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Im Wind

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18.10.2016
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Im Wind

Im Wind
Der Schrank lässt sich nicht verschließen. Der Schlüssel dreht sich herum, zieht aber den Riegel nicht mit. Ärgerlich schlage ich gegen die Sperrholztür, die unverdrossen zurückschwingt. Durch das Fenster kann ich auf den Hafen sehen. Containerriesen, bepackt mit bunten Schachteln aus aller Welt, gleiten sanft über die Elbe, ihnen voran die kleinen Schlepper, emsig wie Bienen. Das Tuten der Nebelhörner schwappt mit dem Kreischen der Möwen und dem Geruch nach Pommesbude durch das Fenster zu mir herein.
Im unteren Stockwerk der kleinen Pension steht hinter dem Empfangstisch des Alten ein Automat mit Getränken. Ich zögere. Sicher sitzt er noch immer da, das faltige Gesicht mit den runden Brillengläsern erwartungsvoll auf die Treppe gerichtet. Aber der Abend ist noch lang und ich habe Durst.
Ich werfe der Schranktür einen letzten bösen Blick zu und verlasse das Zimmer. Nickend schlendere ich an dem Alten vorbei, ziehe ein Geldstück aus der Hosentasche, fingere es in den Automatenschlitz und drücke eine Nummer. Nichts. Ich klopfe vorsichtig gegen die Glasscheibe, aber der Automat bleibt regungslos. Gerade will ich unverrichteter Dinge wieder nach oben abziehen, als der Alte hinter mir auftaucht.
„Kein Strom!“ Er spricht das ST hanseatisch spitz. Bückt sich hinter den Metallkasten, wühlt einige Sekunden herum und richtet sich dann auf. „Lohnt sich nicht, ihn den ganzen Tag laufen zu lassen.“ Er drückt das Geldstück wieder heraus und reicht es mir. Mit einer Handbewegung fordert er mich auf, den Automaten erneut zu bedienen. Ich wiederhole die Prozedur. Dieses Mal poltert die gewünschte Blechdose heraus.
„Danke.“ Ich greife zu. „Schönen Abend noch.“
„Kaffee zum Frühstück?“
Klar, was denn sonst. „Gern.“
„Gehen Sie auf einen Condock?“
Seufzend bleibe ich stehen. „Auf die Parmida. Morgen Mittag bin ich an Bord.“
Er wackelt mit dem Kopf. „Das ist dann schon etwas Ordentliches. Ein gewaltiges Schiff.“
„War drei Jahre auf der Juliet. Aber die Reederei ist pleite gegangen.“, füge ich hinzu. „Ist nicht einfach heutzutage.“
„Einfach war es nie.“ Stöhnend reibt er seine knotigen Handgelenke.
Mein Blick fällt auf eine große Flasche, die sauber abgestaubt auf einem Regal hinter ihm aufglänzt.
„Wenigstens wird es gut bezahlt.“ Ich wollte längst oben in meinem Zimmer sein. „Man kommt herum in der Welt.“
„Das hält keine Ehe lange aus.“ Er grinst schmerzlich.
Ich deute mit dem Kopf auf die Flasche. „Sie sind zur See gefahren?“
„Mein Großvater.“
„Meiner auch.“
Mit steifen Bewegungen holt er die Flasche herunter und platziert sie behutsam auf dem Tisch. Ein Schiff ist in das Glas eingeschlossen. Fünf Masten. Sechs Segel an jedem Mast. Auf dem Sockel prangte ein Name in Kapitallettern auf einem winzigen goldenen Schild. ‚Viktoria‘.
„Das Schiff Ihres Großvaters?“
Er setzt sich. „Seine erste und letzte Fahrt.“
Ich öffne die Dose. „Was ist passiert?“
Mit einem Lächeln zeigt er auf einen Stuhl ihm gegenüber. Ich lasse mich darauf nieder.
„Ich habe die Geschichte von meinem Vater und der hat sie von seinem Vater gehört.“ Halb spöttisch sieht er mich an. „Wie das so ist mit dem Seemannsgarn. Großvater hieß Hans Martens, ebenso wie ich. 1910 heuerte er auf der ‚Viktoria‘ an.“
Umständlich fummelt er ein Päckchen aus der Tasche, klopft eine kurze, dickbauchige Pfeife auf dem Aschenbecher aus, stopft den Tabak mit den Fingern hinein und steckt sie dann in Brand. Genüsslich lässt er den Rauch aus seinen Nasenlöchern entweichen.
„Die ‚Viktoria‘ war kein gewöhnliches Schiff“, fährt er endlich fort. „Über 130 Meter lang und mehr als 16 Meter breit. Königin einer ganzen Flotte von Windjammern, die wie große Silbermöwen über die sieben Meere jagten. Gewann jeden Knoten allein aus der Kraft ihrer schneeweißen Rahsegel.
Der Herzschlag der Welt pulsierte damals schon immer schneller. Die Menschheit drängt eben auf den Fortschritt. Dampfschiffe wurden gebaut, die in immer größerer Zahl und immer kürzerer Zeit die Weltmeere durchpflügten.
Dürr wie ein Stecken, rothaarig und sommersprossig, fand mein Großvater mit seinen fünfzehn Jahren keine Arbeit in den Fabriken und Hafenanlagen. Zu viele junge Männer waren nach Hamburg gekommen, um hier nach Brot und Arbeit zu suchen. Der Magen schlackerte dem kleinen Hans vor Hunger an den Kniekehlen, als er endlich in der Reederei Leiß vorsprach. Doch auch hier erteilte man ihm eine Absage. Er wollte sich schon wieder davonmachen, als er auf der Treppe einem Mann begegnete.
In der Kapitänsuniform wirkte die hochgewachsene, muskulöse Gestalt mit den hellen Haaren und dunkel gebrannten Gesichtszügen besonders imposant. Die klaren, graublauen Augen schauten jedoch freundlich über die lange, kühn gebogene Nase hinweg, und so fasste sich Hans ein Herz und sprach den Mann an.
Es stellte sich heraus, dass Kapitän Petersen gerade das Kommando über die „Viktoria“ bekommen hatte. Mit zwölf Jahren hatte Petersen den Fischkutter seines Vaters in Warnemünde befehligt, mit fünfzehn Jahren in Rostock auf einem großen Frachtsegler angeheuert. Klugheit und eine große mathematische Begabung schoben ihn weiter voran, bis Petersen schließlich, siebenundzwanzigjährig, als jüngster Kapitän auf großer Fahrt, einen der großen Segler der Reederei Leiß übernahm. Leiß hatte keinen einzigen Dampfer in seiner Flotte, doch die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit ihrer Linien war legendär.
Mein Großvater hatte Glück: Der junge Kapitän nahm ihn als Leichtmatrosen an Bord der 'Viktoria'. Von Hamburg aus ging es noch am gleichen Tag nach Amsterdam und weiter nach Calais, wo Zucker aufgenommen wurde, um ihn hoch in den Norden nach Oslo zu fahren.
Es war schon recht spät im Jahr und die See begann, kühl und launisch zu werden. Hans polierte gerade Metallstücke im Laderaum, als der Bootsmann zu ihm herunterkam. „Martens?“
Bootsmann Lang, ein mürrischer, unfreundlicher Mann mit einer schwammigen, blauroten Nase und einem Hang zu gewalttätigen Zornausbrüchen, war schon seit einigen Jahren auf der „Viktoria“. Für einen Moment war Hans versucht, hinter den Türmen aus aufgerollten Tauen abzutauchen. Lang hatte ihn jedoch bereits entdeckt. „Watt treibst du da, Martens?“
„Glanzteile putzen, Bootsmann.“
„Mann inne Tünn! Hebb‘ ich di nich seggt, du sollst die Fallen schmiern?“
Betreten sah Hans zu Boden. Lang hatte es ihm gesagt. Aber das Einfetten der Taue an den Segeln im nasskalten Novemberwind war keine Arbeit, an die er sich gern heranmachte.
„Ich wollt es sofort hiernach erledigen, Bootsmann.“
Lang betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. „De Ferkeltreiber will för’n Penn freten und för’n Daler schieten!“, knurrte er. „Marsch, ab inne Tampen, Bursche! Oder ich mach dir Beine!“
Eilig lief der Junge davon und kletterte kurze Zeit später mit Schmiermittel und Pinsel die knarrende Takelage hinauf. Es war früher Abend. Die letzten Sonnenstrahlen verloren sich im aufkommenden Nebel über dem glatten, grauen Meer. Er war froh, dass die plötzliche Windstille ihm zumindest eine ruhige Arbeit bescherte.
Kapitän Petersen stand auf dem Mitteldeck, das Gesicht im Wind, während sein Blick über die See schweifte. Hans beobachtete, wie sich der Nebel in feinen Tröpfchen auf der Kapitänsmütze ablegte. Der Bootsmann erschien. Hastig beugte sich der Junge über seine Arbeit.
„Kapitän?“
„Lampen entzünden, Bootsmann. Der Erste Offizier soll Vorsegel einholen lassen und langsame Fahrt machen. Und Martens geht an die Nebelglocke.“
„Jawoll, Herr Kapitän.“ Lang zögerte. „Wenn wi nu zu doll trödeln, wern wi ne Menge Zeit verlieren.“
Petersen betrachtete seinen Bootsmann. „Wer ist auf dem Ausguck?“
„Nur Paulmann, Herr Kapitän.“
„Schicken Sie Kaminski mit hinauf.“
„Jawohl, Herr Kapitän.“
Der Bootsmann winkte Hans, herunterzukommen. Eine halbe Stunde später stand der Junge, sein Glück kaum fassend, in dicken Handschuhen vor der riesigen Messingglocke und schlug in regelmäßigen Abständen dagegen. An der zunehmenden Kälte spürte er selbst im dichten Nebel, dass die Sonne inzwischen untergegangen war. Fröstelnd verkroch er sich in seine Jacke, als ein Ruf vom Ausguck die trübe Stille durchdrang.
„Lichter voraus!“
Schritte dröhnten über das Deck, doch die Stimme des Kapitäns war deutlich zu hören. „Lampen auf!“
„Schiff voraus, Herr Kapitän!“
„Wir bleiben auf Kurs!“
„Jawohl, Herr Kapitän!“
Hans schlug jetzt in kürzeren Abständen. Der metallene Glockenton hallte dumpf hinaus auf das Meer und verschwand in den Nebeln.
„Es ist ein Brite, Herr Kapitän! Ein englisches Dampfschiff!“ Der Erste Offizier war an Deck gekommen.
Auch Bootsmann Lang blinzelte stirnrunzelnd durch die Nebelschwaden. „Der verdüllte Engländer prescht quer über unsern Kurs!“
Der Erste Offizier, ein ruhiger junger Mensch mit wässrigen, hellblauen Augen, wandte sich an Kapitän Petersen. „Sollen wir ein Ausweichmanöver einleiten, Herr Kapitän?“
„Ausweichmanöver?“ Lang schnaubte verächtlich. „Wi sünd auf Kurs! De Engelschmann schall man Platz machen!“
Petersen hob das Fernglas an die Augen, ließ es aber sofort wieder sinken. „Kein Ausweichmanöver! Wir haben zu wenig Fahrt.“ Er drehte sich zu Hans um. „Martens, fünf Kurzschläge!“
Mit aller Kraft schlug der Junge auf die Glocke ein. Ein grünes Licht schwamm durch den Nebel zu ihnen herüber, verschwand, flackerte wieder auf. Hans schluckte. Dicht. Zu dicht.
„Sind die denn blind und taub?“ Der erste Offizier hob die Arme. „He! Ho!“ Seine Rufe gingen in dem gleichmäßigen Wummern des näherkommenden Dampfschiffes unter. Ein dunkler Schatten durchbrach die Nebelwand wie ein riesiges, bedrohliches Tier.
„He weicht nich aus! He woll uns rammen!“
Der Schrei des Bootsmannes wurde von der Stimme des Kapitäns übertönt. „Hart Steuerbord!“
„Sie reagiert nicht! Wir sind zu langsam!“
Es krachte. Ein heftiger Schlag schleuderte Hans zu Boden. Verwirrt richtete er sich auf.
„Wir sind kollidiert!“ Rufe wurden laut. „Leckage Hintern! Wir machen Wasser!“
Wieder knirschte es laut. „Obacht! Der Klüverbaum kommt runter!“
Mit wehenden Segeln rauschte der Mast auf das Deck. Das Schreien der Männer vermischte sich mit dem Geräusch von splitterndem Holz.
„Alle Mann hoch! Lasst die Rettungsboote zu Wasser!“
„Nein! Dazu bleibt keine Zeit!“ Das war Petersen. Breitbeinig stand der Kapitän auf dem Deck. „Wir laufen das Ufer an!“
„Wi wern anne Felsen zerschellen!“ Langs Stimme hatte eine kreischende Höhe angenommen. „Wi wern allns afsuppen!“
„Zwei Strich Steuerbord!“
„Scher di zum Deubel, Petersen!“
Der Kapitän beachtete den Bootsmann nicht. „Setzt Notsignale! Rettungswesten anziehen!“
Zitternd schlüpfte Hans in eine der Westen, die ihm von einem der Matrosen hingehalten wurde.
„Martens! An die Glocke!“ Petersens helles Haar fiel ihm in die Stirn, während er bleich und ruhig seine Kommandos gab. „Langsam! Wahrschau Großbaum!“
Knarrend schlugen die verbliebenen Segel um. Hans biss sich die Lippen blutig, während er schlug. Lang, kurz, kurz.
„Sechs Faden!“
„Recht so! Kurs halten!“
Lang, kurz, kurz.
„Drei Faden!“
Lang, kurz, kurz. Mit einem Ächzen legte sich das Schiff zur Seite.
„Werft Steuerbordanker!“
Der plötzliche Ruck schien den Segler auseinander zu reißen. Gurgelnd und zischend lief Meerwasser über das Deck.
„Verlasst das Schiff!“
Hans wurde als einer der ersten in die eiskalten Fluten gestoßen. Keuchend klammerte er sich an die Reling des Hochdecks, das nun fast vollständig im Wasser lag. Dicht bei ihm strampelte Bootsmann Lang mit schreckensverzerrtem Gesicht. Um sich herum hörten sie die Männer in der Dunkelheit schreien. Hans sah hoch. Ein Licht flammte vor ihnen auf und beleuchtete die hohe Gestalt des Kapitäns, der sich an den Kreuzmast klammerte und ihnen mit dem Arm die Richtung wies. Mit den Füßen stieß sich Hans kräftig ab und paddelte los. Die Kälte durchdrang seinen ganzen Körper wie mit eisigen Nadeln, doch er arbeitete entschlossen dagegen an. Nach einer Ewigkeit spürte er endlich festen Untergrund. Aufatmend zog er sich auf einen Felsen und sah sich um. Auch Lang und der Erste Offizier hatten es geschafft.
Hans schaute zurück. Das Schiff lag gar nicht so weit entfernt. Selbst in der Dunkelheit und dem sich auflösenden Nebel konnte er sehen, wie sich die „Viktoria“ immer tiefer zur See hin neigte. Ihre Masten zersplitterten, einer nach dem anderen, und die einst so stolzen, weißen Segel flatterten wie graue Gespenster in den letzten Nebelschwaden, bis das Schiff schließlich auseinanderbrach und versank.“
„Hat man alle retten können?“
„Der englische Dampfer hat die gesamte Mannschaft von den Felsen gepflückt. Mein Großvater ist danach jedoch nie mehr zur See gefahren.“ Der alte Mann zwinkert mir zu. „Oh, er hätte wohl gewollt, hat aber keine Anstellung auf einem Schiff gefunden. Bis zum Ausbruch des Krieges arbeitete er in den Docks.“ Er klopft die kalte Asche aus dem Pfeifenkopf. „Im zweiten Weltkrieg ist er dann gefallen. Infanterie, nicht Marine.“
„Und Kapitän Petersen?“
„Soweit ich weiß, ist Petersen später mit einem anderen Segler untergegangen.“ Im Zimmer ist es inzwischen recht dunkel geworden. Er steht auf, um das Licht anzuschalten. Nachdenklich drehe ich die leere Dose im Schein der Lampe. Dann stelle ich sie ab und wünsche dem Alten eine gute Nacht. Auf dem Weg zu meinem Zimmer geht mir ein albernes Lied durch den Kopf: Ein Seemann wird immer wieder von Wind und Wellen auf das Meer hinausgerufen. Ich grinse in mich hinein. Vermutlich ist die ‚Parmida‘ inzwischen eingelaufen. Ich werde noch einige Stunden schlafen, bevor ich an Bord gehe.

 

Vermutlich ist die Geschichte für eine Kurzgeschichte etwas zu lang geraten, aber vielleicht mag sie trotzdem jemand lesen.
Viele Grüße
Willi

 
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Hej Willi,

ich empfinde deine Geschichte gar nicht als lang. Geht doch. Und für eine Havarie braucht's nun mal Zeit.;)

Auf jeden Fall habe ich deinen Seemannsgarn gerne gelesen, vor allem, weil es so authentisch klingt und ich glaube jeden Fachausdruck und habe keinen Moment das Gefühl, der Autor hätte gugeln müssen.

Containerriesen, bepackt mit bunten Schachteln aus aller Welt, gleiten sanft über die die Elbe, ihnen voran die kleinen Schlepper, emsig wie Bienen.

Es klingt, als könne man direkt Schachteln sehen. :shy:

Das Tuten der Nebelhörner tanzt mit dem Kreischen der Möwen und dem Geruch nach Pommesbude durch das Fenster zu mir herein.

Ein tanzendes Tuten hat mich schon stoppen und nachdenken lassen.

Im unteren Stockwerk steht hinter dem Empfangstisch des Alten ein Automat mit Getränken

Also mir hätte ein Zusatz behagt, der mir sagt, wo sich der Protagonist befindet. Ich musste am Ende noch einmal den Anfang lesen, um mir ein Matrosenheim zusammenzudenken. Ist doch eines, oder? :lol:

Gehen Sie auf einen Condock?“

Ich hätte vermutet, man duzt sich.

Es war mir ein Vegnügen, den beiden beim abendlichen Plausch zuzuhören und obwohl ich wenig über die beiden erfahren habe, so hast du es doch geschafft, ein Bild zu entwickeln, damit ich ihren Charakter erahne und sie mir sogar sympathisch sind. Jeder auf seine Art.

Mir hat es Spaß gemacht, aber ich hätte mich auch unterhalten lassen vom alten Mann.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

wie schön, dass du in meine Seemannskiste geschaut hast! Deine Anmerkungen habe ich gleich umgesetzt, vielen Dank dafür! Matrosenheime gibt es so meines Wissens aber nicht mehr. Ich muss zugeben, dass ich, obwohl mein Großvater tatsächlich zur See fuhr, auch viel recherchiert habe. Die Schiffsbuddel gab es wirklich bei ihm Zuhause, die hat mich als Kind immer schwer fasziniert...

Viele Grüße

Willi

 
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Hola@Willi,

fängt schon super an:

Ärgerlich schlage ich gegen die Sperrholztür, die unverdrossen zurückschwingt.
Fein.
Dein Text liest sich gut, muss man sagen. Sympathisch fehlerfrei und schön formuliert.
Ein Häkelchen fand ich allerdings hier:
„Gehen Sie auf einen Condock?“
‚Oh ha! Hier wird aufgegabeltes Wissen verkauft’ – dachte ich, und musste erst mal gugln:).

„Aber der Herzschlag der Welt pulsierte damals schon immer schneller und rastloser. Die Menschheit drängte auf den Fortschritt. Dampfschiffe wurden gebaut, die in immer größerer Zahl und immer kürzerer Zeit die Weltmeere durchpflügten.“
Das lässt Du diesen alten Mann sagen, ich aber glaube nicht, dass der wie ein Lexikon spricht. Mehr Mensch und Wärme in die Stimme – und weniger Perfektion bei der wörtlichen Rede!
Mit zwölf Jahren hatte Petersen den Fischkutter seines Vaters in Warnemünde befehligt, ...
Mozart hatte mit drei ...
Bestimmt hast Du gründlich recherchiert, doch das klingt mir zu sehr nach Baron Münchhausen. Ein Kutter unterliegt dem Seerecht, und ein zwölfjähriger Kapitän überfordert meine Fantasie. Trotzdem kein Problem, schöne Geschichte!

Er drückt den Zigarettenstummel im Aschenbecher aus.
Die Brenndauer der Zigarette passt nicht zur Länge der Geschichte. Oder war das seine vierte:shy:?
Den Titel finde ich etwas lasch; „Vorm Wind“ klingt mMn spannender.
Die ‚Parmida‘ ist inzwischen vermutlich eingelaufen.
Das holpert beim Lesen. Besser: Vermutlich ist die P. inzwischen eingelaufen.
Eigentlich will ich noch einige Stunden schlafen, bevor ich an Bord gehe.
Wieso "eigentlich"?

Willi, für eine junge Autorin eine erstaunliche Handlung – das hat mir gefallen. Meine Anmerkungen sind für den Fall gedacht, dass Du noch mal drübergehst und sie Dir einleuchten. Auch würde ich überlegen, die Endlos-Rede des alten Herrn mit den üblichen Tricks zu unterbrechen und aufzulockern; das würde den Text noch lebhafter machen.

Sehr gern gelesen!
José (Seefahrer im letzten Jahrhundert)

 

Lieber José,

vielen Dank für deinen positiven Kommentar und deine kompetenten Anmerkungen, von denen ich einiges umgesetzt habe.
Das mit dem Kapitän, der als Zwölfjähriger den Fischkutter seines Vaters befehligte, stimmt übrigens wirklich (wenn ich mir kein Seemannsgarn hab aufbinden lassen). Vermutlich war der Vater dann meist duun (wie man hier im Norden so vornehm sagt), und der Junge hat übernommen.
Das mit der Brenndauer der Zigarette kann ich wirklich nicht beurteilen, hatte aber gleich das Gefühl, die Geschichte ist zu lang .... Beim Selbstvorlesen bin ich auf 6 Minuten gekommen. Wie lange braucht eine Zigarette?

Den Titel finde ich etwas lasch; „Vorm Wind“ klingt mMn spannender.

"Vorm Wind" klingt dynamischer, aber mit der Überschrift wollte ich auch darauf hinweisen, dass die Reederei mit ihren Seglern eigentlich gegen den Zeitgeist arbeitet, also "im Wind" liegt.

Die Geschichte des Alten wollte ich gern in einem Stück laufen lassen, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen und es nicht noch mehr in die Länge zu ziehen.
So jung bin ich übrigens nicht mehr, aber ich schreibe noch nicht sehr lange und habe auf keinen Fall so viel Erfahrung wie du, deshalb freue ich mich auch ganz besonders über die guten Kommentare hier.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

das Thema Seefahrt hat mich noch nie besonders interessiert, en passant habe ich es bei Pippi Langstrumpf und Wicki etwas mitbekommen :D, mich aber nie um Seefahrerliteratur gekümmert. Das liegt sicher auch ein Stückweit daran, dass man als Süddeutsche nur das Schwäbische Meer um sich hat und mit ganz vielen Fachbegriffen gar nichts anfangen kann - dem Dialekt eingeschlossen.

Nun bin ich unvorbereitet in diese Geschichte gestolpert und muss sagen, dass ich sie sehr gerne gelesen habe. Das lag natürlich hauptsächlich an deinem angenehmen Erzählstil und weniger am Genre. Aber wenn es ein Autor dann eben auch schafft, mich für Dinge zu interessieren, die bewusst gar nicht in meinem Interessesbereich liegen, hat er Vieles gut gemacht :thumbsup:

Mir hat auch gut gefallen, wie der Gast erst widerwillig runter ist und sich dann nach Zögern doch auf den Alten eingelassen hat.

Ich wüsste jetzt auch gar nicht, was ich dir noch als zusätzliche Tipps mitgeben könnte. Fehler habe ich beim Durchlesen keine gefunden, stilistisch bin ich auch über nichts gestolpert. Lediglich den Titel könnte ich als langweilig definieren. Wäre es aber ein typisch dem Seefahrerthema zuzuordnender gewesen, weiß ich nicht, ob ich die Geschichte gleich angelesen hätte.;)

Der Text ist auf keinen Fall zu lang, da gibt es hier noch andere Beispiele. Die Zigarre kann schon so lange dauern, weil die auch gerne ausgehen. Also es könnte so sein, dass er die ausgehen hat lassen und erst nach ein paar Minuten wieder angezündet hat. Man könnte das so textlich zeigen: Ein weiteres Mal wollte er sie nicht anzünden ... oder so ähnlich, du willst ja innerhalb der Nacherzählung nicht rausspringen, sondern könntest du ihn sie zwischendurch mal anzünden lassen. Aber so wichtig ist das nun auch nicht.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo bernadette,

so ein Lob freut mich natürlich ganz besonders, vielen Dank! Aus den Zigaretten habe ich nun eine Pfeife gemacht, die dauert länger :)
Wo das Schwäbische Meer liegt, konnte ich aber nicht herausfinden...

Viele Grüße
Willi

 

Hola@Willi,
ich glaube, Du hast übersehen, dass der Pfeifenraucher am Ende der Geschichte seine Zigarette ausdrückt;).

Hola@bernadette,
ich habe in Willis Text keine Zigarre geschnuppert:shy:.

Weiterhin Ski und Rodel gut!
José

 
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„Die ‚Viktoria‘ war kein gewöhnliches Schiff“, fährt er endlich fort. „Über 130 Meter lang und mehr als 16 Meter breit. Königin einer ganzen Flotte von Windjammern, die wie große Silbermöwen über die sieben Meere jagten. Gewann jeden Knoten allein aus der Kraft ihrer schneeweißen Rahsegel.

… usw.


… und dann folgt die eigentliche Geschichte in Form einer mündlichen Erzählung des Alten.

Nun ist natürlich kaum etwas schwieriger, als wörtliche Rede in Geschichten so zu gestalten, dass sie authentisch klingt (z.B. verwenden wir in unserer Alltagssprache so gut wie nie das Präteritum) und gleichzeitig aber auch gewissen Ansprüchen des Lesers genügt.
Du entscheidest dich hier ganz bewusst gegen (lebensechte) Umgangssprache und für … ich will’s mal stilistisch hohes Niveau nennen.

Und ich muss sagen, Willi, deine Strategie geht auf. Meine anfängliche Irritation ob der Eloquenz des Alten („Hä? Liest der seinen Text irgendwo ab?“) war nur von kurzer Dauer. Sehr schnell hatte ich den Alten ausgeblendet, ich vergaß bzw. verließ sozusagen die Rahmenhandlung und war ganz und gar in der erzählten Geschichte drin.
Was ich sagen will: Sofern es einem als Leser gelingt, dieses Erzählkonzept zu akzeptieren - dem überdies wahrlich große Vorbilder Pate standen, ich denke z.B. an Joseph Conrad, der es in seinem grandiosen Roman Lord Jim schaffte, immerhin einen Großteil der Geschichte mittels eines Monologs in wörtlicher Rede über nahezu ich weiß nicht mehr wie viele Seiten zu erzählen, ohne dass es unglaubwürdig klingt – wenn einem das also gelingt, wird man mit einem wirklich schönen Leseerlebnis belohnt.

Ja, ich mochte die Geschichte wirklich gern, auch weil sie so was sympathisch Unzeitgemäßes hat, ja, im besten Sinne „old school“ ist sozusagen.


Nur zwei Winzigkeiten (die dritte, die „weiße Stange“, ist ja zum Glück schon rausgeflogen :D) sind mir aufgefallen:

Mit steifen Bewegungen holt er die Flasche hinunter [herunter!] und platziert sie behutsam auf dem Tisch.
[…]
Ich öffne die Flasche. „Was ist passiert?“
Unnötig, weil verwirrend. (Ich dachte da nämlich unwillkürlich erst einmal an die Flasche mit dem Schiffsmodell, nicht an die aus dem Getränkeautomaten.)

Willkommen hier, Willi


offshore

 

Lieber offshore,

ich fand es auch schwierig, zwischen den beiden Ebenen des Textes zu wechseln und freue mich sehr, dass du es als gelungen empfindest. Ich dachte dabei ein bisschen an Storm (nicht qualitativ, nur vom Konzept her), der ja auch seinen Schulmeister erzählen lässt.
Die Flasche habe ich zur Dose gemacht, passt sogar viel besser, danke für die Anregung und überhaupt, dass du 'reingeschaut und verbessert hast!

Viele Grüße

Willi

 

Wo das Schwäbische Meer liegt, konnte ich aber nicht herausfinden...
Tja, schade, Willi, da entgeht dir wirklich ein paradiesisches Fleckchen Erde, wenn man das in seinem Leben nie besucht hat. :shy:

 

Mann in'ne Tünn, Willi!

Schrievst du ok rein up Platt? Du solltest dich nicht scheuen, zumindest bei Vertell doch mal was einzusenden. Gibt ja hübsch was zu gewinnen.

"Der verdüllte Engländer" => verdüllt?

"Leckage Hintern!" => achtern - ist ja nicht nur Platt, sondern auch Seemannssprache

Also, ich lese ja gerne solche Seefahrtsgeschichten und deine lässt sich auch gut lesen - was mir gefehlt hat, ist ein Plot, der nicht von vornherein festgestanden hätte. Dass das Schiff absäuft, war ja schon ziemlich klar, bevor der Alte mit der Geschichte auch nur angefangen hat. Warum übrigens nennt er sie "Seemannsgarn"? Ist doch kein Quatsch, was er da erzählt.

Noch eine Frage zum Anfang: Wieviel kann er denn aus dem Fenster vom Hafen und den Containerriesen sehen, wenn es doch nebelig ist?

Dieser Text gefällt mir stilistisch übrigens um Klassen besser als dein Romankapitel. Also: Weiter so.

Grüße,
Chris

 

Hallo bernadette,

das hat mir doch keine Ruhe gelassen ... ist's der Bodensee? Da ist es in der Tat wunderschön!

Viele Grüße

Willi


Moin Chris,

jo, hier inne Cheest snack wi ook all wedder platt!

Dass es für eine ganze Geschichte bei mir reicht, bezweifle ich aber ... "verdüllt" ist so ein Wort von Omama, soll vermutlich "verdammt" bedeuten :)
Schön, dass du auch hier bei mir vorbeigeschaut hast, auch wenn ich dich nicht überraschen konnte. 'Seemannsgarn' ist das alles, weil der alte Mann ja nicht dabei war. Bei den beiden Herren herrschte übrigens kein Nebel, nur auf dem Meer.
Es hat mich gefreut, dass dir der Text gefallen hat - den Roman wollte ich eigentlich still und leise als leserunfähig beerdigen ...

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi

Im Grunde finde ich die Geschichte blöd, weil komplett aus der Zeit gefallen, völlig unmodern. Blöd eben: auf den ersten Blick. Nach den ersten Zeilen dachte ich mir: was für ein antiquiertes Geschwätz, hat mich an Erzählungen von Joseph Conrad erinnert, so Zeug aus einer Abenteuerwelt. Okay, ich lese weiter und lasse mich einfangen, auch der doppelte Boden (mir fällt der Fachausdruck dafür nicht ein), also den Erzähler, der jemand trifft, der etwas erzählt, was er selbst nur gehört hat, wie zB. im Decamerone von Bocaccio und anderen Werken vergangener Jahrhunderte) passt irgendwie und ich tauche in die Welt ein, die du beschreibst und lese es gerne bis zum Ende, bin gespannt, was mir geboten wird, obwohl der Plot ja absehbar ist.

Einige Formulierungen sind etwas unbeholfen meiner Meinung nach, etwas zu weit weg vom Blick des Erzählers. Und da setzt auch das an, was ich mir wünschen würde. Mit modernen Mitteln enger an den Figuren bleiben. Weniger Beschreibung, weniger tell, tiefer in die Figuren reingehen, knackige Vergleiche, das könnte spannend sein.

Textstellen:

emsig wie Bienen.
ehrlich gesagt ein langweiliger. oft gehörter Vergleich

Ich wiederhole die Prozedur. Dieses Mal poltert die gewünschte Blechdose heraus.
das ist umständlich ausgedrückt und he: ne Redbulldose, oder?:D

Klugheit und eine große mathematische Begabung schoben ihn weiter voran, bis Petersen schließlich, siebenundzwanzigjährig, als jüngster Kapitän auf großer Fahrt, einen der großen Segler der Reederei Leiß übernahm.
aha, warum braucht man als Kapitän besondere mathematische Fähigkeiten=?

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

ja, die Geschichte ist etwas angestaubt, angeregt hatte mich in der Tat das Flaschenschiff bei meinem Großvater auf dem Regal ... vielleicht bin ich selbst schon zu angestaubt zum Schreiben, hätte viel früher anfangen sollen ... :hmm:

Das Gleichgewicht zu finden zwischen Show und Tell fällt mir ziemlich schwer, hier fand ich - für eine Erzählung aus alter Zeit - einen großen Tellanteil schöner. Klingt aber sicher unmodern.

Die mathematischen Fähigkeiten braucht der Kapitän m. W. zum Navigieren.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi - welch femininer Nickname! Ich kann die weibliche Anmut dieses Namens beinahe körperlich spüren!:D

Eine nette Seemannsgeschichte. Die Bezeichnungen empfand ich als akurat und treffend und ich finde, du hast den hanseatisch-maritimen Charakter sehr gut getroffen und dargestellt.

Handlungsmäßig fand ich die Story als solche jetzt -trotz des eigentlich sehr ernsten Themas einer Havarie auf See - relativ unspektakulär. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie kann kein richtiges Bedrohungs- oder Gefahren-Feeling bei mir auf. Aber das ist nicht schlimm, muss ja nicht jede Geschichte ein Hollywood-Blockbuster sein.

Das Ende fand ich ebenfalls ziemlich lapidar und emotionslos. Ein wenig zu abgehackt. Aber gut, das ist ja dein Geschmack, der hier zum Tragen kommt, und nicht meiner.

Insgesamt fand ich die Geschichte unterhaltsam, aber jetzt wohl nichts, dass mich besonders bewegt hat. Aber auch das ist ja nicht schlimm.

Viele Grüße und allzeit Schiff Ahoi, liebe Willi wünscht
der EISENMANN

 

Hallo Eisenmann,

ja, mit eisenharter Männlichkeit kann ich eben nicht dienen! :D

Schön, dass dir meine kleine Seemannsgeschichte gefallen hat - sollte auch weniger actionmäßig 'rüberkommen, sondern sich mehr so mit dem Fortschritt, seinen Gewinnen und Verlusten, beschäftigen. Das Ende soll deswegen eigentlich gar kein solches sein - es geht ja immer weiter.

Vielen Dank und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

Willi

 

Hallo MelMay,

schön, dass ich dich trotz der Thematik unterhalten konnte und Dank für deinen Hinweis! Platt ist vielleicht keine Weltsprache, aber sie passt eben so gut zu Geschichten mit Meer, Schiff und Fischköppen :shy:

Viele Grüße

Willi

 

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