen ist, die er ohnehin nicht aufzuklären im Stande gewesen wäre, so dass er ausführlichst über die Antwort der Frage, mit der ich mich eben, dem Titel meiner Nummer entsprechend, zum Affen gemacht habe, philosophieren und damit, so denkt er zumindest, mit Wissen strahlen und die gesamte Klasse beeindrucken kann. Dass ich, der die Frage in tagelanger Schwerstarbeit zu Hause ausgedacht, -formuliert und anschließend auf Tauglichkeit hin untersucht hat, deren Antwort schon seit der siebten Klasse kenne, mutmaßt weder er, noch einer meiner Mitschüler, so dass meine Meldung für alle ein voller Erfolg war: Für den Lehrer, der sich in seiner Allwissenheit bestärkt fühlt, für meine lachenden Mitschüler, die jetzt wieder einen Grund mehr haben, mich einen debilen Klassenclown zu schimpfen, und auch ich kann mein Erfolgsgefühl nicht verleugnen, lache ich nicht nur dem Anschein nach etwas gequält nach außen hin, sondern auch innerlich, da von ganzem Herzen, über alle, die gerade im Raum sind. Zuletzt und somit am besten.

 
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So, ein paar Anmerkungen an dieser Stelle:

Dass die Formulierungen teilweise und auch der Titel an Heinrich Bölls "Ansichten eines Clowns" anlehnen, ist denke ich vielen hier ersichtlich.

Ansonsten handelt es sich eigentlich um einen Beitrag für unsere Abizeitung, fand aber dann, dass ich ihn auch hier veröffentlichen könnte.

Ich möchte allerdings noch anmerken, dass ich keineswegs hessische Abiturienten hier kritisieren wollte, viel mehr handelt es sich dabei um eine Satire, da bei uns (einer bayerischen Oberstufe in der Nähe der hessischen Grenze) gerne darüber gelacht wird, dass in Hessen das Abitur viel leichter zu erreichen wäre.

Aber darüber möchte ich hier in diesem Forum keine Diskussion losbrechen, daher wollte ich es hier nochmal kommentieren. ;)

 

Hi Sebiastian.

Da hast du ja ein (w)irres Stück abgeliefert.

Immer wieder laufen meine Augen die Sätze rauf und runter, suchen Haken und Ösen, sowie Kommas, Satzanfänge und den Sinn des Ganzen, der mir Angesichts der Verschachteltheit an einigen Stellen, zumindest jedoch an Einer, etwas abhanden gekommen zu sein scheint, was mich zunächst verwirrt, dann nochmalig lesen und wieder stutzig dastehen lässt, bis ich es schließlich aufgebe, den tieferen Zweck deines Unterfangens zu erkennen.

Vielleicht ist dein Text auch bei den Experimenten gut aufgehoben, habe ich mir gedacht. Denn experimentell sieht es für mich aus.

Was mich besonders aufgehalten hat ist folgender Abschnitt:

Der unwissende Lehrer atmet auf, da meine Meldung nicht auf etwaige Verständnisprobleme im Bereich der Devisenswapgeschäfte zurückzuführen ist, die er ohnehin nicht aufzuklären im Stande gewesen wäre, so dass er ausführlichst über die Antwort der Frage, mit der ich mich eben, dem Titel meiner Nummer entsprechend, zum Affen gemacht habe, philosophieren und damit, so denkt er zumindest, mit Kompetenz strahlen und die gesamte Klasse beeindrucken kann.

Im ersten Abschnitt stellst du den Lehrer als "überquillend Kompetent" dar, in nächsten steht er plötzlich "unwissend" vor der Klasse und könnte eine gezielte Frage "ohnehin nicht aufklären"... wenn du nicht doch etwas anderes gefragt hättest.
Da drängt sich mir aber die Frage auf:
Was kannst du denn in einer 13. Klasse gefragt haben, was den Lehrer über etwas, (was du bereits in der 7. Klasse gewusst hast) losphilosophieren lässt und die ganze übrige Klasse in Staunen versetzt, sowie den Lehrer strahlen lässt?

Nunja, was soll ich sagen. Es hat schon Spaß gemacht sich durch die Sätze zu wühlen, nur einen Sinn habe ich nicht gefunden.

liebe Grüße,
Pareto

 
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Hallo Pareto,

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Mit den Experimenten hast du vielleicht gar nicht so unrecht, ich warte mal ab, was die anderen sagen.

Die "überquillende Kompetenz" ist in dem Zusammenhang ironisch, gar sarkastisch, zu verstehen, ich dachte mir eigentlich, dass der Begriff schon irgendwie so negativ konnotiert sei, dass das rüber kommt.

Mit "unwissend" ist gemeint, dass der Lehrer nicht weiß, dass es eine Parodie ist. Aber vielleicht sollte ich das noch etwas hervorheben, jetzt wo du es ansprichst und nach nochmaligem Lesen fällt es mir auch auf.

Das mit den ganzen Haken und Ösen, Kommas etc.pp. ist natürlich Absicht, einfach weil ich solche Sätze zum einen liebe, auch weil Böll solche Sätze auch gerne schreibt und ich mich ja an Ansichten eines Clowns, zumindest formal, anlehen möchte.

Vielleicht als eine kleine Sinnerklärung, so ist es zumindest gedacht:

Ein Klassenclown, der ständig seine Witze macht, die aber keiner wirklich kapiert bzw. lustig findet, nicht einmal der Lehrer, der stattdessen altklug daherlabert, die Mitschüler schütteln auch nur den Kopf und dennoch lacht der Klassenclown, innerlich, über alle.

Viele liebe Grüße,

Sebastian


PS:

Was kannst du denn in einer 13. Klasse gefragt haben, was den Lehrer über etwas, (was du bereits in der 7. Klasse gewusst hast) losphilosophieren lässt und die ganze übrige Klasse in Staunen versetzt, sowie den Lehrer strahlen lässt?

Ich habe mir auch erst Gedanken gemacht, ob ich dazu eine Frage in den Text bringen soll, aber irgendwie, ich weiß nicht, es ist doch schön, wenn sich der Leser selbst seine Gedanken machen muss, oder? ;)


EDIT: Habe das mit der Kompetenz jetzt klein wenig abgeändert und das "unwissend" mit "nichts ahnend" ausgetauscht. ;)

 

Großartiges Stück lieber Sebastian. Wenn meine Vorredner keine grammatikalischen Fehler gefunden haben, mache ich mir die Mühe auch nicht Deinen Textd arauf hin immer wieder durch zu lesen. Auch wenn es keine Mühe wäre, weil Dein Text ein Schmauß für die Sinne ist. Ohne Frage, hevoragend!! Bitte mehr davon.

Grüße JH.Rilke

ps so ein kluger Klassenclown war ich nicht...

 

Hallo JH.Rilke,

ich fasse mich ganz kurz und sage einfach: Dankeschön :) :) :)

Liebe Grüße,
Sebastian

 

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