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Wo Lippen schürzen, Zungen schlecken, Knochen brechen

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01.02.2016
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Wo Lippen schürzen, Zungen schlecken, Knochen brechen

Pestizid

Die letzte Vollstreckung der Todesstrafe auf deutschem Boden fand am 15. September 1972 in der DDR statt. Im Urteilsspruch hieß es: „Der Angeklagte hat das Recht verwirkt, in dieser unserer humanen Gesellschaft zu leben.“

1
Wäre Pablo zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass er innerhalb der nächsten sechzehn Stunden einen Menschen aus dem dreizehnten Stockwerk werfen würde, hätte er vielleicht nicht so viel getrunken, am folgenden Tag keinen Kater bekommen und eine andere Entscheidung getroffen. Aber da er keine Ahnung hatte, bestellte er sich der gute Laune halber Wein und trank so viel, wie er an einem Abend trinken konnte.

Pablo trank an diesem 13.Juni 2014, weil „La Roja“, die Fußballnationalmannschaft Chiles, die australische Auswahl mit 3:1 bezwang. Der Wirt des Ladens gab eine Runde Pisco aus. „Viva Chile!“, sagte er und die Gäste antworteten: „Viva Chile mierda!“

Pablo genoss den Abend. Er lebte dreißig Jahre in Deutschland, fühlte sich in solchen Momenten seiner alten Heimat jedoch stets verbunden.
Mit seinen zwei Meter sieben war er nicht für südamerikanische, sondern auch für europäische Verhältnisse, außergewöhnlich groß. Die farbigen Tattoos auf seiner dunklen Haut waren unzählig. Einzeln betrachtet stellten sie lediglich Muster, Symbole und Linien dar, aber auf die Distanz, in Verbindung mit seinen Narben und hervortretenden Adern, verliehen sie ihm etwas Archaisches. Seine Großeltern mütterlicherseits, gebürtige Müller, lebten in einer Stadt nahe Köln. Seine Mutter wanderte aus, heiratete einen Chilenen und gebar Pablo. Dieser wuchs in Santiago auf und als eines Tages seine Eltern, im Anschluss an eine Demonstration gegen den damaligen Regierungschef starben, floh er nach Deutschland. Er beendete die Schule und zog nach Berlin, um eine Lehre als Mechatroniker zu beginnen. Dort begegnete er Lisa.

Ihre Eltern jagten ihn mit ausländerfeindlichen Parolen aus dem Haus. Ein dreckiger Muselmann, sollte nicht mit ihrer Tochter verkehren. Aus irgendeinem Grund hielten sie Pablo wohl für einen Araber, was er nie so ganz verstand. Nicht wenige seiner Freunde machten jenen Abend dafür verantwortlich, dass sich Pablo für die Bundeswehr verpflichtete, als Beweis für sein Deutschsein. Er würde das natürlich nie zugeben. Aber aus einem, zwei wurden letztlich zehn Jahre.

Was aber stimmte, war die Tatsache, dass Pablo Lisa nie vergaß und sie nach seiner Rückkehr aus Afghanistan aufsuchte. Zu seinem Pech hatte Lisa bereits zwei Mädchen, mittlerweile im Kindergartenalter, und war glücklich verheiratet.

An diesem Abend dachte er an sie. Die beiden waren Freunde geblieben und er fragte sich, was passiert wäre, wenn er damals um sie gekämpft hätte.
„Du hast für das Land gekämpft. Für unser Land“, sagte Markus, sein Kamerad aus diesen Zeiten. „Wir waren in Afghanistan, haben Freunde sterben sehen, Feinde überlebt. Wo waren diese ganzen Banker und Hippies? Ohne uns sage ich dir, da wäre die Kacke am Dampfen.“
„Markus, hijo de puta, was bringt uns das?“
„Nichts ist größer als die Liebe zum Land, Pablo. Nichts. Und nichts ist wichtiger.“

Eigentlich wollte sich Pablo nach dem Dienst am Vaterland eine eigene Werkstatt aufbauen, aber er merkte bald, dass im etwas fehlte. „Meine Eltern sagten, Pablo, beende deine Schule, suche dir ein Mädchen, gründe eine Familie und versorge deine Kinder.“

Manchmal wachte er schweißgebadet auf, mitten in der Nacht, zitternd beim Versuch, sich daran zu erinnern, was er träumte. Aber nachdem er sich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, war die Erinnerung daran schon verflogen. Markus war aus anderem Holz geschnitzt. Er liebte es zu kämpfen, er sehnte es herbei, und danach wollte er trinken. Und wenn er trank, dann konnte er reden. Er war es, der Pablo überredete, der Spezialeinheit, dem SEK, beizutreten. Er hatte da Kontakte über das Militär. Seine Begründung war ganz einfach: Solange es böse Jungs gab, musste es gute Männer geben, die dagegen ankämpfen. Und wer die Fähigkeit dazu hat, der dürfe nicht aufhören, das wäre der Gesellschaft gegenüber nicht angemessen, sogar feige.

„Erinnerst du dich an Mark? Starb damals im Konvoi. Was ist mit seinen beiden Jungs? Lukas und Jonathan?“
„Mierda, wachsen beide ohne Vater auf.“
„Und Timo? Timo starb am selben Tag. Hatte eine Frau. Merkste was? Hättest du damals Lisa geschwängert, wären die Kinder vielleicht auch Waisen. Besser ist es so, glaub mir.“

Aus dem Gespräch entwickelte sich eine typische Kneipenunterhaltung, welche die beiden führten. Pablo und Markus. Kriegsheimkehrer, Brüder im Geiste. Mittlerweile arbeiteten sie beide für die Spezialeinheit, tranken und retteten die Welt, und das jeden Tag einmal, mindestens.


2

Am darauffolgenden Samstag, dem 14. Juni, saßen die Freunde im Einsatzwagen. Mit an Bord ein junger Bursche, zwanzig Jahre jünger als Pablo und Markus, er hörte auf den Namen Mike.
„Der kleine Mike wird entjungfert, was ein großer Tag.“ Markus lachte auf und klopfte ihm auf die Schulter. „Ist vermutlich nur ein Mann. Dem reißen wir den Arsch auf, da musste nichts befürchten. Das war in Afghanistan was anderes, nich´, Pablo?“
Pablo schüttelte den Kopf: „Scheiße Mann, ‘s ist immer was anderes, Markus. Immer.“

Aber ja, es war etwas anderes in Afghanistan. Damals war das Team mit zwei Transportern von Pol-e Khomri nach Kundus unterwegs. Keine große Sache: Vom Bundeswehrstützpunkt zur ISAF, um die Blauhelme bei der Überwachung der Fernstraßen zu unterstützen. Pablo, Frank und Timo waren schon einige Jahre im Nahen Osten, galten als ortskundig. Markus kam erst vor einem halben Jahr, war noch ein Frischling. Große Klappe, wartete auf seine Chance, sich endlich zu beweisen. Der Staub wirbelte durch die Luft und der Wagen überschlug sich, als die Mine explodierte. Frank und Timo erstickten vermutlich, bevor sie verbrannten. Genau konnte das nicht mehr geklärt werden, ihre Leichen wurden erst Tage später geborgen. Der Aufprall war hart, dass Auto vor ihnen hatte es erwischt, Pablo verlor einige Minuten die Besinnung. Nach dem Aufwachen vermischte sich in seinem Mund Qualm und Rauch mit dem Geschmack des eigenen Blutes. Er zerrte Markus aus dem Auto, versuchte die Kopfschmerzen zu ignorieren. Das Auto vor ihnen war ausgebrannt, niemand reagierte auf die Rufe, das Funkgerät - nicht einsatzfähig. Pablo kroch den Weg entlang mit Markus im Schlepptau. Irgendwie schafften sie den Rückweg zum ersten Kontrollpunkt. Die Taliban hatten sie nicht entdeckt, nicht gefunden, vielleicht auch gar nicht gesucht. Warum sie es geschafft hatten, das konnte niemand genau sagen.


Nach diesem Einsatz kehrte er nach Deutschland zurück, erholte sich und wollte mit dem ganzen Quatsch aufhören, bis er nach einigen Monaten Lisa und dann Markus traf. Der Grund, warum er nun im Einsatzwagen steckte.

3
Es war ein schwüler Samstag, die Sonne stand hoch und in den Hinterhöfen spielten Jungs aus der Grundschule mit zertretenen Coladosen Fußball. Die älteren waren im Freibad, im Einkaufszentrum oder im Park. Überall, wo sie hofften, einen verstohlen Blick unter die Sommerkleider der Damen erhaschen zu können. Viele der jüngeren Kinder waren auf den Spielplätzen der Parks und ein jedes war an diesem Tag barfüßig unterwegs.

Auf den Bänken der Spielplätze erzählten Mütter in knappen Kleidern und mit verspiegelten Sonnenbrillen von ihren Wochenendplänen und den kommenden Ausflügen. Sie plapperten vom letzten Homeshopping, dem nächsten Dinner und den besserwisserischen Erzieherinnen der städtischen Kindertageseinrichtungen. Einige der Mamis telefonierten, andere genossen Eis, die jüngeren schaukelten Kinderwagen zum Rhythmus der Wasserpumpe, welche die jauchzenden Kinder musikalisch begleitete.

Mia saß im Sandkasten, als ein Marienkäfer über ihre linke Hand krabbelte, seine Flügel ausbreitete und in die Lüfte schwebte. Dort verharrte er einen Moment, drehte seinen Kopf, lächelte und flog davon. Das kleine Mädchen mit den blonden Haaren erhob die Hand zum Abschied, der Käfer erwiderte den Gruß mit einem Augenzwinkern. Mia ließ Sand durch ihre Zehen rinnen. An diesem Morgen lackierte sie diese rosa, wie Mama es immer machte.

Ihre Hände brachen einen Ast in sechs gleichgroße Teile und steckten diese sorgfältig auf einen runden Kuchen. Im Sonnenschein glänzte Mias Antlitz golden, sie schloss ihre Augen,wünschte sich etwas und ließ einen warmen Luftzug über die Kerzen strömen. Ihr Blick glitt in die Ferne, verharrte bei den blühenden Stauden am Rande des Spielplatzes und erspähte ein galoppierendes Einhorn.

Mia sprang auf, begann zu rennen. Spitze Steine und sperrige Hackschnitzel ebneten ihren Weg. Der Marienkäfer flatterte neben ihrem Ohr, flüsterte ihr zu: „Komm schnell, komm schnell!“
Mias Finger schoben Büsche zur Seite, mit funkelnden Augen hüpfte sie über die Wurzeln der Bäume.
„Bleib stehen!" Sie japste, lachte: „Warte. Warte."

Ihre Füße schwebten über das Gras, das knöchellange, weiße Kleid flatterte im Wind. Sie rannte und rannte und rannte, bis sie schließlich fiel, geradewegs in ein Rosenbeet. Die Hände waren aufgeschürft, das Kleid dreckig. Kleine Löcher verliehen ihm ein neues Muster. Ihr linkes Schienbein blutete. Mit wässrigen Augen blickte sie sich um.

Der Spielplatz war verschwunden. Um das Rosenbeet herum grünte eine Wiese mit Stauden und Büschen. Die flachen Hügel am Horizont waren durch Mammutbäume bedeckt, die den Eingang eines Waldes kennzeichneten. Weißer Raucht stieg aus einem hölzernen Häuschen empor. Der kleine Marienkäfer landete auf der Nase des Mädchens. Es streckte seine Hand aus, versuchte, das Tier zu streicheln, es flog davon.

Mia sah einen Brunnen. Auf dem Rand saß ein seltsames Wesen. Es trug einen grünen Umhang, das Gesicht war verdeckt – eine lange, spitze Nase ragte unter der Mütze hervor. In seiner rechten Hand hielt es einen Stab, fuhr damit in die Luft. Dann drehte es den Kopf und schaute zu dem Rosenbeet, streckte eine Hand aus und deutete mit langen Fingernägeln auf Mia. Das Wesen sprang vom Brunnen, schlich mit gebeugtem Rücken zu dem Mädchen.

„Wer bist du?“, rief Mia.
Das Wesen kratzte sich an der Stirn, kam dabei immer näher und antwortete mit rauer Stimme: „He. Wer ich bin? Du willst wissen wer ich bin? Aber die Frage ist doch: Wer bist du? Und was machst du hier?“

Es blieb vor dem Rosenbeet stehen, fuchtelte mit dem Stab und deutet auf die Wiese. „Und schnell runter. Einfach über die Rosen laufen, was fällt dir ein?“
Mia stand auf, jetzt weinend, um sich auf das Gras zu begeben. „Ich bin gefallen, das war nicht mit Absicht.“
„Nicht mit Absicht! Das ich nicht lache!“
Ein Mann - ein attraktiver junger Mann - erschien und schimpfte mit dem Wesen, das plötzlich eine grüne Jacke trug und einen Besen in den Händen hielt.
„Sie sehen doch, dass das Mädchen gefallen ist. Also wirklich, ein bisschen Feinfühligkeit kann ich von einem Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wohl erwarten, oder?“
„Ich arbeite täglich an diesen Blumen, und das Schild“, das Wesen, das sich in
einen dicken Mann verwandelte, zeigte auf ein metallenes Schild. „Das besagt ganz klar: Betreten Verboten. Also, nehmen Sie ihr Kind und passen das nächste mal besser auf!“ Mit diesen Worten stampfte der Mann fort.


„Wo ist denn deine Mama?“, fragte der Retter das Mädchen.
„Ich weiß nicht, sie war auf dem Spielplatz.“
„Und was machst du hier? Der Spielplatz ist am Osteingang.“ Der Mann grinste. „Du solltest nicht alleine so weit fortlaufen.“
„Ich weiß … ich habe dieses Einhorn gesehen … und dann bin ich hinterher.“
„Oh. Das Einhorn habe ich auch gesehen, aber es ist schon weiter gezogen. Wir sollten deine Mama suchen.“
Mia überlegte einen Moment und schaute ihr Kleid an. „Sie ist bestimmt wütend … das neue Kleid.“
Der Mann fuhr sich durch die Haare. „Ja. Da musst du durch. Wie heißt du denn?“ „Mia.“
„Ich bin Tobi. Tobi, der Ritter, so nennen sie mich.“
„Ein Ritter?“ Mia gluckste. „Du siehst nicht aus wie ein Ritter.“
„Na doch, der Ritter des Einhornes. Du siehst aus wie eine Prinzessin, zwar wie eine dreckige Prinzessin … aber eine Prinzessin. Wenn du willst, begleite ich dich zu deiner Mama.“

Mia nahm die Hand von Tobi, sie lächelte. Es war wirklich nett von ihm, dass er sie begleitete.

Der Park verwandelte sich in eine Wiese, Pferde grasten und in der Ferne erkannte Mia den kleinen Marienkäfer.
„Hier war doch irgendwo ein Brunnen“, flüsterte das Mädchen.
„Ein Brunnen?“
„Ja, wo ich mein Kleid waschen kann.“
Tobi lachte auf. „Ein Brunnen? Nein, bestimmt nicht. Aber wenn du willst, kannst du in meinen Ritterturm kommen, da waschen wir dein Kleid.“
Mia grübelte einen Moment. „Bist du wirklich ein Ritter?“
Der Mann verbeugte sich, legte eine Hand auf die Brust und schwor feierlich: „Ein wahrer Ritter, der die Prinzessin beschützt und ihr beim Kleiderwaschen hilft.“


Und so war es. Der Ritter wollte der Prinzessin beim Waschen der Kleider helfen, weit oben im dreizehnten Stockwerk des Turmes, der unritterlicher nicht hätte aussehen können. Mia erinnerte sich einen kurzen Moment an das Wesen mit der hohen Stirn, da durchfuhr sie ein Schrecken. Ihr Innerstes begann zu zittern, das Zwerchfell verkrampfte sich, das Herz trommelte gegen den Brustkorb. Die Beine wurden wacklig, die Finger zitterten, die blonden Härchen im Nacken sträubten sich. Sie wollte ihr Kleid nicht ausziehen, sie wollte es nicht mehr waschen, doch Tobias Lippen formten keine Frage, sie zischten. „Hoch den Rock.“


Eine kräftige Hand umklammerte ihren Mund, schnürte ihr die Luft ab. Obwohl sie mit ihrer ganzen Kraft strampelte, zu schreien versuchte, bahnte sich eine andere Hand zwischen ihren Schenkeln hinauf in ihre Körpermitte hinein. Nach einigen Minuten rann Blut aus ihrer Scheide und verband sich mit dem Blut des aufgeschürften Knies. Es bildete sich einen Fluss, der auf den Boden des Badezimmers tropfte. Wenige Minuten später bildeten die roten Flecken einen eigenen Weg. Dieser führte von den Fliesen des Bades hinüber zum Teppich des Wohnzimmers direkt in das Bett des Schlafzimmers.

4

Tobias hatte eine Dokumentation über Robbenbabies gesehen, als diesen Tieren bei vollem Bewusstsein das Fell abgezogen wurde. Ihre Schreie waren bis in die weit entferntesten Behausungen zu hören. Niemand der Angler war auf die Idee gekommen, den Robben etwas in den Mund zu stopfen. Tobias fühlte sich intelligent, geradezu clever, als er Mia eine seiner Socken in den Mund presste. Er war ein guter Beobachter, hatte das Mädchen im Park schon aus der Distanz gesehen, den richtigen Moment abgewartet. Und Vorbereitungen hatte er getroffen. Seine Wohnung mit Eierkartons ausstaffiert, welche die Lautstärke dämpften, die fest installierte Kamera direkt mit dem Smart TV verbunden, damit er sich selbst zuschauen konnte, in seinem Nachttisch befanden sich einige Spielzeuge. Sie würden dem Mädchen gefallen, da war er sich sicher. Schließlich ging sie freiwillig mit, trug ein Kleid und wusste, worauf sie sich einlassen würde.

An diesem Tag stellte Tobias fest, dass Kinderbeine sehr früh zu strampeln aufhören, Finger nur eine kurze Zeit kratzen, wenn die zugehörigen Gelenke an Bettpfosten gefesselt sind. Ihn wunderte nur die Ausdauer des Körpers. Dieser zappelte lange. Zappelte und das Mädchen wimmerte. Bis die Gegenwehr irgendwann aufhörte.


5

Hitze sammelte sich in Pablos Helm, die Luft war stickig. Der Wagen knatterte über die Straße, seine Augen starrten durch seine Brüder hindurch.
„Ein verfluchtes Kind“, lispelte Mike und zerrte seine Sturmhaube über das Kinn. Ja, ein verfluchtes Kind. Dabei bist du doch selbst noch eines, ging es Pablo durch den Kopf. „Hombre, ein scheiß Einstand, würde ich sagen.“

Vor einer halben Stunde dröhnte es in Pablos Kopf, lauter als sonst. Markus ging es ganz ähnlich. Es war der Alarm. Es folgte Routine, das Umziehen, das Einkleiden, die Lagebesprechung. Es wurden Bilder gezeigt, von einem Hochhaus, einem Grundriss, einem Mann und einem kleinen Mädchen mit blonden Haaren. Blonde Haare, wie Lisa sie hatte, es hätte ihr Kind sein können. Auf den umliegenden Dächern und in den Sträuchern der gegenüberliegenden Straßenseite hatte sich Verstärkung positioniert, überwacht wurde der Einsatz von einem Auto an der Ecke.

Pablo ging vorneweg, hinter ihm das Team. Sie schlichen die Häuserwände entlang, durch den Hof zum Hintereingang. Eine ältere Dame, die soeben ihren Müll entsorgte, staunte nicht schlecht, als sie die fünf schwerbewaffneten Männer erblickte. Pablo deutete zur Ruhe und kommandierte das Team durch die Tür, die Treppe hinauf und in den dreizehnten Stock. Der Vorteil an Hochhäusern mit Hausmeisterservice war folgender: Generalschlüssel waren schnell besorgt. Pablos Hand formte eine Faust, zeigte zur Türe.

Der Schlüssel passte, das Schloss schnellte leise auf. Ein tiefes Stöhnen alarmierte die Männer, ließ sie zum Zimmer am Ende des Flures rennen, die Steyr fest in ihren
Händen. Pablo trat die Tür ein und auf, sah kurz darauf Mia. Nackt, an das Bett gefesselt. Tobias, ebenfalls entkleidet und höchst erregt, drehte sich überrascht den Besuchern zu. Er stand mitten im Raum und wollte etwas aus seinem Nachttisch holen. Pablo schlug ihn mit dem falschen Ende seiner Waffe gegen die Stirn, ließ einen Aufwärtshaken und einen Schwinger folgen. Tobias ging lautlos zu Boden.

6

Es war Markus, der Mia als erster erreichte, sie entfesselte und gleichzeitig einen Rettungswagen über Funk anforderte. Er funktionierte. Er konnte ihren flachen Atem hören, drehte sie in die stabile Seitenlage und wickelte sie in seine Jacke ein. Er verdeckte die roten Flecken, und so gut er es beurteilen konnte, musste Mia zu bluten aufgehört haben.
Der Rest des Teams ging aus dem Zimmer, sicherte die Wohnung. Pablo war stumm, ignorierte die Stimmen in seinem Ohr. „Badezimmer sicher“, „Küche sicher“, „Krankenwagen in drei Minuten unten, bringt das Mädchen runter.“
Er schaute lediglich Tobias an, der reglos und entblößt auf dem Zimmerboden lag.
„Ein kleines Mädchen!“, rief Mike in das Zimmer hinein. Dann lispelte er. „Ein verfluchtes Kind.“
Markus trug Mia wie ein Paket hinab. Begleitet wurde er von vier Männern.

„Wann nimmst du ihn fest?“, fragte Mike, als Pablo seinen Helm abnahm.
Pablo schaute ihn nicht an. „Wusstest du, dass nur jeder fünfzehnte bis zwanzigste Kindesmissbrauch überhaupt zur Anklage kommt?“
Mike schüttelt den Kopf.
„Und nach maximal 15 Jahren sind die Leute wieder frei“, fuhr Pablo fort, während er das Fenster öffnete. „Das nächste mal sind es vielleicht deine Kinder, die von Frank, Timo ...“ Pablo nahm Tobias über die Schulter und warf ihn aus dem Fenster. „ … oder die von Lisa.“

7

Dem abschließenden Polizeibericht konnte ein jeder entnehmen, dass Tobias Reichenwirt, am 14. Juni des Jahres 2014, aus einem geöffneten Fenster des dreizehnten Stockwerks des Hochhauses Nummer 17 der Kronauer Allee, stürzte, nachdem er sich bei der versuchten Festnahme durch Männer des SEK zur Wehr setzte. Am 23. Juni 2014 wurde Mia im alter von fünf Jahren beigesetzt. Sie erlag in der Woche zuvor ihren inneren Verletzungen.

Am selben Abend gewann die chilenische Nationalmannschaft gegen die spanische Auswahl mit zwei zu null und zog in das WM-Achtelfinale ein. Ein historischer Triumph. Irgendwann, nach einigen Piscos schlug Markus seinem Freund vor, den Dienst zu quittieren und in den Urlaub zufahren. Er wolle Chile kennen lernen.

 

Liebe Leute,

ich bin versucht gewesen, das ganze in der Kreativwerkstatt zu veröffentlichen. Beschreibt der Text ja doch nur den Versuch, sich einem (zu) anspruchsvollen (?) Thema zu nähern. Das dünne Eis, auf dem ich mich wähne, bringt wohl die Thematik mit sich aber ebenso die Form, welche ich für die Geschichte erwählt habe.

Mehr Worte will ich nicht verlieren, fürchte ich mich fast, vor den Kommentaren.

Danke fürs Lesen, vorne weg.

Sonne

 
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Liebe schwarze sonne,
hier mein erster Eindruck von deinem Text, möglicherweise nicht der abschließende:
Gute Ansätze, gut beschriebene Situationen, aber als Ganzes für mein Empfinden zu schnell gestrickt, zu sehr konstruiert, zu sehr auf Effekt abzielend: das Stadt-Motiv, die gleichgültigen Mütter, die Suche des Mädchens nach dem Einhorn, der plötzlich wie aus dem ‚Versprechen’ von Dürrenmatt auftauchende Kinder-Verführer, das Haus der Puppen, der gebrochene und desillusionierte Polizist und dann als Schlusspunkt das Rilke-Zitat. Ich glaube, gerade dieses Zitat hat mich am meisten gestört: Es passt einfach nicht, lässt sich auf nichts im Text beziehen und sagt auch nichts über Thomas aus. Die tiefe Tragik, die Rilke gerade mit diesen letzten Zeilen ausdrückt, passt absolut nicht in die profane Darstellung des Geschehens und auch nicht zur Gestalt des Thomas. Es ist Effekt, keine Vertiefung.
Die Geschichte mit Thomas: Durch seine Charakteristik gibst du der Geschichte einen neuen Schwerpunkt. Für mich hätte es ausgereicht, wenn du ihn nur kurz skizziert hättest. So entsteht ein ganz neues Thema, das mit dem eigentlichen Geschehen nicht viel zu tun hat, also den Leser nur in eine andere Richtung zieht.
Zu den wirklich gelungenen Stellen deines Textes: Mir hätte es besser gefallen, wenn du die Stadtatmosphäre, die Gleichgültigkeit der Mütter, die Prinzessinnen-Attitüde des kleinen Mädchens als Ausgangsbasis für die Begegnung mit dem Mann genommen hättest. Sicher, du brauchst einen Anlass, damit Mia wegrennt, aber diese Einhorn-Geschichte funktioniert für mein Empfinden nicht, da solltest du dir etwas anderes ausdenken. Das Einhorn-Motiv ist mMn zu sehr literarisch belastet.
schwarze sonne, wir sind alle sehr beeinflusst, von dem, was wir gelesen haben. Es steckt in unserem Kopf und wir bemerken oft nicht, dass wir uns Teile dessen, was wir aufgenommen haben, bedienen. Das ist auch nicht weiter schlimm, da wir ja keine tabula rasa sind. Aber wir sollten kritisch damit umgehen und sie nicht benutzen, um Effekte zu erzielen.
Deshalb zum Schluss: Bitte verzichte auf das ‚Panther’-Zitat. Es passt hier wirklich nicht, so einmalig und schön ich es finde.

Liebe Grüße
barnhelm

Nb: Du solltest sorgfältiger korrekturlesen. Leider sehr viele Flüchtigkeitsfehler, die ich nicht alle auflisten möchte.

 

Hey sonne

Auf eine gewisse Art handelt es sich hier um zwei Geschichten, der Perspektivenwechsel ist derart radikal, dass die beiden Teile sich nicht aufeinander beziehen lassen, da beleuchtet der erste Teil nicht den zweiten, der zweite nicht den ersten. Kontinuität erhält die Geschichte nur durch das Geschehen.
Und ich denke auch, dass die Geschichte ihre Brisanz nur durch das Geschehen beziehen kann (will?). Denn die Art und Weise, wie sie erzählt wird, bietet für mich keine neue, überraschende Perspektive. Die klassische Schokolade wird durch Puppen ersetzt, aber ansonsten lief das für mich so schematisch ab, dass ich das Ende des ersten Teils nur noch überflogen habe. Auch der zweite Teil bot wenig Unvorhergesehenes, ausser vielleicht, dass Tomàs Fakten schafft, noch während das Kind beim Mann liegt, was ich eher unplausibel finde.
Versteh mich nicht falsch, da gibt's viele sehr gute Passagen in deinem Text, finde ich. Beschreibungen, Bilder, Dialoge. Bei einem Text, der seine Kraft nicht aus dem Effekt und der Emotion beziehen will, den der Inhalt quasi automatisch liefert, sondern aus deinem Blick auf die Dinge, aus deinen tollen Beschreibungen, könnten sich deine Fähigkeiten meines Erachtens aber noch viel besser entfalten.

Stark zum Beispiel die Einsteigsszene, das ist alles sehr konkret, die Wasserpumpe, der Sandkuchen mit den Ästen als Kerzen, man sieht das sehr plastisch vor sich, sehr lebendig. Diese Details sind eine Stärke von dir. Im weiteren Verlauf der Geschichte verzichtest du mehr und mehr auf diese Details, im zweiten Teil hat es davon nur noch wenige. Das erinnert mich an was, ich kämpfe nämlich ständig damit, dass ich gegen Ende nur noch den Plot abspulen will. :)

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hallo schwarze sonne!

Für mich besteht deine Geschichte aus zwei Erzählsträngen, die nicht zusammenpassen: die Mia-Geschichte und die Tomás-Geschichte; ich schließe mich Peeperkorn an, der es treffend formuliert hat:

Auf eine gewisse Art handelt es sich hier um zwei Geschichten, der Perspektivenwechsel ist derart radikal, dass die beiden Teile sich nicht aufeinander beziehen lassen, da beleuchtet der erste Teil nicht den zweiten, der zweite nicht den ersten.

Was den Mia-Teil betrifft, so ist es dir gut gelungen, dich in das Seelenleben eines fünfjährigen Mädchens hineinzuversetzen. Die Kleine nimmt sich ihre Mutter zum Vorbild, lackiert sich wie sie die Nägel. Das ist der Ödipus-Komplex. Der kleine Junge will so werden wie sein Vater, damit er seine Stelle im Ehebett der Eltern einnehmen und mit seiner Mutter schlafen kann, wobei er den Vater als Konkurrenten aussticht. Er identifiziert sich mit ihm und besiegt ihn zugleich.

Das kleine Mädchen will ihrer Mutter ebenbürtig werden und sie beim Vater als Geliebte ersetzen. Sie identifiziert sich also mit ihr (durch die lackierten Nägel) und will ihr zeigen, dass sie auch einen erwachsenen Mann, einen Ersatzvater aufgabeln kann.

Dazu passt auch gut, dass es nicht etwa ein niedliches Kätzlein, ein Hund, ein Pony oder ein bunter Vogel ist, der das Mädchen auf sein Abenteuer weglockt, sondern ein Einhorn, dessen Horn natürlich ein Phallus-Symbol ist. So bestätigt sich Freuds Erkenntnis, dass auch kleine Kinder schon eine Sexualität und sexuelle Wünsche haben.

Hast du also Mias Charakter so einfühlsam dargestellt, dass er auch dem Leser einleuchtet, so kann man das von Thomás leider nicht sagen. Es wird nicht nachvollziehbar, warum es ihn in einen gefährlichen Beruf zieht, obwohl er kein Blut sehen kann. So etwas gibt es ja, zum beispiel, wenn einer ein toller Kerl, ein verwegener Mann sein will, aber sein Charakter zu weichlich ist - aber das kommt bei Tomás nicht rüber.

Was das Rilke-Zitat betrifft: Da geht es ja um die Augen eines Lebewesens, und es bietet sich an, es mit den Augen der Puppen, die für missbrauchte, eingesperrte Kinder stehen, zusammenzusehen: Augen, die tot sind...

Resümee: Die Mia-Geschichte hat Potenzial, aber ihr Zusammenhang mit dem Rilke-Zitat und der Tomás-Erzählung wird nicht richtig lebendig. Vielleicht lässt du die Geschichte einige Monate oder Jahre liegen und machst dich dann nochmal dran.

Grüße gerthans

Nachtrag:

Mir ist gerade noch die Idee gekommen, dass der Panter ja auch ein missbrauchtes Wesen ist, weil er eingesperrt ist und begafft wird, ein Objekt für Gaffer, während Mia Sexualobjekt ist - bei Opfern beider Art kann es zu einer Art Abstumpfung als Selbstschutz kommen... nur so ein Gedanke!

 
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“Hot town, summer in the city
Back of my neck getting dirty and gritty
Been down, isn't it a pity
Doesn't seem to be a shadow in the city
All around, people looking half dead
Walking on the sidewalk, hotter than a match head
But at night it's a different world
Go out and find a girl
Come-on come-on and dance all night
Despite the heat it'll be alright
...“
Mark & John Sebastian /Lovin' Spoonfull 1966​

Nicht nur die Einleitung,

liebe sonne -

darf man eigentlich nach solch einem Thema noch das Adjektiv in der Anrede verwenden? Ich frag mich sogar, wie weit Krims Kram da Einfluss haben könnte -,

erinnert mich an den uralten Song, obwohl er nur in einem sehr übertragenen Sinn mit Deinem Versuch zu tun hat. Warum Versuch? Weil's bestenfalls eine Annäherung an beide Seiten der Gewalt sein kann. Dabei will mir das Einhorn notwendig erscheinen, selbst wenn Du die folgende, sehr knapp von mir erzählte Geschichte gar nicht kennen solltest, hastu einem uralten Aberglauben gefrönt:

Das Fabeltier mit einem Horn in der Stirnmitte, die Legende/das Gerücht vom Einhorn.

Es geht historisch zurück auf ein assyrisch-babylonisches Relief, das das Profil eines Auerochsen zeigt, sodass nur ein Horn zu sehen ist.

Welche wundersam abergläubische Dinge sich da heute noch drauf zurückführen lassen in unserem ach so aufgeklärten Jahrhundert, ist schon erstaunlich und selbst Nashorn und Elefant müssen wegen der vermeintliche heilenden/stärkenden Kraft des Hornes/"Elfenbeines" drunter leiden.

Selbst im christlichen Mythos ist das Einhorn Symbol der Stärke, das seine Kraft (erst?) verliert, wenn es sein Horn einer Jungfrau in den Schoß legt.

Trivialeres und zu den von barnhelm angestoßenen Fehlern (die gegenüber "früher" - sofern man es so sagen darf - merklich weniger werden.

Hier wird schriftdeutsches malen mit mahlen verwechselt

, im Sandkasten ma[...]len kleine Zehen die winzigen Körner.

Er ist [e]rwachsen, ...
, wo "ein Erwachsener" auch stehen könnte. Hier wär's dann
Nicht jeder darf es [w]issen."

Natürlich lassen sich auch die Possessivpronomen einschränken, wenn man wie hier
Mia hält sich ihre Arme vor das Gesicht.
weiß, wessen Arme es sind.

Gelegentlich wäre - wie hier - ein Komma nachzufügen

„Ach[,] das sind doch nur ein paar Löcher.
oder auch hier
„Ich glaube[,] heute wirst du kein Einhorn mehr finden.
Hier ist der Infinitivsatz zu Ende
Tomás deutet an, ruhig zu bleiben[,] und zeigt in die Richtung,

Gelegentlich vergess ich auch schon mal einen Punkt
„Heute steige ich aus[.]“

Hier kommt dann das, was ich mal "das Mädchen/Kind- Problem nennen will, wie mit den Personalpronomen weiter zu verfahren wäre (das Mädchen/Kind = sein ... Man weiß ja, was beim Mädchen folgt, wenn es plötzlich zur Maid wird)
Langsam schleicht das Geburtstagskind den Gang entlang, [seine] Hand krallt sich um den Bauch
und hier geschieht, was 90 % der Leute hierorts widerfährt
Zwischen seinen Beinen zappelt ein Mädchen, ihr Kopf wird in seinen Schoß gedrückt.

Hier könnte der Infinitiv bestehen bleiben, einfach da "bei + dem" löschen!
keiner hilft dir [...] landen.
hier die Vorsilbe weg
Die schlaflosen Nächte, wenn Zivilisten deine Kugeln abbekommen oder schlimmer: dein eigenes Team nicht vollständig zurück[]kehrt.

Hier solltestu das Pronomen durch Mann oder Mensch ersetzen
Ein einfacher er.

Hier kämpfen Bauer und Arbeiter miteinander, selbst wenn der am Bau arbeitet
Ein Bau[...]arbeiter

Nunja, dass ich solche Texte gern läse, wäre falsch - aber dnnoch wünsch ich ein schönes Wochenende

Friedel,
den jetzt gleich Schalke ruft!

 

Hallo schwarze sonne,

ein heikles Thema, in der Tat. (Zum Glück, denn wie abgestumpft müssten wir sein, wenn so etwas nicht mehr heikel wäre?)

Ich weiß nicht, wie es den anderen Lesern ging, aber ich habe zu Beginn nicht kommen sehen, wohin die Geschichte führen würde, zumindest nicht, wie weit. Deine Beschreibung der spielenden Mia war wirklich toll. Sie steckt Aststücke in einen Sandkuchen und bläst die Kerzen aus. Da brauchst du gar nicht zu erwähnen, dass die Zweige für sie die Kerzen sein sollen - sie sind es einfach.

Aber wenn die Geschichte schon mit "Alltag" und "Gesellschaft" getaggt ist, lässt das keinen eitel Sonnenschein erwarten, und das Großstadtgetöse als Kulisse wirkt schon ominös genug. Wirklich Böses ahnt der Leser, als Mia allein den Spielplatz verlässt. Und als sie dann einen fremden Mann trifft, setzen sofort die üblichen Reflexe ein. Was sagt das eigentlich über unsere Gesellschaft aus, wenn wir beim Anblick eines Mannes und eines kleinen Mädchens sofort das Schlimmste annehmen? Einen Moment hoffe ich noch, die Geschichte würde harmlos enden, als Momi sagt: "Wir sollten auf den Spielplatz gehen. Deine Mama vermisst dich bestimmt." Vielleicht nur eine Ermahnung an die nachlässige Mutter, besser auf ihr Kind aufzupassen - alles noch mal gutgegangen? Aber nein, er nimmt sie doch mit, und dann wird es wie erwartet schlimm.

Bis dahin schreibst du für mein Empfinden sehr einfühlsam aus der kindlichen Perspektive, das ist wirklich sehr gut. In dem Moment, wo es dramatisch wird, scheinst du zurückzuschrecken, dich der Beschreibung des furchtbaren Geschehens zu verweigern. Und ganz ehrlich - vom menschlichen Standpunkt spricht das absolut für dich, dass du (falls meine Deutung stimmt) dich nicht in diesen Abgrund stürzen magst, sondern dich mit Abscheu abwendest. Und ich glaube auch nicht, dass ich es hätte lesen mögen, wenn du diesen Aspekt tatsächlich ergründet hättest, das wäre wohl auch mir zu hart gewesen, zumindest dann, wenn du es ebenso einfühlend beschrieben hättest wie zuvor. Aber vielleicht erklärt das, warum andere dies als formelhaft oder schematisch ansehen: den einen Teil hat man ähnlich schon gelesen, den anderen Teil lässt du weg. Kann sein, dass das literarisch einfach nichts hergibt. Aber es gibt auch Dinge, die muss ich persönlich gar nicht literarisch eruieren.

Im zweiten Teil der Geschichte versuchst du uns die Person Tomás näher zu bringen, und das klappt für mich leider weniger gut. Vielleicht ist seine Charakterisierung einfach nur zu kurz (jedenfalls kürzer als Mias), vielleicht ist der desillusionierte Kämpfer tatsächlich etwas zu formelhaft geraten. Vielleicht glaubt man als Leser aber auch nur, die Beschreibung eines Kindes besser zu verstehen, weil man dort weniger Individualität verlangt als bei einem (vermeintlich?) komplexeren Erwachsenen.

Auch für Tomás steuert das Geschehen auf einen Tiefpunkt zu. Er "schafft Fakten", erschießt also vermutlich den Kinderschänder. Dass er das tut, scheint mir plausibel - sicher hasst er diese Kreaturen, außerdem kann er so mit einem "Knalleffekt" aussteigen, wenn er dafür disziplinarische und strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten hat und sicher aus der Spezialeinheit geworfen wird. Dass er dies aber in Gegenwart des Kindes tut, kann ich nicht nachvollziehen. Das könntest du heilen, indem du vielleicht einen Kollegen das Kind retten und rausbringen lässt, bevor Tomás handelt. Dann fehlt zwar der mögliche Affekt, aber vielleicht ist die Wirkung ohne diesen sogar stärker.

Dass in deiner Geschichte zwei separate Handlungsstränge erst am Schluss zusammenlaufen, finde ich persönlich okay. Wenn das anderen Lesern zusammenhanglos erscheint, dann vielleicht deshalb, weil die beiden Stränge nicht - wie man erwarten könnte - nach ihrer Zusammenführung noch eine Zeitlang gemeinsam weiterlaufen. Sie tun das nur ein winziges Stück, im Handlungsverlauf sind es wohl wenige Sekunden vom Aufbrechen der Tür bis zu Tomás' Schuss. Man könnte versuchen zu schildern, was danach noch für beide passiert, aber das entspricht vermutlich nicht deiner Erzählabsicht und ich hätte offen gesagt auch keine gute Idee, was dann kommen sollte.

Was kann ich daraus für ein Fazit ziehen? Du hast den Teil mit Mia, der toll beschreibt und im entscheidenden Moment abbricht (und noch mal: das kann ich dir absolut nicht verübeln), und du hast den Teil mit Tomás, dem es an Tiefe und Individualität fehlt. Wenn ich so eine Geschichte schreiben sollte (und es nicht einfach ablehnen könnte), würde ich mich wohl auf Tomás konzentrieren, diesem mehr Gestalt verleihen und ihn mitsamt seiner Vorgeschichte und seinen Beweggründen zur Hauptfigur der Geschichte machen. Und wenn ich deine entsprechenden Fähigkeiten hätte, würde ich danach eine schöne, positive Kindergeschichte mit Happy-End verfassen.

Noch ein bisschen Textkram:

Beton, Hinterhöfe, bröckelnde Wände!
Knatternde Drucklufthämmer, piepende Müllwagen, knallende Motorräder!
Dunst vermischt mit Abgasen, Hitze flimmert vor Neonreklamen, Fabriken dampfen!

Es ist Sommer in der Stadt!

Zu viele Ausrufezeichen. Ich würde nur das letzte stehenlassen.

im Sandkasten mahlen kleine Zehen die winzigen Körner.
Hier will Friedel dir das "h" in "mahlen" streichen. Er hat Recht, wenn die Zehen in den Körnern Bilder malen wollen. Wenn sie aber - wie ich es gelesen habe - die Körner zermahlen wie in einer Mühle, bleibt das "h" stehen.

Im Sonnenschein glänzt ihr blondes Haar golden.
Unnötig, weil schwarzes oder braunes Haar eh nicht golden glänzen würde.

spitze Steine und sperrige Hackschnitzel ebnen ihr den Weg.
Auch sehr schön! Einen barfüßigen Erwachsenen würden die Steine sicher hemmen, das ins Spiel vertiefte Kind kümmert sich gar nicht darum.

„Ich habe es heute zum Geburtstag bekommen, schon ist's kaputt."
Würde einem kleinen Kind wirklich ein "ist's" über die Lippen kommen?

Sie pustet Luft aus. Pff
Da fehlt ein Satzzeichen hinter "Pff". Punkt, Ausrufezeichen, Auslassungspunkte?

Leerschritt rausKeine Angst, Prinzessin. Hier ist die Wohnung.

Nach AfghanistanKomma raus quittierte er den Dienst

Das Ganze liegt Jahre zurück.

überwacht wird der Einsatz von einem Auto um die Ecke.

Du hast deine Geschichte selbst als einen Versuch eingeordnet, der m.E. nicht ganz gelungen, aber trotzdem sehr spannend und lehrreich ist. Insofern keinesfalls vergeblich!

Grüße vom Holg ...

PS: Ich muss meinen Vorkommentatoren Recht geben: das Pantherzitat muss raus! Das hat einfach einen komplett anderen Kontext.

 
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Hallo schwarze sonne,

mir geht es wie den meisten Lesern hier. Es sind im Grunde zwei Geschichten. Die zweite mit Tomas wäre für sich genommen interessant genug, um sie als Geschichte einer Desillusionierung in den Mittelpunkt zu stellen. Sie kommt auch sprachlich mit einem ganz anderen Sound daher. Die Verbindung zwischen beiden Geschichten passiert zu spät, ist nicht zwingend.

Deine bisherige Stärke habe ich darin gesehen, wie du kindliche Seelen nahebringst. Nur finde ich in dieser Geschichte einiges, was nicht zu dem Alter deiner Prota passt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine heutige Fünfjährige so vorbehaltlos mit einem Fremden mitgeht, sich gar noch von ihm tragen lässt. Also da müssten die Eltern von Mia extrem naiv sein. Die Arglosigkeit Mias wäre für mich eher nachvollziehbar, wenn der Mann eine ihr bekannte Person wäre. Aber dann hast du Schwierigkeiten mit dem Plot.

Auch Mias Redeweise lässt mich immer wieder stolpern.

Ich habe es zum Geburtstag bekommen, schon ist's kaputt.

Dieser Satzbau ist unkindlich, fast antiquiert.

Ich liebe Puppen

Klingt affektiert.

Die will ich sehen.

Wie oben, kein kindlicher Satzbau.

Insgesamt kommt es mir vor, als ob du wegen des Experiments mit den beiden Erzählsträngen das Feintuning vernachlässigt hättest.
Dies gilt aus meiner Sicht auch für den Anfang, das sind mir zu viel klischeehafte Versatzstücken, anstelle eines subtil aufgebauten Bedrohungsszenarios. Was ich als Leser zu erwarten habe, ist ohnehin klar. Zu oft sind die Gefahren, denen Kinder an Spielplätzen ausgesetzt sind, in den Medien thematisiert.

Über den Schluss möchte ich nur sagen, den halte ich für missglückt, weil ich nicht erkennen kann, worauf dein Fokus gerichtet ist: auf den Kindesmissbrauch oder auf die Tatsache, dass Tomas "Fakten" schafft.

Zwei schwerwiegende Themenbereiche, die beide eine intensive Bearbeitung verdienen.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Nur ganz kurz - Dante Friedchen hat so was wie Muskelkater nach einer Höhlenergehung äh, -
erschleichung im Sauerländlichen -

Ihr Lieben,

zu den genaugenommen drei Strängen der Geschichte - die eigentlich genau sonnes Stellungnahme zu Krims Kram beleuchten.

Zum einen sind die heutigen Kinder überbehütet - ein Statistiker hat festgestellt, dass wir - Nachkriegsgeneration bis Jahrgang Babyboomer (1960-er Jahre) bis zu fünf km Freiraum hatten und unsere heutige Händigeneration (ist es noch Generation y oder schon z?) 500 m zugestanden wird. (Nicht umsonst werden die lieben Kleinen bis vor den Kindergarten-/Schuleingang gekarrt, auf dass das Verkehrsunfallrisiko vor den Toren der Betreuungsanstalten erhöht werde).

Kinder erfordern Aufmerksamkeit, die störend wirkt auf die heute in Job und "Kommunikation" mit dem WeltWeitengeWerbe investierte Zeit. Die Aufsicht an unsern Sandkästen sitzt, quatscht, raucht, schaut und spricht aufs/ins Händi, ergötzt sich mehr an Videos als am richtigen Leben im Sandkasten. Ist abgelenkt bis zum geht nicht mehr. So auch die Mutter, die selbst von M. nicht mehr zu finden ist.
M folgt seinen Neigungen.

T. ist, ich weiß, ich erweck jetzt Entrüstung, Scharfschütze und seinen Neigungen nach Berufskiller. Soldaten sind sich alle gleich, selbst wenn sie polizeiliche Aufgaben wahrnehmen, lebendig und als Leich.

Zwischen diese beiden Typen – M vs. T – gerät das Kind als Pivotelement. Und nicht nur die Begegnung mit M wird ein Leben lang seine Spur hinterlassen. Erst recht die geschaffenen Fakten.

Schönen Sonntag noch vom

Friedel

 
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Liebe Leute,

jetzt habe ich bekommen, was ich erhofft habe und weiß nicht recht, wie ich den einzelnen Kommentatoren gerecht werden soll. Vielen Dank für eure offene und konstruktive Kritik!
Zurzeit lese ich in einigen Threads von unsachlichen Kritiken, diversen Auseinandersetzungen und allerhand Dingen, die nichts mit den Kurzgeschichten zutun haben. Ich bin froh, dass so etwas nicht unter meinen Texten stattfindet und muss eure Sachlichkeit einfach mal lobend erwähnen. Ich bin zumindest froh, den Weg zu den Wortkriegern gefunden zuhaben. Ein Lob sollte auch mal drin sein, oder Webmaster?

Jetzt aber zur Geschichte:
Ich dachte, ich hätte aus meiner vier monatigen Mitgliedschaft etwas gelernt. Aber meine jugendliche Hybris geht wohl ab und an mit mir durch, das soll aber keineswegs als Entschuldigung oder faule Ausrede herhalten. Ich hätte aber sicherlich mehr Zeit in die Idee invenstieren können, sie scheint nicht ausgereift zu sein.

Liebe barnhelm, ob du es glaubst oder nicht, ich lese meine Texte mehrmals korrektur - Zeile für Zeile. Das sind keine Flüchtigkeitsfehler, sondern einfach Fehler. Ich kenne die Regeln der deutschen Rechtschreibung und Gramatik, jedenfalls größtenteils, aber ich kann sie schlicht nicht anwenden. Dem ganzen liegt sogar ein Störungsbild zu Grunde, ganz offiziell. Wenn die Fehler zu viele werden, dann muss der Text ins KC verschoben werden und ich hoffen, dass ich die Fehler innerhalb eines Monats finde. Ich werde mich dran machen, klar!

barnhelm schrieb:
Gute Ansätze, gut beschriebene Situationen, aber als Ganzes für mein Empfinden zu schnell gestrickt, zu sehr konstruiert, zu sehr auf Effekt abzielend

Das ist ja der Kern deiner Kritik. Deine Ausführungen und Erklärungen dazu habe ich gut nachvollziehen können. Mein Grundgedanke war nicht nur auf Effekt zu haschen (am Ende natürlich schon), sondern darzustellen, warum und wie eine Kinder-Verführung stattfinden kann. Die Motive habe ich wohl nicht deutlich genug ausgearbeitet bzw. dargestellt. Das ist sehr ärgerlich, weil der Dialog eigentlich der Kern der Geschichte darstellen sollte. Deshalb funktioniert die Geschichte natürlich nicht, oder nicht so, wie ich es wollte. Hier habe ich zu viel in meinem Kopf, zu wenig aufgeschrieben.

Passend dazu folgender Satz von Peeperkorn der alle Kritiken eigentlich auf den Punkt bringt.

Peeperkorn schrieb:
Und ich denke auch, dass die Geschichte ihre Brisanz nur durch das Geschehen beziehen kann (will?).

gerthans hat meine Motive erkannt.

gerthans schrieb:
Die Kleine nimmt sich ihre Mutter zum Vorbild, lackiert sich wie sie die Nägel. Das ist der Ödipus-Komplex. Der kleine Junge will so werden wie sein Vater, damit er seine Stelle im Ehebett der Eltern einnehmen und mit seiner Mutter schlafen kann, wobei er den Vater als Konkurrenten aussticht. Er identifiziert sich mit ihm und besiegt ihn zugleich.
Das kleine Mädchen will ihrer Mutter ebenbürtig werden und sie beim Vater als Geliebte ersetzen. Sie identifiziert sich also mit ihr (durch die lackierten Nägel) und will ihr zeigen, dass sie auch einen erwachsenen Mann, einen Ersatzvater aufgabeln kann.

Den allerletzen Satz hast du etwas unglücklich formuliert. Sie geht bei dem Erwachsenen nicht nur mit wegen des Ödipus Komplexes. Da spielt noch mehr rein. Einerseits befindet sie sich 'immer' noch in der Phase des magischen Denkens, andererseits ist sie vermutlich ein unsicher gebundenes Kind. Und wer unsicher gebunden ist fasst entweder a) gar kein Vertrauen oder b) zu früh, zu viel Vertrauen, meist aber nur Oberflächlich. Ihr Vertrauen zu 'Momi' ist auf jeden Fall schnell gefasst. Liegt wohl am Namen, an seiner Einstellung zu Einhörnern und vor allem daran, dass sie sich wähnt, die Kontrolle zu haben. Wo wir beim letzten Punkt der Charakterbeschreibung angekommen wären. Die jetzt schon fünfjährige Mia darf endlich mal entscheiden, gehen wir zum Spielplatz oder nicht. Dazu passen Friedrichard seine Ausführungen hervorragend.

Friedrichard schrieb:
Zum einen sind die heutigen Kinder überbehütet - ein Statistiker hat festgestellt, dass wir - Nachkriegsgeneration bis Jahrgang Babyboomer (1960-er Jahre) bis zu fünf km Freiraum hatten und unsere heutige Händigeneration (ist es noch Generation y oder schon z?) 500 m zugestanden wird.

Diese letzten Motive habe ich nicht deutlich genug ausgearbeitet, das ist mir klar geworden. Da muss ich natürlich dran arbeiten. Was aber ganz deutlich auffällt: für Mia habe ich ein psychoanalytisches Charakterbild - für Tomás habe ich ein paar Klischees. Das passt nicht zusammen.
The Incredible Holg
Im zweiten Teil der Geschichte versuchst du uns die Person Tomás näher zu bringen, und das klappt für mich leider weniger gut. Vielleicht ist seine Charakterisierung einfach nur zu kurz (jedenfalls kürzer als Mias), vielleicht ist der desillusionierte Kämpfer tatsächlich etwas zu formelhaft geraten. Vielleicht glaubt man als Leser aber auch nur, die Beschreibung eines Kindes besser zu verstehen, weil man dort weniger Individualität verlangt als bei einem (vermeintlich?) komplexeren Erwachsenen.

Heißt für mich: am zweiten Teil, da muss noch viel mehr gearbeitet werden, als am ersten.

Aber was wollte ich eigentlich mit dieser teilung bezwecken? Ich wollte zwei zusammenhanglose Geschichten schreiben, mit zwei verschiedenen Stilen, welche sich am Ende treffen.

wieselmaus hat es ganz richtig erkannt und leider nicht für gut befunden.

Es sind im Grunde zwei Geschichten. Die zweite mit Tomas wäre für sich genommen interessant genug, um sie als Geschichte einer Desillusionierung in den Mittelpunkt zu stellen. Sie kommt auch sprachlich mit einem ganz anderen Sound daher.

Hier bin ich vermutlich an meiner oben erwähnten Hybris gescheitert. Das ganze ist nicht ausgereift, nicht gut und mir fehlt wahrscheinlich zu viel Handwerk, um eine solches Konzept erfolgreich umzusetzen.

Was hat es eigentlich mit dem Panther Zitat aufsich?

Ich hatte erhofft, dass nicht nur ich den zusammenhang sehe. Der Panther als freies, autonomes Wesen wird in einem Käfig eingesperrt, auf Lebenszeit. Gegen seinen Trieb, gegen seine Bedürfnisse. Ebenso geht es Mia und auch Tomás, der in den Zwängen seiner Psychose steckt. Die Stäbe stehen für die Überwindung dessen. Ein Panther, der im Zoo aufwächst kann ebenso wenig in der Wildnis überleben, wie Menschen mit seelischen Belastungen wie Mia oder Tomás. Da bedarf es viel, viel Arbeit um einen Weg aus dem Gefängnis zufinden. Aber gut, ich streiche es erstmal :D

Ja, der Text ist nicht gut, aber Gedanken habe ich mir zumindest gemacht. Und gegenüber allder vernichtenden und einleuchtenden Kritik stehen Gott sei Dank auch noch positive Worte.

Peeperkorn schrieb:
Stark zum Beispiel die Einsteigsszene, das ist alles sehr konkret, die Wasserpumpe, der Sandkuchen mit den Ästen als Kerzen, man sieht das sehr plastisch vor sich, sehr lebendig. Diese Details sind eine Stärke von dir.

gerthans schrieb:
Hast du also Mias Charakter so einfühlsam dargestellt, dass er auch dem Leser einleuchtet, ...

The Incredible Holg schrieb:
Deine Beschreibung der spielenden Mia war wirklich toll.

Was mich dazu verleiten lässt, weiter daran zuarbeiten. An der Idee und dessen Umsetzung. Wir sind hier bei den Wortkriegern und ich ziehe in die Schlacht. Aber die überarbeitete Version kommt nicht gestern, nicht heute und auch nicht morgen. Vielleicht braucht es wirklich Monate oder Jahre. An die Fehlerkorrektur der jetztigen Version mach ich mich natürlich direkt.

barnhelm Friedrichard Peeperkorn gerthans The Incredible Holg wieselmaus

ich bedanke mich sehr für eure Zeit, die Gedanken, die wahren Worte und die Textarbeit auf den unterschiedlichsten Ebenen!

Beste Grüße und bis dann,

sonne

 

Hej schwarze sonne,

dein Text klingt sehr eilig, als hättest du mehr vorgehabt, aber dich doch entschieden zu straffen, oder dich hat der Mut verlassen, nur die Neugierde getrieben. ;)

Das ist schade, denn für eine längere Kurzgeschichte wäre es durchaus denkbar, die Geschichte von zwei Seiten zu beleuchten. In dieser Fassung erscheint mir es aber nicht relevant, wer der "Retter" ist. Naheliegender wäre natürlich der "Täter" der ersten Geschichte. Ich kann aber verstehen, dass man sich dem nicht ohne weiteres nähern möchte/kann. (Dann hättest du es lassen können, oder?)

Wieso du dich auch entschlossen hast, einen kurzen Blick auf den "Kämpfer" zu werfen, erschließt sich mir nicht, nicht worauf du hinaus willst.

Ich bin gespannt, ob du dich weiter wagst, uns an deinem "Experiment" teilhaben lässt.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
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Hallo@schwarze Sonne,

für deine Experimentierfreude möchte ich dich ausdrücklich loben. Ich wollte, ich hätte auch die Energie dafür. Und es zeigt ja auch deine Fähigkeit zu erkennen, wenn etwas nicht ganz gelungen ist. Nur so kommt man weiter. Und leider gibt es, wie du ja auch festgestellt hast, derzeit ganz andere User hier im Forum.

Mich beschäftigt nochmals die Frage, wie die verschiedenen Formen von Gewalt in einer Geschichte zusammengeführt werden können. Das sehe ich als gewaltige Herausforderung (soll jetzt kein Wortspiel sein), die in einem größeren Rahmen leichter zu bewältigen wäre. (Schon wieder Wortspielerei, da sieht man, wie stark unsere Alltagssprache durchsetzt ist!).

Früher hat man (vor allem im deutschsprachigen Raum) Novellen geschrieben, um eine "unerhörte Begebenheit" herum, nach strengen formalen Regeln. Heute möchte man die die pointierte, atemlose Verdichtung, für den schnellen Lesekonsum. Und das ist bei deiner Thematik meiner Meinung nach nicht angemessen.

Ich wünschte mir, du würdest in einer längeren Erzählung die beiden Erzählstränge stärker miteinander verknüpfen, sei es, weil Mias Eltern ( oder nur die Mutter) in irgendeiner Weise mit Tomas schon zu tun hatten, sei es, dass der Ort des Verbrechens für Tomas schon einmal bedeutsam war. Ich bin überzeugt, dir würde schon einiges einfallen.

Ich hoffe sehr, du wirfst die Flinte nicht ins Korn (schon wieder eine Anspielung auf Gewalt) und nimmst die Herausforderung an.


Herzliche Grüße von einer wohlgesonnenen
wieselmaus

 

Hallo Kanji und wieselmaus,

sorry für die arg späte Antwort. Bin seit zwei Wochen das erste Mal am Laptop mit Zeit und der nötigen Ruhe. Einerseits Freizeitstress, andererseits muss ich einiges für die Arbeit erledigen. Das alles mache ich gerne, aber der Tag hat leider nur 24 Stunden, auch in Chile.

Kanji, was soll ich sagen, du offenbarst schonungslos die Schwächen des Textes. Danke dafür! :) Ich habe einige Ideen aufgenommen und werde beide Teile mehr ausarbeiten, am Ende wird es wohl eine ordentlich lange Kurzgeschichte. Allerdings werde ich auch etwas am PLOT verändern, etwas, das ich eigentlich vorhatte, mich aber nicht ganz getraut habe. Ja, es war wirklich hastig. Und darüber ärgere ich mich am meisten, das ich wieder hastig war.


Wieselmaus, schön, dass du immer noch wohlgesonnen bist. Das freut mich :)
Deine Anregung zur Erweiterung nehme ich gerne an. Das ganze Ding wird länger und bekommt mehr Inhalt. Ich hoffe, dann wird die Effekt- Hascherei auch reduziert. Jedenfalls war es doch nicht ganz umsonst diesen Prototyp der Geschichte zu veröffentlichen. Bestärkt es mich doch sehr, weiter an der Geschichte und vor allem diesem Thema zuschreiben. =)

Beste Grüße,

sonne

 

Liebe WortkriegerInnen,
Liebe barnhelm, Kanji, wieselmaus
Lieber gerthans, Friedrichard Peeperkorn, The Incredible Holg

aus ,Wo die Puppen wohnen' wurde ,Wo Lippen schürzen, Zungen schlecken, Knochen brechen'.

Lange habe ich gebraucht, endlich habe ich eine neue Version der Geschichte, welche ich mich traue, hier einzustellen. Ich habe verschiedene Anläufe genommen, und mich am Ende für eine Generalüberholung entschieden. Da viele Kritiken in die selbe Richtungen gingen und sich im gesamten prima ergänzen, zitiere ich nur einige Stellen. Ich habe aber alle eure Anmerkungen gründlich gelesen und vieles umgesetzt! Danke dafür!

1. Zuallererst habe ich den Fokus etwas verändert. War am Anfang die Geschichte rund um Mia im Vordergrund, rückt nun die Geschichte des Retters an die erste Stelle. Der hat allerdings seinen Namen geändert, ist nun kein Kroate mehr,sondern Chilene. Hat eine Persönlichkeit bekommen.

Warum habe ich das gemacht?

Ich habe lange Überlegt es so zumachen, wie barnhelm es vorschlug:

Die Geschichte mit Thomas: Durch seine Charakteristik gibst du der Geschichte einen neuen Schwerpunkt. Für mich hätte es ausgereicht, wenn du ihn nur kurz skizziert hättest. So entsteht ein ganz neues Thema, das mit dem eigentlichen Geschehen nicht viel zu tun hat, also den Leser nur in eine andere Richtung zieht.
Zu den wirklich gelungenen Stellen deines Textes: Mir hätte es besser gefallen, wenn du die Stadtatmosphäre, die Gleichgültigkeit der Mütter, die Prinzessinnen-Attitüde des kleinen Mädchens als Ausgangsbasis für die Begegnung mit dem Mann genommen hättest.

Aber das war nicht meine Grundidee von vorneherein, sondern ich wollte ja diese zwei Geschichten miteinander verbinden. Wenn es nun nicht geklappt hat, dann mache ich es vielleicht doch so, und streiche den Part um den Retter komplett. Ich war zumindest schon dabei eine solche Version zu schreiben, aber das fühlte sich wie Aufgeben gegenüber der eigenen Idee an. Deshalb baute ich den zweiten Part stärker aus, damit er plastischer wird.


Was kann ich daraus für ein Fazit ziehen? Du hast den Teil mit Mia, der toll beschreibt und im entscheidenden Moment abbricht (und noch mal: das kann ich dir absolut nicht verübeln), und du hast den Teil mit Tomás, dem es an Tiefe und Individualität fehlt. Wenn ich so eine Geschichte schreiben sollte (und es nicht einfach ablehnen könnte), würde ich mich wohl auf Tomás konzentrieren, diesem mehr Gestalt verleihen und ihn mitsamt seiner Vorgeschichte und seinen Beweggründen zur Hauptfigur der Geschichte machen. Und wenn ich deine entsprechenden Fähigkeiten hätte, würde ich danach eine schöne, positive Kindergeschichte mit Happy-End verfassen.

Das ist schade, denn für eine längere Kurzgeschichte wäre es durchaus denkbar, die Geschichte von zwei Seiten zu beleuchten. In dieser Fassung erscheint mir es aber nicht relevant, wer der "Retter" ist. Naheliegender wäre natürlich der "Täter" der ersten Geschichte. Ich kann aber verstehen, dass man sich dem nicht ohne weiteres nähern möchte/kann. (Dann hättest du es lassen können, oder?)

Ich habe immer mal wieder die Kritiken gelesen und mir vor Augen gehalten, und fand es dann am tatsächlich am besten so vorzugehen, wie es Holg mir empfohlen hat. Meine Hauptintention ist also nun nicht mehr (nur) einen Effekt zu erhaschen, sondern die Beweggründe des Retters darzustellen, aufzuzeigen. Und natürlich auch um die Frage, darf er das? Sollte er das dürfen?

Mich beschäftigt nochmals die Frage, wie die verschiedenen Formen von Gewalt in einer Geschichte zusammengeführt werden können.

Ich hoffe diese Zusammenführung ist mir besser gelungen. Durch seinen Charakter und seine Geschichte hoffe ich, dass es nun Plausibler wird, warum er so handelt.


2. Ich habe den Part um Mia ausgebaut

Und das ist immer noch gewagt.

Auf eine gewisse Art handelt es sich hier um zwei Geschichten, der Perspektivenwechsel ist derart radikal, dass die beiden Teile sich nicht aufeinander beziehen lassen, da beleuchtet der erste Teil nicht den zweiten, der zweite nicht den ersten. Kontinuität erhält die Geschichte nur durch das Geschehen.

Ja, ich glaube das ist immer noch so. Aber wie gerthans es so schön formulierte

Das kleine Mädchen will ihrer Mutter ebenbürtig werden und sie beim Vater als Geliebte ersetzen. Sie identifiziert sich also mit ihr (durch die lackierten Nägel) und will ihr zeigen, dass sie auch einen erwachsenen Mann, einen Ersatzvater aufgabeln kann.

Ach, eigentlich könnte ich deinen ganzen Post wiederholen, der meine Intention vom Mia-Part so schön auf den Punkt bringt. Ja, es war mir ein Bedürfnis diese Geschichte aus zwei Perspektiven zu beschreiben, und jetzt wurden daraus sogar drei (dazu gleich mehr). Ich finde dieses Thema sehr interessant und denke schon, dass es eine literarische Auseinandersetzung verdient hat, weshalb ich versuchen will, dass in einen Einklang zu bringen.

Aber ich habe ihn nicht nur ausgebaut, nein, sogar noch verrückter mehr, noch abstrakter und noch konkreter.

Bis dahin schreibst du für mein Empfinden sehr einfühlsam aus der kindlichen Perspektive, das ist wirklich sehr gut. In dem Moment, wo es dramatisch wird, scheinst du zurückzuschrecken, dich der Beschreibung des furchtbaren Geschehens zu verweigern. Und ganz ehrlich - vom menschlichen Standpunkt spricht das absolut für dich, dass du (falls meine Deutung stimmt) dich nicht in diesen Abgrund stürzen magst, sondern dich mit Abscheu abwendest. Und ich glaube auch nicht, dass ich es hätte lesen mögen, wenn du diesen Aspekt tatsächlich ergründet hättest, das wäre wohl auch mir zu hart gewesen, zumindest dann, wenn du es ebenso einfühlend beschrieben hättest wie zuvor. Aber vielleicht erklärt das, warum andere dies als formelhaft oder schematisch ansehen: den einen Teil hat man ähnlich schon gelesen, den anderen Teil lässt du weg. Kann sein, dass das literarisch einfach nichts hergibt. Aber es gibt auch Dinge, die muss ich persönlich gar nicht literarisch eruieren.

Ja, und jetzt bin ich gespannt, ob ich nun des Forums verbannt werde (vermutlich nicht), also ob ich literarisch zu weit gegangen bin. Jedenfalls habe ich den Teil mit der Fantasie (und später der Realitätsflucht) noch etwas ausgebaut und die letztendliche Vergewaltigung näher beschrieben. Aber ich denke, ich hoffe, das ist noch im Rahmen. Ich bin gefühlt zumindest am äußeren Rand dessen, was vertretbar ist. Zumindest für mich persönlich.


3. Ich habe eine dritte Perspektive dazu genommen und einen präsenteren Erzähler

erinnert mich an den uralten Song, obwohl er nur in einem sehr übertragenen Sinn mit Deinem Versuch zu tun hat. Warum Versuch? Weil's bestenfalls eine Annäherung an beide Seiten der Gewalt sein kann. Dabei will mir das Einhorn notwendig erscheinen, selbst wenn Du die folgende, sehr knapp von mir erzählte Geschichte gar nicht kennen solltest, hastu einem uralten Aberglauben gefrönt:

Ich habe einen klitzekleinen Abschnitt über Tomas hinzugefügt, wirklich nur ein bisschen, vielleicht zu wenig bzw. zu viel, aber dies war wiederum ein Experiment, um auch diese Seite der Gewalt vollends zu beleuchten. Sehr klischeehaft, ich weiß, aber ich glaube, das könnte funktionieren.
Den Erzähler habe ich benutzt, damit ich in die Geschichten einfaden bzw. ausfaden kann und eine Brücke bauen kann, zwischen den drei Perspektiven bzw. zwei unterschiedlichen Geschichten (Retter/ Kind)

Ja, insgesamt liest es sich jetzt wie eine andere Geschichte.

4. Die Geschichte an sich ist etwas krasser, weshalb ich mal den Horrortag gewählt habe. Ich glaube nicht, dass es schon eine Horrorgeschichte ist, aber ich weiß nicht, in wie weit sich betroffene Menschen fühlen werden, wenn sie hier unbedarft hinein schnuppern.


Insgesamt bin ich gespannt wie der Text ankommen wird und bedanke mich nochmals ausdrücklich bei euch allen, die ihr mir geholfen habt, diese Geschichte zu verbessern. Vielen DANK!

Viele Grüße,

Sonne

 

Moin,

sonne (hier ist alles verhangen),

seh den poetischen Titel, denk - bis dahin relativ verschlafen, nach einem Konzert von den großen B gleich zwo, Bach & Beatles, von Gospel bis zum atonalen Herrn Stockmeier oder -maier (Stadtgeräusche aus einer Kirchenorgel, wie schräg ist das!), da ist Stockhausen ja ein Konservativer und - da kenn ich nix - einigem an Bieren (keine bange, ist halt keines von den großen B, das wäre Roll over Beethoven), trau meinen Augen, neues Stück ausSantiago und gleich Beiträge im Dutzend, das muss der Renner sein, dann der Einbruch - kennstu den Trickser aus der Myhologica Levi-Strauss (Traurige Tropen wohl das bekannteste Werk von ihm), des sich ein Leben lang mit den Indigenen beider Amerika bechäftigte. Genau das Schoss mir in den Sinn - und dann, ja, der poetische Titel passt zu der neuen, alten Geschichte, wobei ich Ashtar Command bis dato nicht kannte, was sich ändern wird. Und kann es ein Geheimnis sein, dass mir Pablo gefallen und ich nicht die Straßenseite wechseln würde?

Naja, zu Markus wäre schon was zu sagen, aber ich beschränk mich hier zwomal auf je ein Wort. Hier fehlt eines

Und wenn trank, dann konnte er reden.
, mutmaßlich ein er. Hier ist m. E. eines zu viel
Er war es, der sich überredete, der Spezialeinheit beizutreten.
, das Relexivpronomen, schließlich musste M. sich ja nicht selbst überreden - oder?

..., galten als Ortskundig.
Ortskundige oder ortskundig
... erzählten Mütter in knappen Kleidern und [mit] verspiegelten Sonnenbrillen ...
..., flüsterte ihr zu: „Komm schnell, komm schnell[!]“
Mias Finger schoben Büsche zur Seite, mit funkelnden Augen hüpfte sie [über] die Wurzeln der Bäume.
... und antwortete mit rauer Stimme[:] „He. Wer ich bin?
„Ich bin gefallen, das war nicht mit Absicht[.]“ „Nicht mit Absicht! Das ich nicht Lache!“

Da solltestu noch einmal durchschauen, vor allem auf diese Kleinigkeiten, die im Verborgenen blühn und oft gar nicht mehr erkannt werden (weil sie ja auch fehlen können). Aber insgesamt gefällt mir die neueFassung - und warum sollte in einem Drama, einer Tragödie nicht Poesie mitschwingen?

Das wird was, behaupt ich mal, aber jetzt muss ich erst mal was essen ... und dann erst die Sendung mit der Maus nicht verpassen, von der ich behaupte, alles Wissen gesammelt zu haben, um ein wandelndes Lexikon zu werden..

Bis bald,

Friedel,
der garantiert noch mal hineinschaut!

 

Hallo schwarze sonne,

Ja, und jetzt bin ich gespannt, ob ich nun des Forums verbannt werde (vermutlich nicht), also ob ich literarisch zu weit gegangen bin. Jedenfalls habe ich den Teil mit der Fantasie (und später der Realitätsflucht) noch etwas ausgebaut und die letztendliche Vergewaltigung näher beschrieben. Aber ich denke, ich hoffe, das ist noch im Rahmen. Ich bin gefühlt zumindest am äußeren Rand dessen, was vertretbar ist. Zumindest für mich persönlich.
Das kann ich nur bestätigen. Mir hätte klar sein müssen, dass das keine geeignete Lektüre beim Frühstück ist. Selbst schuld.

Nein, du wirst sicher nicht aus dem Forum verbannt, aber sehr heftig ist der Text für meinen Geschmack doch geworden. Wobei du interessanterweise jetzt die entscheidenden Stellen aus der Täterperspektive bzw. der neutralen Außensicht beschreibst, wo (wenn ich mich recht entsinne) vorher Mias Erleben geschildert wurde. Das entschärft zumindest oberflächlich einiges. Ich hoffe, du siehst mir nach, dass ich den Text trotzdem kein zweites Mal durchgehen werde, um irgendwelche Fehler oder sonstige Auffälligkeiten rauszusuchen. Deshalb hier nur die Punkte, die ich jetzt aus dem Gedächtnis benennen kann.

Du fokussierst ja jetzt stark auf Pablo und beginnst den Text damit, seine Vorgeschichte zu erzählen. Da dachte ich zuerst, dass das ja nur schiefgehen kann, weil es erklärend ist und wenig inhärente Spannung hat. Ich kann gar nicht genau sagen, warum es für mich trotzdem funktioniert hat. Vielleicht war es die Ankündigung zu Beginn, dass er Stunden später einen Mann aus dem Fenster werfen würde. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich aus der Vorversion des Textes schon eine konkretere Vorstellung von der weiteren Handlung hatte. Letzteres wäre natürlich ungünstig.

Du hast den Part mit Mias Fantasie intensiviert. Das bildet einen ziemlich harten Kontrast zur nüchternen Handlung drumherum. Finde ich aber gerade gelungen, diese Gegenüberstellung der kindlichen heilen Welt mit der rationalen, teils harten Welt der Erwachsenen und natürlich der brutalen Realität des Missbrauchs.

Du scheinst ein Faible für Namen mit M zu haben: Markus, Mark, Max, Mitra, Mia ... wenn ich jetzt keinen vergessen habe. Hat das eine tiefere Bedeutung? Wenn ja, erschließt sie sich mir nicht. Macht aber auch nichts, ich habe die Übersicht trotzdem behalten können.

An einigen Stellen hatte ich ein bisschen Probleme mit den Zeiten. Die Geschichte ist ja in der Vergangenheitsform erzählt, und wenn sie dann noch weiter zurückblendet, z.B. nach Afghanistan, dann hätte ich teilweise das PQP gewählt, wo du im Präteritum geblieben bist. Einfach der Deutlichkeit halber - so habe ich manchmal ein, zwei Sätze gebraucht, um mich zurechtzufinden.

Und ein inhaltliche Frage habe ich noch: Pablo "erkannte" Mia, als das Team die Wohnung stürmte. Ist das wörtlich zu nehmen? Kannte er Mia vorher, war sie etwa eines von Lisas Kindern? Ich kann mich an keinen vorangegangenen Hinweis erinnern, dass sie es war.

So weit meine Anmerkungen, etwas unstrukturiert diesmal.

Gern gelesen? Nein, kann ich nicht behaupten, aber dafür ist so eine Geschichte wohl auch nicht gedacht. Aber sie ist gut geschrieben und funktioniert.

Grüße vom Holg ...

 

Hi Holg,

kurz vom.Weg zur Arbeit , weil es mich ärgert. Er erkannte sie von den Bildern, es ist also nicht das Kind seiner EX. Ich ändere das in ",er sah"

Später mehr.

Danke schonmal.

Grüsse,


Sonne

 

Hy schwarze sonne,

ich finde deine Schreibweise flüssig und den Text gut zu lesen. Wie du die kindliche Fantasie und den Übergang zur Realität beschrieben hast, hat mir ganz gut gefallen.
Ich bin zwar kein Logikfaschist ABER:

Ich war zuerst verwirrt, weil ich dachte Pablo ist noch beim Militär, erst später hab ich geschnallt dass du mit Spezialeinheit, die der Polizei meinst. Ok, so weit so gut, aber woher wusste die Spezialeinheit sofort wo sie suchen musste? Die anderen Mütter schienen doch abgelenkt und selbst wenn jemand beobachtet haben sollte wie Mia mit Tobias weggeht und es gemeldet hat, stürmt daraufhin nicht sofort eine Spezialeinheit die Wohnung.
Selbst wenn das Kind tagelang gefangen sein sollte und die Polizei den Typ beschattet hat, gehen Polizisten in so einer Situation vermutlich behutsamer vor, da die Gefahr dass er dem Kind etwas antut zu groß sein könnte.

Lass dich aber von den Kritiken nicht entmutigen, denn du hast einen guten Schreibstil. Einfach weiterschreiben, es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Gruß, Ian

 

Hallo Ian Barrens,

ich roll die Kommentare mal von hinten auf. Ich hoffe, Holg und Friedel können das verschmerzen.

ich finde deine Schreibweise flüssig und den Text gut zu lesen. Wie du die kindliche Fantasie und den Übergang zur Realität beschrieben hast, hat mir ganz gut gefallen.

Das ist ja schon mal etwas, danke dafür! Ein bisschen Vorbild war mir der Film ,el laberinto del fauno', der nur von Realitätsflucht handelte. Das fand ich schon ganz spannend, auch wenn es hier natürlich eher Fantasie als Flucht ist. Schön, dass die Übergänge scheinbar geglückt sind.

Ich war zuerst verwirrt, weil ich dachte Pablo ist noch beim Militär, erst später hab ich geschnallt dass du mit Spezialeinheit, die der Polizei meinst.

Zugegeben, da kenn ich mich nicht soo gut aus. Ich habe beim ersten Erwähnen der Spezialeinheit einfach noch ein SEK ergänzt (... Mitglied der Spezieleinheit, dem SEK, ...) , um das mal zu klären. Danke für den Hinweis. So was passiert mir relativ häufig, das ich solche Dinge irgendwann, irgendwo kürze und dann versteht es der Leser nicht mehr ... und mir fällt es gar nicht auf.

Ok, so weit so gut, aber woher wusste die Spezialeinheit sofort wo sie suchen musste? Die anderen Mütter schienen doch abgelenkt und selbst wenn jemand beobachtet haben sollte wie Mia mit Tobias weggeht und es gemeldet hat, stürmt daraufhin nicht sofort eine Spezialeinheit die Wohnung.
Selbst wenn das Kind tagelang gefangen sein sollte und die Polizei den Typ beschattet hat, gehen Polizisten in so einer Situation vermutlich behutsamer vor, da die Gefahr dass er dem Kind etwas antut zu groß sein könnte.

Hier könnte ich in der Rückblende zur Teambesprechung noch etwas einfügen, dass es konkrete Hinweise gab. Ich glaube es war der Gärtner, welcher die Hinweise gegeben hat - da der Täter nahe dem Park gelebt hat, wäre es gut möglich ,dass ihn jemand in das Haus laufen sah.

Bezüglich des schnellen Einsatzes: Ich weiß, dass es bei vermissten Kindern schnell zu großflächigen Suchaktionen kommt - aber wenn es konkrete Hinweise gibt, warum dann kein direkter Zugriff?

Als Beispiel könnte dieser Bericht gelten, es gibt noch weitere, du musst nur mal 'entführtes Kind SEK einsatz ' googeln.


Das mit dem Behutsamer, ja, da lese ich nochmals drüber. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich das behutsamer beschreiben kann. Schließlich soll ja auch Zug in die Szene rein, verstehst du?

Ich danke für deine Kritik und werde nochmals in mich gehen. Ich muss auch zugeben, die Sache mit dem SEK, dass war nicht mein Schwerpunkt - sicherlich muss ich da nochmals nacharbeiten.

Beste Grüße,

Sonne

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber schwarze sonne,

ich schreibe mal beim Lesen mit.

Im La Tia Rica, einem chilenischem Restaurant im Herzen Berlins, war die Stimmung an diesem 13. Juni 2014 ausgelassen, einem sommerlichen Freitag, an dem die chilenische Fußballnationalmannschaft die australische Auswahl mit 3:1 besiegte – der Start in eine erfolgreiche Weltmeisterschaft.

Finde den Einstieg leider etwas holperig, da du in deinem ersten Satz viele Informationen eingebaut hast, zum Teil in einen ungelenken Nebensatz. Alles, was ich fett markiert habe, finde ich überflüssig, bzw. an dieser Stelle nicht erwähnenswert. Besser wäre IMO, diese Information mehr an den Anfang zu rücken:

Wäre ihm zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass er innerhalb der nächsten sechzehn Stunden einen Menschen aus dem dreizehnten Stockwerk werfen würde, hätte er vielleicht nicht so viel getrunken, am folgenden Tag keinen Kater bekommen und eine andere Entscheidung getroffen.

Das ist 1. besser geschrieben und 2. der eigentliche Hook, der den Leser kriegt. Ich jedenfalls finde diese Art der Vorwegnahme sehr gelungen.

Er wuchs in Chile auf, nachdem Pablos Eltern im Anschluss an eine Demonstration gegen den damaligen Regierungschef unter mysteriösen Umständen starben, ...

Würde ich umstellen, da es sonst so klingt, als ob "er" und "Pablo" zwei unterschiedliche Personen sind. Also so:

Pablo wuchs in Chile auf, nachdem seine Eltern im Anschluss an eine Demonstration gegen den damaligen Regierungschef unter mysteriösen Umständen starben, ..

Der Satz ist allerdings immer noch missverständlich. Du meinst sicher, dass er als Waise aufwuchs, da er auch schon vor dem Tod seiner Eltern in Chile war.

Er beendete die Schule, zog nach Berlin, um eine Lehre als Mechatroniker zu beginnen, und begegnete Lisa.

Du machst das gerne, viele Nebensätze einbauen, bzw. dranhängen. Finde ich nicht immer gelungen.

Er beendete die Schule, zog nach Berlin, um eine Lehre als Mechatroniker zu beginnen. Und begegnete Lisa.

Das wäre aussagestärker.

Aber nach einem, zwei wurden letztlich zehn Jahre.

Müsste es nicht heißen:

Aber aus einem, zwei wurden letztlich zehn Jahre.

Pablo, Frank und Mark waren schon einige Jahre im Nahen Osten, galten als Ortskundig

ortskundig

Nach diesem Einsatz kehrte er nach Deutschland zurück, rehabillitierte sich und wollte mit dem ganzen Quatsch aufhören, bis er nach einigen Monaten Lisa und dann Markus traf.

"rehabillitierte" klingt zu sehr nach terminus technicus. Passt für mich nicht in den Erzählton der Story. Wieso nicht einfach "erholte sich"?


Die älteren waren im Freibad, in der Mall oder im Park.

Mall? Ist das Deutschland schon ein gängiger Begriff? Ich verbinde damit ja US-amerikanische Mega-Einkaufszentren.

Mia saß im Sandkasten, als ein Marienkäfer über ihre linke Hand krabbelte, seine Flügel ausbreitete und in die Lüfte schwebte. Dort verharrte er einen Moment, drehte seinen Kopf, lächelte und flog davon. Das kleine Mädchen mit den blonden Haaren erhob die Hand zum Abschied, der Käfer erwiderte den Gruß mit einem Augenzwinkern.

W ... was? Ich kann der Erzählerstimme hier nicht mehr folgen. Die Geschichte springt von einem Ton in den anderen, gerade noch hektischer Kriegseinsatz, dann träumerisch-verschwurbelte Sommerkulisse mit vermenschlichten Insekten. Passiert das jetzt wirklich? Oder ist das jetzt Mias Innensicht? Muss ja, denn wir alle wissen, dass Marienkäfer weder zwinkern noch lächeln können. Da passiert mir zu viel vom Stil her, das wirft mich raus und sorgt dafür, dass ich die Orientierung verliere. Was will mir die Geschichte gerade erzählen?

Ihr Blick glitt in die Ferne, verharrte bei den blühenden Stauden am Rande des Spielplatzes und erspähte ein galoppierendes Einhorn.

Okay, also sind wir jetzt quasi in character Mia.

Kleine Löcher verliehen ihm ein neues Muster.

Das ist im Kontext der Handlung ein sehr schöner Satz. Nicht der einzige, aber ich wollte ihn mal hervorheben, weil er mir so gut gefallen hat.

„Nicht mit Absicht! Das ich nicht Lache!“

lache

Da stolpert man:

Ein Mann, Frauen würden sagen, ein attraktiver junger Mann, erschien und schimpfte mit dem Wesen, das plötzlich eine grüne Jacke trug und eine Besen in den Händen hielt.

Würde den Satz so strukturieren:

Ein Mann – Frauen würden ihn als attraktiv und jung beschreiben – erschien und schimpfte mit dem Wesen, das plötzlich eine grüne Jacke trug und eine Besen in den Händen hielt.

Aber warum so umständlich? Denkt Mia, dass Frauen ihn als jung und attraktiv beschreiben würden? Empfindet sie selbst so? Wenn ja, wieso schreibst du nicht einfach "ein attraktiver junger Mann?"

Eine kräftige Hand umklammerte ihren Mund, schnürte ihr die Luft ab. Obwohl sie mit ihrer ganzen Kraft strampelte, zu schreien versuchte, bahnte sich eine andere Hand zwischen ihren Schenkeln hinauf in ihre Körpermitte hinein. Nach einigen Minuten rann Blut aus ihrer Scheide und verband sich mit dem Blut des aufgeschürften Knies. Es bildete sich einen Fluss, der auf4 den Boden des Badezimmers tropfte. Wenige Minuten später bildeten die roten Flecken einen eigenen Weg. Dieser führte von den Fliesen des Bades hinüber zum Teppich des Wohnzimmers direkt in das Bett des Schlafzimmers.

Harter Absatz. War nicht schön zu lesen, aber gut geschrieben.

„Ein verfluchtes Kind“, lispelte Mike und zerrte seine Sturmhaube über das Kinn. Ja, ein verfluchtes Kind. Dabei bist du doch selbst noch eines, ging es Pablo durch den Kopf. „Hombre, ein scheiß Einstand, würde ich sagen.“

Jetzt sind wir also wieder bei Pablo. Gut, ich wusste nämlich nicht wirklich, wohin die Geschichte führen würde ...

Also, mein Fazit? Ich verbuche die Geschichte mal unter Experiment. Ist es geglückt? Ich weiß es nicht. Beim Lesen hat mich der Stilbruch in der Mitte sehr gestört. Der danach eintretende Effekt, auf den die Geschichte hinkonstruiert wurde, war zwar vorhanden, aber jetzt auch nicht so stark, als dass ich über die Verwirrung beim Lesen hinwegblicken konnte. Mir fehlte da die Stringenz in der Geschichte. Der Anfang hatte ein paar stilistische Schwächen, die ich auch angeführt habe. Ab dem Mittelteil hast du dann sicher und gut geschrieben, wobei einige Teile immer noch sehr zerfasert auf mich wirken. Das kann aber auch Absicht sein.

Das Thema? Also klar, das Motiv ist bekannt. Deine Bearbeitung ist hart, aber nicht auf billigen Schock abzielend. Mehr kann ich dazu nicht sagen, weil wir hoffentlich alle darin übereinstimmen, dass Vergewaltigung ein barbarischer Akt ist. Die Frage ist, ob die Reaktion von Pablo gerechtfertigt ist. Verständlich ist sie sicher ...

Danke für die Geschichte. Ganz warm geworden bin ich mit ihr nicht, aber es sind einige gute Ansätze enthalten. Beim nächsten Mal wünsche ich mir mehr Stringenz von dir.

Besten Gruß

Der Exilfranke :)

 

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