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24.11.2016
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Überfahrt

Der Mann hatte einfach Glück, dass die Fähre pünktlich abgelegt hatte und er zu spät war. Ich sah ihn vom Oberdeck aus über die Betonfläche spurten, den üblichen Backpacker-Rucksack auf nur einer Schulter, der Kopf in der sengenden Hitze hochrot, schwitzend und fluchend. Die Melodie tönte aus den Lautsprechern, die seit Jahrzehnten auf den griechischen Fähren abgedudelt wird, wenn die Taue gelöst werden, die Bugklappe sich vom Kai löst und sich langsam schließt. Obwohl es wirklich hoffnungslos war, rannte der Mann weiter, er mochte Mitte zwanzig sein, war braungebrannt und hatte lockige dunkle Haare. Um mich herum wurden ein paar Bemerkungen gemacht, ich identifizierte Griechisch, Französisch, Englisch und mindestens eine skandinavische Sprache, offensichtlich fanden aber alle den vergeblichen Versuch des Mannes, die Fähre zurückzuwinken, ziemlich komisch. Schließlich sah er es nun ein, dass es hoffnungslos war, setzte sich hin, vergrub die Hände in seinen Haaren und raufte diese ausgiebig. Ein paar Sekunden später stand er wieder auf, zückte sein Handy, fotografierte die sich entfernende Fähre und setzte sich wieder hin zum Haareraufen. Ich musste später oft an diesen Moment denken: Als er das Foto schoss, hatte er seine theatralische Verzweiflung für einige Sekunden unterbrochen, wahrscheinlich nur, weil er sich seiner Verpflichtung erinnerte, alles in seinem Leben auf Facebook zu posten. In Wahrheit hatte er aber das letzte Foto der „Star of Mykonos“ geschossen, ein Dokument seines unfassbaren Glücks, das ich drei Tage später in der Zeitung betrachten konnte.

Die Fähre entfernte sich allmählich von der kleinen Insel Amorgos, unser Ziel war Piräus, das wir im Morgengrauen erreichen sollten. Ich hatte für die Fahrt entgegen meiner Gewohnheit eine kleine Kabine gebucht, um etwas Geld zu sparen eine Zwei-Mann-Kabine, in der Hoffnung, dass sich kein Mitreisender finden würde und ich so doch meine Ruhe hätte. Die „Star of Mykonos“ stampfte durch die etwas unruhige Ägäis, die Touristen stellten sich am Tresen an, um überteuerte labbrige Sandwiches und kraftlosen Kaffee zu kaufen. Ich schlenderte zu meiner fensterlosen Kabine, neugierig, ob ich inzwischen einen Nachbarn bekommen hätte, außerdem wollte ich meine Kamera holen für weitere kitschige Sonnenuntergangsbilder.
Die Kabine war genauso leer wie vor einer Stunde, ich sperrte die Tür ab und legte mich auf das untere Bett. Das monotone Stampfen der Dieselmotoren, das sanfte Schaukeln des Schiffes und das Gemurmel aus den Gängen waren die ideale Hintergrundmusik, um in einen festen Schlaf hinüberzugleiten.

Der laute Rumms ließ mich hochfahren, natürlich dachte ich nicht an das Bett über mir und knallte mit dem Kopf schmerzhaft an das Eisengestänge. Meine Tasche war von dem kleinen Tisch heruntergefallen, anscheinend war das Meer inzwischen ziemlich rau geworden und spielte ein wildes Spiel mit dem Schiff. Es war inzwischen 21 Uhr, ich hatte drei volle Stunden geschlafen. Zeit, um nach draußen zu gehen, etwas Fotografieren, etwas essen und schauen, wie das Meer jetzt aussehen mochte, wenn es so wütend war.

Es klopfte dreimal an meiner Kabinentür und gleich darauf nestelte jemand von außen am Schloss herum. Ich öffnete und vor mir stand ein etwas verwirrt dreinblickender Mann mit einer kleinen Nickelbrille, schütterem Haar und einem respektablen Sonnenbrand im Gesicht. „Hallo, ich bin wohl für heute Nacht Ihr Kabinennachbar.“ Wir hatten unterwegs an einer der unzähligen griechischen Inseln noch einmal angelegt und einige Passagiere aufgenommen. Offenbar hatte er mich sofort als Landsmann erkannt, was mich etwas irritierte. „Nur herein in die gute Stube“, scherzte ich nur halb gelungen. Er warf einen Blick in den engen Raum und zögerte. „Äh, ich habe etwas mehr Gepäck als üblich, hoffentlich stört dich das nicht.“ Ich beschloss, das schnelle „Du“ zu akzeptieren und erklärte mein Einverständnis. Der Rucksack, den er mir zunächst reichte, war nur mittelschwer und schien mir kein großes Problem darzustellen. Allerdings hatte mein neuer Zimmergenosse noch etwas neben der Tür deponiert, das er nun durch diese schieben wollte. Es war ein riesiger Gegenstand in einer schwarzen Folie, ca. 1,50 Meter lang, 80 Zentimeter breit und passte gerade so durch die Türöffnung. „Können wir das eventuell einfach auf den Boden legen?“, stöhnte er, verdeckt von dem schwarzen Monstrum. Ich war zunächst sprachlos, überlegte, ob es sich um ein großes Musikinstrument handeln könnte. Dafür schien mir das Paket aber wiederum zu leicht, als ich es in die Kabine von der anderen Seite hineinzog. „Ist das ein Schlauchboot?“, fragte ich ins Blaue hinein. „Richtig geraten“, ächzte er und schob von außen so heftig, dass ich auf der anderen Seite ins Stolpern kam, da aber kein Platz mehr zum Hinfallen war, konnte ich mich an der Kabinenwand gegenüber der Tür abfangen. Eine andere Möglichkeit, als das Ungetüm auf dem Boden zu deponieren gab es gar nicht, daher schob ich es so weit wie möglich an die Wand und balancierte daran vorbei zum Bett. „Ich muss hier raus“, dachte ich, überfordert von der Absurdität der Situation. „Ich, äh, wollte gerade eh hinaus“, stotterte ich. „Ich wollte dich wirklich nicht vertreiben“, murmelte der Schlauchbootbesitzer. „Ich heiße Sören“, stellte sich Sören vor. „Mein Name ist Ben“, antwortete ich. „Du kannst übrigens nicht mehr raus, die Türen sind abgesperrt, zu stürmisch.“ Sören guckte mir die ganze Zeit über nicht in die Augen, er hielt den Kopf gesenkt und schaute ins Nichts. Er regte mich auf, obwohl er nur der Überbringer der schlechten Nachricht war. „Egal, ich schau mal im Restaurant vorbei.“ „Ich habe das Schlauchboot immer dabei,“ erklärte er ungefragt. „Was heißt immer?“, fragte ich etwas zu schroff. „Immer, wenn ich mit einem Schiff unterwegs bin.“ Ich starrte ihn ein paar Sekunden zu lange an. „Du schleppst also das Ding auf jedes Schiff auf jede Reise mit? Und, ähm, warum?“ Ich fürchtete, die Antwort bereits zu kennen. „Ich weiß, dass es seltsam klingt, aber ich habe einfach fürchterliche Angst, dass wir untergehen könnten. Diese Weite des Meeres macht mich panisch. Da ist nichts weit und breit, nur Wasser, auch unter uns nur Wasser, man weiß nicht, was da lauert.“ Er schaute mich aus den Augenwinkeln an. Er hatte ganz klar einen Knall. „Und was ist mit Fliegen?“, fragte ich leicht provozierend. „Hast du dafür immer einen Fallschirm parat?“ Ich bereute meine Frage sofort. Sören wandte sich von mir ab. „Entschuldige, das war blöd von mir“, versuchte ich meinen Fehltritt auszubügeln. „Ich meine nur, die Wahrscheinlichkeit, dass wir sinken... Und dann der ganze Aufwand mit dem Schlauchboot... Außerdem gibt es doch Rettungsboote.“ Sören drehte sich wieder zu mir um und redete zu mir, als sei ich nicht ganz dicht: „Hast du dir die Rettungsboote“ – er setzte mit seinen Händen Anführungszeichen in die Luft – „mal genauer angesehen? Zum einen reichen die niemals für alles Passagiere, zum anderen sind sie wahrscheinlich überhaupt nicht einmal seetüchtig. Nein, nein, darauf werde ich mich bestimmt nicht verlassen.“ Während er redete, wurde er immer lauter, brach dann aber ab und verstummte. Ich versuchte, versöhnlich zu klingen: „Na ja, das wird schon irgendwie für eine Nacht gehen. Aber ich gehe trotzdem noch einen Happen essen.“ Ich verließ eilig die Kabine und zog die Tür hinter mir zu.

Auf der Treppe nach oben registrierte ich erst so richtig, wie stark das Schiff schlingerte. Mit Mühe hangelte ich mich nach oben. Die Türen in den Außenbereich waren tatsächlich verschlossen, Regen und Gischt klatschten an die Scheiben, es war nur eine graue Mischung aus Himmel und Meer zu erkennen, über die sich allmählich die Nacht senkte. Das Bordrestaurant war eine Selbstbedienungs-Theke, von der bereits alle losen Schüsseln, Töpfe und Gläser fortgeräumt waren, damit sie nicht durch das Geschaukel herunterfallen konnten. Die Mitreisenden kauerten auf den Bänken, die meisten starrten auf ihre Handys, einige guckten durch die schmutzigen Fenster in die Dämmerung und beobachteten die Wellen, die sich am Schiffsrumpf brachen und für mächtige Erschütterungen sorgten. Aus den Toilettenräumen wankten immer wieder kreidebleiche Gestalten, die ihren Mageninhalt in den Kloschüsseln zurückgelassen hatten. Der Gestank hatte sich bereits im Saal ausgebreitet und verursachte auch mir eine leichte Übelkeit. Die Fernseher, die sonst ununterbrochen liefen, waren ausgeschaltet, aus den Lautsprechern dudelte dafür Klaviermusik, die beruhigen sollte, bei mir aber die gegenteilige Wirkung erzielte: Zum ersten Mal beschlich mich ein leiser Zweifel, ob alles in Ordnung sei mit dem Schiff. Außer der Frau hinter dem Tresen, bei der ich ein aufgewärmtes Stück Pizza bestellte, war niemand von der Schiffsbesatzung zu sehen. Ich balancierte den Pappteller zu einer der freien Sitzbänke an den Seiten und knabberte angewidert an dem pappigen Teigstück. Das Licht fing an zu flackern und erlosch plötzlich vollkommen. In der Dunkelheit war es vollkommen still im Saal, der Wind war zu hören, das Wasser, das an die Scheiben klatschte und von dem niemand wusste, ob es Meerwasser oder Regen war. Als das Licht nach einer Minute wieder anging, lachten einige, aber die Stimmung war gekippt, die Nervosität war mit Händen zu greifen.

Ich ließ die Pizza stehen und machte mich zurück auf den Weg in meine Kabine. Es wäre bestimmt besser, einfach zu schlafen und morgen früh in Piräus wieder aufzuwachen, als sich von den anderen verrückt machen zu lassen. Oder von den eigenen Gedanken. Sören lag bereits im Bett über meinem und schien zu schlafen. Er hatte eine Augenmaske übergezogen und auch Ohrenstöpsel eingestöpselt, lag auf dem Rücken und ließ kleine, pfeifende Atemstöße hören. Ich balancierte am Schlauchboot vorbei, ließ mich auf mein Bett in voller Montur fallen und nestelte aus meinem Rucksack am Bettende die Packung Noctodorm und den Flachmann heraus. Ich löschte das Licht, nahm zwei Pillen und zwei Schluck, was ausreichte, um mich schnell in Dunkelheit sinken zu lassen.

Ich weiß nicht mehr, was ich als erstes registrierte, den dumpfen Sirenenton oder das Rütteln und Schreien Sörens. „Aufwachen, Ben, aufwachen, wir sinken!“ Natürlich knallte ich wieder an das Gestänge über mir. Es waren Schreie zu hören, rotes Licht leuchtete aus dem Gang in die Kabine herein, deren Tür offenstand. Sören war bereits dabei, sein Schlauchboot aus der Tür zu schieben. „Du musst mir helfen, wir müssen das Boot rausschaffen.“ Ich hatte immer noch nicht begriffen, was eigentlich los war, was gerade passierte. Das Schiff hatte offensichtlich Schlagseite bekommen, irgendwo musste Wasser eindringen. Alle zehn Sekunden ertönte die Sirene. Sören sprang über das Schlauchboot in den Gang und zog von dort, doch es hing in der Tür fest. „Lass das Scheißboot hier, wir müssen hoch“, schrie ich ihn an, doch er hörte mich nicht, teilweise auch, weil wieder die Sirene ertönte. Immer wieder liefen Menschen an der Tür vorbei Richtung Treppe, durch das rote Licht surreal angestrahlt und geisterhaft. Ich weiß bis heute nicht, warum ich nicht einfach auch nach oben gelaufen bin, aber ich packte das Boot und drückte es durch die Tür in den Gang. Wir schleiften es mühsam teilweise über den Boden, der mit dem Schiff um geschätzte 30 Grad zur Seite gekippt war, teilweise an der Wand entlang, an mehreren Ecken vorbei, in Richtung Treppe. Hinter mir stauten sich bereits einige Passagiere, die nicht mehr vorbeikamen und mich anschrien, panisch, um ihr Leben fürchtend. Ich ignorierte sie, guckte geradeaus, was sollte ich jetzt auch machen, und schob weiter. Als wir endlich im Treppenhaus waren, drängelten sich zehn Wartende an uns vorbei, fluchend in allen möglichen Sprachen, weinend und schreiend. Ich brüllte Sören an: „Los weiter jetzt, hoch mit dem Scheißding!“ Sören war schweißgebadet, sein Gesicht vor Angst verzerrt. Die Treppen waren natürlich auch um 30 Grad auf die Seite gekippt, Sören rutschte aus, stand aber nicht mehr auf und zog sitzend das Boot Stufe um Stufe nach oben und rutschte auf dem Hosenboden die Treppenstufen nach oben. Ich schob wieder von unten, versuchte das Tempo zu bestimmen, indem ich den Druck immer weiter erhöhte. Von hinten kam wieder ein Passagier nach, er zerrte an meinem T-Shirt, ich versuchte ihn abzuwehren, verlor das Gleichgewicht, stürzte und war weg.

Ich wachte zwei Tage später in Athen im Krankenhaus wieder auf, wie ich gerettet wurde, weiß ich bis heute nicht. Ich hatte ein paar Beulen und Kratzer, eine Gehirnerschütterung, aber ansonsten war alles intakt. Die Hälfte der Passagiere wurde gerettet, die andere Hälfte nicht. Ich hatte später versucht herauszufinden, was aus Sören geworden ist, ob er es mit seinem Schlauchboot geschafft hatte, doch die Passagierlisten waren nicht vollständig und ich fand keinen Hinweis auf einen Passagier mit dem Namen Sören. Auch in der Presse fand ich keinen Bericht über eine wundersame Rettung mit dem eigenen Schlauchboot. Nur die Geschichte von dem Touristen, der die Fähre verpasst und das letzte Foto geschossen hatte.

 

Hallo bender53,

ich gebe die mal meinen Eindruck vom Text.

Ich finde die Geschichte ein wenig halbgar, denn es wird nicht klar, welche Geschichte eigentlich erzählt werden soll. Da ist zu Anfang und zu Ende der Typ, der die Fähre verpasst. Dann ist da Sören mit dem Schlauchboot. Und dann noch der Ich-Erzähler, der allerdings im Vergleich zu Sören ein wenig blass wirkt. Sören hat wenigsten noch den Schlauchboot-Tick, der Erzähler aber gar nichts. Es wird nur angedeutet, dass er vorher wohl Sonnenuntergangsfotos geschossen hat. Aber was es sonst für ein Typ ist, wird nicht erklärt (wie sieht er aus? Was ist ihm wichtig? Hat er Angst?)

Auch ist die Geschichte an sich nicht spannend. Dass die Fähre sinkt, wird bereits im ersten Satz klar. Puff - alle Spannung raus. Und dass der Erzähler im wichtigsten Moment einen Blackout hat ist nicht nur unglaubwürdig, sondern beraubt der Geschichte eines wichtigen Elements: wie IST er denn nun rausgekommen? Dafür breitest du genüsslich aus, wie er sich in der Kantine aufhält. Hier stimmt die Balance nicht: Unwichtiges wird breit getreten, Wichtiges einfach ausgelassen.

Hier noch ein paar formale Sachen:


Der Mann hatte einfach Glück, dass die Fähre pünktlich abgelegt hatte und er zu spät war.
Die Fähre wird also sinken. Und da war die Spannung dahin.

Schließlich sah er es nun ein, dass es hoffnungslos war, setzte sich hin, vergrub die Hände in seinen Haaren und raufte diese ausgiebig.
Ich hatte für die Fahrt entgegen meiner Gewohnheit eine kleine Kabine gebucht, um etwas Geld zu sparen eine Zwei-Mann-Kabine, in der Hoffnung, dass sich kein Mitreisender finden würde und ich so doch meine Ruhe hätte.
Füllwörter. Meist unnötig und stören nur beim Lesen. Besser raus nehmen.

Der laute Rumms ließ mich hochfahren, natürlich dachte ich nicht an das Bett über mir und knallte mit dem Kopf schmerzhaft an das Eisengestänge.
Der laute Rumms? Wurde der vorher bereits thematisiert? Besser ein lauter Rumms.

Es klopfte dreimal an meiner Kabinentür und gleich darauf nestelte jemand von außen am Schloss herum. Ich öffnete und vor mir stand ein etwas verwirrt dreinblickender Mann mit einer kleinen Nickelbrille, schütterem Haar und einem respektablen Sonnenbrand im Gesicht. „Hallo, ich bin wohl für heute Nacht Ihr Kabinennachbar.
Es wird nicht klar, wer spricht. Jeder der beiden könnte den Satz sagen. Besser ein ", sagte er" hinzufügen.

Wir hatten unterwegs an einer der unzähligen griechischen Inseln noch einmal angelegt und einige Passagiere aufgenommen. Offenbar hatte er mich sofort als Landsmann erkannt, was mich etwas irritierte. „Nur herein in die gute Stube“, scherzte ich nur halb gelungen. [ABSATZ]Er warf einen Blick in den engen Raum und zögerte. „Äh, ich habe etwas mehr Gepäck als üblich, hoffentlich stört dich das nicht.“
Wenn der Sprecher wechselt, bitte immer einen neuen Absatz beginnen, um dies zu verdeutlichen. In diesem Fall hier würde ich den Absatz sogar noch einen Satz früher setzen, denn dieses "Er warf einen Blick ..." lenkt den Blick des Lesers auf Sören.

==> Das zieht sich durch den ganzen Text. Ich habe aber nur eine Stelle rausgesucht.

„Ich, äh, wollte gerade eh hinaus“, stotterte ich. „Ich wollte dich wirklich nicht vertreiben“, murmelte der Schlauchbootbesitzer. „Ich heiße Sören“, stellte sich Sören vor. „Mein Name ist Ben“, antwortete ich.
Die Dialoge sind hölzern, so spricht niemand.
Wortwiederholung (Sören)

„Ich habe das Schlauchboot immer dabei,“ erklärte er ungefragt. „Was heißt immer?“, fragte ich etwas zu schroff. „Immer, wenn ich mit einem Schiff unterwegs bin.“ Ich starrte ihn ein paar Sekunden zu lange an. „Du schleppst also das Ding auf jedes Schiff auf jede Reise mit? Und, ähm, warum?“ Ich fürchtete, die Antwort bereits zu kennen. „Ich weiß, dass es seltsam klingt, aber ich habe einfach fürchterliche Angst, dass wir untergehen könnten.
Was nützt ihm das sperrige Schlauchbott, wenn er keine Zeit mehr hat, es aufzublasen? Wenn es sich auf wundersame Weise per Knopfdruck aufblasen lassen sollte, dann sollte das hier erklärt werden.
Oder anders: Wenn ICH das frage, warum fragt das dein Erzähler nicht und nimmt das einfach so hin, dass einer ein augenscheinlich nutzloses Schlauchboot mit sich rumschleppt?

„Und was ist mit Fliegen?“, fragte ich leicht provozierend. „Hast du dafür immer einen Fallschirm parat?“
Wenn es aus dem Dialog alleine nicht klar wird, dass die Frage provozierend ist, dann läuft etwas schief. Was ich meine ist: die Dialoge so gestalten, dass die Stimmung daraus hervorgeht und nicht dem Leser per Adjektiv aufzwängen.

 

Hej bender53,

schon mit dem ersten Satz machst du deutlich, dass etwas passieren wird. Das ist einerseits clever, weil ich es natürlich wissen will, andererseits nicht so schlau, weil ich ja weiß, dass was passieren wird. :lol:
Selbstverständlich will ich erfahren, wie was geschehen wird. Bis auf einige Kleinigkeiten geht es auch spannend und zügig voran.

Obwohl es wirklich hoffnungslos war, rannte der Mann weiter, er mochte Mitte zwanzig sein, war braungebrannt und hatte lockige dunkle Haare. Um mich herum wurden ein paar Bemerkungen gemacht, ich identifizierte Griechisch, Französisch, Englisch und mindestens eine skandinavische Sprache, offensichtlich fanden aber alle den vergeblichen Versuch des Mannes, die Fähre zurückzuwinken, ziemlich komisch. Schließlich sah er es nun ein, dass es hoffnungslos war, setzte sich hin, vergrub die Hände in seinen Haaren und raufte diese ausgiebig. Ein paar Sekunden später stand er wieder auf, zückte sein Handy, fotografierte die sich entfernende Fähre und setzte sich wieder hin zum Haareraufen. Ich musste später oft an diesen Moment denken: Als er das Foto schoss, hatte er seine theatralische Verzweiflung für einige Sekunden unterbrochen, wahrscheinlich nur, weil er sich seiner Verpflichtung erinnerte, alles in seinem Leben auf Facebook zu posten. In Wahrheit hatte er aber das letzte Foto der „Star of Mykonos“ geschossen, ein Dokument seines unfassbaren Glücks, das ich drei Tage später in der Zeitung betrachten konnte.

Dieser Abschnitt erscheint mir etwas zu ausführlich und irreführend, denn es geht ja gar nicht um diesen Mann und welche Haarfarbe er hat und wie oft er seine Locken rauft, verwirrt mich im Grunde nur.

Ähnlich empfinde ich es mit dem langen Kennenlernen und dem Dialog zwischen Sören und dem Protagonasten. Erfahre ich doch am Ende nicht einmal, was aus ihm geworden ist.

Etwas enttäuscht bin ich dann auch, als ich so gut wie nichts vom Verlauf der Katastrophe erfahre.

Es waren Schreie zu hören, rotes Licht leuchtete aus dem Gang in die Kabine herein, deren Tür offenstand.

Das Schiff hatte offensichtlich Schlagseite bekommen, irgendwo musste Wasser eindringen. Alle zehn Sekunden ertönte die Sirene.

Immer wieder liefen Menschen an der Tür vorbei Richtung Treppe, durch das rote Licht surreal angestrahlt und geisterhaft.

Hinter mir stauten sich bereits einige Passagiere, die nicht mehr vorbeikamen und mich anschrien, panisch, um ihr Leben fürchtend. Ich ignorierte sie, guckte geradeaus, was sollte ich jetzt auch machen, und schob weiter.

Das klingt in meinen Ohren nicht nach der Katastrophe, die es ja dann in Wirklichkeit war.

Die Treppen waren natürlich auch um 30 Grad auf die Seite gekippt,

Natürlich :hmm:

Also im Grunde wollte ich sagen, mich interessiert bei dieser Überfahrt etwas ganz anderes, als das, was geschildert wird. Ob das jetzt pappige Pizza ist oder wie bizarr Sörens Versuch ist, das Boot aus der Kabine zu schaffen, der am Ende dann eh keine Rolle mehr spielt.

Der Protagonist verschläft das Szenario und somit stoppt meine Aufregung schlagartig und endet unspektakulär mit einer Gehirnerschütterung.

Nur die Geschichte von dem Touristen, der die Fähre verpasst und das letzte Foto geschossen hatte.

Dieser Schlusssatz stand ja auch schon zu Beginn fest.

Schade, ich hatte gehofft, von einer ungewöhnlichen Überfahrt zu lesen.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

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