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Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

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11.10.2016
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Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

Island in the Sun
oder
Penner-Weihnacht

Ich stand am Bahnhofskiosk, als mich ein Mann, der wie ein Hippie aussah, ansprach:
„Darf ich Sie was fragen?“
„Gerne, worum geht es?“ In mir keimte die Hoffnung, dass mich der Lennon-Verschnitt auf ein Bier einladen könnte.
„Ich bin Student und arbeite für eine Zeitung.“
„Aha.“
„Heute ist kein normaler Tag, heute ist Heiliger Abend. Wie werden Sie ihn verbringen?“, fragte er mich.
„Wenn es nicht so ein Sauwetter hätte, würde ich sagen, das steht in den Sternen“, sagte ich und zeigte mit der Hand auf die tiefliegenden Regenwolken. Sein Blick ging nach oben und dann nach unten zu meinen kaputten Schuhen. Der Typ hatte längst erkannt, dass ich ein Sandler war.
„Sie sind obdachlos; in dieser reichen Stadt?“
„Ja, bin ich.“
„Wie kann so etwas passieren? Wollen Sie mir darüber etwas erzählen?“, fragte er mich.
Statt Interesse an meinem Schicksal, sah ich nur blanke Neugier in seinen Augen. Daher erzählte ich ihm nicht, wie es mit mir so weit hatte kommen können. Er würde es wahrscheinlich nicht verstehen wollen, dachte ich. Ich bot ihm an, über das „Jetzt“ zu reden, dem Status quo. Insideransicht quasi.

„Das ist sehr interessant. Bitte erzählen Sie.“
„O.k. Sie haben recht, Salzburg und obdachlos, das passt nicht zusammen. Obdachlos und Alkoholiker geht schon gar nicht. Wenn dann noch Weihnachten, das Fest der Liebe im Kalender steht, wird es wirklich eng für Menschen am Rand dieser Gesellschaft. Das ist die Unzeit für Tagelöhner und Aushilfskräfte. Die meisten Arbeitgeber wie Baufirmen, Messebetriebe oder Speditionen, schicken ihre Mitarbeiter in die Weihnachtsferien. Bis Dreikönig bleiben diese Rettungsanker geschlossen. Für reguläre Arbeit besteht vor den Feiertagen sowieso keine Chance. Dumm gelaufen, wenn ein Gestrauchelter wie ich, bis dahin keine Bleibe gefunden hat. Die Caritas bietet eine Notschlafstelle in einer alten Baracke an. Zehn Stockbetten auf kleinstem Raum, ein Stuhl pro Person und eine Rossdecke aus Kriegsbeständen.
Bis zu acht Tage können Wohnungslose hier für kleines Geld übernachten. Es gilt der hehre Grundsatz: Kinder und Frauen zuerst, dann die Männer und - nach einer Atemprobe, die Alkoholiker. Ist diese positiv, wird die Aufnahme verweigert; womit in den meisten Fällen die Herbergssuche weitergeht. Was danach geschieht, interessiert niemanden.“
Meine Kehle war vom vielen Reden trocken geworden, ich trank den letzten Schluck aus der Flasche und hielt sie mit einem fragenden Blick hoch, doch mein Zuhörer reagierte nicht.
„Na, dann halt nicht“, sagte ich resignierend.

Ich hätte dem jungen Reporter noch viel erzählen können, unterließ es aber, als ich merkte, dass es ihm nur um Reißerisches ging und er nicht bereit war, mein Bier zu bezahlen. Was versteht so ein Schnösel schon vom Leben auf der Straße, von Sozialämtern und von herablassender Behandlung durch sattgefressene Beamtenärsche. Seit damals, als ich das Poster mit dem Verfassungstext „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ an die Tür des Sozialamtes geheftet hatte, hatte ich Hausverbot wegen angeblicher Aufwiegelung der „Klientel“. Das hätte der Schmierfink von der Zeitung wahrscheinlich gern geschrieben in seinem Revolverblatt.
„Ohne Geld ka Musi“, sagte ich. Oft genug ist mir diese alte Weisheit selbst zum Verhängnis geworden.

Ich ging in Richtung Innenstadt, knapp an den Hauswänden, um den ärgsten Regengüssen zu entkommen. Nicht nur von oben drohte Nässe – auch von unten – einer meiner Schuhe war im Begriff, sich aufzulösen. Die Sohle an der Vorderseite klappte auf wie ein Entenschnabel. Jeder Fehltritt in eine der vielen Wasserlachen bescherte mir ein Fußbad. Endlich erreichte ich meinen Unterstand, das Wartehäuschen an der Bushaltestelle gegenüber dem Schloss. Das stand für mich strategisch günstig, denn gleich daneben befand sich ein Würstelstand, der mir so manche Hungernacht erspart hatte. Der Würstelmann leerte nach Feierabend seine Restbestände, die unverkauften und vom heißen Wasser ausgelaugten Frankfurter und Krainerwürstl in den öffentlichen Mistkübel. An guten Tagen hätte ich damit eine Familie ernähren können. Der Heilige Abend war kein guter Tag, auch nicht für den Würstelmann. Er hatte früh geschlossen und keine Restbestände hinterlegt. Der Tag versank im Nebel, die Lichter der Autos wurden schemenhafter. Mir schien, als ob die Stadt langsam zur Ruhe käme, die Nacht lag vor mir.

Ich stand schon einige Zeit an der Bushaltestelle im Wartehäuschen, zum Nieselregen hatte sich ein kalter Nordwind gesellt. Ein dick vermummter Mann räumte beim Weihnachtsmarkt vor dem Schloss die letzten Lebkuchen aus der Verkaufsbude in sein Auto. Für ihn war Feierabend für dieses Jahr. Was machten die Glühweinverkäufer eigentlich mit den übriggebliebenen Bauchwärmern?
Ich blieb nicht allein in meinem Unterstand, zwei junge Frauen und eine Oma mit zwei Enkelkindern warteten mit mir auf den letzten Bus. Für sie war ich ein ganz gewöhnlicher Mann. Wie sollten sie wissen, dass ich nirgendwohin fuhr. Wohin auch? Es gab kein Zuhause.
Die Leute wurden weniger, die letzten Vermummten hasteten der warmen Stube entgegen. Der letzte Bus fuhr langsam in die Haltebucht, zischend öffneten sich die Drucklufttüren. Niemandem fiel auf, dass ich nicht einstieg, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Ich war wieder einmal übrig geblieben. Vor mir die große Weihnachtstanne, dieses Jahr kam sie aus der Steiermark, meiner früheren Heimat, die auch die Waldheimat Peter Roseggers war, meinem Lieblingsautor aus Kindertagen.
Im Schloss Mirabell wurde die Festbeleuchtung ausgeschaltet, nur eine Tafel mit einer Weihnachtsbotschaft des Bürgermeisters war noch zu sehen. Die Kerzen der Steirertanne strahlten wie Sterne. Oder waren es ein paar Tränen, die meinen Blick verschleierten und die Regentropfen zum Leuchten brachten? Ich weiß es nicht mehr, ich wusste nur eines, ich musste irgendwo unterschlüpfen, um diese Nacht zu überstehen.

Allein gelassen, fing ich an, mich umzusehen, in meinem Wartehäuschen. An den Glaswänden klebten bunte Hinweise auf verschiedenste Veranstaltungen. Das interessanteste Plakat war eine Vorankündigung einer Gastspielreise von Harry Belafonte:
Island in the Sun“.

Ich mochte Harry Belafonte schon immer. Nicht nur seine samtraue Stimme faszinierte mich, auch sein persönlicher Einsatz für die Schwarzen in Amerika und die Minderheiten dieser Welt hatte mich sehr beeindruckt. Mein Unterstand wurde zur Bühne, ich träumte mich in karibische Nächte und summte vor mich hin, die Sentimentalität des Heiligen Abends schien vergessen.

Ich bekam Besuch in meiner bescheidenen Hütte, ein sichtlich betrunkener Mann schlurfte in meine Richtung, geradewegs auf mich zu. Er fluchte leise vor sich hin, offensichtlich hatte sich bei einer seiner Tragetaschen der Henkel gelöst. Er hatte alle Hände voll zu tun, dass der Inhalt nicht auf den Boden fiel. Bei mir angekommen, stellte er seine scheppernde Tasche auf die schmale Bank, nicht ohne kräftig weiterzufluchen wegen seines Missgeschicks.

„Kann ich dir helfen?“, fragte ich ihn.
Er überhörte mein Angebot. Meine Ahnung, dass er da Trinkbares transportierte, bestätigte sich.
Dann begann er doch noch zu sprechen:
„Ich arbeite als Portier und Hausmeister in einer kleinen Privatklinik, gleich da drüben“, sagte er, „heute habe ich Dienst gehabt und es ist ein guter Tag gewesen, denn das gesamte Klinikpersonal hat sich bei mir bedankt, dass ich immer für sie da bin, wenn sie mich brauchen.“
„Das gehört sich auch so“, sagte ich und gab ihm recht. Seine Taschen waren voll mit Geschenken in Form von Wein und Hochprozentigem.
„Schau her, das ist doch was, oder?“
„Boah!“ Ich staunte nicht schlecht.
„Das ist bei uns so Brauch, zu Weihnachten spendiert jeder eine Flasche“, sagte er und spendierte mir eine Flasche meiner Wahl. Gemeinsam köpften wir einen Beaujolais und rauchten Zigarillos, ebenfalls aus dem Geschenkefundus meines neuen Freundes. Harry Belafonte war vergessen. Wie immer, wenn ich meinen Alkoholpegel in den richtigen Level gebracht hatte, stellte sich Wohlbefinden ein. Mein Kumpel bekam dann doch leichte Gewissensbisse wegen seiner Frau, die er schon fast vergessen hatte. Seine Einladung, mit ihm in seine nahegelegene Wohnung mitzukommen, habe ich dann doch abgelehnt.
„Na, dann mach´s gut Alter“, brummte er und trollte sich.
„Frohe Weinachten!“, rief ich ihm nach, aber das hörte er schon nicht mehr.
Die Anonymität dieser Stadt ließ mich im doppelten Sinne frösteln, aber sie hatte auch etwas Gutes, besonders für einen Nichtsesshaften wie mich. Niemand stellte mir unangenehme Fragen, abgesehen von der Polizei. Solange ich halbwegs nüchtern war, achtete ich penibel darauf, dass niemand meine Not an meinem Äußeren ablesen konnte. Jedenfalls glaubte ich, dass es so sei. Ich glaubte an mich, und redete mir ein, dass, solange ich mich selbst als einen guten, ehrlichen Mann sah, es die anderen auch tun würden.

Mit diesen Gedanken im Kopf verließ ich mein Wartehäuschen und begab mich auf die Suche nach einer geeigneten Schlafstelle. Während meiner letzten Streifzüge durch die Stadt war mir eine Baustelle aufgefallen, die meinen Kriterien für eine unentdeckte Übernachtung einigermaßen entsprach. Das Erdgeschoss eines Bürohauses wurde gerade zu einem Geschäftslokal umgebaut. An Wochenenden und Feiertagen war also keine größere Störung durch Bauarbeiter zu befürchten. Der Bauzaun war kein echtes Hindernis, ich konnte ihn leicht zur Seite schieben ohne etwas zu zerstören. Das war mir wichtig, denn ich wollte ja erstens wiederkommen und zweitens nicht als Einbrecher gelten. Ich wollte nur meinem geschundenen Körper etwas Ruhe gönnen und ihn vielleicht etwas erwärmen. Zum Glück fand ich im hinteren Teil einen dunklen Raum, der nicht sofort von der Straße einsehbar war. An der Rückwand befand sich ein Heizkörper der sogar etwas Wärme spendete. Super! Schnell suchte ich ein paar Styroportafeln zur Kältedämmung. Meine Kenntnisse als gelernter Bauhandwerker kamen mir dabei zugute. Zwei Tafeln dienten als Unterlage und eine als Kopfstütze am gerippten Heizkörper. Mein Parka wurde zur Decke und so döste ich leise vor mich hin. Der Kick vom Beaujolais ließ mich zufrieden in die weihnachtliche Straßenbeleuchtung träumen. Alles wird gut!

Es muss so um fünf Uhr früh gewesen sein, als ich vor Kälte zitternd wach wurde. Was war geschehen? Der Regen war in Schnee übergegangen, soviel konnte ich bei einem Blick auf die Straße erkennen, aber warum ist es so kalt? Ein Griff an den Heizkörper bestätigte meine Ahnung: abgedreht. Die Ölkrise hatte auch den Bau erreicht, sie hatten die Heizung nachts heruntergefahren. Aber erst ein Griff an meinen Kopf zeigte die wahre Bescherung und den Grund, warum mich so fürchterlich fror. Auf meinen Haaren lag eine zentimeterhohe Schneehaube. Erst jetzt bemerkte ich, dass über meinem Kopf ein Fenster, eine sogenannte Oberlichte, angebracht war. Leider ohne Verglasung. Das hatte ich in meinem Dusel übersehen. Aus dem Regen war Schneefall geworden und der Nordwind blies den Schnee auf meinen Kopf.

Ich musste raus hier, ich brauchte dringend Bewegung. Trotz der fatalen Situation musste ich lachen. Nie zuvor hatte ich so vor Kälte gezittert. Ich konnte dieses Zittern willentlich nicht abstellen, es ging nicht. In der ärgsten Not hat man manchmal die besten Ideen, so kam es, dass mir Antonia einfiel. Sie war Schwester Oberin in einem geistlich geführten Altersheim. Eigentlich hieß es „Senioren-Residenz“ und lag gleich neben der Weltkugel, einem denkmalartigen Gebilde hinter der Nationalbank. Schwester Antonia war in Sandlerkreisen dafür bekannt, dass man von ihr in größter Not etwas Kleidung bekam. Aber nur Kleidung oder Schuhe, niemals Geld.
Es war nie meine Sache gewesen, als Bettler durch die Lande zu ziehen, aber diesen Tag erklärte ich zur Ausnahme und stapfte bibbernd zur Pforte des Hauses. Ich musste mich erst etwas erwärmen, um vernünftig sprechen zu können, also wartete ich im Vorraum, bevor ich läutete. Im Haus war geschäftiger Betrieb, da öffnete sich die Tür und eine betagte Dame mit Pelzmantel erschien. Sie war offensichtlich eine Bewohnerin dieser Residenz, sah mich entgeistert an und rief:
„Um Gottes Willen, wie sehen Sie denn aus. Was ist Ihnen passiert?“

Ich grüßte erst höflich und erklärte dann, dass ich zu Schwester Antonia wolle, um dringend um ein paar Schuhe zu bitten. „Warten Sie hier, ich komme gleich wieder und bringe Ihnen, was Sie brauchen.“ Sagte es und verschwand so still, wie sie gekommen war. Nach ein paar Minuten kam sie mit einer Schachtel und entschuldigte sich: „Schwester Antonia ist krank, daher kann sie nicht kommen. Ich habe Ihnen Schuhe gebracht, sie sind von meinem verstorbenen Mann. Ich hoffe, sie passen. Es sind handgenähte und sicher sehr haltbar“. Es waren „Haferlschuhe“, wie sie zu Trachtenanzügen getragen wurden. Größe ´45´ lese ich, egal, ich schlüpfte hinein. Besser zu groß als zu klein. Mit Zeitungspapier ausgestopft und schon ist alles gut. „Danke vielmals, Sie haben mir sehr geholfen, gnädige Frau“, bedankte ich mich herzlich.

Während ich meine Schuhe wechselte, hatte mich die elegante Dame beobachtet und musste zu dem Schluss gekommen sein, dass ich ein anständiger Mensch sei. Sie zog ein Kuvert aus ihrer Handtasche, schaute mich nochmals prüfend an und sagte: „Eigentlich wollte ich heute in den Dom gehen und dem Pfarrer eine Kleinigkeit zur Unterstützung für die Bedürftigen seiner Gemeinde geben, aber ich habe mich entschlossen, Ihnen zu helfen. Bittesehr, nehmen Sie dieses Kuvert. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Auf Wiedersehen.“

Die Pfortentür fiel mit einem leisen Klick ins Schloss und ich stand da, etwas verschämt, weil ich zum Bettler geworden war. Ich war der edlen Dame sehr dankbar, nicht nur der Schuhe und des Kuverts wegen, nein, auch weil sie mich behandelt hatte, wie einen der ihren. Leise ging ich auf die menschenleere Straße. Erst jetzt wagte ich, das Kuvert zu öffnen und wäre fast aus den Schuhen gekippt. Eine echte „Blaumeise“ lachte mich an. Ein blanker Tausender. Ein Vermögen in meiner Situation. Am liebsten wäre ich zurück zur alten Dame, um mich noch einmal zu bedanken, aber ich wusste nicht einmal ihren Namen. „Was mach ich jetzt mit diesem unerwarteten Reichtum?“, fragte ich mich. „Du brauchst dringend etwas zu essen. Und rasieren musst du dich, das ist wichtig. Also auf zum Bahnhof, wo sonst ist an so einem Feiertag geöffnet?“, sagte ich zu mir selbst.

So schnell mich meine viel zu großen Schuhe trugen, eilte ich zum Hauptbahnhof. Erst Zigaretten kaufen, dann zum Rasierautomaten und in die Waschräume der Eisenbahner, das musste sein. Als Krönung stolzierte ich in die Restauration erster Klasse, in den Marmorsaal. Es waren noch wenige Gäste da, aber es wurde auch zu dieser frühen Zeit ein edles Fiakergulasch serviert. Ich bestellte ohne Hast erst einmal ein Bier, tat so, als müsste ich überlegen und nahm schließlich doch das Gulasch mit Serviettenknödel. Sogar Stoffservietten gab es zum Gedeck. So kann es weitergehen, dachte ich. Zufrieden schaute ich den Gästen beim Essen zu. Innerlich jubelte ich ihnen zu:
„Schaut her, ich bin jetzt wieder ein Mensch, einer von euch. Was heißt wieder, ich war immer einer, ihr habt mich nur nicht gesehen!“

 
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„Darf ich Sie was fragen?“
„Gerne, worum geht es?“ In mir keimte die Hoffnung, dass mich der Lennon-Verschnitt auf ein Bier einladen könnte.
[...]
„Schaut her, ich bin jetzt wieder ein Mensch, einer von euch. Was heißt wieder, ich war immer einer, ihr habt mich nur nicht gesehen!“

Hallo Franz,

das ist schon eine denkwürdige Geschichte, die immer noch aktuell bleibt auch in diesem wundersamen Europa, da es ein (Menschen)Recht auf ein Girokonto, nicht aber auf Obdach gibt.

Dass es zu Zeiten, da der Krümmungsbogen der Banane ordnungsrechtlich geregelt ist, aber niemandem ein warmes Plätzchen zugestanden werden muss und der öffentliche Haushalt die schwarze Null zum elften Gebot erhöht und den verfassten Sozialstaat im Sparwahn aushöhlt zum Wohle der Wohlhabenden in dem irrigen Glauben, gehe es denen gut, hätten alle etwas davon, da wirkt es wie ein Wunder, wenn einem "Taugenichts" ein Brosamen vom gedeckten Tisch zufällt.

Triviales, wobei es nicht gerade selten offensichtliche Flüchtigkeit ist

Ich stand am Bahnhofskiosk[,] als mich ein Mann, der wie ein Hippie aussah, ansprach:
(Komma, weil die vergleichende Konjunktion "als" einen vollständigen Satz einleitet. Auch die schwache Klammer lässt sich durch ein Minimum von Möbelrücken vermeiden: "als mich ein Mann ansprach, der ... aussah."

„Heute ist kein normaler Tag, heute ist Heiliger Abend. Wie werden Sie ihn verbringen?“[,] fragte er mich.
(Flüchtigkeit ... ansonsten klappt's nämlich mit dem Komma nach der wörtl. Rede, wie gleich im nächsten Beispiel in Sachen Zeichensetzung)
„Wie kann so etwas passieren? Wollen Sie mir darüber etwas erzählen?“, fragte er mich.
Statt Interesse an meinem Schicksal[,] sah ich nur blanke Neugier in seinen Augen.
Was danach geschieht[,] interessiert niemanden.“
– einer meiner Schuhe war im Begriff[,] sich aufzulösen.

... bescherte mir ein Fussbad.
Korrekt: „Fußbad“, gesprochen [‘fu:s‘ba:t], mit doppel-s statt ß (dass sich auf Deiner Tastatur findet (gleich schon beim „heißen Wasser“) [fuz‘ba:d] , da haben die Rechtschreibreformatoren mal was konsequent und sinnvoll geändert
Der Heilige Abend war kein guter Tag, auch nicht für den Würst[e]lmann.

..., ich musste irgendwo unterschlüpfen[,] um diese Nacht zu überstehen.
Mit mir allein gelassen, fing ich an, mich umzusehen in meinem Wartehäuschen.
Warum das Reflexivpronomen – Du kannst Dich gar nicht allein lassen, Du wirst von andern alleingelassen, im Stich gelassen, also korrekt „Allein gelassen, find ich an ...“ (und Komma vor der Infinitivgruppe nicht vergessen!, wenn sie von einem Substantiv anhängt, für das Pronomen stellvertretend stehen.)

Erst jetzt bemerkte ich, dass über meinem Kopf ein Fenster, eine sogenannte Oberlichte, angebracht war.
„Oberlichte“ - an sich Plural, wenn aber landschaftlich/dialektmäßige Abweichung oder gar Fachsprache, k. A., vllt.doch korrekt ...

Aus dem Regen war Schne[e]fall geworden und der Nordwind blie den Schnee auf meinen Kopf.

Ich musste mich erst etwas erwärmen[,] um vernünftig sprechen zu können,
Warten Sie hier, ich komme gleich wieder und bringe Ihnen[,] was ie brauchen.“
„Danke vielmals, ie haben mir sehr geholfen, gnädige Frau“, bedank[t]e ich mich herzlich.

Gut und schön, mal wieder was von Dir gehört, pardon, gelesen zu haben, meint der

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende und - sollten wir uns in den nächsten Tagen nicht noch ml begegnen: Schöne Tage diese Tage!

 

Servus Friedel,

du erinnerst mich so sehr an meinen ehemaligen Lehrer für Deutsch und Geschichte. Nicht wegen der Äußerlichkeiten, die du selbst einmal beschrieben hast, als Meckifrisur oder Gesichtsmatte - nein - ich meine die Art, wie Herr Lackner (so hieß dieser Unvergessene), uns barfüßigen, steirischen Hochdeutschverweigerern in mühsamer Kleinarbeit versuchte, die deutsche Sprache in die leeren Hirnschalen von uns Rotzbuben zu verpflanzen.
Mit eher durchschnittlichem Erfolg, wie meine Kritiker meinen. Aber das ist nicht der Punkt.
Zeichensetzung und wie heißt das jetzt gleich? … Konjunktion und Reflexpronomen vor der Infinitivgruppe … mein Gott, ich seh´ mich um sechzig Jahre zurückversetzt. Das wäre an sich ja eine schöne Sache, wäre da nicht diese zeitraubende Schule …

Jedenfalls habe ich allen Grund, mich zu bedanken für deine freundliche Korrektur. Du hast natürlich erkannt, um was es mir geht, in dieser Geschichte eines trivialen „Taugenichts“, aber nicht nach Eichendorf, sondern schon eher nach bürgerlicher „Wegschau-Tradition“. Ja, es geht mir auch ein bisschen um Sozialkritik in diesen Tagen. Auch wenn diese, meine Geschichte in den 70ern des vorigen Jahrhunderts spielt. Es hat sich nichts geändert. Es ist kalt geblieben im Lande.

Auch dir schöne Tage!
Franz

 

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