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- 01.07.2006
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Ein Schmetterling auf Lechners Fuß
Lechner steigt die Treppe hoch und tritt durch die Kellertür hinaus auf den Hof. In der kalten Morgenluft dampft das Blut an seinen Fäusten. Er geht langsam zum Brunnen, wäscht sich die Hände, jeden Finger einzeln, säubert gründlich die Nägel. Heute geht nichts mehr in ihm vor. Er kann nicht daran denken, was letzte Nacht geschehen ist, noch weniger vermag er es in Worte zu fassen.
Ruhig geht er zurück ins Haus, als er in die Stube tritt, schlägt er dem Herrgott im Eck ein Kreuz, er ist auch dessen Kind, ja, er ist dessen erstes Kind, der einzige Mensch auf der Erde. Es ist alles noch da. Die Rillen des Eichentisches, über die seine Hand jetzt fährt, der gestickte Polster auf der Bettbank, da ist noch der Abdruck seines Kopfes, der schiefe, blaue Kachelofen. Lechner friert. Hinter der Ofentür wartet die weißflockige Asche, er scharrt sie aus, schiebt Holzscheite hinein, zündet mit zerknülltem Zeitungspapier unter. Das vom Waschen und anderen Dingen nasse Hemd hängt er über die Schnur, die quer durch den Raum gespannt ist. Lechner setzt sich, zieht die Tischlade auf, nimmt das Buch heraus. Hart drückt er die Buchstaben ins Papier. Name: unbekannt, Geschlecht: männlich, Alter: ca. 10 Jahre, Gewicht: 27 kg, Fleisch: 5 kg, Innereien: 1,5 kg, Blut: 2550 ml, Zähne: 28. Er besinnt sich einen Moment, dann schreibt er noch in Klammer hinzu: Schöne, blonde Locken. Das streicht er aber wieder dick aus. So einer ist er nicht.
In der Stube wird es behaglich warm. Lechner streckt sich auf der Bettbank aus, sie ist etwas zu schmal für seinen massigen Körper, aber heute hat er keine Angst hinunterzufallen, heute schläft er sofort ein.
Lechner stampft durch die Straßen, gerne würde er alles unter seinen breiten Füßen zertreten und zermalmen, bevor er es schlucken und verdauen muss, aber durch ihn hindurch muss es, er scheißt die ganze Welt schwarz, er ist eine stählerne Scheißmaschine, bald wieder alles schwarz, innen und außen, doch da springt eine Szene in sein Blickfeld, eine Szene des Lichts und der Freude:
Auf einer Bank in der Fußgängerzone sitzt eine junge Mutter und gibt ihrem Kind die Brust. Die weiße Haut leuchtet wie die Sonne und Lechner fühlt die Milch in seine eigene Brust und in seinen eigenen Mund schießen, er ist Mutter und Säugling zugleich. Brust und Kind will er verschlingen, dem Kind mit Zähnen den Bauch aufreißen, die Zunge im kleinen, rosa Beutel versenken, er ruckt auf seinen Sohlen herum. Die Mutter schickt ihm einen unbehaglichen Blick, in Lechner ziehen wieder die Ketten an und er dampft weiter. Ihre Augen sind Pfeile in seinem Rücken, durchbohren ihn, Lechner wird schlaff, aus der Stahlmaschine wird ein Batzen aus Gestank, Rotz und zu weichem Fleisch. Er reibt sich über den Asphalt, kriecht schließlich ins Auto, er, der Kretin, die Missgeburt, der Wurm, elender, elender Wurm.
Zu Hause, vor dem Spiegel über der Kommode, rückt Lechner wieder seine auseinandergefallene Visage zurecht. Jedes einzelne Härchen wird studiert, zart streicht er die feinen Linien unter seinen Augen glatt, küsst langsam mit gespitzten Lippen seinen Zeigefinger. Alles normal. Da ist nichts Böses. Er ist normal.
Während des Kochens sieht er sich eine Talkshow im Fernsehen an und beginnt zu träumen. Er denkt sich aus, welche Fragen ihm die dicke Moderatorin stellen könnte.
Ob es beim Fleisch Unterschiede im Geschmack gäbe?
Und er würde sein Gourmetgesicht aufsetzen, den Kopf ein wenig schief legen und beim „O ja“ einen jubelnden Ton anschlagen.
„Ungesund ernährte, dicke Kinder schmecken modrig, wie Karpfen aus einem tiefen Teich, Kinder, die oft Gemüse bekommen, muss man nicht viel würzen, aber …“, dabei würde er seinen Blick durchs Publikum schweifen, ihn schließlich auf der Moderatorin ruhen lassen:
„Ungeliebte Kinder, und glauben Sie mir, ich merk das schon beim Anbraten, also ungeliebte Kinder schmecken mir am besten: Ihr Fleisch ist mürbe, weich, man braucht es nur mit der Zunge zu zerdrücken, leichter Wildgeschmack.“
Den Leuten im Publikum würde der Mund offen stehen bleiben, er würde von Erfahrungen sprechen können, die sonst niemand hat, er würde lügen wie gedruckt. In Wahrheit stiehlt er nur glückliche, gesunde Kinder.
Was so ein Kinderverzehrer isst, wenn er grad kein Kind hat, will die Moderatorin wissen. Ihr Ton ist sachlich und interessiert.
„Sich selbst“, aber es ist nur ein Witz, um die Leute in der Show zum Lachen zu bringen. Und wenn das Lachen abgeebbt wäre, würde er seine Hände gemütlich übereinanderlegen.
Als Lechner sich an den Tisch setzt, blickt er wieder in den Spiegel, hinter ihm gähnt die Stube wie ein Maul, das ihn verschlingen will. Wenn er nicht frisst, wird er gefressen werden, alles besteht nur aus ineinander verschlungenen, sich verschlingenden Mündern, und er kann die Welt nur mit seinem Mund, seinen Zähnen, seiner Zunge verstehen. In glücklichen Stunden gibt es keine Grenze mehr zwischen seinem und fremdem Fleisch.
Lechner geht auf die Jagd. Einige Tage lang hat er das Schulmädchen beobachtet. Er will es frühmorgens schnappen, für dreißig Sekunden schwebt es da durch eine enge Gasse, um den Weg in die Schule abzukürzen. Ja, es schwebt, niemals berührt es die fensterlosen Wände an den Seiten und seine Füße treten sanft und behutsam auf. Dreißig Sekunden sind genug, um diese Gazelle in seine Gewalt zu bringen. Lechner kann schnell sein, wenn er will.
Er wartet im Auto, wartet auf sie, auf die hübsche Kleine, die bald um die Ecke biegen wird. Neben sich seine Waffen: eine Decke und ein breiter Streifen Klebeband. Er liebt den Ausdruck „in die Gewalt bringen“, schmeckt ihm nach, berauscht sich daran, während er ein Stück vom Klebeband zieht und es mit den Zähnen abreißt. Da kommt sie! Er wird wieder ein Kind haben! Zuerst sieht er dabei seine beiden starken Arme, die den schmalen Körper umfangen, noch unklar, ob zärtlich oder nicht, dann drückt er immer fester zu, bis er keine Bewegungen der Gliedmaßen mehr spürt, nur das Pochen des Herzens, diesen Moment kostet er aus, will das andere Fleisch in sich hineindrücken.
Lechner steigt aus dem Auto, ein schnurrendes Uhrwerk, rasch, rasch, ihr nach, dem zarten Jungtier, er findet sich in ihren huschenden Rhythmus ein, wirft einen Schatten über sie, packt sie von hinten, verklebt ihr den Mund, hebt sie hoch, dreht sie zu sich, komm, komm, komm, meine Süße, komm heim, wickelt sie vollständig in die Decke, man weiß nicht, was Lechner ist, ein besorgter Vater mit einem kranken oder verletzten Kind auf dem Weg zum Arzt? Er hält es sicher, er hält es warm. Sie ist die Frucht an seinem Baum, ihr süßer Kindergeruch steigt ihm in die Nase. Ein Feuer wird angezündet in Lechner, gerne würde er die Decke wegziehen und ihr in den Nacken beißen. Sein Motor faucht, sprüht Funken, so rasch geht Lechner, er schwankt. Hier, seht her, Groß-Lechner hat was! Sie ist meins! Und: Ich bin harmlos, ich bin nichts, ihr bemerkt mich gar nicht. Nicht so schnell, nicht auffallen, Lechner! Er wird zu einer langsam sausenden Maschine, so sehr zerreißt es ihn.
Er hätte es gleich merken müssen! Sie hat sich doch überhaupt nicht gewehrt, kein Strampeln der Beine, kein Versteifen des ganzen Körpers, wie eine Wolke ist sie in seinen Armen gewesen, nicht schlaff, sondern noch immer, ja genau, schwebend, obwohl er sie so fest gehalten hat. Er hat ihr nicht einmal: „Wennst a Ruah gibst, gschiacht da nix!“ ins Ohr flüstern müssen.
Während der ganzen Autofahrt hatte sich das Bündel auf der Rückbank nicht bewegt, er hätte es gleich merken müssen, dass mit ihr etwas nicht stimmt! Und als er sie zu Hause ausgewickelt und ihr die Daunenjacke abgestreift hatte, sie ist sein Geschenk!, da waren die Ärmel ihrer Weste bereits rot gewesen. Er riss ihr das Pflaster vom Mund, die Haut ging in Fetzen mit, das halbe Gesicht eine Wunde … Sie schrie, nein, nicht nur vor Schmerz, sie schrie ihn an:
„Du darfst das nicht, bitte nicht, fass mich nicht an!"
Er sah, dass sie außer sich war, ihre Augen riesengroß, ja, Angst war da auch, aber vor allem Wut! Wut! Ein Kind war wütend auf ihn! Auf Lechner!
Er wich zurück.
„Wos is mit dia?“
„Ich bin doch ein Schmetterlingskind! Du darfst nicht! Lass mich in Ruh!“ Sie kreischte und schluchzte, roter Speichel und Rotz mischten sich.
„A wos?“
Aber sie achtete nicht auf ihn und auf die Kälte des Kellers, knöpfte die Weste auf, zog sich vorsichtig aus, die Bluse, das Unterhemd, ihre Arme waren mit riesigen, blutigen Blasen bedeckt, auch auf der Brust hatte sie welche, kleinere.
„Du musst da sofort was drauftun, sofort, sonst entzünden die sich ganz schlimm!“ Sie flehte nicht, sie befahl.
Lechner schwieg und rührte sich nicht. Sie hatte sich von allein ausgezogen, er hatte nichts tun müssen, aber er wollte sie gar nicht mehr anfassen, ihm graute vor ihr. Ihr Fleisch wollte er nicht. Er schob sich zur Tür hinaus, verriegelte sie und ging weg.
Lechner in Not. Es strahlt durchs ganze Haus, ihre Krankheit, die Stockflecken an der Wand sehen bedrohlich aus, nicht vertraut, die Zeitungsstapel im Eck scheinen einen durchdringenden Harngeruch auszuströmen und Lechners Zehennägel sind die gekrümmten, gelben Krallen eines Tieres. Alles ist falsch. Lechner will Erlösung, er will von dem Kind erlöst werden.
Sie wird von alleine sterben. Es ist nichts zu tun. Der Keller ist dicht. Das ist der Dreigesang, den er anstimmt. Aber was ist mit seiner Zufriedenheit? Wo soll er die jetzt hernehmen? Die Bettbank wartet auf ihn, er gibt ihr einen Tritt. Vielleicht dass ihr … also das da unten … vielleicht ist das ja noch gut … kann man vielleicht noch benutzen … Was sie jetzt wohl macht? Ob sie weint? Noch blutet? Schreit? Hunger hat oder Durst? „Der Herr ist dein Hirte, dir wird nichts mangeln, er weidet dich auf einer grünen Aue …“ Der wird sich schon um sie kümmern, wie Er es für richtig hält, obwohl … wert ist sie es ja nicht! „A sou a Kretinl!“ Er könnte ein Handtuch nehmen und über ihr Gesicht breiten, während er mit ihr was macht … Lechner schleicht die Kellertreppe hinunter und horcht. Nichts zu hören. Er will nur einmal schauen, seine rechte Faust umklammert das Handtuch. Als die Tür aufschwingt … sie stinkt, nach brandigem Fleisch und Eiter. In ihre Jacke gewickelt liegt sie am Boden. Er geht zu ihr, sie hebt den Kopf. Um ihren Mund Blasen, wie riesige gelbe Pickel, und nacktes rotes Fleisch, teilweise hängt die Haut in Fetzen, das ganze Gesicht ist geschwollen und dunkel. Nur ihre Haare und ihre Augen, funkelnd von Fieber, sind noch schön. Aber es ist zu wenig, das ist Lechner zu wenig, so kann er nicht.
„Bitte“, das Sprechen mit dem geschwollenen Mund fällt ihr schwer, er hört sie kaum. „Bitte, hilf mir! Bitte, bitte, hilf mir!“
Er wartet. Ist wohl jetzt kein Prinzesschen mehr, das ihn herumkommandiert!
Plötzlich berührt sie mit der Hand seine nackten Füße.
„Bitte, hilf mir, nimm mich mit, ich hab solchen Durst, bitte, bitte, bitte! Es tut so weh!“
Vom Fuß aufwärts läuft ihm eine Gänsehaut, es ekelt ihn an bis ins Herz hinein, Lechner hebt den Arm und schlägt mit dem Handtuch auf sie ein, wie auf Ungeziefer, das man nicht berühren will, immer wieder, immer wieder.
Es war einmal ein kleiner Junge, der einer großen Königin diente und diese Königin hieß Mutter. Andere Menschen als die beiden gab es nicht in diesem Reich. Der kleine Junge war nur ein Stallbursche, ein Küchenjunge, ihr Narr, aber trotzdem kümmerte sich die Königin sehr um ihn. Für ihn zweigte sie Essen ab, das eigentlich für die Schweine bestimmt war und in einem Kübel vor sich hingärte, sie fütterte ihn mit eigener Hand, bis er nicht mehr konnte. Wenn dem Jungen kalt war, weil er sein Bettzeug nass gemacht hatte, dann wärmte sie ihm den Bauch, nein, etwas weiter unten, mit einem glühenden Schürhaken und manchmal umarmte sie ihn, gab ihm die Brust, obwohl da keine Milch mehr war, und ließ ihn in ihrem Bett schlafen.
Eines Tages wurde der Junge sehr krank und er konnte vor Schwäche nicht aufstehen. Die Königin wollte ihm helfen und zog ihn am Arm aus dem Bett, aber seine Knie knickten ein und er fiel auf den Boden. Königin Mutter bemühte sich, ihn aufzurichten, schlug ihn, bis ihr der Arm weh tat, er griff nach ihren Füßen, aber es half nichts, sie musste den Faulpelz auf dem kalten Boden liegen lassen und da blieb er die ganze Nacht.
Am nächsten Morgen wachte er auf und ein Wunder war geschehen: Der Junge war auf einmal groß und stark. Und er zog hinaus in die Welt und bestand zahlreiche Abenteuer. Er tötete Vögel und Katzen und sogar den großen Bernhardiner des Nachbarn. Jetzt konnte er heimkehren und die Königin heiraten. Er fasste sie fest um den Hals, da war er der König.
Lechner geht durchs Fegefeuer, weißglühend brennt es ihm zuerst die Haut und dann das Fleisch von den Knochen, leicht wie Asche liegt er auf der Bettbank, viel ist nicht übrig geblieben von ihm, aber es genügt.
Erdäpfelpüree, das wird das Richtige sein. Und Tee, schöner, heißer Kamillentee. Oder doch Kaffee mit viel fetter Milch drin? Während er alles zubereitet, summt er vor sich hin.
Über die Bettbank breitet er die weiche, gute Decke, den gestickten Polster schüttelt er auf, riecht daran, dreht ihn um. Als er bei ihr unten ist, schläft sie. Behutsam hebt er sie hoch, er wünscht, er hätte weichere Hände, wie leicht sie ist, ihr langes, blondes Haar fließt ihm über die Arme.
Hier oben sieht sie doch gar nicht so schlimm aus. Die Schwellung im Gesicht scheint zurückgegangen zu sein. Er säubert die Badewanne von seinem Dreck, lässt heißes Wasser einlaufen, langsam, ganz vorsichtig lässt er sie hineingleiten, sanft löst er ihr die verklebte Unterwäsche und die Strumpfhose vom Körper. Als er sieht, dass sie überall Wunden hat, besonders an den Armen und auf den Schultern, seufzt er: „Oarms Hascherl, wird jo olls wieda guat!“
Während er ihr das Gesicht wäscht, schlägt sie die Augen auf. Sie beginnt zu schreien.
„Na, na, hob ka Oungst, i tua da nix mehr, i wüll da jo nua wos Guats!“
Er erkennt seine eigene Stimme nicht mehr, so dunkel und warm und heimelig. Beruhigend streichelt er ihr die Wange, sie wendet das Gesicht ab:
„Bitte nicht!“
In Lechner wogt eine süße Welle.
„Sogst ma dein Nouman?“
Sie wimmert.
Er steht auf und holt den Tee.
„Kumm, trink amol, muast jo scho an Duascht hobn!“
Sie kann nicht alleine trinken, ihre Hände zittern zu stark. Er muss es machen, er muss sie laben und füttern, er ist der, auf den es jetzt ankommt, er wird ab jetzt immer für sie da sein, er hat ein Kind!
Auf jede Wunde tupft er schwarze Zugsalbe, was anderes hat er nicht, als Letztes bestreicht er ihr Gesicht, zart, zart, zart, er fühlt sich linkisch, sie ist ein Schmetterling, das darf er nicht vergessen, sie hört mit dem Wimmern auf, sieht ihm ins Gesicht, jetzt ist er es, der sich abwendet.
„Ich heiße Marie. Und du?“
„I bin da Le… Franz haß i! Wüllst a bissl fernschaun? Und donn schau ma weidda!“
Mit einem weißen Flanelltuch bedeckt er nun ihre Blößen, bettet sie auf die Bank, schaltet den Fernseher ein, sucht nach einer bunten Sendung.
Das Kind auf der Bank schläft ruhig ein, vor dem Fenster hüpfen die Vögel, und die Katzen streifen frei durch die Gegend, der Vater macht alles sauber, setzt sich dann zu ihr, bewacht ihren Schlaf, nimmt jedes Zucken ihrer Augenlider wahr. Lechner ist glücklich, wenn er sie berührt.
„Und jetzt die 9-Uhr-Nachrichten: Von der seit Dienstag als vermisst gemeldeten, achtjährigen Marie Kammerer fehlt nach wie vor jede Spur. Der Fall ist besonders tragisch, weil das Mädchen an einer seltenen, genetisch bedingten Hautkrankheit leidet, der sogenannten Schmetterlingshaut. Diese Krankheit bewirkt, dass die Haut bei geringster mechanischer Belastung Blasen bildet oder reißt. Wunden und Schmerzen sind die Folge. Die Mutter des Kindes richtete sich in einer dramatischen Fernsehansprache an …“
Es wird nichts. Lechner sieht keine Details mehr im Spiegel, nur einen Mann mit feisten Backen und unstetem Blick. In seinen Augen ist nichts zu finden, weil – er muss was tun. Das ist doch nichts, das kann er doch. Er schiebt seine Hand unter ihren Kopf, die andere legt er ihr leicht auf die Brust, spürt ihr Herz schlagen, schnell und sicher zupacken, er denkt, er muss ihr den Hals umdrehen, es knackt, schwer war es nicht.
Im Vorzimmer das schwarze Telefon an der Wand. Er kann es sagen.
„I bin´s, da Lechna! I hob des Mädal umbrocht. Hob ia den Hois umdraht. Mi hot´s holt daboamt, des oame Hascherl. Jetzt keinnt´s mi huln kumman. I bin a fetta Fisch!“
Lechner nimmt Marie in die Arme, legt sich mit ihr auf die Bank. Ihr Blut sickert noch durch das Flanell, nässt ihm die Brust, dringt durch die Haut, füllt sein Herz. Sein Mund braucht nichts mehr.