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Mick Gärtner drückte ab

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18.10.2016
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Mick Gärtner drückte ab

Es war noch nicht einmal ganz hell. Mit müde verschwollenen Augen ging ich durch den Montagmorgen und zog meine Kapuze gegen den Nieselregen tief ins Gesicht. Aus der Bäckerei gegenüber wehte mich warmer Brotduft an. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, noch bevor mein Hirn ihm zuflüstern konnte, dass die Brötchen immer pappig schmeckten. Ohnehin wollte ich nur Teil dieses Arbeitstages werden, hin und wieder zurück.

Fast wäre ich daran vorbeigelaufen. Auf meinem Rückweg am Abend hätte ich es nicht mehr gesehen. Selbst jetzt war es nur noch schwach zu erkennen.
Aber noch stand es. Ich weiß gar nicht, warum es mir so auffiel. Vielleicht, weil es neu war. Auf jeden Fall blieb ich stehen, plötzlich neugierig und hellwach, und betrachtete die dünnen Kreideworte an der Friedhofsmauer.

„Mick Gärtner drückte ab.“

Ich trat einen Schritt zurück. Grübelte. Warf meine Gedanken gegen den Beton und fegte sie wieder zusammen. Wer war Mick Gärtner? Gegen wen hatte er eine Waffe gerichtet und warum? Und wer hatte diesem Schicksalsmoment hier auf der Friedhofsmauer gedacht? Fragen huschten wie Spinnen durch meinen Kopf und spannen wirre Gedankennetze.
Es regnete inzwischen stärker und die Tropfen nahmen den Kreidestaub mit sich. Aber ich hatte keine Zeit, dem Gedanken an Mick Gärtner beim Sterben zuzusehen. Niedergeschlagen ließ ich den Kopf sinken und trollte mich zur Arbeit.

Das Stückchen Himmel vor meinem Bürofenster war grau wie immer, doch meine Gedanken wirbelten knallbunt um Mick Gärtner, der eine Waffe in der Hand hielt und davon Gebrauch machte.
Weder im Internet noch in der Zeitung hatte ich Berichte gefunden, die mit Mick Gärtner in Verbindung gebracht werden konnten. Bis zur Mittagspause liefen sie wie ein Hamsterrad in meinem Kopf herum. Von meinem Tisch aus sah ich Meike Ammerberg die Kantine betreten. Zwischen den Büroräumen lächelten wir uns manchmal zu, doch ich hatte mich nie getraut, sie anzusprechen.
Vielleicht waren Mick Gärtner und sein mir unbekanntes Schicksal der Grund, dass ich jetzt meinen Arm von der Gabel löste und ihn wie eine Lotsenflagge in ihre Richtung schwenkte. Tatsächlich stutzte sie und sah zu mir herüber. Rückte stückchenweise näher. Eine dünne Blondine mit Himmelfahrtsnase und einem Hang zum Erröten.

Nun stand sie vor mir. Ein wenig heiser bat ich: „Setzt du dich zu mir?“

"Eigentlich wollte ich nur kurz ..." Sie räusperte sich. Ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber sinken. Errötete. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte sie. „Du wirkst so abwesend.“

Ich nickte. „Kennst du jemanden mit dem Namen Mick Gärtner?“

Sie schüttelte den Kopf. „Wer soll das sein?“

„Ein Gangster. Ein verzweifelter Familienvater." Meine Stimme war zu laut. Einige Köpfe drehten sich zu uns herum. "Ich weiß es einfach nicht!"

Sie lächelte unsicher. „Verstehe.“ Rückte auf ihrem Stuhl herum.

Ich wollte nicht leichtfertig aufgeben. „Der Name stand heute Morgen an der Friedhofsmauer. ‚Mick Gärtner drückte ab‘.“

"Wo?" Meike fuhr mit der Hand über den Tisch. „An der Friedhofsmauer?“

"Stell' dir vor, es wäre eine Botschaft!" Ich lehnte mich weiter zu ihr hinüber. "Eine Nachricht an alle, die dort vorbeikommen und verstehen. Die Tat einer geheimen Schreibguerilla!"

Vorsichtig hob sie ihre schmalen Schultern. "Wer sollte das sein?"

"Keine Ahnung." Ich runzelte die Stirn. "Irgendwelche Leute, die wollen, dass man sich mit Kreideworten an einer Mauer beschäftigt."

"Und du überlegst jetzt, was es mit Mick Gärtner auf sich hat?"

Ich atmete auf. "Genau! Was trieb Mick Gärtner dazu, abzudrücken?"

"Vielleicht hatte er es einfach satt?"

Erstaunt hob ich die Augenbrauen. "Wer? Was satt?"

„Mick Gärtner.“ Ihr schmaler Rücken versteifte sich. "Vielleicht hatte Mick Gärtner sein ganzes Leben einfach satt. Seinen Alltag im Büro. Das Alleinsein zwischen den Menschen." Tränen waren ihr in die Augen gestiegen.

Ihre heftige Reaktion verblüffte mich. „Und deshalb drückte Mick Gärtner ab? So eine Art Amoklauf?“

„Genau! Eine Kurzschlusshandlung!“ Sie nickte mir zu. Ihre Augen funkelten und der rötliche Schimmer auf ihrem Gesicht vertiefte sich. "Ich kann dir seine Geschichte erzählen!"

Verblüfft zwinkerte ich sie an, doch Meike redete schon weiter. „Es war noch nicht einmal ganz hell, als Mick Gärtner wie jeden Morgen mit dem Bus zur Arbeit fuhr. Von außen tröpfelte der Nieselregen gegen die großen Scheiben, von innen das Schweigen der über ihre Handys gebeugten Menschen. Mick hatte nicht gut geschlafen und sah mit müde verschwollenen Augen um sich.“

Ich wollte etwas einwerfen, doch sie ließ mich nicht zu Wort kommen.

„Eine junge Frau mit Kopftuch stieg ein, hochschwanger. Mick Gärtner beobachtete, wie eine ältere Dame hastig ihre Handtasche auf den einzigen freien Platz neben sich legte. Zwei junge Männer begannen, sich lautstark über ein Mädchen zu unterhalten, mit der sie beide auf der letzten Party ihren Spaß hatten.“

Sie grinste, fletschte bösartig ihre Zähne. „Mick versuchte, seine Ohren zu verschließen. Aber ihre Worte krabbelten wie Obstfliegen in seinen Kopf und lösten dort einen vertrauten Schmerz aus.“

"Einen vertrauten Schmerz?" Mir stand der Mund offen.

Wieder nickte sie. "Mick hatte sich immer aus allem heraushalten können. Hatte nie Ärger gemacht. War seiner Arbeit nachgegangen, obwohl er sie langweilig fand. Goss die Blumen seiner Nachbarn, wenn diese im Urlaub waren, obwohl er die Leute nicht ausstehen konnte. Doch während er so still seinen Weg durchs Leben ging, wuchs der Schmerz in ihm. Wie ein fauler Zahn pochte er zuerst nur ganz leise an, vertiefte sich, verschwand fast ganz und kam dann in immer kürzeren Abständen mit immer größerer Wucht zurück." Sie hob ihre Stimme. "Mick versuchte noch, ihn zurückzudrängen, doch es war zu spät: Der Schmerz überspülte ihn wie eine Tsunamiwelle."

"Ich nehme an, es war ein Montagmorgen?", fragte ich mit trockenem Mund. "Dort im Bus, meine ich."

Sie hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen. "So ist es. Ein grauer, kalter Montagmorgen", fuhr sie fort. "Mick starrte die alte Frau an. Er hörte die Stimmen der beiden Männer und wusste, dass er den Schmerz keinen Moment länger ertragen konnte." Langsam schraubte sich Meike aus dem Kantinenstuhl. „Er stand auf.“

Unbewusst hatte ich mich mit ihr erhoben und beobachtete mit großen Augen, wie ihre rechte Hand hinter ihren Rücken fuhr.

Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. „Mick hatte mit der Waffe niemals auf einen anderen Menschen als sich selbst schießen wollen. Er war sogar ein wenig erstaunt, als er ihren kühlen Griff in seiner Hand spürte.“

Wieder dieses Raubtierlächeln. War das überhaupt Meike Ammerberg?

Mit der linken Hand fuhr sie sich über das Gesicht. „Schweißperlen liefen Mick die Stirn hinunter.“

Mir wurde heiß.

Meike kannte kein Erbarmen. „Blutrote Wirbel tanzten vor seinen Augen. Er richtete die Waffe auf die alte Frau, dann auf die beiden Männer. Schreie spritzten durch den Bus.“

Sie zog etwas aus ihrer hinteren Hosentasche. Als ihre Hand nach vorne schnellte, knickte ich instinktiv weg.

„Mick Gärtner drückte ab.“

Ich konnte hören, wie sie etwas auf den Tisch warf. Zwischen den Tischbeinen hindurch sah ich ihre Stiefel aus der Kantine gehen.

Erst nach einer ganzen Weile nahm ich das Gemurmel um mich herum wahr. Ich starrte die Menschen an und sie starrten zurück. Mit weichen Knien erhob ich mich. Ein Stück weiße Kreide lag neben meinem Teller. Verschämt grinste ich durch den Raum und steckte es in meine Tasche.
Ich hatte verstanden. Morgen würde mein Satz an einer Mauer stehen.

„Er warf den Revolver in die dunkelsten Tiefen des Sees ...“

Für einen kurzen Moment, vergänglich wie Kreidestaub, fühlte ich mich als Teil.

 

Hallo Willi,

Im Büro sprachen wir selten miteinander,
scheint mir zu fehlen.

Signalfarbend.
Häh?

der unter ihre Handys gebeugten Menschen.
klingt spannend - die Handys drücken die Menschen nieder - aber eigentlich beugen sie sich über die Handys.

Ich lächelte. Ein guter Anfang.
Schön, aber eigentlich sollte auf einen guten Anfang eine gute Geschichte folgen. Ausserdem scheint mir der Satz auf der Friedhofsmauer eher ein gutes Ende zu sein, aber auch dann fehlt die Geschichte.

Soviel fällt mir im Halbschlaf noch ein.

Liebe Grüße

Jobär

 

Lieber jobär,

wo treibst du dich so mitten in der Nacht herum? ;)

Das 'wir' ist eingefügt. 'Signalfarbend' und 'unter ihre Handys gebeugt' würde ich gern in Auslebung künstlerischer Freiheiten (oder Unvermögens) vorerst stehen lassen.
Mir hatte die Idee der Challenge so gut gefallen, und da dachte ich bei mir: Gäbe es doch so eine Art Literaturguerilla, die überall Sätze an Wänden hinterlässt, welche dann von anderen zu Geschichten vervollständigt werden können. So ähnlich wie die Vorgabe eines 'Thema des Monats' und diesem Forum ...
Um auch Leser mit in diese Stadtguerilla einzubeziehen, habe ich an der Geschichte vieles offen gelassen in der Hoffnung, dass man zum Hineindichten angeregt wird. Hat wohl eher nicht funktioniert ... :(

Ein gutes Ende finde ich gut, dann hat der Topf wenigstens einen Deckel ...

Vielen Dank für deinen späten (uhrzeitbezogen) Kommentar!

Grüße

Willi

 

Liebe Bea Milana.

du mochtest weder den Plot noch die Ausdrucksform meiner Geschichte. Das habe ich verstanden und finde es völlig in Ordnung.

Nicht mehr nur ruppig, sondern ziemlich harsch finde ich es, wenn du mir geistigen Diebstahl und Drogenkonsum vorwirfst. Das macht es mir schwer, deinem Anliegen

voneinander zu lernen und einander zuzuhören.

entgegen zu kommen.

Ich experimentiere noch ziemlich viel mit Stil, Ausdruck, Genre usw. (ausdrücklich nicht mit Drogen), da ich noch nicht soooo lange schreibtechnisch unterwegs bin.

Eines dieser Experimente habe ich hier in das Forum gestellt, nachdem ich eine Woche daran gearbeitet und auch nachgefragt habe, ob solches von mir als Neuling erwünscht ist.

Schade, dass mein Beitrag dich so verärgert hat.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

ist schon einige Jahrzehnte her, dass wir Stadtguerilla spielten (im ordentlichen Deutschland gab es damals nicht so viele Gefahren wie im südamerikanischen Urwald). Deine Erklärung finde ich erhellend, manches verstehe ich jetzt besser. Ich bin einfach nicht drauf gekommen, weil wir damals sicher keine Kreide benutzt haben, die der Regen gleich abwäscht.
Ich hatte die Geschichte als Beginn einer Beziehung gedeutet und deswegen kam mir der Schlusssatz doch ein wenig eigenartig vor.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Willi,

nach mehrmaligem Lesen deines Textes, filtere ich daraus folgendes:

Es gibt drei agierende Personen in dem Text, zwei reale = der Ich-Erzähler und Meike Ammerberg, beide sind Arbeitskollegen; die dritte Person ist der fiktive Mick Gärtner, der Schurke mit dem Revolver;

Die reale Handlung findet auf dem Weg des Ich-Erzählers zur Arbeitsstelle und dann in der Kantine statt, als der Ich-Erzähler die in Stiefeln wandelnde, stets errötende Kollegin Meike Ammerberg zu sich an den Tisch lockt.

Da ihm nichts Besseres als Konversationsgrundlage oder Gesprächseinstieg einfällt, tischt er ihr den Beginn einer Story auf (Kreideaufschrift: „Mick Gärtner drückte ab“).

Die Beiden schaukeln sich im Folgenden dann durch abstruse Spinnereien hoch, und fabulieren, was dieser ominöse (nicht existente Mick Gärtner) wohl mit seiner Knarre angestellt haben könnte.

Der Ich-Erzähler macht die Vorgabe, und zu seiner Verblüffung geht diese schmalschultrige, schüchterne Person darauf ein und läuft beim Weiterfabulieren zu einer Hochform auf, die ihm die Beine weghauen.

Sie spielt das so echt, dass das Kreidestück, das sie aus ihrer Hosentasche auf den Tisch wirft, bei ihm für einen Augenblick zum „Revolver“ wird.

Weiterhin signalisiert ihm das Kreidestück, das er nach ihrem souveränen Stiefel-Abgang vorfindet: Meike will, dass ich ihr morgen zur Mittagspause in der Kantine eine weitere Kreide-Story biete, damit sie beide dann diese weiterspinnen können.
Es ist also ein Spiel, das zwei Arbeitskollegen spontan miteinander spielen und sich darüber näherkommen, jedenfalls hofft der Ich-Erzähler das; so habe ich das Ende verstanden.

Vielleicht liege ich jetzt total falsch mit meiner Aufdröselei dieses Konstrukts, macht aber nix, so ergäbe das Ganze Sinn.

Was ich für das Textverständnis sehr erschwerend fand, sind die fehlenden Begleitsätze zur wörtlichen Rede.
Man muss sich echt durchwurscheln, um herauszufinden, ob der Ich-Erzähler oder Meike gerade die Handlung weiterspinnt.
Ab und zu ein „Meike sagte“, wäre wohl hilfreich.

Anstrengend war’s, aber es hat mich einfach gereizt, da mal durchzusteigen.

Damit ein wirkliches Problem des Ich-Erzählers für den Leser klarer rauskommt, wäre es hilfreich, wenn du irgendwo in dem Text klarer herausstellen würdest, dass der Prota die Kollegin schon seit längerem, aber bisher vergeblich zu erobern versuchte.

Lieben Gruß
kathso

 

Lieber jobär, liebe kathso60,

vielen Dank fürs Lesen und Verstehen meiner Geschichte!
Tatsächlich, exakt so, wie kathso60 es aufgedröselt hat, war es gemeint, hurra! :shy:

Ich habe versucht, eure Anregungen zu befolgen und die Aussage des Textes etwas eindeutiger zu machen. Mir war gar nicht klar, dass er so wirr herüberkam ... da habe ich noch viel zu lernen.


Liebe Bea Milana,

auch dir noch einmal vielen Dank dafür, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.

es war nicht meine Absicht, deine Kommentare zu missachten. Ich fühlte mich in der Tat etwas heftig angegangen, kehre aber ebenfalls gerne zu einer sachlichen Kommunikation zurück!

Die von dir angesprochenen sprachlichen Bilder möchte ich dennoch stehen lassen, denn sie sind Teil einer Entwicklung, die ich vorerst laufen lassen will, auch wenn meine Sprache dadurch im Moment noch ziemlich tollpatschig daherkommt (den Begriff 'Himmelfahrtsnase' gibt es übrigens tatsächlich, er bezeichnet eine nach oben, also himmelwärts gebogene Nase).

Ich fische da sicher noch ziemlich im Trüben, aber das Verdrehen und Verbiegen von Wörtern hilft mir, ihre Bedeutung besser zu erfassen - auch wenn es für euch arme Leser wohl doch ziemlich anstrengend ist.

Derartige Experimente werde ich in Zukunft zumindest hier unterlassen, versprochen!

Viele Grüße

Willi

 
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Ich habe das Bedürfnis mal einen Kommentar hier zu lassen.

Aber erst mal hallo an dich, Willi mit dem schönen Namen, willkommen bei den Wortkriegern.


Ein Wort am Rande - ganz allgemein zu Kommentaren. (Ich achte ja immer so ein bisschen auf die Kommentieratmosphäre im Rahmen meiner Mod-Tätigkeit.) Ich bin sehr für ehrliche und direkte Kritik. Aber ich meine, man muss auch immer aufpassen, dass man nicht anfängt, dem Autoren etwas zu unterstellen.
Zitat von Bea Milena

Ich habe den Eindruck, du oder jemand anders hat diesen Text mal eben schnell zusammengezimmert (event. unter Drogeneinfluss) oder versucht einen Stil zu imitieren.
Beides (unter Drogeneinfluss und von jemand anderem geschrieben) sind Unterstellungen, die amS zu weit gehen. Sie bleiben übrigens Unterstellungen, auch wenn man dazu schreibt, dass es der persönliche Eindruck ist.
Man stelle sich mal vor, jemand schreibt einen Krimi, in dem eine Leiche zerstückelt wird und ich als Kommentator antworte: "Ich habe den Eindruck, du hast damit schon Erfahrungen gemacht." :D
Also ich wär damit einfach vorsichtiger, selbst wenn man sich sehr über einen Text ärgert.


Ich fische da sicher noch ziemlich im Trüben, aber das Verdrehen und Verbiegen von Wörtern hilft mir, ihre Bedeutung besser zu erfassen - auch wenn es für euch arme Leser wohl doch ziemlich anstrengend ist.

Derartige Experimente werde ich in Zukunft zumindest hier unterlassen, versprochen!

Verbieg nur weiter deine Wörter, wer, wenn nicht wir Hobby- oder auch ernsthafteren Dichter sollte denn sonst die Wörter biegen. Also auch wenn mal was in die Hose geht, nur wer nichts probiert, bleibt fehlerlos.
Und bitte experimentiere weiter. Nur, weil sich jemand mal aufregt und laut wird, heißt das noch lange nichts. Noch nicht mal, dass der Recht hat. :D Da ist immer so viel Geschmackssache dabei. Und schon gar nicht heißt es, dass du nicht mehr experimentieren sollst. Also nicht einknicken. Bitte.

Ich habe die Kommentare natürlich verfolgt und weiß jetzt auch nicht, wieviel du schon geändert hast, muss irgendwie viel gewesen sein, denn jedenfalls mir erging es so, dass ich keinerlei Verständnisprobleme hatte, sondern die Geschichte drollig und einfallsreich fand.
Diese Idee der Schreibguerilla nimmt das Thema der Challenge auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise ernst, das mochte ich. Da steht das Thema so richtig schön im Vordergrund. Gefällt mir. Die Schrift an der Wand ist kein Mentekel, oder wie das Dingens heißt, sondern eine Aufforderung, so richtig aus sich rauszugehen und den Erzählfaden weiterzuspinnen.
Als Meike anfängt, ihre story zu erzählen, ist klar, sie gerät so in Rage, dass der Protagonist mitgerissen wird und gar meint, jetzt würd er gleich erschossen. Allerdings war ich am Überlegen, ob es wirklich in einer solchen Büroatmosphäre möglich ist, dass auch die anderen Angestellten so sehr mitgehen, denn es sind ja noch andere im Raum. Die sind ja in der Kantine. Vielleicht wäre es einfacher, die beiden wären alleine?
Der Protagonist ist empfänglich für das, was Meike tut, aber andere? Ich weiß nicht, wenn ich da an meine ehemaligen Kollegen denke. Vielleicht hast du ja noch eine Idee, die die anderen Kollegen stärker mitnimmt ins Geschehen. Vielleicht den Fokus mal noch mehr auf die richten? Ist nur eine Idee, weiß jetzt selbst nicht, was man da genau tun könnte.

Was ich sehr schön fand, war, dass Meike nicht nur geschichtenmäßig aus sich herausging, sondern da schwang auch noch so ein wunderbarer Alltags- und Bürofrust mit, das hast du gut gemacht. Die hatte, so mein Gefühl, mal so richtig die Schnauze voll. Wunderbar der Blick des Icherzählers auf Meikes Lederstiefel, die aus dem Raum stampfen. Das war eine witzig gewählte Perspektive wie aus einem Westernfilm.
Vielleicht könntest du Meikes Alltags-Frust, der sich da Bahn bricht, ja sogar noch verstärken, denn ich weiß ja wie gesagt nicht, wieviel du verändert hattest und ob es für die anderen Kommentatoren nun deutlicher ist.

Zu deinem Stil: Ich mag es, dass du eine bildhafte Sprache versuchst. Ich mach (oder habe) das selbst so (gemacht). Allerdings, das muss ich schon auch sagen, manchmal schießt du über das Ziel hinaus oder die Bilder werden schief und dadurch zu Stilblüten. Ich finde das oft ganz schön schwierig, Bilder zu produzieren, die eine Atmosphäre transportieren und außerdem frisch und neu sind, denn wie gesagt, der Abstand zur Stilblüte ist manchmal haarscharf. Mal nur so als allgemeiner Wegweiser, ich geh gleich noch ins Detail und da klaubst du dir einfach das raus, was du nachvollziehen kannst, den Rest lässt du: Du benutzt ja gerne bildhafte Gleichsetzungen oder Vergleiche. Der Punkt ist der, dass es zwischen dem wörtlich Gesagten und dem Gemeinten eine große Ähnlichkeit geben muss. Diese muss sich auf irgendeine Eigenschaft des gemeinten Objekts richten, die durch den bildhaften Vergleich verstärkt wird. So sind die verklappten Augen beispielsweise eher stilblütig, weil das Bild das entsteht, unfreiwillig komisch wirkt. Die Augen sind ja keine Klappen. Sie fallen natürlich zu, wenn man noch müde ist oder sind verklebt von der Nacht, Aber verklappt sind sie nicht, zumal man unter verklappen auch noch das Ablassen von Müll oder Giftstoffen ins Meer meint. Also das ist echt ein Beispiel für eine schlecht gewählte Metapher.
Aber mach dir mal nix aus sowas, ich weiß noch, wie ich mal bei meiner zweiten Geschichte geschrieben habe: Der Raum roch nach Bier und verlorenen Chancen. Und eine ganz süße Userin von hier schrieb mir, sie hätte draufhin fast nicht weitergelesen. Und ich fand mich so cool. :D Zum Glück für mich hat die Userin dann doch weitergelesen und mir nett zur Seite gestanden. Ich will bloß sagen, das ist doch klar, dass man mal schief liegt. Was solls denn?


Mit verklappten Augen glitt ich durch den Montagmorgen und zog meine Kapuze tief gegen den Nieselregen ins Gesicht.
Wie gesagt, man kann sich zwar was vorstellen, aber es passt echt nicht.


Mein Mund tastete danach, bevor mein Hirn ihm zuflüstern konnte, dass die Brötchen immer pappig schmeckten.
Auch schwierig. Würde mir hier überlegen, was du genau sagen willst, fangen seine Lippen an, sich zu bewegen? Wird Speichelfluss in Gang gesetzt? Vielleicht eher "mein Appetit tastete" schreiben, es ist wie gesagt nicht ganz einfach, denn dass der Mund tastet, ist schwieriger, der Mund ist ja alles, einschließlich des Gaumens, und auch im übertragenen Sinn tasten Münder nun mal nicht so gerne, da würde eher die Zunge tasten oder die Lippen. Ich würde hier glaub einfach szenisch werden und sich seine Lippen bewegen lassen o.ä..


Aber da stand es. Fraß sich unaufhaltsam in die tiefsten Fasern meines Verstandes.
Okay, diese Metapher ist okay. Warum sie mir hier trotzdem missfällt, ist nicht, dass sie schon häufiger verwendet worden ist, das finde ich überhaupt nicht schlimm, sondern sie kommt zu unvermittelt und ich bin mir auch unsicher, ob sie zu dem Gefühl passt, das du ausdrücken willst. Auch das "zitternd" im nächsten Satz empfand ich nicht genügend vorbereitet. Wenn sich was in den Verstand frisst, ist es etwas eher Unangenehmes und das willst du ja eigentlich gar nicht sagen, sondern dass es eher etwas ist, das ihn nicht mehr loslässt.
Und ich würde mir einen Moment mehr Zeit nehmen. Du fällst so sehr damit ins Haus, dass der Satz ihn so beeindruckt, aber das dauert doch ein bisschen in der Zeitspanne von der bloß sinnlichen Wahrnehmung zu der Frage, was ausgerechnet ein solcher Satz an einer Friedhofsmauer zu suchen hat. Also die Wirkung auf ihn - nicht gleich so mit der Tür ins Haus fallen.


Warf meine Gedanken gegen den nassen Beton und fegte sie mühsam wieder zusammen.
Auch das ist eigentlich ein schönes Bild, aber es kommt völlig unvermittelt. Die Gedanken, die bei ihm einsetzen sind ja keine sorgenvollen Gedanken, sondern eher was Spielerisches. Und das würde man ja nicht gegen die Friedhofsmauer klatschen. Und wieso ist die nass? Ist die etwa frisch gestrichen? Oder hat es nicht im Text geregnet? Hab ich was überlesen? War da nicht was? Schnell nachgeguckt und schon bin ich weg von der Geschichte. Die letzten Sätze meine ich natürlich nicht ernst. Sondern ich wollte dir bebildern, dass "nasse" mich als Leserin ablenkt von dem eigentlichen Bild. Es lenkt meine Aufmerksamkeit auf das Wetter oder die Frage, ob die Mauer frisch verputzt ist. Und das kann dir als Autor nicht recht sein, dass meine Fantasie in eine ganz andere Blickrichtung abdriftet, wo du doch gerade einen ganz anderen Gedanken verankern willst.
Bilder werden nicht besser, wenn man ihnen noch eine Menge anderer Eigenschaften schenkt. Das ist auch so eine Sache, die ich lernen musste. Vergleichen und Bildern muss man Platz lassen.


Wer war Mick Gärtner? Gegen wen hatte er eine Waffe gerichtet und warum? Diese Fragen huschten wie Spinnen durch meinen Kopf und spannen wirre Gedankennetze.
Gefällt.


Sorgenvoll schaute ich zum Himmel hinauf. Es regnete inzwischen stärker und die Worte verblassten bereits, ließen mich allein mit der Verantwortung der Erinnerung zurück.
Verantwortung der Erinnerung ist zu dick aufgetragen. Dass die Schrift verblasst, der Regen sie wegwäscht, das mag ich. Ich persönlich würde heutzutage den gesamten Satz nach dem Komma streichen.


In der Mittagspause waren sie an den Punkt gelangt, der Menschen nach dem kürzesten Rettungsring greifen lässt.
Der kürzeste Rettungsring ist schief formuliert. Die sind ja nicht kürzer oder länger, die Rettungsringe, so dass einem Dicken erst mal Rettungsring xxl angepasst werden muss. Du meinst doch die Entfernung. Also vielleicht "den nächsten Rettungsring".


Vielleicht waren Mick Gärtner und sein mir unbekanntes Schicksal der Grund, dass ich jetzt meinen Arm von der Gabel löste und ihn wie eine Lotsenflagge in ihre Richtung schwenkte.
Ich würd den Vergleich streichen. Der tut nichts für den Prot in dem Moment und auch nicht für die Situation. Ich find das Schwenken ungewöhnlich genug und schön ausgedrückt, dass dem Leser gezeigt wird, der Icherzähler tut nun etwas für ihn Ungewöhnliches.


Tatsächlich stutzte sie und sah zu mir herüber. Rückte stückchenweise näher. Eine dünne Blondine mit Himmelfahrtsnase und einem Hang zum Erröten.
Die Charakterisierung finde ich süß und gut gemacht. Ich kann mir die junge Frau in ihrer Widersprüchlichkeit sofort vorstellen. Ja, Himmelfahrtsnasen sind klasse, da hofft man gleich, die Deern hats in sich.


Eine Geschmackssache vielleicht, aber irgendwie ist mir Meike ein bisschen arg schnell auf das Gespräch gehüpft. Ein ganz kleines bisschen (so einen Halbsatz lang) hätte die sich durchaus noch sträuben dürfen.


Und danach musste ich öfter mal kichern, weil ich das witzig fand, wie die sich gegenseitig die Stichwörter zuspielen und Meike sich dabei immer mehr verfärbt.
Da fand ich dann die bedeutungsschwangeren Bilder, wie die unter den Handys gebeugten Menschen ganz passend, weil der Text sich dadurch nicht mehr so sehr ernst nimmt, da spielt er mit der Überfrachtung der Bilder.


„Eine junge Frau mit Kopftuch stieg ein, hochschwanger. Mick Gärtner sah, wie eine ältere Dame hastig ihre Handtasche auf den einzigen freien Platz neben sich legte. Zwei junge Männer begannen, sich lautstark über ein Mädchen zu unterhalten, mit der sie beide auf der letzten Party ihren Spaß hatten.“
Das ist auch hübsch angedeutet, Meike kriegt einen Hass auf Rassismen und auf ignorante junge Drecksäcke, den sie wohl schon immer in sich trug.


Wieder nickte sie. "Mick hatte sich immer aus allem heraushalten können. Hatte nie Ärger gemacht. War seiner Arbeit nachgegangen und goss die Blumen seiner Nachbarn, wenn diese im Urlaub waren. Doch während er so seinen Weg durchs Leben ging, wuchs der Schmerz in ihm. Wie ein fauler Zahn pochte er zuerst nur ganz leise an, vertiefte sich, verschwand fast ganz und kam dann in immer kürzeren Abständen mit immer größerer Wucht zurück."
Ja auch da musste ich grinsen, da spricht Meike von sich selbst. Immer brav, angepasst, aber eigentlich findet sie das alles scheiße. Willi, ich habe keine Ahnung, ob du das jetzt ernst meintest oder eher so spielerisch witzig, wie das bei mir ankommt, ich finde es jedenfalls lustig, wie die verhuschte Büromaus mit der Himmelfahrtsnase sich jetzt so eine Art Todeskommando imaginiert, das mal endlich aufräumt mit den alltäglichen Bösewichten. Eine alternative Superheldin, die ihre tödlichen Befreiuungsfantasien in der einzig adäquaten Form, der Fantasie, ausbrechen lässt.


"Ich nehme an, es war Montagmorgen?", fragte ich mit trockenem Mund. "Dort im Bus, meine ich."
:D
Köstlich, wie der Icherzähler auf seine persönliche Nemesis zu sprechen kommt.


Würde morgen wieder etwas an der Mauer stehen? Vielleicht sollte ich etwas schreiben? Ein Ende für diese Geschichte? Wie sollte es weiter gehen für Mick Gärtner? Oder standen längst die Anfänge anderer Geschichten auf den Mauerwänden der Stadt?
Morgen würde ich Meike danach fragen. Für einen kurzen Moment nur, vergänglich wie Kreidestaub, fühlte ich mich als Teil eines Teils.
den ersten schwarz markierten Satz würde ich streichen. Er ist redundant.
Wieso als Teil eines Teils? Das klingt ganz gut, aber der Nutzwert ist mir nicht recht klar, weil sich Leute doch eigentlich besser fühlen, wenn sie unter Gleichgesinnten sind, die denken sich doch dann aber nicht als Teil?


„Der Revolver lag seit Ewigkeiten in den dunkelsten Tiefen des Sees.“

Ich lächelte. Für diese Geschichte ein gutes

Ende.

Ja, schon klar, der Icherzähler will, dass die/der MeikeMick entkommt. Aber hmmm, so ganz obersuperzufrieden stellt mich das nicht. Mir schwebt ein Ende vor, das ihn deutlicher zum Weitermachen auffordert, damit deine Schreibguerilla beginnen kann. Verstehst du, was ich meine?

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, Willi, vielleicht kannst du mit meinen Anmerkungen was anfangen. Ich wünsche dir noch viel Spaß bei uns.
Bis denn
Novak

 
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Lieber @Novak,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!

Allerdings, das muss ich schon auch sagen, manchmal schießt du über das Ziel hinaus oder die Bilder werden schief und dadurch zu Stilblüten. Ich finde das oft ganz schön schwierig, Bilder zu produzieren, die eine Atmosphäre transportieren und außerdem frisch und neu sind, denn wie gesagt, der Abstand zur Stilblüte ist manchmal haarscharf.

Ich fand meine Bilder auch sooo cool! :hmm:

Die Sachlichkeit deines Kommentars hat sie in meinem Kopf allerdings ziemlich zurecht gerückt und ich habe dann über mich selbst gelacht ... und konnte danach viele Formulierungen loslassen.

Auch ansonsten fand ich deine Bemerkungen sehr hilfreich:

Vielleicht hast du ja noch eine Idee, die die anderen Kollegen stärker mitnimmt ins Geschehen.

Ich dachte, wenn die beiden süßen Büromäuse sich da so gegenseitig hochschaukeln, werden sie ihre Umgebung zunächst sicher völlig vergessen und erst wieder zurück in die Realität finden, wenn Meike den Raum verlassen hat. Hier habe ich einige starrende Kollegen dazu gestellt.

Vielleicht könntest du Meikes Alltags-Frust, der sich da Bahn bricht, ja sogar noch verstärken, denn ich weiß ja wie gesagt nicht, wieviel du verändert hattest und ob es für die anderen Kommentatoren nun deutlicher ist.

Auch hier habe ich (hoffentlich ausreichend) nachgebessert, ebenfalls bei der Szene, als der Ich-Erzähler die Kreideschrift entdeckt und an vielen, vielen anderen Punkten, die du angemerkt hattest.
Nochmals Danke, ich finde es unglaublich gut, wie sich in diesem Forum mit den Texten auseinandergesetzt wird!

Die Lotsenflagge mochte ich aber als Bild zu sehr und habe sie vorerst stehen gelassen, vielleicht kann ich mich da als Fischkopf einfach nicht lösen ... Ist Himmelfahrtsnase eigentlich ein norddeutscher Begriff? So ähnlich wie Deern?

ich habe keine Ahnung, ob du das jetzt ernst meintest oder eher so spielerisch witzig, wie das bei mir ankommt

Das war schon so gemeint, seltsam, absurd, nicht ganz ernst, ohne dass ich irgendjemanden damit über die Füße latschen wollte ... eher Spaßguerilla eben. Genau deshalb fand ich es richtig, wenn du anmerkst

Mir schwebt ein Ende vor, das ihn deutlicher zum Weitermachen auffordert, damit deine Schreibguerilla beginnen kann. Verstehst du, was ich meine?

und ich hoffe, dass ich das auch umsetzen konnte.

Noch einmal vielen Dank, auch für deine Ermunterung zum weiteren Experimentieren (ganz wichtig für mich, ich bin sehr schnell zu verunsichern ...).

Viele Grüße

Willi


Hallo @Bea Milana,

alles gut, mit über das Ziel hinausschießen kenne ich mich bestens aus! Lappen drüber! :D

Viele Grüße

Willi

 

Hallo @Willi,

deine Geschichte habe ich gelesen, kurz nachdem du sie gepostet hattest. Doch ich hatte erst keine Zeit zu Kommentieren und später vergessen, dass ich es tun wollte. Sorry.
Mir ist es erst wieder eingefallen, als ich deinen Komm unter Janes Geschichte las (den fand ich übrigens richtig toll).
Ich hatte im Übrigen beim ersten Lesen schon keine Probleme, die Handlung zu verstehen.

Es war noch nicht einmal ganz hell. Mit müde verschwollenen Augen glitt ich durch den Montagmorgen und zog meine Kapuze tief gegen den Nieselregen ins Gesicht. Aus der Bäckerei gegenüber wehte mich warmer Brotduft an. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, noch bevor mein Hirn ihm zuflüstern konnte, dass die Brötchen immer pappig schmeckten. Ohnehin wollte ich nur Teil dieses Arbeitsstages werden, hin und wieder zurück, eine Reise ohne Aufenthalt.

Dein neuer Anfang gefällt mir jetzt richtig gut. Schön, wie du das mit den Augen und der Reaktion auf den Brötchenduft gelöst hast. Ich bin gleich richtig drin in dem Montagmorgen.
Ein "s" ist zuviel.

Auch die Annäherung ist gelungen. Sind beide schüchtern, lächeln sich zu aber mehr passiert nicht. Gut, dass er den Friedhofanstrich, der ihm den ganzen Morgen schon im Kopf herumspukt, als Gesprächsthema wählt.

"Eigentlich wollte ich nur kurz ..." Sie räusperte sich. Ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber sinken. Errötete.

„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte sie. „Du wirkst den ganzen Morgen schon so abwesend.“


Zwischen den Dialogen musst du keine Leerzeile machen. Und im zitierten Fall kannst du das auch nacheinander schreiben, da ja noch Meike spricht. Neue Zeile nur beim Sprecherwechsel.

Verblüfft zwinkerte ich sie an, doch Meike redete schon weiter.

zuzwinkern fände ich besser formuliert, obwohl sich das für mich mit "verblüfft" beißt. Vllt: Verblüfft sah ich sie an …

Von außen plierte der Nieselregen gegen die großen Scheiben, von innen das Schweigen der unter ihre Handys gebeugten Menschen.

plierte musste ich erst nachschlagen und was Duden dazu sagt, passt mMn hier nicht im Zusammenhang mit "gegen".
Müsste es nicht "über" ihre Handys gebeugten Menschen heißen?

"So ist es. Ein grauer, kalter Montagmorgen.", fuhr sie fort.

Ohne Punkt vor dem Schlusszeichen.

Sie zog etwas aus ihrer hinteren Hosentasche. Als ihre Hand nach vorne schnellte, knickte ich instinktiv weg.

Und ich mit ihm.

Hat mir gut gefallen, dabei zuzusehen, wie die schüchterne Meike den Protagonisten in ihren Bann gezogen hat. Ich drücke den beiden die Daumen. Jetzt, mit dem neuen Ende, kommen sie sich hoffentlich ein bisschen näher.

Übrigens:

Bitte lass die Lotsenflagge. Mir gefällt das Bild sehr.
Himmelfahrtsnase ist mir ein Begriff und ich komme aus dem Südwesten Deutschlands. Hatte mal eine Schulfreundin, mit einer nach oben zeigenden Nasenspitze. Durfte man aber nichts dazu sagen. Drehte gleich hohl :D (das musste raus)
Und experimentiere bitte weiter, denn wo, wenn nicht hier, kannst du dich testen?

Lieber Gruß
Tintenfass

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Tintenfass,

vielen Dank für deinen Kommentar. Wie schön, dass die Geschichte jetzt etwas besser ankommt, das ist auch den Anregungen und Kritiken hier zu verdanken.

Ich überlege, ob das Wort 'plieren' nicht auch etwas plattdütsches hat ... meine Oma hat es jedenfalls immer im Sine von plärren oder greinen gebraucht, also so Sprühtränen ... :hmm:

Aber du schreibst ja, dass man im Südwesten der Republik ebenfalls Himmelfahrtsnasen kennt, auch wenn eine solche Bezeichnung dort wohl nicht so gut ankommt. :lol:

'Unter' die Handys gebeugt soll so eine Art Wortspiel sein; 'über' ihren Handys stehen die Leute aus meiner Sicht nicht. Aber vielleicht verändere ich das auch, wird wohl nicht so deutlich.

Die von dir angemerkten Fehler fliegen hingegen sofort 'raus, danke fürs Finden!

Schön, dass dir die Lotsenflagge ebenfalls gefällt - ich dachte, so ein unsicherer Prot bewegt seinen Arm bestimmt erst einmal ganz steif und unbeholfen, um seine Meike dann durch die Tische und Menschen zu seinen Platz zu ... lotsen.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi!

Nur ganz kurz von mir: Plieren, Kurzform von plierögen, Plattdeutsch für zwinkern, blinzeln.

Grüße,
Chris

 

Hallo Willi!

Die überarbeitete Version deiner Geschichte gefällt mir sehr. Ich hatte auch den ursprünglichen Text gelesen und finde seine Entwicklung absolut gelungen!

Es war noch nicht einmal ganz hell. Mit müde verschwollenen Augen glitt ich durch den Montagmorgen und zog meine Kapuze tief gegen den Nieselregen ins Gesicht. Aus der Bäckerei gegenüber wehte mich warmer Brotduft an. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, noch bevor mein Hirn ihm zuflüstern konnte, dass die Brötchen immer pappig schmeckten. Ohnehin wollte ich nur Teil dieses Arbeitstages werden, hin und wieder zurück, eine Reise ohne Aufenthalt.
Gleich der Anfang ist super, sagt mir viel über den Protagonisten und enthält schöne Bilder, die ich mag.

Die Schlussszene mit der Kreide habe ich etwas anders interpretiert als die meisten (und, wenn ich es richtig verstanden habe, auch als du selbst). Für mich war es eigentlich Meikes Eingeständnis, dass sie den Satz an die Mauer geschrieben hatte. Entweder um ihren Montagmorgenfrust in der Story um Mick Gärtner zu verarbeiten oder um irgendwie die Aufmerksamkeit des Protagonisten zu wecken. Die Vorstellung, dass sich da jetzt aus einer zufälligen Wandschmiererei ein Spiel für die beiden entwickelt, über das sie sich näher kommen, finde ich aber sehr schön.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir noch aufgefallen:

doch meine Gedanken wirbelten psychodelicbunt
eigentlich müsste es psychedelisch bunt heißen, aber vielleicht ist es ja so gewollt?

In der Mittagspause waren sie an den Punkt gelangt
Meinst du damit seine Gedanken? So liest es sich nämlich für mich.

Signalfarbend
Signalfarben ohne d.

Durch die Tischbeine hindurch sah ich ihre Stiefel aus der Kantine gehen.

Erst nach einer ganzen Weile nahm ich das Gemurmel in der Kantine wahr.

Die zweite Kantine könntest du durch um mich herum ersetzen.

Gute Geschichte. Vor allem der Schluss, wie der Protagonist auf Meikes Erzählung und ihre Gesten reagiert, finde ich sehr mitreißend!

Liebe Grüße
Jane

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Chris, liebe jane,

aha, das Wort 'plieren' hat sich geklärt! Da habe ich meine Oma ja irgendwie immer falsch verstanden. Vielleicht spielte Omama ja mit dem Wort auch auf das Zwinkern mit den Augen an, damit einige reumütig erscheinende Tränchen herausgedrückt werden konnten, wenn man etwas angestellt hatte ... :hmm:

Die Fehler habe ich weiter verbessert, nur das 'psychodelicbunt' würde ich gern in einem Wort lassen, hört sich für mich vorerst besser an.

Ja, es hätte Meike sein können, die den Satz an die Friedhofsmauer schrieb, aber auch irgendjemand anderes aus der 'Schreibguerilla'. Schreiben hilft wohl nicht nur mir, den Alltag etwas bunter zu gestalten.

'Waren sie an einem Punkt ...' - genau, die Gedanken, die sich verselbständigenden.

Vielen Dank euch!

Willi

 

Hallo Willi,
Das ging ja kurz heiß her hier bei den Kommentaren. Ich beziehe mich auf die Geschichte, so wie ich sie heute gelesen habe und ich muss sagen, ich fand sie originell und witzig, ja fast schon süß, wenn man das so sagen darf. Gut, an manchen Stellen vielleicht etwas, na ja, ungelenk, dazu wurde ja schon einiges gesagt, und gestört haben mich noch die Lücken zwischen den wörtlichen Reden, da war mir der Textfluss irgendwie weg. Warum süß? Hach ja, die Meike (absolut passender Name), normalerweise wahrscheinlich ein kleines Büromäuschen, aber an diesem Tag, ja, da steigert sie sich mit dem Erzähler in die Erfindung einer Geschichte hinein, sie werfen sich die Ideen zu und ich spüre förmlich, wie Meike aus sich herausgeht (zum ersten Mal in ihrem Leben?), bis sie nichts mehr auf dem Stuhl hält. Herrlich. Ich muss leider zugeben, dass ich das mit der Kreide zum Schluss nicht so richtig verstanden habe, erst die Kommentare brachten da Klarheit.
Obwohl mit einer Prise Gesellschaftskritik gespickt, ist die Geschichte keineswegs schwerfällig, sondern irgendwie einfach nur sympathisch.

Hat mir gefallen.

Beste Grüße,
Fraser

 

Lieber Fraser,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, dieses Forum ist munter und lebendig, das finde ich prima!
Bei dem Begriff 'süß' bin ich aber doch etwas zusammengezuckt - die arme Meike! :D
Mein Hintergedanke zu ihr war eigentlich, dass hier im Forum doch sicher sehr viele Meikes sind - Leute, die ganz normal arbeiten, studieren, zur Schule gehen und dann in ihren kleinen, geheimen Kopfräumen ganze Welten entwerfen ... Und hier können sie sich austauschen, ohne gleich ihre gesamte Lebensgeschichte preisgeben zu müssen.

Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

ich sehe bei deinem Text glatt eine Theaterszene vor mir, das muss Spaß machen, die Meike zu spielen. Ja, das Ganze ist ein bisschen skurril, bereits, dass er so auf diesen Satz abgeht, wirkt erst mal befremdlich, könnte sich für mich etwas langsamer entwickeln. Aber dass sie dann so heftig darauf einsteigt, ihn an Ekstase noch überholt, macht das Ganze z.T. wieder rund. Eine schöne, schräge Szene und irgendwie auch sehr romantisch, wie sich da zwei verwandte Seelen treffen.

Mir lief das Wasser im Mund zusammen, noch bevor mein Hirn ihm zuflüstern konnte, dass die Brötchen immer pappig schmeckten.

schöne Beobachtung

Schützend hielt ich meine Hände an die Mauer, aber die Regentropfen rollten über meine Finger und nahmen den Kreidestaub mit sich. Niedergeschlagen ließ ich Arme und Kopf sinken und trollte mich zur Arbeit.

Das kommt mir doch zu übetrieben vor, mir wäre, wie gesagt, lieber, wenn sich seine Besessenheit etwas langsamer entwickelt, so finde ich es auch zu parallel zu ihrer ebenfalls sehr schnellen und heftigen Reaktion.

„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte sie. „Du wirkst den ganzen Morgen schon so abwesend.“

Sie beobachtet ihn offenbar auch schon eine Weile. Schön, wie sich zwei Schüchterne über Mick Gärtner näher kommen.

Und den Dialog, der dann folgt, finde ich einfach köstlich. Der reinste Befreiungsschlag. Hat mir sehr gut gefallen.

Liebe Grüße von Chutney

 

Liebe maria.meerhaba,

vielen Dank für deinen Kommentar, auch wenn dir meine Geschichte nicht gefallen hat. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Leute nicht auf absurde oder 'kindische' Geschichten einlassen mögen. Ist ja auch in Ordnung. Wenn alle den gleichen Blickwinkel hätten, wäre es ziemlich langweilig.

Viel Grüße

Willi

Lieber Chutney,

auch dir natürlich erst einmal Dank für deinen Kommentar. Ich habe versucht, die Szene vor der Mauer zu bearbeiten und hoffe, die Reaktion des Prot auf die Kreideworte ist nun ein nachvollziehbarer. Die schützenden Hände habe ich herausgenommen, du hast Recht: War übertrieben.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

Warf meine Gedanken gegen den Beton und fegte sie wieder zusammen.
Großartig! Solche Sätze sind absolute Geschmackssache, aber ich bin jemand, dem sie gefallen. Sogar sehr.

Ich finde, du könntest auf den ersten Absatz verzichten und gleich einsteigen mit "Fast wäre ich daran vorbeigelaufen." Dann würde die Geschichte sofort Fahrt gewinnen.

Den Inhalt des Textes verstehe ich so: Dein Protagonist und Meike sind gefangen in ihrem grauen Alltag, jeden Tag der gleiche Trott. Dann sieht er diesen Ausspruch an der Mauer und steigert sich gemeinsam mit ihr, wobei ja eher sie die treibende Kraft ist, in die vermeintliche Geschichte von Mick Gärtner hinein. Das ist alles ein wenig ruppig und plötzlich, ohne Übergänge oder Erklärungen, aber irgendwie hat mir die Idee dennoch gut gefallen.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe RinaWu,

vielen Dank, freut mich, dass dir der Satz gefällt. :) Der Stil war ja bisher eher auf ein geteiltes Echo gestoßen.

Den ersten Absatz würde ich nur ungern weglassen, da er die triste Montagmorgenstimmung des Prot transportieren sollte, aber an dem Dialog mit Meike habe ich ein wenig gefeilt (hoffentlich in Richtung Besserung). Danke für die Anregung!

Viele Grüße

Willi

 

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