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Der Fee

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Monster-WG
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15.07.2004
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Der Fee

Es gab so ungeheuer vieles, was die Schwestern Ete und Petete aus tiefstem Herzen verabscheuten. Spielende Kinder zum Beispiel. Oder kalte Füße. Gedichte ohne Reime. Katzenbabys. Fußballweltmeisterschaften. Hart gekochte Eier. Weich gekochte Eier. Ausländer. Den Monat Oktober. Rosarote Brillen. Und, und, und ...
Genaugenommen fanden sie eigentlich an nichts und niemandem wirklichen Gefallen. An allem hatten sie etwas auszusetzen. Keiner konnte es ihnen recht machen.
Und genauso mochten sie es am allerliebsten.

So war es wenig verwunderlich, dass die Schwestern an jenem Donnerstagnachmittag, an dem das denkwürdige Ereignis geschah, sich gerade inmitten einer ihrer alltäglichen Kaffeetisch-Nörgeleien befanden.
„Ich finde ja Streusel auf einem Streuselkuchen absolut grauenvoll“, sagte Ete mit gerümpfter Nase, während sie sich angewidert das dritte Stückchen auf ihren Teller schob.
„Entsetzlich!“, pflichtete ihr Petete mit vollem Mund bei. „Wer kommt nur auf solch eine absurde Idee? Wo das Auge doch bekanntlich mitisst.“
„Es sieht einfach so schrecklich unordentlich aus“, beklagte sich Ete. „Wir haben bestimmt ...“
... den schlampigsten Bäcker der Welt, hatte sie sagen wollen. Tat sie aber nicht. Stattdessen fing sie laut an zu kreischen und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die gewaltige Porzellanschüssel, die randvoll mit Sahne gefüllt war.
In dem geschlagenen Rahm stand in ungelenken Großbuchstaben eine Nachricht.
WÜNSCHT EUCH WAS!
Bevor die Schwestern wussten, wie ihnen geschah, tauchte neben dem Ausrufezeichen ein Kopf auf.
Jetzt kreischte auch Petete. Wenn es etwas gab, was sie partout nicht dulden konnte, waren es Körperteile in Lebensmitteln. Auch wenn es zugebenermaßen nur ein sehr kleiner Kopf war, der dort aus der Sahne lugte. Nicht größer als der Daumennagel eines Erwachsenen.
„Oh mein Gott!“, schrie Ete. „Was ist das?“
„Eine Salmonelle“, posaunte Petete panisch. „Und zweifelsohne eine mutierte.“ Sie war früher Lehrerin gewesen und hatte auf alles eine Antwort. Auch dann, wenn sie keine wusste.
„Bitte, nur das nicht!“, greinte Ete, die als Versicherungsvertreterin gearbeitet und von Salmonellen nicht die geringste Ahnung hatte.
Beide Schwestern waren nun den Tränen nahe.
„Keine Panik, bitte!“, sagte der Kopf und plötzlich wühlten sich aus der Sahne zwei Hände, die beschwichtigend winkten. „Sie irren sich, meine Damen. Ich bin keineswegs eine Salmonelle.“ Während dieser Beteuerung tauchte auch der restliche Körper aus der weißen Köstlichkeit auf und zog sich mit Hilfe eines in der Sahne steckenden Kaffeelöffels gänzlich aus der Schüssel heraus, um sich dann ungelenk über den Rand des Gefäßes zu wuchten.
Ete und Petete starrten entgeistert auf die winzigen Fußabdrücke, die sich nun auf der gestärkten Tischdecke deutlich abzeichneten.

Vor ihnen stand ein kleines, ziemlich dickes Männlein, das eine zerrissene Jeans und ein fleckiges Feinrippunterhemd trug. An seinem Rücken baumelten zwei albern wirkende Flügel, von denen noch die Sahne tropfte.
Würdevoll stellte es sich vor den Frauen in Positur.
„Ich bin ein Fee“, sagte es mit Reibeisenstimme und setzte sein breitestes Lächeln auf.
Die Schwestern lächelten nicht.
Eine Fee“, korrigierte Petete und tastete automatisch ihre Rocktasche nach einem Rotstift ab.
„Und eine Fee sollte entzückend sein. Bist du aber nicht“, entfuhr es Ete. „Du bist das Gegenteil von entzückend. Du bist ekelhaft.“
Der Fee verzog sein Gesicht zu einer beleidigten Grimasse.
„Ich gebe zu, dass es viel mehr weibliche Feen gibt und diese mit Sicherheit viel, viel bekannter sind als unsereins und meinetwegen auch viel, viel, viel entzückender aussehen, aber...“, er stoppte, um belehrend einen Finger in die Höhe zu recken, „... aber es gibt halt auch Kerle, die Feen sind. Und dann heißt es logischerweise der Fee.“
„Ich habe aber noch nie von einer männlichen Fee gehört“, erwiderte Petete, die nichts weniger ausstehen konnte, als unrecht zu haben.
Der Fee ließ betrübt die Schultern hängen. „Wir sind sehr selten“, gab er zu. „Von uns gibt es nur drei Stück. Eigentlich ... denn Marvin ist in Elternzeit. Und Rodrigo wurde gerade von der Arbeit freigestellt, weil er einem merkwürdigen Mann in Amerika geholfen hat, Präsident zu werden.“ Er seufzte voller Mitgefühl. „Als ob der arme Kerl eine Wahl gehabt hätte. Wunsch ist eben Wunsch. Und nun bin halt nur noch ich da. Und ich ... na ja ... ich bin jetzt hier.“ Man sah ihm deutlich an, wie unglücklich er darüber war.
„Und wieso ausgerechnet bei uns?“, fragte Petete.
Der Fee zuckte mit den Achseln. „Das entscheide ich nicht. Ich bekomme einfach nur einen Anruf von der Zentrale, und die sagen mir dann, wo ich die Wünsche erfüllen soll. Das kann überall sein.“
„Diesmal ist es offenbar in unserer Sahneschüssel!“, sagte Ete vorwurfsvoll.
„Jetzt ja nicht mehr“, verteidigte sich der Fee. „Und außerdem war das mit der Schrift in der Sahne ja wohl voll krass. Ein Mordseffekt. Hab ich mir selbst einfallen lassen. Ist übrigens eine Weltpremiere! Das wird in der Zauberwelt einschlagen wie eine Bombe. Vor allem die Dämonen werden vor Neid ganz gelb werden. Wenn ich denen davon erzähle, machen die das sofort nach. Jede Wette.“ Der kleine Mann sah aus, als würde er gleich vor Stolz platzen.
„Mit Essen spielt man nicht“, entgegnete Petete kühl.

Der Fee rollte mit den Augen und rang sichtbar nach Fassung. „Vielleicht wäre es für uns alle das Beste, wenn wir jetzt einfach zur Sache kämen.“
Die Schwestern blinzelten zustimmend.
„Das heißt, wir können uns also was wünschen?“, erkundigte sich Ete. Ihre Augen glitzerten gierig.
Der Fee nickte nur.
„Wie viele Wünsche haben wir?“, fragte Petete beiläufig. „Vierzig?“
Der Fee verschluckte sich. „Drei“, keuchte er, als er wieder frei atmen konnte. „Drei ist der Standard. Es sind immer nur drei.“
„Ziemlich knickrig“, befand Ete. „Ist ja hier wie bei armen Leuten. Also ehrlich gesagt: Das lohnt sich ja kaum. Schade um die Zeit.“
„Wollt ihr euch jetzt was wünschen, oder nicht?“, blaffte der Fee. „Ich habe nämlich noch andere Termine.“
Ete zeigte auf die Tischdecke. „Die Flecken müssen weg. Sofort!“
Der Fee riss ungläubig die Augen auf. „Das ist euer erster Wunsch?“
Petete nickte. „Ordnung muss sein! Und wir hätten dir die Reinigung so oder so in Rechnung gestellt.“
Der Fee blies seine Wangen auf und atmete dann hörbar aus.
„Meinetwegen!“, sagte er. „Wie bereits erwähnt: Wunsch ist Wunsch! Und ich bin ein Profi. Also ...“ Er stellte sich wie eine Ballerina auf die Zehenspitzen, reckte die Arme in die Höhe und begann sich zu drehen. Dabei rutschte das Unterhemd in die Höhe, so dass die Schwestern einen kurzen Blick auf das Steißbein des Fees erhaschen konnten. Sie sahen ein windschiefes Herz, das den Namen Tinkerbell umschloss.
„Ist das ein Tattoo?“, entfuhr es Ete entsetzt.
Der Fee hielt mit hochrotem Kopf mitten in der Bewegung inne. „Eine Jugendsünde!“, murmelte er. Hastig stopfte er das Hemd zurück in die Hose.
„Die Tischdecke ist übrigens immer noch dreckig“, stellte Petete fest.
„Dann lasst mich halt mal meine Arbeit machen“, schnaubte der Fee ärgerlich und begann erneut mit seinem sonderlichen Tanz.
„Moment!“, unterbrach Ete. „Ist das auch sicher? Dieses Zaubern, meine ich? Jetzt kommt kein Blitz oder Feuerball oder irgendetwas anderes Abartiges, was uns die ganze Wohnung abfackelt? Gegen Zauberschäden sind wie nämlich nicht versichert.“
Nun war es der Fee, der den Tränen nahe schien. „Alles völlig ungefährlich. Wir sind TÜV-zertifiziert“, versicherte er. „Und wenn ich jetzt bitte endlich weitermachen könnte?“
Petete nickte gnädig.

Beim dritten Versuch klappte alles. Der Fee dreht sich mehrmals um die eigene Achse, warf zu Etes und Petetes Verdruss eine Priese Glitzerstaub in die Luft und versicherte dann mit treuherziger Miene, dass die Zauberei nun einmal ohne nicht funktioniere. Die Schwestern glaubten ihm zwar kein Wort, aber immerhin war danach die Tischdecke wieder fleckenfrei, wie beide widerwillig zugeben mussten. Und das Haus war auch nicht abgebrannt.
„So!“, sagte der Fee stolz. „Wie neu! Nächster Wunsch!“
„Der Glitzerstaub!“, sagte Ete und zeigte auf die kümmerlichen Reste des magischen Mittels, das der Fee gerade eingesetzt hatte. „Weg damit! Sofort!“
Der Fee schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Aber das sind doch nur ein paar Krümel. Nicht der Rede wert. Dafür verschwendet man doch keinen wertvollen Wunsch.“
Petete verzog streng das Gesicht. „So fängt es immer an. Jetzt mögen es nur ein paar Krümel sein. Und morgen liegt hier dann ein ganzer Strand. Wehret den Anfängen, sage ich immer. Wehret den Anfängen!“
Der Fee sprach mit einem Mal sehr, sehr leise. „Natürlich kann ich das wegzaubern. Aber ihr wisst schon, dass ich dafür noch mehr magischen Glitzerstaub brauche, oder? Und am Ende ist der alte Staub verschwunden, dafür aber neuer da.“ Die Augenlider des Fees hatten nervös zu zucken begonnen. „Und den wünscht ihr euch dann auch wieder weg, oder was?“
Ete machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nein, das kann man dann wegsaugen!“
„Aber warum lasst ihr dann nicht einfach den alten ...“ fragte der Fee.
„Aus Prinzip!“, antwortete Petete.
Dem Fee lief eine Träne die Wange hinunter, als er den zweiten Wunsch erfüllte.
„Fertig“, sagte er schließlich. Aber es war keine Freude mehr in seiner Stimme.
Ete ließ ihren Blick prüfend über den Tisch gleiten. Ihre Lippen verzogen sich zu einem sehr schmalen Strich.
„Alles in Ordnung?“, fragte der Fee und schaute sich besorgt um, ob er irgendetwas falsch gemacht hatte.
„Ja. Sie lächelt nur“, erklärte Petete.
„Ich muss zugeben, dass dieser Glitzerstaub irgendwie frischer aussieht als der davor. Ich freue mich schon darauf, ihn wegzusaugen“, sagte Ete.
Der Fee sah mit einem Mal unendlich müde aus. „Okay. Was ist als Letztes dran. Eine verkalkte Dusche? Ein fettiger Herd? Ein verstopftes Klo?“
Die beiden Schwestern blickten sich an. Jetzt lächelte auch Petete. Der Anblick jagte dem Fee einen kalten Schauer über den Rücken. Die Frauen sahen zum Fürchten aus.
„Alles weg, was wir nicht mögen!“, sagten sie dann wie aus einem Munde.

Dem geflügelten Männlein war deutlich anzumerken, dass es nur Bahnhof verstand. „Alles was?“, fragt es.
„Alles weg, was wir nicht mögen!“, echoten Ete und Petete mit Nachdruck.
„Könntet ihr das vielleicht ein kleines bisschen deutlicher umschreiben“, platzte es aus dem Fee heraus. „Was meint ihr damit? Alles weg, was ihr nicht mögt! Das ist ein bisschen unkonkret. Ich bräuchte das schon ein wenig genauer. Also ehrlich, so kann ich nicht arbeiten.“
Die Schwestern verzogen keine Miene.
„Was ist daran nicht zu kapieren?“, fragte Ete.
„Wir wollen einfach, dass all die Dinge und Menschen verschwinden, die uns nicht gefallen“, erklärte Petete im Plauderton. „Wir mögen sie nicht. Wir brauchen sie nicht. Wir wollen sie nicht. Also Schlussstrich drunter und weg damit.“
Der Fee begann zu schwitzen. „Das klingt ein klitzekleines bisschen zu extrem, wenn ihr mich fragt“.
„Wir fragen dich aber nicht“, sagte Ete ungerührt. „Und du hast es doch selber gesagt: Wunsch ist Wunsch.“ Sie klang jetzt wie ein Brigadegeneral, der seine Truppe in den Krieg führte.
„Und ich dachte wirklich, Rodrigo wäre die ärmste Sau von uns“, murmelte der Fee kaum hörbar. Dann straffte er die Schultern und blickte den Schwestern geradewegs in ihre Gesichter. „Aber Sie haben recht, meine Damen. Wunsch ist Wunsch.“
Und einmal mehr vollführte er seinen albernen Tanz, in dem er sich auf Zehenspitzen um die eigene Achse drehte und Glitzerstaub um sich warf. „Fertig!“, sagte er schließlich schwer atmend.
Die Schwestern blickten sich kritisch um.
„Also ich sehe hier noch so einiges, was mir nicht gefällt“, sagte Ete schnippisch. „Mir geht es ganz genauso“, pflichtete ihr Petete bei. Beide fixierten den Fee. „Eine ganze Menge sogar.“

In diesem Moment begann der Zauber zu wirken. Fast alles in dem Raum schien plötzlich zu wabern und auf merkwürdige Weise durchsichtig zu werden.
Als erstes bemerkten sie es bei dem Sofa.
„Ha!“, rief Ete triumphierend. „Das olle Ding habe ich noch nie leiden können. Jetzt bekommt es endlich, was es verdient. Stirb, Sofa! Stirb!“
„Warum habt ihr euch dann nicht einfach ein anderes gekauft?“, fragte der Fee, aber niemand beachtete ihn. Die beiden Schwestern waren viel zu begeistert, der Erfüllung ihres dritten und letzten Wunsches beizuwohnen.
„Hurra!“, jubelte Petete, als sich vor ihren Augen langsam, aber stetig das große Ölgemälde mit den röhrenden Hirschen auflöste, das über dem Klavier hing, welches ebenfalls Stück für Stück verschwand. „Wunderbar. So sparen wir uns das Geld für den Sperrmüll. Fürchterlicher Kram, das alles! Weg damit!“
Bald ähnelte das Zimmer einer Bleistiftzeichnung, die niemals Farbe gesehen hatte. Nur eine Flasche Möbelpolitur stand vollkommen unversehrt in einem der immer durchsichtiger werdenden Schränke.
„Gegen Möbelpolitur ist nicht das Geringste einzuwenden“, rief Ete. „Möbelpolitur kann gerne bleiben.“
„Man kann damit so wunderbar streifenfrei Kommoden reinigen“, erklärte Petete, immer noch ganz Lehrerin.
„Aber nicht mehr lange“, sagte der Fee und nickte in die Richtung der Schwestern. „Zumindest ihr beiden nicht.“
Mit Schrecken gewahrten die Frauen, dass auch sie mehr und mehr zu verblassen drohten.
„Wir lösen uns auf“, staunte Ete.
„Aber warum?“, fragte Petete.
Der Fee wiegte wissend den Kopf. „Es scheint so, als könntet ihr euch nicht einmal selber leiden.“
„Wenigstens nehmen wir dich mit!“, entgegnete Ete giftig. Und das stimmte. Auch der Fee war nur noch ein Schatten seiner selbst.
„Ich möchte hiermit den Wunsch wieder rückgängig machen“, meldete sich Petete zu Wort. „So war das nicht geplant. Die anderen sollten verschwinden – nicht wir.“
„Wir machen Gebrauch von unserem Rückwunschrecht!“, schrie Ete schrill.
Der Fee lachte bitter. „Das funktioniert leider nicht. Ich sage es zum letzten Mal: Wunsch ist Wunsch. So lautet nun einmal die Regel.“
„Regeln werden überschätzt“, behauptete Ete. Petete sprang sofort darauf an. „Regeln sind für Spießer! Richtig und falsch sind doch total bürgerliche Kategorien.“
Beide sahen inzwischen aus wie zwei durchsichtige Gespenster. Vielleicht noch ein, zwei Minuten, dann würden sie für immer verschwunden sein.
„Ich hasse übrigens Möbelpolitur“, zischte Ete in ihrer Verzweiflung. In solch einem existenziellen Moment war kein Platz mehr für Selbstbetrug. Sofort begann auch diese Flasche zu verschwimmen.
Mit einem Mal umspielte ein kleines, fieses Grinsen die Lippen des Feen.
„Vielleicht gibt es doch eine winzige Möglichkeit, das Ganze noch aufzuhalten.“
„Was? Wie? Warum?“, wisperten die Schwestern im Chor. Ihre Stimmen wurden immer leiser.
„Nun, eigentlich darf ich es ja nicht verraten, aber ...“, der Fee hob verschwörerisch eine Augenbraue, „... nun seit dieser dummen Sache mit dem amerikanischen Präsidenten ... also damit so etwas nicht mehr vorkommt ... hat die Wunschzentrale in ganz besonders außerordentlich dramatischen Ausnahmesituationen ...“ Er hielt inne.
„So rede doch weiter um Himmels Willen“, flüsterte Ete. Sie und ihre Schwester waren nun fast nicht mehr zu sehen.
„Also in ganz besonders außerordentlich dramatischen Ausnahmesituationen bin ich befugt, einen vierten Wunsch zu gewähren.“ Der Fee blickte auf seine Hände, die sich bestenfalls noch erahnen ließen. „Ich glaube, das hier ist so ein Fall.“
„Und das sagst du erst jetzt?“ Petetes Stimme war nicht mehr als ein Hauch. „Ich wünsche ...“ Der Rest ging in einem unverständlichen Genuschel unter.
Der Fee nickte. „Schon klar!“
Dann begann er zu tanzen.
Und als die Formen, die Farben zurückkamen und schließlich die ganze Welt wieder Gestalt annahm, war der Fee verschwunden.

„Ich kann ihn nicht ausstehen“, sagte Ete eine Viertelstunde später, als sie sich einigermaßen von dem Schreck erholt hatte. Beide Schwestern saßen auf dem verhassten Sofa und waren immer noch furchtbar bleich um die Nase. „Was für ein schreckliches Geschöpf dieser Fee doch war.“
„Immerhin hat er Wort gehalten“, erwiderte Petete. „Es ist alles so wie vorher. Sogar seine Fußabdrücke sind wieder auf der Tischdecke.“
Ete schüttelte ungehalten den Kopf. „Ein Betrüger war das. Ein Taugenichts. Nicht wert, dass man weiter an ihn denkt. Wir sollten das alles so schnell wie möglich vergessen.“ Mit einem Seufzer stand sie auf. „Noch ein Stück von diesem entsetzlichen Streuselkuchen zur Beruhigung?“
Petete antwortete nicht. Mit schreckensbleicher Miene zeigte sie auf die Sahneschüssel.
DAS ENDE IST NAHE, stand dort in blutroten Buchstaben. Außerdem roch es nach Schwefel.
„Jetzt reicht es!“, sagte Ete und ballte die Hände zu Fäusten. „Du spülst den Kram augenblicklich die Toilette runter. Und das nächste Mal holen wir statt Sahne Eierlikör. Auch wenn ich dieses süße Zeug auf den Tod nicht ausstehen kann.“

 

Hallo svg,

wie soll ich es sagen? Eigentlich liebe ich Geschichten mit Tiefgang und Nachhall, so wie ich ernsthafte Gespräche mit Freunden mehr als nur schätze.
Aber manchmal möchte man einfach nur albern sein und aufgedreht und "sinnlosen" Spaß haben, weil man eben auch manchmal einfach eine Auszeit von all dem braucht.

Während die einen dann lange schlafen, manch einer sich die Birne zusäuft, gibt es auch noch eine andere Gelegenheit, nämlich so etwas wie deine herrlich durchgeknallte Geschichte zu lesen.

Ein echter Hochgenuss an Erholung von all den ernsten und total wichtigen Dingen des Lebens.

Ich wünschte, es gäbe viel, viel, viel, viel mehr solche Geschichten, Romane und Filme von dieser Sorte.
Ich finde nämlich, es wird viel zu wenig gelacht in diesen wüsten Zeiten, die geradezu dazu angetan sind, dass einem das Lachen vergeht.

Was für ein Glück dich hier zu haben!

Ich hatte bei jeder deiner Zeilen das Gefühl, dass dir während du mit der Geschichte loslegtest, jede Menge Ideen zuflogen, sogar mehr als du unterbringen konntest.
Irgendwie blitzt die Lust, die du garantiert beim Schreiben hattest, in dem Text an vielen Stellen hervor und steckt an.

So beiläufig erwähnte Dinge, wie hart UND weich gekochte Eier, mit gerümpfter Nase das dritte Kuchenstückchen, früher Lehrerin gewesen, Feinrippunterhemd, nach dem Rotstift tastend, ein Fee in Elternzeit, einer, der in den USA geholfen hat, den Präsidenten zu wählen, ein Tattoo namens Tinkerbell, Versicherung gegen Zauberschäden, ein TÜV-zertifizierter Fee, verkalkte Dusche, Möbelpolitur, Rückwunschrecht, Regeln werden überschätzt, Das Ende ist nahe, das waren alles so kleine Lesefreuden. Ich mag die ironischen Ansätze darin sehr.

Eine klassische Gutelaunegeschichte.

Der Titel ist prima, man sieht, dass du garantiert nicht "die" schreiben wolltest, weil solch ein Fehler unterläuft einem nicht, er wäre ansonsten sofort getilgt worden. "Der Fee" beschreibt das Thema, das einen dann ja auch nicht enttäuscht und "Der Fee" macht neugierig.

Das Challengethema ist auch erfüllt, auch wenn das "Wünscht euch was" natürlich nur der Aufhänger für die wunderbare Wunschschlacht der beiden Schrullen ist.

Ansonsten hab ich nur bei dem Begriff "Schmand" etwas anzumerken. Schmand ist zwar auch aus fettreicher Milch, aber eben wirklich keine Sahne. Wie wäre es, um Wortdoppelungen zu vermeiden, wenn du einerseits geschlagener Rahm und andererseits Sahne benutzt?


Gut, dass diese Geschichte in den Empfehlungen gelandet ist!

Lieben Gruß

lakita

 
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rieger: ja, das passt schon ;)
Kanji: sollte es jemals eine Fortsetzung geben, denke ich darübe nach
lakita
im ganzen Nachweihnachts und Vorneujahrsstress habe ich gar nicht gesehen, dass du mir so einen netten Kommentar geschrieben hast, dafür vielen, vielen Dank. Die Freude meinerseits darüber ist wirklich groß!

Was für ein Glück dich hier zu haben!
Da bin ich ernsthaft errötet. Danke! :shy:

So beiläufig erwähnte Dinge, wie hart UND weich gekochte Eier, mit gerümpfter Nase das dritte Kuchenstückchen, früher Lehrerin gewesen, Feinrippunterhemd, nach dem Rotstift tastend, ein Fee in Elternzeit, einer, der in den USA geholfen hat, den Präsidenten zu wählen, ein Tattoo namens Tinkerbell, Versicherung gegen Zauberschäden, ein TÜV-zertifizierter Fee, verkalkte Dusche, Möbelpolitur, Rückwunschrecht, Regeln werden überschätzt, Das Ende ist nahe, das waren alles so kleine Lesefreuden. Ich mag die ironischen Ansätze darin sehr.
So nett zusammengefasst macht mir meine Geschichte selber auch noch mal richtig Spaß :)

Ansonsten hab ich nur bei dem Begriff "Schmand" etwas anzumerken. Schmand ist zwar auch aus fettreicher Milch, aber eben wirklich keine Sahne. Wie wäre es, um Wortdoppelungen zu vermeiden, wenn du einerseits geschlagener Rahm und andererseits Sahne benutzt?
Du hast Recht und ich werde das gleich ändern. Schmand war eine Notlösung, um die Doppelung zu vermeinden, aber so ist es wesentlich besser.

Danke für deine Zeit und die wirklich netten Worte.
LG svg

 
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Hallo svg,

ich werde deine wunderbare Spaß-Geschichte mit einer Prise Tiefgang ausdrucken und beim Thema 'Glück und Unglück' im Ethikunterricht an meine Schüler verfüttern. Sooo schöne für Überlegungen zum 'Sich-selbst-unglücklich-Machen', denn das wird man auch mal von mir sagen können:

Sie war früher Lehrerin gewesen und hatte auf alles eine Antwort.
Und natürlich, um einfach ein bisschen zu lachen. Selbst die bei einigen Kindern aufkommenden Trump-Panikattacken lassen sich nebenbei nebenwirkungsarm mildern. Danke :-)!

Und sonnige Grüße,

Eva

 
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Liebe Eva Luise Groh,

sorry für die späte Antwort, ich habe sie erst heute gesehen, mich aber umso mehr darüber gefreut. Es ist mir eine Ehre, wenn die kleine Geschichte in deinem Schulunterricht Eingang findet.

Und überhaupt: So nette Kommentare, wenn man gar nicht mehr damit rechnet, sind fast die besten ;) ...

Und ich möchte noch ausdrücklich betonen: Zwei der Menschen, die mich nachhaltig mit am meisten geprägt haben, waren Lehrer. ;) :)

 

Hallo SVG,

So nette Kommentare, wenn man gar nicht mehr damit rechnet, sind fast die besten
Dann kommt hier ein weiterer der besten.
Auch diese Geschichte habe ich bereits 2016 gelesen. Und ich habe mich köstlich amüsiert. Was für tolle Ideen, allen voran die Namen. Ete und Petete- herrlich. Und dann noch der Fee. Zusammen wirklich genial. Ich sage mal die Idee ist keine neue, aber du hast das so wunderbar spritzig geschrieben, dass es eine (schaden)Freude ist.
Allein das Tänz hen des Fees, wunderbar.
Sehr gern gelesen.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

vielen Dank für deine netten Worte, die ich schon längst gelesen hatte, aber aus Zeitgründen noch nicht beantwortet habe. Sorry dafür, ich freue mich deswegen aber nicht weniger über das nette Lob.
Übrigens - ernst gemeinten Respekt fürs Lesen aller Jahres-Nominierten - hatte ich mir auch vorgenommen, bin aber (auch hie raus Zeitgründen) grandios dran gescheitert. Ich habe genau zwei zu lesen geschafft ;)...
Danke nochmal und LG.
svg

 

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