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Copywrite Nasskalt

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11.05.2014
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Nasskalt

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, befühlte Claudia die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.
Licht drang aus dem Spalt unter der Badezimmertür, ansonsten war es dunkel. Daves Wohnung war spärlich eingerichtet. Er lebe noch nicht lange in Hooper Bay und würde auch nicht bleiben. Er arbeite als Hochseefischer und die Krabbensaison beginne in den nächsten Tagen. Während er Whiskey kippte, hatte Claudia gefragt, wo er wohne. Sie hatte sich dabei leicht vorgebeugt, so getan, als suche sie etwas in ihrer Handtasche, damit Dave ihren Ausschnitt bewundern konnte. Dann lächelte er schüchtern und sagte, er wohne in einer kleinen Hütte mitten im Dorfe.

Die Badezimmertür ging auf, Dave trat heraus. „Verdammt, du bist wunderschön“, sagte er, glotzte dabei auf ihre Titten.
Claudia zeigte auf seine Boxer-Shorts. „Runter damit, Süßer.“ Ihr deutscher Akzent gefiel ihm, das hatte sie schon im Fischerman's Garden bemerkt, als sie mit ihm trank und flirtete. Er bohrte nach, wenn sie etwas erzählt hatte, und er bat sie, sich zu wiederholen, so als hätte er sie nicht verstanden.
„Sehr gerne“, sagte Dave und entledigte sich seiner Shorts, warf sie in eine Ecke. Mondlicht erhellte seinen nackten Körper. Bauchspeck, unrasierte Brust, buschige Schamhaare. Sein Schwanz war nicht besonders groß, aber das kümmerte Claudia nicht.
Daves Blick verharrte zwischen ihren Schenkeln, dann wandte er sich ab. „Sicher ist sicher“, sagte er, ging zum Nachttisch und kramte ein Kondom hervor.
„Das brauchst du nicht, ich nehm die Pille“, sagte Claudia. Sie wusste nicht, wann sie zuletzt die Pille genommen hatte. Sorgen brauchte sich Dave dennoch nicht zu machen, sie war schon schwanger.
Dave hielt inne, zog die Augenbrauen zusammen. „So? Bist du sicher? Nicht, dass was schiefgeht.“
„Passiert schon nichts.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ohne ist's viel intensiver.“ Sie fuhr mit den Fingern über ihre Scheide, spreizte die Schamlippen. „Warum kommst du nicht näher?“
Dave lächelte. Alle Männer lächelten so, wenn sie Claudia nackt sahen. Dann blickte sie ihnen tief in die Augen, als wollte sie damit sagen, dass sie nur lebte, um in diesem Augenblick nackt zu sein, sich ficken zu lassen. Sie war ein braves Mädchen, musste Männer glücklich machen. Das sei ihre einzige Aufgabe, das hatte der Metzger stets betont.

Dave ließ das Kondom fallen und öffnete den Mund, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Schwanz wurde steif, sein Atem ging flacher. Er trat ans Bett, schlüpfte unter die Decke und begann, Claudias Oberschenkel zu streicheln. Seine Finger waren nicht schwielig, viel zarter als die des Metzgers. Er atmete schwer, küsste Hals, Schultern, dann die Brüste. Der Geruch des Pubs haftete noch an ihm. Sein Atem stank nach Whiskey, seine Haut nach Schweiß und Rauch. Während er eine Brustwarze mit der Zunge umspielte, berührte er die andere Brust, streichelte und drückte sie sanft. Speichel glänzte im Mondlicht. „Du schmeckst so gut“, sagte Dave.
„Fick mich endlich“, sagte Claudia und spreizte die Beine.

Dave richtet sich auf, sah tief in ihre Augen. Er packte seinen Penis, grinste dabei. Für einen kurzen Augenblick hoffte Claudia, er würde es sich anders überlegen, sein Schwanz wieder erschlaffen. Ein Lusttropfen rann seine Eichel herab. „Ich hat's noch nie mit einer Deutschen“, sagte er und drang in sie ein.
Claudia legte ihre Hände auf Daves Hintern, als er zu stoßen begann. „Fester“, sagte sie und hoffte, es wäre bald vorbei. Ein Ruck ging durch ihren Körper, dann wieder, immer schneller. Die Bettdecke raschelte, Holz knarzte. Claudia öffnete den Mund, spielte einen Orgasmus vor, obwohl sie nicht genau wusste, wie eine Frau dabei klang; solche Erfahrungen hatte sie nie gemacht. Sie wurde nie feucht, niemals geil. Claudia war taub zwischen den Beinen, spürte jedes Mal nur Haut, die gegen Haut rieb.
Dave umklammerte ihre Hüfte, Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Claudia sah aus dem Fenster und betrachtete den Sternenhimmel über Alaska; dann grunzte Dave, schenkte ihr das Lächeln, auf das sie gewartet hatte, und ergoss sich in sie.
„Wow“, sagte er, nachdem er sein Glied rausgezogen hatte und neben Claudia lag. Er schaute selig an die Zimmerdecke und sagte: „Das war unglaublich.“

Während Dave schlief, schnarchte er nicht. Claudia betrachtete sein Profil, seine Hakennase, sein kantiges Kinn. Er sah dem Metzger nicht ähnlich. Aber er roch nach ihm, nach warmem Fleisch und Sperma. Sie alle rochen so, und alle schenkten ihr dieses Lächeln, dieses lüsterne, leicht dümmliche, das Claudia zeigte, dass sie begehrenswert war, Männer geil machte. Nur sie konnte das. Sie hatte es zu oft bewiesen, damals, als sie dieses Lächeln auf das Gesicht des Metzgers zauberte. Und wenn nicht, wenn sie ein unwilliges Mädchen gewesen war, dann schlug er sie. Immer in den Bauch, das bemerkte niemand. Claudia hatte dagelegen, nackt und wund; und das Gefühl, jemanden glücklich zu machen, war verschwunden, wurde ersetzt von Ekel und einer einschläfernden Leere, die sich mit jedem Atemzug ausdehnte und ihren Körper erkalten ließ.

Claudia presste die Lippen zusammen, unterdrückte ein Wimmern und hob die Bettdecke. Ganz vorsichtig, damit Dave nicht aufwachte. Barfuß tapste sie durch das Zimmer, klaubte ihre Klamotten auf. Als sie alles beisammen hatte, warf sie Dave einen letzten Blick zu. Er lächelte im Schlaf. Sie prägte sich den Anblick ein, immerhin könnte er morgen auf hoher See sein und Käfige ins Meer werfen. Vielleicht war sie die letzte Frau, mit der er vor seiner Abreise schlief. Der Gedanke war schön, fühlte sich besonders an. Claudia ging ins Bad.

Sie knipste kein Licht an und setzte sich auf die Toilette. Die Brille war kühl, bereitete ihr eine Gänsehaut. Claudia betrachtete ihre Füße, während sie pinkelte, stand dann auf und spülte nicht. Claudias Haut wirkte im Mondlicht beinahe leichenhaft. Sie streifte ihr Höschen über, blickte dabei in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Ihr Bauch war noch flach, von Schwangerschaft keine Spur. Sie war auch erst in der sechsten Woche. Wer der Vater war, wusste sie nicht. Vielleicht der Inuit, der Student oder der Fischer. Am Wochenende nach Weihnachten hatte sie zu viel gesoffen, mit zu vielen Männern.

Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, versuchte das Leben zu spüren, das in ihr heranwuchs. Die Pille hatte sie nur unregelmäßig genommen, wochenlang gar nicht. Claudia sagte sich, sie vertrage sie nicht, obwohl es dafür keine Anzeichen gab. Während sie dastand und ihren Bauchnabel betrachtete, fragte sie sich, warum. Aber dann kamen die Erinnerungen hoch und Claudias Magen verkrampfte.

Claudia fuhr nach Hause. Eine Schneeschicht bedeckte den Asphalt und die Häuserdächer Hooper Bays. Claudia zitterte und konnte ihren Atem sehen. Die Fenster beschlugen. Sie stellte die Heizung ihres Chryslers auf die höchste Stufe, obwohl sie wusste, dass sie ihr Zuhause erreichen würde, bevor es warm im Auto wäre. Im Radio spielte ein Song von Taylor Swift. Claudia pfiff die Melodie und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, kräftig und im Takt. Als Miss Swift verstummte und die tiefe Stimme eines Nachrichtensprechers erklang, umklammerte Claudia das Lenkrad, starrte auf die Straße und pfiff nicht mehr. Sie wollte den Sender wechseln, doch so nah am Beringmeer empfing sie nur den einen.

Claudia parkte den Wagen vor ihrer Holzhütte – sie lag an einem See, ein gutes Stück außerhalb von Hooper Bay -, schlang ihren Schal enger um den Hals und öffnete die Autotür. Kalter Wind blies ihr ins Gesicht und zerrte an ihrer Kleidung. Ihre Wangen kribbelten, ihre Augen tränten im Windzug. Sie kramte den Hausschlüssel aus der Jackentasche. Ihre Finger waren taub und träge. Claudia ließ ihren Blick über den zugefrorenen See vor ihrem Haus schweifen. Das Gewässer war nicht sonderlich groß, zu klein für Boote. Aber es lebten Fische darin. Manchmal ging Claudia Eisfischen, nahm ihren Campingstuhl und ihre Angelrute und setzte sich vor ein Loch, wartete darauf, dass etwas anbiss. Ihr kleiner Bruder würde ihr sicher gern Gesellschaft leisten, aber er war in Deutschland und konnte nicht kommen. Nicht, solange er im Gefängnis saß.

Claudia saß auf ihrem Bett und knipste das Lämpchen auf dem Nachttisch an. Abtreibungspillen lagen darauf. Dunkelblaue Kapseln, die im Licht schimmerten. Wenn Claudia sie nähme, würde das Kind einen Tag später aus ihrem Inneren gepresst. Ein Haufen Fleisch und Schleim und Blut, weder männlich noch weiblich. Eine rötliche Masse, die Claudia das Klo hinunterspülen würde. Aber Claudia hatte sie bisher nicht angerührt. Noch war Zeit für eine Entscheidung, drei Wochen noch, dann würden die Pillen nicht mehr wirken. Dann müsste Claudia einen anderen Weg suchen, den Bastard wegzumachen.

Sie öffnete die oberste Schublade ihres Nachttisches. Eine Postkarte lag darin. Die Ränder der Pappe waren scharf. Auf der Karte standen nur wenige Sätze, mit krakeliger Handschrift geschrieben, hier und da fehlte ein Komma. Hallo Claudia. Mir geht es gut und wie geht es dir? Claudia nahm die Karte heraus und drehte sie um. Die Vorderseite war glatt und glänzte im Lampenschein. Bäume waren darauf zu sehen. Sie waren voller sattgrüner Blätter, anders als die kahlen Äste Alaskas. Der Himmel war blau. Im Hintergrund ragte ein Kirchturm in die Höhe. Rechts unten stand in geschwungener Schrift Komm ins Saarland. Claudia betrachtete das Bild; und wenn sie lang genug draufblickte, glaubte sie, das Gezwitscher von Amseln zu hören. Im Wald ertönte das Klopfen eines Spechts. Die Saar plätscherte, Rehe tranken daraus. Ein Junge radelte auf einem klapprigen Damenrad durch den Wald und schreckte die Tiere auf. Claudia schloss die Augen und erinnerte sich.

Sie spazierte durch die Straßen Schwalbachs. Es war Samstag und sie sollte zusammen mit ihrem Bruder Kartoffeln kaufen. Kein Wind wehte, die Sonne schien mit voller Kraft. Claudia schwitzte in ihrem dünnen Kleidchen. Ihre Arme waren ganz rot. Die Luft roch nach Asphalt und Gras. Claudias Bruder saß auf dem pinken Fahrrad ihrer Mutter und radelte im Kreis, um Claudia Gelegenheit zu geben, ihn einzuholen. Die Speichen reflektierten das Sonnenlicht, die Katzenaugen warfen orangefarbene Schatten auf die Straße. Ihr Bruder trug ein graues Shirt, auf das Tick, Trick und Track gedruckt waren. Der Aufdruck war rissig. Wenn Claudia fragte, welche der Enten Track sei, gab er ihr immer eine andere Antwort. Er klang dabei sehr sicher und schenkte ihr ein Lächeln.

Als Claudia ihn eingeholt hatte, trat er kräftig in die Pedale und rief: „Hey Claudi, guck mal.“ Er ließ den Lenker los, riss die Arme in die Höhe. „Freihändig, ist das nicht voll cool?“ Er bereitete die Arme aus, als wäre er ein Vogel, und rief: „Ich bin frei.“
„Pass auf, dass du nicht stürzt“, sagte sie.
„Werd ich schon nicht, ich kann das.“
„Ich will aber nicht, dass du dir wehtust. Ich soll schließlich auf dich aufpassen. Du weißt, wie Michael ist.“ Sie senkte den Blick und sah erst auf, als ihr Bruder „ist gut“ sagte.
Er presste die Lippen zusammen und packte den Lenker.

Auf dem Rückweg vom Supermarkt trug er die Kartoffelsäcke. Er ächzte und schwitzte; aber wenn Claudia anbot, wenigstens einen Sack zu nehmen, wies er sie schroff zurück. „Bleib du auf dem Fahrrad, ich mach das schon.“

Auf dem Heimweg mussten sie ein kleines Waldstück durchqueren. Die Saar floss dort entlang, das Rauschen hörte man schon von Weitem. Manchmal fragte sich Claudia, ob Rehe hier lebten. Das war natürlich nicht möglich, es lebten keine Wildtiere mitten in der Stadt. Aber Claudia stellte sich gern vor, wie eine Geiß mit ihren Kitzen durch das Dickicht stolzierte. Mit ihren schwarzen Augen hielt sie Ausschau nach Gefahren, würde beim Anblick eines Menschen ihre Kinder beschützen und weglaufen; aber nicht bei Claudia. Das Reh würde stehenbleiben und Claudia gestatten, näherzukommen. Dann würde sie die Tiere streicheln und sich von ihnen beschnüffeln lassen. Die Kitze fräßen Kräuter aus ihrer Hand und Claudia würde dabei kichern; das machten normale Mädchen so.

Als sie ihr Elternhaus erreichte, sah Claudia ihr Spiegelbild in den Fenstern. Ein vierzehnjähriges Mädchen mit Sonnenbrand und Pickeln auf dem Kinn, das in der Schule an einem Einzeltisch saß und die Pausen allein verbrachte. Himmel, Hecken und Häuser, das alles wurde von den Fenstern gespiegelt, sodass es nicht möglich war, ins Innere zu blicken. Die Haustür lag im Schatten, als hinge eine Gewitterwolke über dem Dachgiebel.

Claudias Mutter stand am Herd und briet Fleisch. Tränen glitzerten in ihren Augen.
Claudia blieb in der Tür stehen. Auf dem Tisch standen vier Gedecke. „Kommt Michael heute?“
Ihre Mutter starrte an die weiße Raufaserwand und antwortete nicht. Stattdessen drehte sie sich um und verzog angewidert die Mundwinkel. „Du Flittchen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sowas mit vierzehn. Mit welchem Bengel hast du's getrieben?“ Sie wedelte mit einem Kochlöffel. „Nein, sag nichts, es waren bestimmt mehrere.“
Ihr Bruder riss die Augen auf, sah erst die Mutter an, dann seine Schwester.
Claudia wollte etwas sagen, da betrat ihr Stiefvater den Raum. Er legte eine Hand auf die Schulter ihres Bruders und sagte: „Geh auf dein Zimmer, mein Junge. Die Kartoffeln schälen wir später.“
Claudias Bruder nickte und ging, warf ihr im Vorbeigehen einen fragenden Blick zu.
Michael deutete auf einen Stuhl. „Setz dich, wir müssen reden.“ Seine Stimme glich einem tiefen Brummen.
Claudia befolgte den Befehl. Sie faltete ihre Hände im Schoß und sah ihre Mutter an, die ihre Aufmerksamkeit auf den brutzelnden Braten richtete. „Was ist denn los?“, fragte Claudia.
Michael verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist schwanger, nicht wahr?“
Claudia erinnerte sich an das Plastikteil, auf das sie hatte pinkeln müssen. Michael sagte, es messe ihre Urinwerte. Er wolle nur wissen, ob sie gesund sei. Bei Teenagern wisse man nie. „Ich … bin schwanger?“
Die Mutter warf den Kochlöffel in die Spüle und schrie: „Tu nicht so scheinheilig, du Hure. Hattest du wenigstens deinen Spaß, ja? Wie willst du das Balg großziehen, hä? Von mir gibt's keinen müden Pfennig. Nee du, weg muss es.“ Sie sah Michael an und verstummte, senkte dann den Blick, knetete ihre Hände und atmete tief ein.
Claudia saß einfach da, starrte auf den Tisch und unterdrückte Tränen. Michael lehnte sich zu ihr. Seine Mundwinkel zuckten, deuteten ein Lächeln an. Dann sagte er mit verärgerter Stimme: „Ich ruf den Walter an, der leiht mir sicher sein Auto.“ Sein Gesicht kam Claudias nahe. Sie konnte seinen warmen Atem spüren. „Wir fahren nach Holland und lassen den Bastard wegmachen.“
Die Mutter schniefte, Tränen kullerten ihre Wangen hinab. „Ja, mach das.“ Dann verließ sie die Küche, knallte beim Hinausgehen die Türe zu.

Michael streichelte über Claudias Wange. Seine schwieligen Hände kratzten über ihre Haut. „Hätt schon gern einen Sohn gehabt“, sagte er. „Aber das ist abartig.“ Er küsste sie auf den Mund und hauchte: „Sowas gibt's in anständigen Familien nicht.“ Er küsste sie erneut. „Ich liebe dich, meine Kleine.“ Claudia schmeckte seine Zunge und bemerkte eine Beule in seiner Jeans. Er lächelte liebevoll und sagte, er könne nur glücklich sein, wenn Claudia bei ihm wäre. Er roch nach Rexona, gepaart mit kaltem Rauch und Starkbier. Bevor er ging, sagte er, Claudia solle ihrer Mutter ja nichts erzählen, sie würde das besondere Band, das sie miteinander teilten, nur missverstehen.

Der Bastard war mit einer Saugglocke aus ihrem Körper entfernt worden. Michaels Gelüste musste Claudia dennoch befriedigen. Jeden Sonntag. Sie sollte ihm bei Arbeiten im Keller helfen, mal den Schrank furnieren, mal Tischbeine leimen. Claudia tat nichts von alldem. Sie lag nackt vor dem Metzger, räkelte sich auf einer durchgelegenen Matratze. Die Federn drückten gegen Rücken und Gesäß. Die Abtreibung hatte nur eines verändert; Michael zog seinen Schwanz aus ihrem Fötzchen – so nannte er ihr Geschlecht – bevor er kam, entlud seine Ladung auf Bauch, Rücken oder Brust. Warme Flüssigkeit spritzte auf ihre Haut und tropfte auf die Matratze. Dann lächelt Michael selig, tätschelte Claudia und sagte, er sei stolz auf sie, sie mache ihre Aufgabe gut. Und Claudia lächelte zurück und tief in ihr, unter dem Ekel und der Scham, da regten sich Stolz und ein Glücksgefühl, das sie immer dann verspürte, wenn sie ihn befriedigt hatte und dafür gelobt wurde. Und wenn Michael glücklich mit ihr war, streichelte er ihr Fötzchen, ganz langsam und liebevoll, als wär es etwas Wertvolles. Manchmal fühlte sich das gut an.

Es gab Sonntage, da fickte er sie gar nicht. Dann musste sie nur vor seiner Kamera posieren, jeden Winkel ihres Körpers zur Schau stellen, damit er später etwas zum Wichsen hatte, falls ihre Mutter wieder eine Migräne vortäuschte. Das tat sie oft, um sich nicht mit den Geschehnissen im Keller beschäftigen zu müssen. Michael zeigte Claudia gern die Fotos, die er geschossen hatte, fragte sie nach ihrer Meinung, als ob er sich ernsthaft dafür interessiere. Sie sah ihren blassen Hintern auf Hochglanzfotos, die so scharf waren, dass sie die Äderchen unter der Haut erkennen konnte. Sie sagte, sie wären schön geworden. Dann verstaute Michael das Fotoalbum mit den Bildern ihres Fötzchens unter einem Schrank; da würde Muttchen nicht suchen, sagte er. Claudia war sicher, dass er die Fotos auch in der Küche aufhängen könnte, ihre Mutter würde trotzdem wegsehen, sich nicht eingestehen wollen, welch Schwein sie ins Haus gelassen hatte. Das gab es nur im Fernsehen, nicht in einem Reihenhaus mitten in Schwalbach.

Wenige Monate später war Claudia abgehauen, hatte des Nachts ihre Sachen gepackt und war nach Norddeutschland getrampt. Vier Jahre und Dutzende Nebenjobs später besaß sie genug Geld, um nach Alaska zu reisen. In Deutschland hatte sie sich nie sicher gefühlt; und selbst jetzt, fünfzehn Jahre später, wachte sie immer noch schweißgebadet auf und befürchtete, in Michaels graue Augen zu sehen, obwohl sie wusste, dass er tot war.

***​

Zwei Tage nachdem Claudia mit Dave geschlafen hatte, kam sie von der Arbeit nach Hause und sah ihn vor ihrer Hütte stehen. Sie parkte in der Einfahrt und stieg aus. „Was machst du hier?“, fragte sie. „Woher weißt du, wo ich wohne?“
Er umarmte sie, bevor sie reagieren konnte. „Hab ein bisschen rumgefragt; hier leben ja nicht viele Claudias“, sagte er mit einem Lächeln.
„Und was willst du von mir?“
Er blickte an ihr vorbei. „Nun, die Nacht, die wir hatten, war … sehr schön.“ Er räusperte sich. „Und weil ich morgen fortgehe, wollte ich dich besuchen.“ Er blickte in ihre Augen. „Dich ein letztes Mal sehen.“
Claudia verschränkte die Arme. „Ich bin erschöpft, die Arbeit war stressig. Du solltest lieber gehen.“
„Wo arbeitest du denn?“, fragte er und tat so, als hätte er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht vernommen.
„In einem Computerladen. Ich würd mich jetzt gern hinlegen.“ Sie sah in seine Augen und er sah in ihre.
„Soll ich heute Abend nochmal wiederkommen?“, fragte er.
„Nein, ich bin wirklich sehr müde, hab auch ein bisschen Migräne.“
Dave seufzte und presste die Lippen zusammen. „Nun gut, dann geh ich halt.“ Er schenkte ihr ein gequältes Lächeln, wandte sich dann ab.
Claudia sah ihm nach, während er ihre Einfahrt verließ. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen. Das alles war schließlich ihre Schuld. Hätte sie ihn im Fischerman's Garden nicht angesprochen und nicht mit ihm geschlafen, dann wäre er jetzt nicht so geknickt. Und er hatte etwas an sich, etwas Liebevolles, Beschützendes, das Claudia an ihren Bruder erinnerte. Sie rief: „Und du musst morgen wirklich schon weg?“
Er sah über seine Schulter und bejahte.
Claudia knetete ihre Finger, während sie sagte: „Magst du Eisfischen?“

Dave hämmerte mit dem Eispickel ein Loch in den gefrorenen See. Claudia saß auf ihrem Klappstuhl und sah ihm zu. „Soll ich dir helfen?“, fragte sie.
Er sah auf, wischte sich Rotz von der Nase und sagte: „Nein, ich mach das schon. Bleib du ruhig da sitzen.“ Sein Gesicht war gerötet, Atemwolken entstiegen Mund und Nase. „Ist eh gleich geschafft.“
Claudia hielt eine Bierflasche in der Hand. Sie trug Handschuhe, konnte das kalte Glas kaum spüren. Ein Tropfen lief den Flaschenhals entlang. Claudia überlegte, einen Schluck zu nehmen, tat es dann doch nicht. Sie musste an ihr Kleines denken, hatte noch nicht entschieden, ob sie es wegmachen wolle.
„Das wär's“, sagte Dave. Er legte den Pickel beiseite und packte die Angelrute. „Und jetzt halt ich das einfach da rein und warte ab?“
„Ja, einfach reinhalten.“
Er zuckte mit den Schultern. „Na dann, versuchen wir's.“

Gemeinsam saßen sie vor dem Loch und beobachteten das dunkelblaue Wasser. Dave trank Bier. „Willst du denn keins?“, fragte er.
„Hab 'ne Magenverstimmung“, sagte Claudia. Die Sonne stand über Hooper Bay, keine Geräusche drangen aus der Stadt. Die Ebene sah aus, als hätte jemand ein weißes Tuch ausgebreitet. Nur Dreckhaufen unterbrachen das Einheitsweiß, waren wie Felsen inmitten eines hellen Meers. Nahe der Stadt waren die Haufen besonders groß. Der Schnee funkelte und blendete im Sonnenlicht. „Wie kommst du eigentlich dazu, zur See zu fahren?“, fragte Claudia.
„Das fand ich schon als Kind toll, weißt du? Piraten und Matrosen, all das.“ Er nahm einen kräftigen Schluck, unterdrückte ein Rülpsen. „War schon immer scharf drauf, auf einem Schiff anzuheuern. Das Kreischen der Möwen und das Bimmeln der Schiffsglocken. Ja, das ist schon was. Fand ich schon am Lake Michigan toll.“
„Du kommst aus Chicago?“
„Jep, geboren und aufgewachsen.“
„Und was führt dich hier hoch?“
„Arbeit. Hab daheim in einem Lager gearbeitet, nahe des Hafens. War auch ganz nett, aber dann kam die Wirtschaftskrise und all der Scheiß. Schwups, war ich arbeitslos.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „War keine gute Zeit. Mein Bruder hat mir dann einen Job auf einem Kutter besorgt. Beim Krabbenfischen kann man gutes Geld verdienen, meinte er. Und recht hat er. Ist ein toller Kerl, mein Bruder.“ Er zog an der Angelschnur und blickte argwöhnisch in das Loch. „Meinst du, da beißt noch was an?“
„Klar, das dauert eine Weile.“
Er nickte, lächelte sie an und fragte: „Was ist mit dir? Was verschlägt dich in den hohen Norden? Hast du 'ne Familie?“
Claudia betrachtete das schwappende Wasser, sagte dann: „Meine Eltern sind schon tot. Ich hab noch einen Bruder, aber der ist in Deutschland. Er sitzt im Gefängnis.“
„Oh, das tut mir leid.“ Dave kratzte sich am Kinn und nahm schnell einen Schluck Bier, sah Claudia dabei nicht an.
„Ist schon gut, konntest es ja nicht wissen.“ Sie rückte ihre rosafarbene Wollmütze zurecht und sagte: „Hat jemanden umgebracht.“
„Hm.“ Dave nickte, sah neugierig aus, schwieg aber. Er traut sich wohl nicht, weiter nachzufragen.
„Sein Opfer war ein Schwein“, sagte sie. „Michael, so hieß er. Er war Metzger.“ Mit einem Messer hatte ihr Bruder ihm die Kehle aufgeschlitzt, ihn ausbluten lassen wie Vieh. Vor drei Jahren, kurz nachdem Claudia die grüne Postkarte erhalten hatte. Lebenslänglich bekam ihr Bruder für den Mord, hatte Claudia vor Gericht nicht mal erwähnt. Sie hatte ein einziges Mal mit ihm telefoniert. Er sagte, er hätte es für sie getan, damit sie das alles endlich hinter sich lassen könne. Sie solle glücklich werden, nicht mehr an das Schwein denken müssen. Nur das zähle.

So saßen sie auf dem See und schwiegen, kein Fisch biss an, Dave leerte sein zweites Bier. Dann erhob er sich ruckartig und deutete gen Horizont. „Hey Claudia, sieh doch.“ Eine Tierherde wanderte über die Ebene. Große Viecher mit Geweihen und dichtem Fell. „Das sind Karibus, nicht wahr?“, fragte Dave. Seine Augen leuchteten, als sähe er etwas Großartiges zum allerersten Mal.
„Ja, sie kommen manchmal hier vorbei und suchen Futter“, sagte Claudia.
Dave nickte. „Schön.“ Er stellte sein Bier weg und winkte einem Bullen zu. „Wirklich schön.“
Ein Inuit winkte zurück. Er trug Tierfelle und umklammerte einen gekrümmten Wanderstock. Claudia kniff die Augen zusammen. Kurz dachte sie, er wäre der Vater ihres Kindes; aber sie konnte das Gesicht nicht erkennen. Er trieb die Karibus vorwärts, rief etwas in einer fremdartigen Sprache. Atem dampfte aus den Nüstern der Tiere, als sie zu laufen begannen. Sie verschwanden in der Ferne, wirkten bald so klein wie Käfer.
„Wie eine große Familie, nicht wahr?“, sagte Dave.
„Ja, das mag sein.“ Sie griff seine Hand, sah ihm tief in die Augen und lächelte. Wie eine Familie, das klang schön, nach Geborgenheit und Zukunft. Vielleicht war es an der Zeit, stehenzubleiben, nicht mehr von den Erinnerungen wegzulaufen. Vielleicht war Daves Erscheinen ein Zeichen des Schicksals, das bedeutete, sie solle sich endlich eine Mutter und Ehefrau werden. Das konnte doch sein. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Claudia erhob sich und streichelte über Daves Wange. Er lächelte und sah auf ihren Mund. Ihre Gesichter näherten sich, Claudia konnte seinen warmen Atem spüren. Ihre Lippen berührten sich und ihre Zunge spielte mit seiner. Sie schmeckte seinen Speichel und fühlte, wie seine Zunge hin und her zuckte, glitschig und feucht. Während sie sich küssten, blickte Claudia auf Daves geschlossene Augenlider und fühlte nichts. Kein Kribbeln, keine Erregung; da war nur die Wärme aufeinandergepresster Münder. Eine Träne kullerte aus ihrem Augenwinkel. Claudia beendete den Kuss.
„Stimmt was nicht?“, fragte Dave.
„Nein, es ist alles in Ordnung. Es ist nur … ich werde dich schrecklich vermissen.“ Sie presste ihr Gesicht an seine Brust und schluchzte. „Wann wirst du zurückkehren?“
Er streichelte ihren Hinterkopf und sagte: „In drei Monaten.“
„So lange?“
„Ich find's ja auch schwer. Dich die ganze Zeit nicht sehen zu können … das will ich mir nicht vorstellen.“ Er küsste ihre Stirn und sagte: „Eigentlich bin ich ja nicht so gefühlsduselig, aber verdammt … ich liebe dich.“
Sie lösten ihre Umarmung und sahen sich an. Claudia spielte mit dem Kragen seiner Jacke und sagte: „Warum schießt du nicht ein Foto von mir? Dann könntest du mich ständig sehen. Würde dich das glücklich machen?“
„Natürlich, sehr sogar. Das fänd ich toll.“ Er kramte ein Handy aus seiner Hosentasche.
Claudia berührte seine Hand und sagte: „Nein, nicht hier draußen.“ Sie streichelte über seinen Handrücken. „Bei mir im Schlafzimmer.“ Dann schmiegte sie sich wieder an ihn und hauchte ihm ins Ohr: „Wir machen ein paar ganz besondere Schnappschüsse.“

***​

Zwei Wochen nachdem Dave abgereist war, saß Claudia in ihrer Küche und blickte aus dem Fenster. Graue Wolken hingen über dem See, es würde bald regnen. Als Dave Fotos von ihrem Körper machte und wieder mit ihr schlief, schwor sie sich, auf ihn zu warten, das Kind zu behalten und fortan seine treue Geliebte zu sein. Eine eigene kleine Familie. Sie könnte ja erzählen, das Kind sei von ihm, etwas sei mit der Pille schiefgelaufen; vorausgesetzt, das Neugeborene sähe einem Eskimo nicht allzu ähnlich. Ja, kein Sex mit fremden Männer, das müsste doch machbar sein. Aber diese Gedanken verschwanden schnell. Bald wurde Claudia müde und antriebslos. Ohne Sex fühlte sie sich leer, ihr Dasein erschien ihr so sinnlos.

Sie hatte versucht, zu masturbieren und dabei ihre Gedanken zu verscheuchen. Unbeholfen hatte sie ihre Finger in die Scheide geschoben, aber sie hatte kaum etwas verspürt. Sie schmierte Spucke zwischen ihre Beine, in der Hoffnung, das würde etwas ändern. Aber nichts fühlte sich intensiver an. Da wurde nichts warm und feucht, nichts kribbelte. Da war nur ein nasskaltes Loch. Ihre Finger lächelten nicht und sagten nicht, Claudia sei wunderschön und mache sie glücklich.

Claudia wandte ihren Blick vom Fenster ab und betrachtete ihre Handfläche. Die Abtreibungspille fühlte sich rau an. Sie drehte sie hin und her, hielt sie ins Licht und roch daran. Sie hatte noch eine Woche, um sie zu schlucken, also warum nicht jetzt? Sie griff eine Wasserflasche und atmete durch.
Wenn sie das Kind bekäme, wer würde sich dann noch mit ihr abgeben? Welcher Mann würde eine Frau mit dickem Bauch wollen? Oder es mit Claudia treiben, wenn jederzeit der Schrei eines Babys durch das Haus gellen könnte? Ganz zu schweigen von den Veränderungen ihres Körpers. Schwangerschaftsstreifen und hängende Brüste, dafür war sie nicht bereit, das hielte sie nicht aus. Vielleicht, wenn sie Ende dreißig wär und nicht mehr ganz so schön; dann könnte sie immer noch ein Kind gebären.

Auf Dave warten wollte sie nicht. Drei Monate waren einfach zu lang. Und wer versicherte ihr, dass er ein guter Stiefvater wäre? Was geschähe, wenn sie eine Tochter bekäme, eine schöne, gut gebaute? Wenn sie in die Pubertät käme, ihre Brüste knospen und ihr Geruch sich verändern würde, sie nach Weiblichkeit und Fruchtbarkeit roch; würde sich Dave dann im Zaum halten können?

Claudia legte die Pille auf ihre Zunge und fragte sich, wem sie etwas vormachte. Sie würde nie eine gute Mutter sein, nie ein Kind großziehen können. Nicht heute, nicht mit Ende dreißig und auch sonst nie. Sie wäre vermutlich wie ihre eigene Mutter, würde wegsehen, wenn ihren Kindern Leid geschähe, würde nicht wahrhaben wollen, in welche Richtung ihr Leben verliefe. So wie sie jetzt lebte, hier oben, inmitten der Kälte mit fremden Männern schlafend, so war es gut, denn es verletzte keinen. Nur sie selbst und das war okay. Sie trank etwas Wasser und schluckte die Kapsel.

 
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Hallo liebe Wortkrieger,

hier ist mein Copywrite.
Als Vorlage diente Isegrims' Ausgetrocknet.

Das ist meine erste Kurzgeschichte seit September '15, habt also etwas Nachsicht (das ist Quatsch, zerreißt sie ruhig ;) ).

Ich hoffe, ihr habt Spaß ... oder verspürt Unbehagen ... oder was auch immer das Lesen in euch auslösen mag. :D Ich hatte jedenfalls meinen Spaß, bin aber froh, jetzt einige Hirnkapazitäten freizuhaben. Habe also genug Zeit, die Copywrites der anderen Teilnehmer zu lesen und zu kommentieren.

Freu mich schon drauf und liebe Grüße,
gibberish

 

Oh Mann gibberish

ich höre die Violin-Partite Nr.2 von Bach während ich die Geschichte lese. Das erwähne ich, weil ich aufgeregt war, zu lesen, was du aus dem kleinen Stück von mir gemacht hast, in dem ich versucht habe so reduziert wie (mir) möglich, eine Geschichte zu erzählen, die mich aufgewühlt hat, weil ich die realen Beteiligten kenne und ich die Musik brauchte, um mich zu beruhigen.

An manchen Stellen musste ich heulen, die sind sehr berührend. Zum Glück hast du auch Länge und erzählerische Passagen, die sich reduzieren ließen. Zum Glück machst du ein paar "Fehlerchen" und wählst eine zu breite Form. Sonst wäre das nicht auszuhalten...
(die werde ich dir beim zweiten lesen auch um die Ohren hauen und einen längeren Kommentar schreiben).

Ich bin sehr froh, dass du diese Geschichte geschrieben hast. Wenn du etwas dran machst und einiges kürzt, wird's grandios. Chapeau!

liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo gibberish,

ähnlich wie Isegrims dachte auch ich, dass das nach Bearbeitung eine grandiose Geschichte werden könnte, als ich gestern – zwar nicht nicht bei Wein und Violine, sondern bei oder trotz eines 29-Cent-Eigenmarken-Pils und Liverpool-Dortmund – deinen Text gelesen hatte. :lol:

Ein paar Kleinigkeiten:

Sie war ein braves Mädchen, musste sie glücklich machen.
Das musste ich zweimal lesen, da es etwas undeutlich formuliert ist. (sie / sie)

wären ihre funkelnden Augen nicht, diese grauen Kreise, die jenen des Metzgers so ähnlich waren.
Ich hatte die Ursprungsstory noch im Kopf, hätte mir aber hier, bei der weitaus längeren Variante gewünscht, dass das erst viel später herauskommt.

sie - im Austausch für gewisse Gefälligkeiten - von
Manchmal hast du im Text kurze, mal längere Striche. - bzw. –

Claudia nahm die Karte heraus - sie roch noch nach Pappe, als wäre sie erst gestern abgeschickt worden – und drehte sie um.
Angenommen, die Karte riecht noch vier Wochen nach Kauf/Auspacken aus der Plastikverpackung nach Pappe, dann ist es doch unerheblich, dass sie erst gestern verschickt worden ist. Oder bin ich hier zu penibel? :Pfeif:

Kein Wind wehte, die Sonne schein mit voller Kraft.
scheint

Ein Junge radelte auf einem klapprigen Damenrad durch den Wald und schreckte die Tiere auf.
und
Claudias Bruder saß auf dem pinken Damenrad ihrer Mutter – sie hatten nur das eine Fahrrad – und radelte im Kreis,
Das wiederholt sich mit den Fahrrad. Einmal hätte gereicht.

Als sie ihr Elternhaus erreichte, sah Claudia ihr Spiegelbild in den Fenstern.
Mir wurde mal gesagt, das sich im Spiegel betrachten, um die Person zu beschreiben, wäre ein No Go. :confused:

Claudias Bruder
Wie heißt er denn eigentlich? Habe ich das übersehen, oder beliebter tatsächlich namenlos? Warum?

Es gab Tage, da fickte er sie gar nicht.
Es gab Sonntage(?), da fickte er sie gar nicht.

Michel sagte, vielleicht zeige er sie seinen Kollegen in der Metzgerei.
Michael

Die Sexszene und die neue Figur am Anfang gefallen mir sehr gut.

Die Rückblicken sind mir persönlich zu lang und haben zu viele (unwichtige) Details. Z.B. „winkte der alten Dame zu, die nachmittags Blumen auf ihrem Balkon goss und Claudia häufig Kekse schenkte.“
Um das Verhältnis Schwetser/Bruder zu beschreiben, hätten auch weniger Infos gereicht. Hier kann man kürzen.

Ansonsten eine erschütternde Geschichte. Hat mir sehr gut gefallen. :thumbsup:

Schönes Wochenende.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
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Claudia fuhr nach Hause. Eine Schneeschicht bedeckte den Asphalt und die Häuserdächer Hooper Bays. Claudia zitterte und konnte ihren Atem sehen. Die Fenster beschlugen. Sie stellte die Heizung ihres Chryslers auf die höchste Stufe, obwohl sie wusste, dass sie ihr Zuhause erreichte, bevor es warm im Auto würde. Es war eine windige Nacht. Flocken wirbelten im Scheinwerferlicht umher und Schneehaufen, die sich an den Wegesrändern auftürmten, wurden verweht. Feiner Schnee prasselte gegen die Windschutzscheibe. Im Radio spielte ein Song von Taylor Swift. Claudia pfiff die Melodie und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, kräftig und im Takt

Als Isegrims Bach hörte (hören musste?), Claudia (= die Lahme - seltsame Namenswahl) Swift mit trommelnden Fingern begleitet, fällt mir Trottel nur Townes Van Zandts Interpretation der Stones-Nummer Dead Flowers ein, wie er sie mal in einer Berliner Kneipe eingespielt hat (wer ihn mal Live erlebt hat, musste - außer ein Kühlschrank wie ich - schon ein Hand-, wenn nicht schon ein Badetuch dabei haben, für alle Fälle).

Vielleicht unbewusst, aber,

lieber gibberish,

ist die Geschichte in ihrem mittleren Teil (ich will's mal den Heimatroman innerhalb dieser durchaus gelungenen und erweiterten Ursprungsgeschichte - muss gleich mal schau'n, was ich da zum Besten gegeben hab) hochaktuell in Sachen Mord – von der juristischen Seite her betrachtet, schwirrt doch der Gedanke durch die Bundesregierung und – kann ja gar nicht anders sein – insbesondere der Justizbranche, lebenslänglich für Mord „aufzuweichen“, indem etwa Zwangslagen berücksichtigt werden müssen - was eigentlich logisch wär bei der Ursachenforschung - bei der Zumessung des Urteiles, wogegen sich – kann's anders sein? - das konservative Millieu sträubt.

Claudia war taub zwischen den Beinen, spürte jedes Mal nur Haut, die gegen Haut rieb. Keine Gänsehaut, kein Kribbeln im Schritt.
Was sie auch tat – ob sie ihr Spiegelbild betrachtete, duschte oder gefickt wurde -, immer stellte sie sich diese grauen Augen vor, die sie gierig gemustert hatten.

Zuerst fürchtete ich, es würde das copywrite für Voyeure werden (ich belass es in der Regel bei Andeutungen, obwohl mir auch schon Beschreibungen geglückt sind) und finde dann eine komplexe Erzählung vor, die auf elf Seiten Manuskript - Sitzfleisch, Kondition und Konzentrationsfähigkeit sind da gefordert - von pornografischer Phantasie über Sozialkritik bis hin zu einem literarischen Schnäppchen (Häppchen?, vllt. besser so) so ziemlich alles bedient. Und gegen Ende ist sogar die Namensdeutung der Protagonistin klar, selbst wenn es nur das Partizip zu lahmen ist: Sie bleibt gelähmt, gefangen in ihrer Vergangenheit und der Frage, wie weit die gegenseitige Anerkennung/Liebe von des Krabbenfischers Seite her hält. Man ist einander immer noch ein unbekannter Planet. Denn, darf ein Kind aussehen wie ein Inuit, weil Vaterschaft in ihre Teile biologischund soziologisch aufgesplittet würde. Auch das Problem hochaktuell in der Flüchtlingsfrage, wenn die Bedrohung, Gewalt- und Machtfrage, die an sich täglich hinter ordentlichen Hauswänden verborgen bleibt und da überwiegend geduldet wird, öffentlich ein nordafrikanisches Gesicht bekommt ...

Paar Flüchtigkeiten, die bei der Länge des Textes (sehn wir mal von ab, dass die ersten zwo direkt zu Anfang gelingen) an sich nicht ausbleiben kann:

..., streckte Claudia alle [v]iere von sich, …
(alle viere von sich strecken, festgefahrene Redensart und darum alles klein)

Schon kommt, lieber Himmel auch!, was wie unfreiwillige Komik auf

„Sicher ist sicher“, sagte er und ging zum Nachtisch, kramte etwas hervor. Es war ein Kondom.
Er geht sicherlich ans Nachttischchen, Claudia könnte für ihn (an dieser Stelle der Erzählung kann man da noch nicht so sicher sein) ein Nachtisch, eben eine Leckerei als Abschluss eines Essens durchaus sein/werden).

Mal zwetschendurch ne kleine Übung

Sie war ein braves Mädchen, musste sie glücklich machen. Das sei ihr Talent, ihre einzige Aufgabe, das hatte der Metzger stets betont.
Hier will mir auch der erste Satz weniger Indikativ als Konjunktiv (I)wie schon der zwote Satz zu sein. Um da das dopplte „sei(n)“ zu vermeiden, täte es ein bisschen Möbelrücken und der Infinitiv (zB)
"Es musste sie glücklich machen, ein braves Mädchen zu sein/altern.: als braves Mädchen zu gelten. Das sei ihr Talent ...“

'n Dreher

Kein Wind wehte, die Sonne schi[e]n mit voller Kraft.
Gezeitenwechsel
Dave kratzt[e] sich am Kinn und nahm schnell einen Schluck Bier, sah Claudia dabei nicht an.

Ein müßges Komma
Vielleicht[,] wenn sie Ende dreißig wär und nicht mehr ganz so schön; dann könnte sie immer noch ein Kind gebären.

Un schließlich der Hammer - im Grunde das, was ich irgendwann machen werde
Während sie auf die Krämpfe wartete, die den Tod ihres Kindes ankündigen würden, betrachtete sie den zugefrorenen See. Sie stellte sich vor, wie sie auf dem Eis stünde. Es würde unter ihrem Gewicht knacken und knarzen. Risse breiteten sich aus, bedeckten die ganze Oberfläche. Die Sonne hinge hoch über Claudias Kopf, schiene mit ganzer Kraft. Dann verlöre Claudia den Boden unter den Füßen, würde vom See verschluckt. Sie verschwände in der Dunkelheit, sänke immer tiefer, bis auf den Grund. Sie sähe nur Bläschen und das verschwommene Licht der Sonne, dann gäbe sie sich ihrem nassen Grabe hin. Sie schlösse die Augen und wartete darauf, dass ihr Körper erkalte, würde nichts fühlen und alles vergessen
- eine eigene (nicht nur Claudias) Geschichte im Konjunktiv irrealis. Selbst wenn der Abschnitt alleine daherkäme, ich hätte ihn für sich genommen und gelobt! Dafür gibt's den Schluss mit Van Zandt und seinem Kumpel in Berlin - beides hervorragende Gitarristen (im Gegensatz zu Keith Richards) und langsamer als die Stones elektrifiziert (wollten wahrscheinlich endlich "vonne" Bühne)

"Take me down, little Susie, take me down
I know you think you're the queen of the underground
And you can send me dead flowers every morning
Send me dead flowers by the US mail
Say it with dead flowers at my wedding
And I won't forget to put roses on your grave
No I won't forget to put roses on your grave"​

Gruß aus'm Pott vom

Friedel

 
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Hey Isegrims,

das hört sich vielleicht komisch an, aber es freut mich, dass dich mein Copywrite mitgenommen hat. Das Gegenteil hätte mich nachdenklich gestimmt, denn dann wäre da was gehörig schiefgelaufen, dann hätt ich's nämlich vergeigt. Ich hoffe, deine Bedrückung dauert nicht allzu lang an; und dass die Story dich auf einer persönlichen Ebene getroffen hat, tut mir leid.

Die Thematik ist sehr aufwühlend, das ging auch mir so, sonst hätt ich "Ausgetrocknet" wohl nicht gewählt. Ich habe solcherlei zwar nicht persönlich erfahren, aber es hat mich dennoch nachdenklich gestimmt. Ich denke, viele Leser hier werden erstmal trocken schlugen. Aber das ist ja das gute an Literatur, sie kann beim Verarbeiten und Verstehen helfen. Vielleicht schafft mein Text das bei dem ein oder anderen auch.

Zum Glück hast du auch Länge und erzählerische Passagen, die sich reduzieren ließen. Zum Glück machst du ein paar "Fehlerchen" und wählst eine zu breite Form. Sonst wäre das nicht auszuhalten...
(die werde ich dir beim zweiten lesen auch um die Ohren hauen und einen längeren Kommentar schreiben).

Ja, die Länge, die ist ständig mein Problem. Kurze Geschichten schreiben, das ist einfach nicht meins, und wenn man erstmal im Schreibfluss ist, dann haut man auch reichlich Unnötiges in die Tasten. Ich habe schon einiges gestrichen und werde noch mehrmals drüberschauen und mir überlegen, was weg könnte. Kommt Zeit, kommt Rat.

Und ich freu mich schon darauf, dass du mir Überflüssiges um die Ohren haust, am Ende kann der Text nur gewinnen.

Ich bin sehr froh, dass du diese Geschichte geschrieben hast. Wenn du etwas dran machst und einiges kürzt, wird's grandios. Chapeau!

Nein, ich bin froh, dass ich "Ausgetrocknet" kopieren durfte, anderenfalls hätte ich einen solchen Text nie geschrieben, jedenfalls nicht so. Ich danke für die Inspiration und freu mich sehr, dass dir der Text gefällt.

Liebe Grüße,
gibberish


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Hey GoMusic,

ähnlich wie Isegrims dachte auch ich, dass das nach Bearbeitung eine grandiose Geschichte werden könnte, als ich gestern – zwar nicht nicht bei Wein und Violine, sondern bei oder trotz eines 29-Cent-Eigenmarken-Pils und Liverpool-Dortmund – deinen Text gelesen hatte.

Fang mir nicht mit Dortmund an, die 91 Minute war ein Stich direkt ins Herz. Tut immer noch weh. :D Aber es war ein verdammt gutes Fußballspiel, da konnte man wirklich nicht meckern. Am Ende wurde Kampfgeist belohnt, so ist das manchmal. ;) Aber genug vom Fußball.

Deine Anmerkungen habe ich mir zu Herzen genommen, Fehler, Doppelungen und Ungereimtheiten korrigiert.

Die Rückblicken sind mir persönlich zu lang und haben zu viele (unwichtige) Details. Z.B. „winkte der alten Dame zu, die nachmittags Blumen auf ihrem Balkon goss und Claudia häufig Kekse schenkte.“ Um das Verhältnis Schwetser/Bruder zu beschreiben, hätten auch weniger Infos gereicht. Hier kann man kürzen.

Ein paar Sätze sind schon rausgeflogen, ich muss das Ganze noch mehrmals lesen, dann find ich bestimmt noch mehr zum Rausschmeißen. Danke für den Gedankenanstoß, irgendwann sieht man Streichungspotenziale einfach nicht mehr.

Manchmal hast du im Text kurze, mal längere Striche. - bzw. –

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was da passiert sein könnte, und ich seh da auch keine unterschiedlichen Striche. Vielleicht ein Fehler beim Übertragen der Word-Datei, aber ich bin womöglich blind, die sehen alle gleich aus. :D

Ich hatte die Ursprungsstory noch im Kopf, hätte mir aber hier, bei der weitaus längeren Variante gewünscht, dass das erst viel später herauskommt

Hab ich etwas entschärft. Der Text ist ja wirklich lang geraten, da nehm ich jedes Fitzelchen an Spannung gerne mit.

Mir wurde mal gesagt, das sich im Spiegel betrachten, um die Person zu beschreiben, wäre ein No Go.

Ist sicherlich nicht die eleganteste Art, aber ich finde, hier hat's ganz gut gepasst. In der Spiegelung vor dem Haus ein Mädchen, im Inneren ein Lustobjekt. Ist ja nur ein Satz, aber ich denk nochmal drüber nach, vielleicht fällt mir da was Schöneres ein.

Wie heißt er denn eigentlich? Habe ich das übersehen, oder beliebter tatsächlich namenlos? Warum?

Das Original ist ja in der Du-Perspektive verfasst, der Bruder ist quasi der Leser, daher hat er im Original keinen Namen. Ich hab das beibehalten, ihm keinen Namen gegeben, weil das Distanz zur Familie schafft, Claudias Erinnerungen ein bisschen emotionsloser, sachlicher darstellt. Darum geht es ja auch, die Unfähigkeit, familiäre Gefühle zu entwickeln.

Ansonsten eine erschütternde Geschichte. Hat mir sehr gut gefallen.

Das freut mich sehr. Ich war sehr unsicher, wie die Geschichte ankäme, vor allem wegen der Länge und heiklen Thematik. Dass es dir gefallen hat, beruhigt mich.

Dir auch ein schönes Wochenende und liebe Grüße,
gibberish


---
Friedrichard, du sollst natürlich auch eine Antwort erhalten; jetzt muss ich aber erstmal was fürs Studium tun. Sollte ich am späten Abend nicht antworten, dann auf jeden Fall morgen.

 

Lieber gibberish,

hier also meine Gedanken zu Inhalt. Mir kam es vor wie eine Vorher-Nachher- Geschichte, nur umgekehrt. Es war schon hart, das arme Kind immer und immer wieder missbraucht vor Augen zu haben. Denn, nicht wahr, auch wenn sie als erwachsene Frau scheinbar ihr Schicksal selbst bestimmt, so bleibt sie doch ein Opfer und ein wirklicher Befreiungsschlag gelingt ihr nicht. Ich will ganz ehrlich sein: Die drastischen Sexszenen hätten mich beinahe am Weiterlesen gehindert. Ich weiß natürlich, dass es nur mit Andeutungen nicht getan ist. Dennoch meine ich, hier wären nicht alle Details notwendig gewesen.

Hier bin ich an einem Kernpunkt. Nicht jedes Vergewaltigungsopfer wird zwangsläufig zur Prostituierten oder sexbesessen. Ich weiß nicht genau, wo du hier deine Prota siehst. Sie hat ja gar keinen Genuss dabei und trotzdem sucht sie sich in ihrem Computerladen von Zeit zu Zeit einen Lover aus. Das kann ich so interpretieren, dass sie einem Widerholungszwang unterliegt, sie muss immer wieder "ihre Sache gutmachen", um eine Existenberechtigung zu haben.

Diese Schwangerschaft und die plötzlich auftauchende Hoffnung auf "Normalität" sind für mich ein wenig der Dramaturgie geschuldet, dem Bedürfnis ( des Autors und/oder des Lesers?) Rechnung zu tragen, doch einen Funken Licht in diesem düsteren Mädchenschicksal zuzulassen. Plausibel ist mir die Schwangerschaft nicht, denn wenn Claudia eine Abtreibungspille organisieren kann, warum nicht auch Verhütungsmittel?

Sehr gut finde ich das Setting mit der Eiseskälte Alaskas. Aber das ist ja eine Stärke von dir: Die Seelenlandschaft korrespondiert mit der Geographie. Da würde ich nicht kürzen.

Äußerst beeindruckt bin ich von deinen Einblicken in die weibliche Psyche;). Da muss man schon ordentlich recherchiert haben.

Dortmund habe ich auch geschaut. Bin ein Fan!

Wieder im Gleichgewicht grüßt dich herzlich

wieselmaus

 

Lieber gibberish

ich muss das stückchenweise machen, das mit dem Durchforsten Kürzungspotential und dergleichen.
Ja: und ich musste echt Bach hören:
passt auch zu der Erzählung, hört mal: https://www.youtube.com/watch?v=UmrIZmS9QIg
Friedrichard; gibt es deinen Musikvorschlag bei youtube :confused:

Ich fang mal an.

Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, streckte Claudia alle viere von sich, befühlte die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.
alle viere klingt nicht besonders elegant

Er lebte noch nicht lange in Hooper Bay, war erst vorgestern angekommen. Er würde auch nicht lange bleiben, hatte er gesagt, seine Arbeit als Hochseefischer verlange, dass er in den nächsten Tagen aufbräche. Die Krabbensaison beginne bald.
könntest du weglassen

ob sie sich dort ungestört unterhalten könnten.
braucht es auch nicht

In der Folge schreibst du "Titten" und dann wieder "Penis", entscheide dich, ob es vulgär sein soll oder nicht, klingt inkonsequent. Übrigens ist Unterhose ein fürchterlicher Ausdruck

er wollte Claudia vermutlich besser sehen.
vermutlich klingt nach unsicherem Erzähler, brauchst du nicht oder?

Sie hatte die Pille schon vor langer Zeit abgesetzt, sie nicht vertragen. Sorgen brauchte sich Dave dennoch nicht zu machen, sie war schon schwanger.
zu viel tell. Sie war löngst schwanger reicht doch

Sie streichelte ihre Scheide, spreizte die Schamlippen mit den Fingern. „Warum kommst du nicht näher?“
Scheide... ? sie streichelte sich.. ? mit den fingern ist unnötig

Das sei ihr Talent, ihre einzige Aufgabe, das hatte der Metzger stets betont. /QUOTE] markiertes kannst du weglassen

So; für heute genug, geht bald weiter...

Hab mir überlegt, dass ich mir "Ausgetrocknet" vornehme und umschreibe, zumindest die Perspektive (Du) ändere, was denkst du, lohnt sich?

viele Grüße und schönen Abend
Isegrims

 
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Hallo gibberish,
ich mag einfach deinen Stil. Das hab ich schon in den Kreisen gemerkt und hier ist es wieder so.

Was mir an deiner Geschichte ganz besonders gut gefällt, das ist die Schilderung der Landschaft und die Verbindung zwischen ihr und den Gefühlen Claudias.
Du hast es toll hingekriegt, das Getriebene dieser Frau zu zeigen. Man nimmt ihr ab, dass und warum sie immer wieder sich selbst beweisen muss, ein "braves Mädchen" zu sein dadurch, dass sie ihre Sehnsucht, ihre Substanz an irgendwelche, ihr völlig gleichgültigen Männer vergibt. Und sie empfindet dabei keinerlei Lustgefühl, keinen Genuss, noch nicht einmal Wohligkeit, sondern es ist mehr wie eine Sucht, wie der Wunsch nach der endlichen Beweisführung, dass sie am Leben sein darf und einen Wert hat. Selbst glücklich sein kann, auch ohne dauernd jemand anderes glücklich zu machen.

An ein paar Stellen hab ich gedacht, dass du ein paar Einsprengsel reinbringts, die du nicht bräuchtest, ich hab das aber nicht genau und konkret geprüft, sondern das ist einfach ein Gefühl. Es ist ein sehr deutliches Gefühl gewesen, aber als ich die Geschichte jetzt eben noch einmal las, war es im Schwinden. Ich glaub, du hast auch schon ein bisschen überarbeitet, denn eine Stelle, die ich im Kopf hatte, die ist jetzt schon weg.


Was auch auf meinem Ursprungszettel stand, das war: du sollst was schreiben wegen ihrer Schwangerschaft. Aber entweder hatte ich deine Erklärung überlesen oder du hast es nachträglich eingearbeitet. Sie verträgt die Pille nicht und hat sie deswegen abgesetzt. Okay.

Ich schilder dir trotzdem mal meine Gedanken zu diesem Baustein "Schwangerschaft" seiner Geschichte.
Ursprünglich hatte ich geschrieben, du solltest wenigstens erklären, warum sie keine Pille nimmt. Ich hatte an sowas gedacht wie, sie war krank oder so. Denn eigentlich müsste gerade eine Frau wie sie, was Verhütung betrifft, sehr vorsichtig sein. Und sie käme ja auch an andere Verhütungsmittel ran. So richtig zufrieden wär ich aber nicht, weder mit meiner ersten spontanen Idee (krank) noch mit derinem Nichtvertragen der Pille.
Bei diesem Schwangerwerden denkt man im Moment noch (das ist aber schon auch sehr streng überlegt, das geb ich zu) gleich dran, dass der Autor sich das hernimmt, um der Geschichte einen ordentlichen Konflikt zu verpassen. Auf der einen Seite ihre Verlorenheit, auf der anderen ihre Sehnsucht nach Liebe, einer heilen Familie und Geborgenheit. Das lässt sich natürlich mit einem Kind im Bauch und einem Kerl, dem was an ihr liegt, natürlich wunderbar in Szene setzen. Also hab ich an der Stelle auch erst mal geschluckt und gedacht, klar, gibberish, wie kriegst du das jetzt hin, dass das nicht konstruiert wirkt. Ich denke nämlich, diese ihre neue Situation ist ja der Ausgangspunkt ihres Konflikts. Und den muss man in diesem Fall ganz unbedingt so hinkriegen, behaupte ich mal, dass er originär aus ihr und ihren Problemen entsteht. Und das tut er nicht bei einer Unpässlichkeit. Du machst es auf diese Weise künstlich. Sie hat die Pille nicht vertragen. Ja klar, kann man so machen. Aber frag dich, warum dann keine Spirale oder weiß der Kuckuck was? Das wirkt einfach wie ein äußerlich reingebrachter Konflikt, der mit ihren, die Geschichte tragenden Problemen nichts zu tun hat. Eine Unpässlichkeit.

Bei diesem Schwangerwerden kamen mir gleich zwei Sachen in den Sinn. 1. Jemand, der so wenig von sich selbst hält wie sie, der sorgt auch nicht für sich. Das Saufen, das ganze Leben, das sie führt, das ist ja ein einziges Beispiel dafür, dass sie sich schon längst selbst aufgegeben hat. Also so jemand wird mit Sicherheit auch notwendige Tabletten sehr unregelmäßig nehmen, einfach weil er nicht für sich sorgt. Du bräuchtest nur einen Hinweis loswerden, dass sie es einfach nicht schafft, die Pille regelmäßig zu nehmen, und schon könnte (hoffe ich jedenfalls) das Kopfkino losgehen, dass Leser sich fragt, warum ist die da so nachlässig. Und schon kommst du auf Nr. 1 oder Nr. 2.
Die Nummer zwei wäre: Sie trägt in sich den heimlichen Wunsch nach einer Schwangerschaft, nach einem Kind. Gerade weil sie sich so verloren fühlt. Ein heimlicher, unbewusster Wunsch nach einem Ausweg.
Das wäre beides oder in einer Kombination eher das, was amS eher einen notwendigen inneren Konflikt baut und nicht nur eine scheinlogische Begründung.

Was auch immer dein Autorenmotiv ursprünglich gewesen sein mag, ich würde die Richtung ein klein bisschen verdeutlichen. Ich weiß nämlich noch, dass ich geschluckt hab, als sie auf einmal schwanger war. Da dacht ich, das geht zu schnell, das passt zu sehr. Achtung, ich mein nicht, wie du die Schwangerschaft einführst, das fand ich schön. Nee, ich hätte nur gerne hinterher einen Bezug der Schwangerschaft zu ihrem Leben gehabt. So klingt das erstmal so, als würdest du dir jetzt nur einen Dreh überlegen, wie du das mit der Schwangerschaft honkriegst, ohne dass es völlig unlogisch wirkt.
Sorry, dass ich so drauf rumreite, ich beschäftige mich wohl gerade viel zu sehr mit diesem Aspekt, dass es oft schöner wirkt in Geschichte, wenn Konflikt u. a. Bausteine eines Textes stärker miteinander verzahnt sind. Ich les grad ein Buch "HavanaRoom", da ist mir das aufgefallen, dass dies dem Autor sehr gut gelingt. Das hat mich beeindruckt. Und jetzt such ich wohl überall danach. :)

Wie auch immer, das ist ja auch eher eine Spezialsache. Und an dem Genuss, an dem Gefühl, von dem Schicksal dieser Frau berührt zu sein, ändert das ja gar nichts. Eine schöne, intensive Geschichte.

Viele Grüße von Novak

 
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Lieber Friedrichard,

schön, dass du vorbeischaust und danke für deinen Kommentar, freut mich sehr.

ist die Geschichte in ihrem mittleren Teil (ich will's mal den Heimatroman innerhalb dieser durchaus gelungenen und erweiterten Ursprungsgeschichte - muss gleich mal schau'n, was ich da zum Besten gegeben hab) hochaktuell in Sachen Mord – von der juristischen Seite her betrachtet, schwirrt doch der Gedanke durch die Bundesregierung und – kann ja gar nicht anders sein – insbesondere der Justizbranche, lebenslänglich für Mord „aufzuweichen“, indem etwa Zwangslagen berücksichtigt werden müssen - was eigentlich logisch wär bei der Ursachenforschung - bei der Zumessung des Urteiles, wogegen sich – kann's anders sein? - das konservative Millieu sträubt.

Unbewusst trifft's so ziemlich, lieber Friedel. Schon erstaunlich, was dir so alles zum Text einfällt. Ja, lebenslänglich für den Bruder, das ist natürlich ein hartes Urteil, denkt man an seine Gründe. Aber da wandeln wir in moralischen und ethischen Gefilden, da gibt's unzählige Meinungen, die alle irgendwie sinnvoll und nachvollziehbar klingen, dann wieder doch nicht. Es gibt ja Länder, da gibt's lebenslänglich nicht, Spanien fiele mir da ein; und da könnte man natürlich auf die Idee kommen, diesem Beispiel zu folgen, funktioniert anscheinend. Aber ich sehe da keinen Anlass, die durchschnittliche Dauer der lebenslänglichen Haftstrafe beträgt ~21-22 Jahre (je nachdem, welches Bundesland), das halte ich durchaus für angemessen. Schwieriges Thema, das stimmt schon. Aber genug davon. :D

Zuerst fürchtete ich, es würde das copywrite für Voyeure werden (ich belass es in der Regel bei Andeutungen, obwohl mir auch schon Beschreibungen geglückt sind) und finde dann eine komplexe Erzählung vor, die auf elf Seiten Manuskript - Sitzfleisch, Kondition und Konzentrationsfähigkeit sind da gefordert - von pornografischer Phantasie über Sozialkritik bis hin zu einem literarischen Schnäppchen (Häppchen?, vllt. besser so) so ziemlich alles bedient.

Zum Glück hat sich deine Befürchtung nicht bewahrheitet, die gewünschte Komplexität wurde erkannt. War natürlich eines meiner Bedenken. Am Anfang wird gevögelt, da liest so mancher nicht weiter. Gut, dass du es getan hast.

Ja, das Böse wohnt nebenan, das liest und sieht man immer wieder. War mir wichtig, das Haus des Metzgers in einer netten Kleinstadt zu verorten. Schönes Wetter, nette Nachbarn und dann das. Dreckhaufen sind nahe der Stadt am größten, da lebt man doch lieber an einem See am Ende der Welt; aber die Erinnerungen, die bleiben, können einen lähmen (ob man jetzt "die Lahme" heißt oder nicht; schönes Detail übrigens :D ).

Freut mich, dass du Spaß an meinen literarischen Häppchen (oder doch Schnäppchen? Umsonst warn se jedenfalls nicht ;) ) hattest. Die Ungereimtheiten sind korrigiert, Fehler sind weg und Kommata dort, wo se hinjehörn.

Die Konjunktivfete am Ende hat Spaß gemacht, und es freut mich, dass sie dir gefällt. Kriegst auch ein Lied, The Rain Song, ein schönes Stück von Led Zeppelin,

It is the springtime of my loving
the second season I am to know
You are the sunlight in my growing
so little warmth I've felt before.
It isn't hard to feel me glowing
I watched the fire that grew so low
[...]
I've felt the coldness of my winter
I never thought it would ever go.

Grüße aus dem Vorharz,
gibberish


---


Hey Ronnie,

vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. Wenn dir die Sprache gefällt und die Atmosphäre rüberkommt, ja, was will ich mehr.

Von dir kann man etwas lernen.

Na, ich weiß nicht, ich habe selbst noch ne Menge zu lernen, aber so ist das mit dem Schreiben, das Lernen endet nie. ;)

Hat mich gefreut und liebe Grüße,
gibberish


---
wieselmaus, Isegrims und Novak - ich antworte euch schnellstmöglich. Ich bedanke mich schon mal, ich freu mich sehr über eure Anregungen. Einige Änderungen habe ich schon vorgenommen. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Grüße aus dem Vorharz,

Auweia, Göttingen?,

lieber gibberish,

woher mag meine Vorliebe (neben Pils) fürs buchstäbliche Urbock und Doppelbock kommen, wenn nicht aus Einbeck. Katzensprung, wenn ich mal wieder vorbeischau, ob Scharzfeld immer noch ruiniert ist und das Kalte Herz noch in der Einhornhöhle gedreht wird.

Schau'nmerma', wie der letzte Kaiser so sagt.

Einiges ist von Townes Van Zandt

liebe Isegrims,

im Internet, sicherlich auch Dead Flowers, aber ob dann auch die Berliner Aufnahme weiß ich jetzt nicht. Warum? Mein XP, Jahrgang 2001, ist nicht nur ein Zettelkasten, wenn auch der Lautsprecher miserabel ist. Einem inzwischen Halbtauben schadet das aber nicht. Es gibt eine Sammlung von Coverversionen, die TVZ eingespielt hat, Roadsongs, alles handmade und ohne elektronisches Gepiepe darauf. Aber auch Nebengeräusche. Was nicht unbedingt jedem gefallen wird: Townes Van Zandt macht Folksongs aus den Liedern der anderen, ggfs. auch ohne Volk.

So, itzo noch ein schönes Wochenende aus'm Pott vom

Friedel

 

Hallo gibberish

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, streckte Claudia sich, befühlte die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.

Finde ich einen sehr starken Auftakt. Ohne das "streckte Claudia sich" würde er mir besser gefallen (es klingt stilistisch einfach nicht gut), ich glaube das ist durch eine Überarbeitung reingekommen, oder?

Er würde auch nicht lange bleiben, hatte er gesagt, seine Arbeit als Hochseefischer verlange, dass er in den nächsten Tagen aufbräche.

An ganz vielen Stellen im Text verwendest du den Konjunktiv, das hat den Lesefluss bei mir leider immer wieder gebremst. Hier indirekte Rede in der Vergangenheit, die sich auf ein Ereignis in der Zukunft bezieht - ich sags dir ehrlich, ich weiß nicht, was hier grammatisch korrekt ist. Vom Gefühl her wäre es eher Konjunktiv I (..., dass er in den nächsten Tagen aufbreche), aber ich würde dir empfehlen, solche Klippen der deutschen Sprache - wenn möglich - zu umschiffen. Mich hat das immer wieder gestört beim Lesen.

Wie im Fernsehen.

Würde ich streichen. Schon allein deshalb, weil nicht klar wird, ob Dave das gesagt oder Claudia hinzugedacht hat.

als suche sie etwas in ihrer Handtasche, damit Dave ungeniert ihren Ausschnitt bewundern konnte.

ungeniert würde ich hier streichen, erscheint mir überflüssig.

Dann lächelte er schüchtern und sagte, er wohne in einer kleinen Hütte mitten im Dorfe.

Ist "Dorfe" Absicht? Warum nicht nur "Dorf"?

Er hatte immer nachgebohrt, wenn sie etwas erzählte, bat sie ständig darum, sich zu wiederholen, so als ob er sie nicht verstünde.

Hier ist auch wieder der Konjunktiv II. Gehört der hierher? Keine Ahnung, aber es klingt einfach extrem komisch, vielleicht auch weil man das selten so liest. Warum nimmst du nicht einfach: "... so als hätte er sie nicht verstanden." Intuitiv ist das für mich die direktere Formulierung, deine klingt für mich umständlicher.

Mir ist noch etwas aufgefallen am Text: Du wiederholst dich oft. Du schreibst etwas, und gleich danach eigentlich nochmal dasselbe, aber leicht anders formuliert. Das bläht zum einen den Text auf, aber, was schlimmer ist, oftmals verpufft dann auch die Wirkung des Satzes. In vielen Fällen ist es besser, anstelle von zwei ähnlichen Formulierungen sich für eine zu entscheiden und die dann wirklich treffend und präzise zu schreiben. Im zitierten Fall könntest du entweder auf das "nachgebohrt" oder das "sich zu wiederholen" verzichten, ohne dass eine Information verloren geht. Du könntest den Text wirklich nochmal auf solche Stellen abklopfen ... ist vielleicht auch ein subjektives Ding, vielleicht siehst du es anders, wollte dich nur darauf aufmerksam machen. Was mir auch nicht gefällt an der zitierten Stelle: Die Füllwörter "immer" und "ständig", vor allem, weil sie aufgrund deiner gewählten Satzstruktur halt auch gleich im Doppelpack auftreten.

sagte er, während sein Glied in ihre Scheide glitt.

"Glied" und "glitt" passt nicht zusammen. Besser fände ich hier: "... während er in sie eindrang."

Claudia öffnete den Mund, spielte einen Orgasmus vor, obwohl sie nicht genau wusste, wie eine Frau dabei klänge;

Hier wieder der gewöhnungsbedürftige Konjunktiv. Warum nicht einfach "klang" oder "klingen sollte". "klänge", da weiß ich echt nicht, ob man das so sagen kann. Vielleicht schon, aber es ist sehr ungewohnt.

Sie wurde nie feucht, niemals geil, krümmte sich nie vor Lust.

Hier wieder ein Beispiel von Dopplungen, hier sogar dreifach. Ich würde mich hier für eins entscheiden. Die Wirkung ist für mich eine andere, eben weil es dann für sich alleine steht und nicht von anderen Formulierungen "verdeckt" und "verwaschen" wird. Du sagst mit allem eigentlich dasselbe, der Leser versteht es gleich beim ersten Mal, du musst es nicht 3x tun.

Keine Gänsehaut, kein Kribbeln im Schritt.

Ist ebenfalls wiederholt. Das kann sogar komplett raus, weil du es dem Leser schon mitgeteilt hast.

Während er einschlief, atmete er ruhig und schnarchte nicht.

Wieder so ein Beispiel (sorry wenn es jetzt kleinlich anmutet - ich finde du schreibst schon auf einem sehr guten Niveau, das sind jetzt halt so Feinheiten, an denen du noch arbeiten kannst): Wenn du schreibst, er atmete ruhig, gehe ich davon aus, dass er nicht schnarchte. Und wenn du sagst, es ist nicht ganz dasselbe, dann schreibe, dass er leise atmete, dann ist es klar.

Sie alle rochen so, und alle schenkten ihr dieses Lächeln, dieses lüsterne, leicht dümmliche, das Claudia zeigte, dass sie begehrenswert war, Männer geil machte. Nur sie konnte das. Zu oft hatte sie es bewiesen, indem sie dieses Lächeln auf das Gesicht des Metzgers zauberte. Und wenn nicht, wenn sie ein unwilliges Mädchen gewesen war, dann schlug er sie.

Inhaltlich gefällt mir das gut, du tauchst da wirklich tief in die Psyche der Frau, aber ich finde, man kann es noch eine Spur präziser formulieren. Warum "konnte nur sie das"? Dann geht es in dem Abschnitt zunächst allgemein um "Männer", dann schwenkst du aber wieder um zum "Metzger", obwohl eigentlich an der Stelle schon klar ist, dass es zeitlich genau umgekehrt ist und die "Männer" nach dem "Metzger" kamen. Wenn ich es zusammengefasst so lese: "Sie hatte bewiesen, dass sie Männer geil machte, indem sie das Lächeln auf das Gesicht des Metzgers zauberte", dann passt das nicht ganz.

Immer in den Bauch, das bemerkte niemand. Nachdem der Metzger mit ihrem Geschlecht fertig war, hatte er Bilder gemacht, dabei gekichert und gekeucht.

Das Kichern passt hier nicht, finde ich. Das gibt ihm so etwas comic-haftes, wirkt übertrieben.

Langsam und vorsichtig, auf dass Dave nicht aufwache.

... "damit Dave nicht aufwachte" oder "um Dave nicht zu wecken" - und der Konjunktiv ist weg :)

Vielleicht war sie die letzte Frau, mit der er schlief, bevor er Monate auf einem Kutter verbrächte.

Ist jetzt die letzte Stelle dieser Art, die ich zitiere - aber auch das klingt sehr seltsam. Der Text bekommt dadurch für mich einen ganz eigenwilligen Tonfall. "Vielleicht war sie die letzte Frau, mit der er geschlafen hatte, bevor er Monate auf einem Kutter verbrachte." - das klingt für mich intuitiv richtiger, aber auch das ist wieder so eine Klippe, die ich umformulieren und dadurch vermeiden würde.

Sie wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser.

Versteh ich nicht - sie spült extra nicht, um ihn nicht zu wecken, aber dreht dann den Wasserhahn auf?

Claudias blasse Haut wirkte im Mondlicht noch blasser, beinahe leichenhaft.

Gefällt mir auch nicht so gut - blasse Haut wirkte noch blasser, dann ist es aber doch nicht die exakte Formulierung, weil du "leichenhaft" nachschiebst, aber mit "beinahe" abschwächst. Warum nicht einfach: "Claudias Haut wirkte im Mondlicht leichenhaft."

Ihr Bauch war noch flach, von Schwangerschaft keine Spur.

Wieder eine Dopplung.

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Also gibberish, ich hoffe das war jetzt nicht allzu kleinlich in deinen Augen. Wie gesagt, du schreibst schon auf beachtlichem Niveau, und wenn ich einen Roman lese, dann fallen mir solche Dinge vermutlich auch gar nicht so auf. Aber hier, in der Textwerkstatt, da achte ich vermehrt auf solche Dinge. Das ist sicher ein Stück weit auch Geschmackssache. Ich bin kein Freund von Dogmen, auch beim Schreiben nicht, und natürlich ist knapper nicht immer besser, und manchmal kann auch eine Wiederholung sinnvoll sein (bspw. wenn sie in Form einer Steigerung auftritt). Aber das sind eher Ausnahmen. Vielleicht gehst du wirklich nochmal über den Text, achtest auf die Stellen, und wenn du sie umformulierst und denkst, nein, das hat den Satz nicht besser gemacht, dann lass es wie es ist. Denn es ist sicher nicht falsch.

Inhaltlich hast du eigentlich genau das umgesetzt, was ich damals beim Originaltext bemängelt habe: Du tauchst tiefer in die Psyche deiner Figur. Auf mich wirkt das über weite Strecken glaubhaft. Vor allem der Wunsch nach einer Familie, der ja vor allem zum Ende hin thematisiert wird, hat mich überzeugt. In dem Kontext ist dann das Ende sehr tragisch, dass sie ihre "Familie" zerstört, noch bevor sie sie eigentlich gründen konnte. Da fand ich vor allem den Gedankengang stark, dass sie Angst hat, es könnte ihrer Tochter ergehen wie ihr selbst, und sie könnte wie ihre eigene Mutter werden - und damit würde sich alles wiederholen. Das ist wirklich gut gezeichnet und nachvollziehbar, daran sieht man auch, wie tief die Spuren des Missbrauchs sind, nicht nur durch ihren Stiefvater, sondern eben auch durch ihre Mutter.

Einige haben das Setting lobend erwähnt, dem schließe ich mich an. Ich finde das ein wirklich gutes Copywrite, du hast das Original klug aufgegriffen und erweitert, bist ihm trotzdem an wesentlichen Stellen treu geblieben. Eine wirklich erschütternde Geschichte, die aber meiner Meinung nach noch den einen oder anderen handwerklichen Feinschliff vertragen könnte.

Grüsse,
Schwups

 
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Liebe wieselmaus,

es freut mich sehr, dass du vorbeischaust und mir einen so anregenden Kommentar dalässt, das weiß ich zu schätzen.

Mir kam es vor wie eine Vorher-Nachher- Geschichte, nur umgekehrt. Es war schon hart, das arme Kind immer und immer wieder missbraucht vor Augen zu haben. Denn, nicht wahr, auch wenn sie als erwachsene Frau scheinbar ihr Schicksal selbst bestimmt, so bleibt sie doch ein Opfer und ein wirklicher Befreiungsschlag gelingt ihr nicht. Ich will ganz ehrlich sein: Die drastischen Sexszenen hätten mich beinahe am Weiterlesen gehindert. Ich weiß natürlich, dass es nur mit Andeutungen nicht getan ist. Dennoch meine ich, hier wären nicht alle Details notwendig gewesen.

Ja, eine nachher-vorher-Geschichte, das trifft es ganz gut. Es war mir wichtig, dass die Thematik von "Ausgetrocknet" sich hier wiederholt, nicht nur als Rückblende sondern auch insgesamt. Da werden wieder anzügliche Fotos gemacht, Claudia wird schwanger und treibt ab, eine Bruderfigur (ich nenne das jetzt einfach mal so) bietet scheinbar die Rettung, am Ende die Flucht, diesmal nicht nach Alaska sondern in den Gedanken, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht wollte ich hier zu sehr dem Kopieren gerecht werden, aber es passt ganz gut. Dem Missbrauch kann man nicht entfliehen, das kommt immer zurück.

Der Sex, ja, der ist recht explizit. Ich finde, bei Dave geht es noch, das ist halt einfach Sex, auch wenn es nur für einen der beiden erotisch ist. Hier könnte man sicher auf das ein oder andere Detail verzichten, aber ich dachte mir, gehst du halt auf's Ganze. Dafür ist das Copywrite ja da; man schreibt etwas, was man sonst nie geschrieben hätte. Wenn man die Gelegenheit hat, zu experimentieren, meinetwegen auch mit pornographischem Text, warum nicht nutzen. Sollte man ruhig mal gemacht haben. Sei versichert, in meiner nächsten Kurzgeschichte werden Schamlippen und Lusttropfen sicher nicht erwähnt. Ich hoffe nur, das dauert nicht wieder sieben Monate, bis ich hier ne KG poste.

Die Szenen mit Michael, die sind natürlich 'ne andere Hausnummer, das ist nicht bloß Sex. Ich kann verstehen, wenn man da trocken schluckt. Aber hätt ich mich da zurückgehalten, das wär der Thematik nicht gerecht geworden. In einem Kommentar unter "Ausgetrocknet" hieß es ja, der Text sei zu brav, nehme den Leser nicht mit und mache ihm nicht zu schaffen. Scheint, als wäre das bei mir kein Kritikpunkt. :D

Nicht jedes Vergewaltigungsopfer wird zwangsläufig zur Prostituierten oder sexbesessen. Ich weiß nicht genau, wo du hier deine Prota siehst. Sie hat ja gar keinen Genuss dabei und trotzdem sucht sie sich in ihrem Computerladen von Zeit zu Zeit einen Lover aus. Das kann ich so interpretieren, dass sie einem Widerholungszwang unterliegt, sie muss immer wieder "ihre Sache gutmachen", um eine Existenberechtigung zu haben.

Genau so ist es. Claudia ist weder eine Prostituierte noch sexbesessen. Sex ist leidig ein Mittel, um dieses Gefühl zu bekommen, andere glücklich zu machen, zu glauben, man habe einen Lebenszweck. Einen anderen Weg kennt sie ja nicht, der wurde ihr nicht gezeigt. Sie hat nur Lob bekommen, wenn sie Michael befriedigt hat, das hat natürlich Auswirkungen.

Diese Schwangerschaft und die plötzlich auftauchende Hoffnung auf "Normalität" sind für mich ein wenig der Dramaturgie geschuldet, dem Bedürfnis ( des Autors und/oder des Lesers?) Rechnung zu tragen, doch einen Funken Licht in diesem düsteren Mädchenschicksal zuzulassen. Plausibel ist mir die Schwangerschaft nicht, denn wenn Claudia eine Abtreibungspille organisieren kann, warum nicht auch Verhütungsmittel?

Ja, das stimmt schon. Ich habe mir da jetzt was überlegt, etwas ergänzt. So recht will mir das noch nicht gefallen, da muss ich nochmal dran feilen. Aber das wird schon. Die Schwangerschaft ist jetzt ein unbewusster Versuch, Normalität einkehren zu lassen. Naja, wie gesagt, da feil ich noch dran.

Sehr gut finde ich das Setting mit der Eiseskälte Alaskas. Aber das ist ja eine Stärke von dir: Die Seelenlandschaft korrespondiert mit der Geographie. Da würde ich nicht kürzen.

Freut mich, dass du das so empfindest. Ich denke mir immer, es muss einen Grund geben, warum die Geschichte an einen bestimmten Ort spielt, so er denn genannt wird (das Original hat mir hier eine gute Vorlage gegeben). Und dann wurschtel ich das einfach so, dass der Ort mit der Handlung zusammenhängt, damit der Leser nicht das Gefühl hat, das hätte auch in den Alpen spielen können.

Äußerst beeindruckt bin ich von deinen Einblicken in die weibliche Psyche. Da muss man schon ordentlich recherchiert haben.

Ich dacht, sowas kann man nicht recherchieren? ;) Nee, ich habe mir einfach nur Gedanken darüber gemacht, wie ich mich fühlen könnte, wär ich Claudia. Offensichtlich funktioniert's.

Dortmund habe ich auch geschaut. Bin ein Fan!

Der Schmerz sitzt noch tief, aber dafür gab's heut ein 3:0 gegen "Angstgegner" HSV. Das ist doch auch was.

Vielen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße,
gibberish


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Hey Isegrims,

Bach ist gut, den hör ich ganz gern. Ich bin aber mehr der Tchaikovsky-Fan. :D

Vielen Dank für deine Kürzungsvorschläge. Einige habe ich übernommen, über andere denk ich noch nach. Freut mich, dass du dir soviel Mühe machst. Ich geh den Text noch mehrfach durch, ich bin sicher, ich finde noch ein paar Stellen, die weg könnten.

Hab mir überlegt, dass ich mir "Ausgetrocknet" vornehme und umschreibe, zumindest die Perspektive (Du) ändere, was denkst du, lohnt sich?

Wenn du mit den Gedanken spielst, warum nicht? Ist eine gute Geschichte, aufwühlend und traurig. Das lohnt sich bestimmt, und wenn du Lust dazu hast, dann ist das doch toll. Ist ne zusätzliche Schreibübung. ;)

Vielen Dank für deine Mühe und dein Interesse, Isegrims.

Liebe Grüße,
gibberish


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Liebe Novak,

ich mag einfach deinen Stil. Das hab ich schon in den Kreisen gemerkt und hier ist es wieder so.

Das freut mich sehr. Ich schreib erst seit zwei Jahren, da ist der Stil noch nicht so gefestigt, aber ich glaub, ihn langsam gefunden zu haben. Klar, ich hoffe, ich kann mich noch irgendwie steigern, wer hofft das nicht, aber momentan bin ich ganz zufrieden, vor allem, wenn die Leser auch zufrieden sind. ;)

Du hast es toll hingekriegt, das Getriebene dieser Frau zu zeigen. Man nimmt ihr ab, dass und warum sie immer wieder sich selbst beweisen muss, ein "braves Mädchen" zu sein dadurch, dass sie ihre Sehnsucht, ihre Substanz an irgendwelche, ihr völlig gleichgültigen Männer vergibt. Und sie empfindet dabei keinerlei Lustgefühl, keinen Genuss, noch nicht einmal Wohligkeit, sondern es ist mehr wie eine Sucht, wie der Wunsch nach der endlichen Beweisführung, dass sie am Leben sein darf und einen Wert hat. Selbst glücklich sein kann, auch ohne dauernd jemand anderes glücklich zu machen.

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, liebe Novak. Und es freut mich ungemein, dass das angekommen ist. Man könnte ja auch denken, sie wär 'ne Schlampe, aber das wollt ich unbedingt vermeiden. Ist 'ne Erleichterung, dass es geglückt ist.

An ein paar Stellen hab ich gedacht, dass du ein paar Einsprengsel reinbringts, die du nicht bräuchtest, ich hab das aber nicht genau und konkret geprüft, sondern das ist einfach ein Gefühl. Es ist ein sehr deutliches Gefühl gewesen, aber als ich die Geschichte jetzt eben noch einmal las, war es im Schwinden. Ich glaub, du hast auch schon ein bisschen überarbeitet, denn eine Stelle, die ich im Kopf hatte, die ist jetzt schon weg.

Ja, ich hab schon was rausgeschmissen, nicht viel, aber es hat ein bisschen was gebracht. Ich find aber bestimmt noch was. Solange das Gefühl schwindet und nicht stärker wird, bin auf einem guten Weg. ;)

Zum Thema Schwangerschaft:
Du hast recht, das war nicht gut genug ausgearbeitet. Bin dabei, das zu ändern, und deine Vorschläge gefallen mir so gut, dass ich sie glatt übernehme. Hab schon was ergänzt. Mal sehen, ob ich das noch verbessern kann. Bin schon am Grübeln. Vielen Dank für die Hinweise und den Gedankenanstoß.

Sorry, dass ich so drauf rumreite, ich beschäftige mich wohl gerade viel zu sehr mit diesem Aspekt, dass es oft schöner wirkt in Geschichte, wenn Konflikt u. a. Bausteine eines Textes stärker miteinander verzahnt sind. Ich les grad ein Buch "HavanaRoom", da ist mir das aufgefallen, dass dies dem Autor sehr gut gelingt. Das hat mich beeindruckt. Und jetzt such ich wohl überall danach.
Wie auch immer, das ist ja auch eher eine Spezialsache.

Nix sorry, das ist super. Ich will mich ja verbessern, sonst wär ich nicht hier. Und wenn es nur Kleinigkeiten wären, ich denke gern drüber nach. Ohne die Wortkrieger würd ich schließlich noch Traumgeschichten ohne Handlung und Kommata schreiben.

Und an dem Genuss, an dem Gefühl, von dem Schicksal dieser Frau berührt zu sein, ändert das ja gar nichts. Eine schöne, intensive Geschichte.

Das freut mich wirklich sehr. Ich war schon ein bisschen hibbelig, war ja doch recht lang abstinent, was Kurzgeschichten angeht. Dafür kommt das Ende meines Romans langsam in Sicht. Dann lägen hier 580 Seiten, die nach einer Überarbeitung verlangen; da graut es mir jetzt schon vor. Wie dem auch sei, mir fällt ein Stein vom Herzen und jetzt bin ich erstmal glücklich. :)

Liebe Grüße,
gibberish


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Hallo nochmal, lieber Friedrichard,

Auweia, Göttingen?,

Nee, 100 km gen Norden, da liegt Wolfenbüttel, da komm ich her (ja, ich studiere nur an einer FH, was soll's ;) ). Wohn im Landkreis, und wenn ich aus dem Fenster schau, kann ich den Brocken sehen, das ist doch auch was Schönes. Und Wolfenbüttel ist toll, wir haben die Herzog August Bibliothek (Lessing hat hier gelebt, gearbeitet und seinen Nathan verfasst) und Jägermeister kommt aus unserem Städchen, also Bier so eher nicht. Aber in Braunschweig, da gibt's Wolters, vielleicht kennt man das. Und Einbeck ist auch nur eine Stunde Autofahrt entfernt. Ein Katzensprung quasi. Wenn du vorbeischaust, gib Bescheid, dann trinken wir einen ... oder gern auch zwei.

Liebe Grüße und Prost,
gibberish

 
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Hi gibberish,

ich finde deinen Text sehr eindrücklich. Stilistisch stark und die symbiose zwischen Landschaft und Gefühlswelt ist dir richtig gut gelungen. Die Erinnerungen in der Mitte des Textes sind teilweise schon schwer verdaulich, manchmal hätte ich mir einen Cut gewünscht. Vorallem gegen Ende hin, das ging mir zu lange, vielleicht aber auch, weil ich einfach aus der Geschichte austeigen 'wollte.'

Ich habe ihn mehrmals gelesen und wage mich heute daran, ihn zu kommentieren. Insgesamt gefällt er mir sehr gut,er ist sehr bewegend. Wie gesagt, ich würde an deiner Stelle schneller zum Schluss kommen. Das war mir zu lang, aber das ist bekanntlich auch geschmackssache.

Zur Sexszene am Anfang habe ich ein, zwei Ideen, Gedanken. Ich teile sie dir im Sinne von Lesereindrücken mit. Vielleicht kannst du was damit anfangen, vielleicht auch nicht. Das bleibt dir überlassen.


Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, befühlte Claudia die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.

Auch nach dem Dritten mal lesen. Mir gefällt dieser Nachsatz nicht. Das klingt gezwungen und nicht authentisch. Mensch, die beiden haben gleich Sex. Ich weiß nicht, ob Mißbrauchsopfer bei späteren Verkehren, immer an die Vergewaltigungen denken ... aber wenn sie es machen, dann starren sie sicherlich nicht auf ihren Venushügel und denken "Ach, das hab ich früher schon oft gemacht. Damals, beim Metzger." Kein Plan, vielleicht ist das jetzt einfach zu viel interpretiert.

Ich würde aber grundsätzlich zu einer Steigerung, Zuspitzung der Rückblenden raten. Umso weiter der aktuelle Liebesakt fortschreitet, desto präziser und eindrücklicher in den Verbindungen zum 'Metzger' werden.
Vielleicht so?

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, befühlte Claudia die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals.

Starren finde ich übrigens unpassend. Warum sollte sie darauf starren? Erwartet sie, dass sich etwas ändert? Hast du es mal mit "Begutachten" versucht? Das würde m.E. deutlicher die Distanz zwischen der Persönlichkeit und dem Körper ausdrücken, wie es bei Mißbrauchsopfern oft der Fall ist.

" ... befühlte Claudia die raue Bettwäsche und begutachtete ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals."

Dave lächelte, als hätte sich sein Hirn abgeschaltet.

Würde ich streichen, wirkt auf mich grundlos abwertend.

Alle Männer lächelten so, wenn sie Claudia nackt sahen. Dann blickte sie ihnen tief in die Augen, wollte damit sagen, dass sie nur lebte, um in diesem Augenblick nackt zu sein, sich ficken zu lassen. Sie war ein braves Mädchen, musste Männer glücklich machen. Das sei ihre einzige Aufgabe, das hatte der Metzger stets betont

Würde ich ebenfalls streichen. Das glaube ich nicht und finde es auch nicht wichtig. Hier finde ich deine Rückblende aufgesetzt. Distanziert. Eine Idee meinerseits wäre die Verwendung von wörtlicher Rede. Beispielsweise so:

Alle Männer lächelten so, wenn sie Claudia nackt sahen. Dann blickte sie ihnen tief in die Augen. "Du bist ein braves Mädchen" , hatte der Metzger stets betont. "Du verstehst es Männer glücklich zu machen."

Vielleicht wäre das auch zu Heavy, ich weiß es nicht. Hätte mir aber ein stärkeres "Heiß" - "Kalt" Spiel gewünscht, um so richtigen Ekel beim Leser zuerzeugen. Den Sex mit Dave konkret, detailliet und dann ab und an andeutungsweise Erinnerungen reingepfeffert.

Ich muss nun gleich los zum Reitunterricht, weshalb ich hier abbreche. Also bevor ichs vergess: die Geschichte ist wirklich gut! Danke dafür und beste Grüße,

Sonne

 
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„Das ist sicher ein Stück weit auch Geschmackssache“,
les ich gerade mal wieder hierorts, zitiert nach Schwups und ähnlich bei schwarze sonne

Aber was, zum Teufel, hat die Fähigkeit, chemische Substanzen wahrzunehmen und zwischen bitter, salzig, sauer und süß unterscheiden zu können, mit Literatur zu tun? Nix, behaupt ich mal, selbst wenn verstärkt durch den Geruchssinn ungezählte Nuancen an Geschmacksrichtungen entstehen. Aber was haben Nase und Zunge mit Kunst und Literatur zu tun – sehn wir mal ab von der darstellenden Kunst in und aus der Küche. Gut, das gesprochene Wort bedarf des Resonanzraumes, wo Lippen und Zunge keine unbedeutende Rolle spielen, und wenn man nahe genug dem Sprecher zugewandt ist, kann die Nase auch einen ersten, manchmal entscheidenden Eindruck vom Innersten des Sprechers liefern. Ich bezweifel stark, dass auch nur eine arme Seele hierorts Bildschirm oder Blatt ableckt oder auch nur beschnüffelt. Wie seltsam wäre denn das!

Wie also kommt der Geschmack in die Kunst- und speziell die Literaturkritik?

Durch den Kritizismus des 18. Jh., der bis auf wenige Ausnahmen Geschmackskritik war. Sie soll zwischen Künstler und Publikum vermitteln und dieses auf eine eigenen Stellungnahme vorbereiten. Zu den vermeintlich objektiven Kriterien einer Kritik gesellen sich Einfühlungsvermögen und ggfs. die eigene Gefühlswelt und je nach Fähigkeiten und/oder Neigung überwiegt der Kopf oder das Gefühl und umgekehrt in der Kritik.

Kritik als Kunst der Beurteilung gibt’s immer schon. Seit den alten Griechen gilt jene Beurteilung als Kritik, die sich an bestimmte Kriterien, begrifflich festgelegte Maßstäbe hält, eine Methode, ein Weg der Analyse. Diese Maßstäbe erwecken die Illusion von Objektivität, die es nicht gibt. Habermas hat stattdessen den Begriff der Intersubjektivität geprägt. Man wäre also im Falle der Kritik einig über die Maßstäbe der Beurteilung. Da ist die Grammatik sicherlich eine nicht nur relativ sichere Bank.
Aber der Geschmack – ob gut oder schlecht, Jacke wie Hose – eher nicht. Da unterliegt der Geschmack wie's Sinnliche einer Sinnestäuschung.

Und dennoch sind wir nahe dran und landen wieder im o. g. 18. Jh., dem wir sicherlich nicht im 19. entkommen sind, weder durch bürgerlichen Realismus, noch Naturalismus. Da - im 18. Jh., wurde das Wort Sinnlichkeit (abgeleitet von der sensibiltas) in die Philosphie für die Empfänglichkeit der Sinne eingeführt. Logisch, dass die nicht erst seit Kant wesentlich rezeptiv sind und Anschauungen (des Gesichts- und Hörsinns, in der bildenden Kunst auch durch den Tastsinn) liefert.

Erstaunlich, wie das 18. Jh. mit seinen Riechfläschchen und ohnmächtigen Damen der Oberschicht/en noch die literarische Welt beherrscht über Gefühl und Trieb, die sich oft genug zum sexuellen oder horrormäßigen Genuss verengen, während der Bauer und Handwerker, aber auch der kleine Kaufmann, der's nicht in die gutbürgerliche Gesellschaft als Mittelschicht schafft, ein Lebenlang malochen müssen. Gottseidank währte das durchschnittliche Leben nicht gar so lang wie heute. Da ist es eigentlich erstaunlich, dass ausgenommen einiger weniger hierorts, niemand Jean Paul kennt, der an Fielding, Swift und Sternes geschult wird und der Klassiker ist, der aus der Welt der arbeitenden Leute erzählt und die Gefühlsseligkeit bis zur Absurdität auf die Spitze treibt.

Der kleine Schlenker musste sein, egal, wo der jetzt landet.

Tschüss

Friedel

 
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Hallo Schwups,

Du magst den Konjunktiv wohl nicht, hm? :D Ja, ich habe mir die Nutzung des Konjunktivs irgendwie angeeignet. Das bringt es wohl mit sich, wenn man monatelang in seinem Türmchen sitzt und einen Fantasy-Roman schreibt. So sehr man diese aus der Mode gekommene Sprache vermeiden will, verflucht, sie schleicht sich doch in den eigenen Stil ein, wenn man über Fürsten, Krieger und dergleichen schreibt. Und wenn man dann wieder einen "zeitgenössischen" Text verfasst, dann wird man das erstmal nicht los.

Ich bin den Text nochmal durchgegangen und habe die Nutzung des Konjunktivs etwas entschärft. Ist sicher Geschmackssache, aber es ginge auch ohne (so wie ich hier "es geht auch ohne" schreiben könnte ;) ). Hier und da hab ich ihn umschifft, nun ist er weg. Geht aber nicht überall, so gern du ihn auch verschwinden lassen willst (oder wolltest?). An manchen Stellen habe ich ihn aber behalten, allein der sprachlichen Ästhetik wegen. Wer will schon überall würde lesen? Und vor allem am Ende, der Tod im See, das ist ja ein Gedankenspiel. Das hört sich mit dem Konjunktiv irgendwie richtiger an, ist eben ein "Was wäre, wenn" und keine tatsächliche Handlung Claudias.

Mir ist noch etwas aufgefallen am Text: Du wiederholst dich oft. Du schreibst etwas, und gleich danach eigentlich nochmal dasselbe, aber leicht anders formuliert. Das bläht zum einen den Text auf, aber, was schlimmer ist, oftmals verpufft dann auch die Wirkung des Satzes. In vielen Fällen ist es besser, anstelle von zwei ähnlichen Formulierungen sich für eine zu entscheiden und die dann wirklich treffend und präzise zu schreiben.

Hast du mir unter "Das Ende der Straße" nicht etwas Ähnliches geschrieben? :D Ach verdammt, manchmal will ich auf Nummer sicher gehen und dem Leser meine Intention zu sehr verdeutlichen. Das verschwindet wohl erst mit zunehmender Erfahrung. Ich bin den Text nochmal durchgegangen und habe darauf geachtet. Die ein oder andere Passage habe ich tatsächlich noch gefunden. Danke für den Hinweis, das hilft mir sehr.

Deine anderen Anmerkungen habe ich beherzigt und versucht, umzusetzen. Auch hierfür danke ich dir. Und ja, das Dorfe war beabsichtigt. Ich finde, das klingt in diesem Satz besser, rhythmischer irgendwie.

Einige haben das Setting lobend erwähnt, dem schließe ich mich an. Ich finde das ein wirklich gutes Copywrite, du hast das Original klug aufgegriffen und erweitert, bist ihm trotzdem an wesentlichen Stellen treu geblieben. Eine wirklich erschütternde Geschichte, die aber meiner Meinung nach noch den einen oder anderen handwerklichen Feinschliff vertragen könnte.

Freut mich, dass dir die Geschichte inhaltlich gefallen hat. Und es freut mich ebenfalls, dass du denkst, ich schreibe auf einen beachtlichen Niveau. Das hört man natürlich immer gern. Klar, Feinschliff geht immer, welche Geschichte ist schon perfekt (man wird doch träumen dürfen ;) ). Aber dafür bin ich ja hier, das bringt einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Weg zum ernstzunehmenden Autoren ist noch weit. Also muss ich mit hinsetzen und weitergrübeln. ;)

Vielen Dank für deinen Kommentar, deine kritischen Anmerkungen sind immer gern gesehen.

Liebe Grüße,
gibberish


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Hallo schwarze sonne,

Stilistisch stark und die symbiose zwischen Landschaft und Gefühlswelt ist dir richtig gut gelungen. Die Erinnerungen in der Mitte des Textes sind teilweise schon schwer verdaulich, manchmal hätte ich mir einen Cut gewünscht. Vorallem gegen Ende hin, das ging mir zu lange, vielleicht aber auch, weil ich einfach aus der Geschichte austeigen 'wollte.'

Freut mich, dass dir der Stil gefällt. Ja, die Verknüpfung mit der Landschaft war mir wichtig, und ich finde es toll, dass es mir gelungen zu sein scheint.

Hmm, wenn jemand aussteigen will, dann stimmt mich das natürlich nachdenklich. Klar, die Geschichte ist lang, aber jetzt nicht unbedingt länger als so manch andere hier. Und wenn man einen Roman liest, denkt man ja nach zehn Seiten auch nicht "Verdammt, ist das langatmig". Jedenfalls sollte es nicht so sein.

Deine Anmerkung habe ich mir zu Herzen genommen und ich bin den Text nochmals durchgegangen. Ein paar Sätze sind verschwunden, aber so wirklich viel habe ich nicht rausschmeißen können. Da fehlt mir noch die Distanz zum Text, um weitere Potenziale zu finden. Das bekomm ich sicher noch in den Griff.

Auch nach dem Dritten mal lesen. Mir gefällt dieser Nachsatz nicht. Das klingt gezwungen und nicht authentisch. Mensch, die beiden haben gleich Sex. Ich weiß nicht, ob Mißbrauchsopfer bei späteren Verkehren, immer an die Vergewaltigungen denken

Hm, dem einen gefällt der Einstieg, dem anderen nicht. Ist wohl Geschmackssache (nicht wahr, lieber Friedrichard? An dieser Stelle vielen Dank für deine Ausführungen zum Thema Geschmack in der Literatur. ;) ). Das Problem ist, dass ich den Spannungsmoment hier nicht rauskanten will. Der Leser soll gleich mit dem Metzger konfrontiert werden, denn was wäre der Anfang denn ohne ihn? Einfach nur eine Sexszene, das holt keinen ab. Vielleicht sehe aber nur ich das so. Kann sein, dass ich meine Lesegewohnheiten aufs Schreiben übertrage. Ich habe nicht wirklich viel Geduld mit Texten, außer ich hab für sie bezahlt. ;) Aber der große Leser war ich noch nie, und wenn eine Kurzgeschichte nicht zündet, vor allem bei einer solchen Länge, bin ich schnell am Querlesen. Bei meinen eigenen stories bin ich da besonders kritisch. Ist ne blöde Angewohnheit, die dafür sorgt, dass ich den Metzger aus dem ersten Absatz einfach nicht verbannen kann.

Starren finde ich übrigens unpassend. Warum sollte sie darauf starren? Erwartet sie, dass sich etwas ändert? Hast du es mal mit "Begutachten" versucht? Das würde m.E. deutlicher die Distanz zwischen der Persönlichkeit und dem Körper ausdrücken, wie es bei Mißbrauchsopfern oft der Fall ist.

Seit wann hat starren etwas mit Veränderung zu tun?

starren Vb. ‘steif sein, strotzen von etw., mit unbewegtem Auge blicken, unentwegt in eine Richtung blicken’. Zugrunde liegen zwei ursprünglich getrennte, aber etymologisch verwandte Verben. Ahd. storrēn ‘steif, starr hervorragen’ (11. Jh.), got. andstaúrran ‘Unwillen zeigen’ und (durch Ablaut unterschiedenes) mhd. starren, (md.) staren ‘starr, steif sein oder werden’‘steif sein, strotzen von etw., mit unbewegtem Auge blicken, unentwegt in eine Richtung blicken’.

Ich wollte damit andeuten, dass Claudia sich nicht gerade auf den Sex freut, dass sie reglos daliegt und einfach nur abwartet, anstatt Lust zu verspüren.

Dagegen ist begutachten (jmdn. prüfend betrachten und beurteilen) doch eher unpräziser. Und mit Verlaub, das klingt doch ziemlich nach Beamtendeutsch.

Hätte mir aber ein stärkeres "Heiß" - "Kalt" Spiel gewünscht, um so richtigen Ekel beim Leser zuerzeugen. Den Sex mit Dave konkret, detailliet und dann ab und an andeutungsweise Erinnerungen reingepfeffert.

Der Text ist dir zu zahm, der Sex zu detaillarm? Okay, damit hab ich jetzt nicht gerechnet und ich weiß jetzt auch nicht, was ich da spontan ändern könnte. Klar, die Rückblende könnte man eleganter einbauen, da geb ich dir recht, und sei versichert, ich überleg mir da was, aber den Sex ekelhafter gestalten? Dann springen mir die Leser ja gleich ab. Haben so schon einige hier Probleme, das Ding bis zum Ende durchzuhalten. Eventuell feil ich da noch dran, aber da muss ich nochmal drüber schlafen. Hab so Zweifel, ob das wirklich besser wär.

Ich freu mich über deinen Kommentar, auch wenn ich jetzt ein bisschen trotzig klinge. Das ist nicht bös gemeint, lieber schwarze sonne.

Vielen Dank für deine Zeit und Mühe und liebe Grüße,
gibberish

 

Hallo schwarze sonne,

Hi gibberish :D


Hmm, wenn jemand aussteigen will, dann stimmt mich das natürlich nachdenklich. Klar, die Geschichte ist lang, aber jetzt nicht unbedingt länger als so manch andere hier. Und wenn man einen Roman liest, denkt man ja nach zehn Seiten auch nicht "Verdammt, ist das langatmig". Jedenfalls sollte es nicht so sein.

Ab und an schon. Das schöne am Roman ist, da gibts noch so viel Seiten, man muss sowieso irgendwann stoppen. Dann halt früher als später. Beispielsweise bei Herr der Ringe. Die meiste Zeit sind sie nur gelaufen und hatten beim Laufen einen längeren Atem als ich beim lesen :D

Deine Anmerkung habe ich mir zu Herzen genommen und ich bin den Text nochmals durchgegangen. Ein paar Sätze sind verschwunden, aber so wirklich viel habe ich nicht rausschmeißen können. Da fehlt mir noch die Distanz zum Text, um weitere Potenziale zu finden. Das bekomm ich sicher noch in den Griff.

Ich werde ihn nochmals die Tage lesen, auch mal genauer zum Ende hin, was mich eigentlich 'genervt' hat. Das aussteigen war übrigens auch einfach auf die Thematik bezogen, beispielsweise als du den Mißbrauch explizit erwähnt hast.


Hm, dem einen gefällt der Einstieg, dem anderen nicht. Ist wohl Geschmackssache (nicht wahr, lieber Friedrichard? An dieser Stelle vielen Dank für deine Ausführungen zum Thema Geschmack in der Literatur. ;) ). Das Problem ist, dass ich den Spannungsmoment hier nicht rauskanten will. Der Leser soll gleich mit dem Metzger konfrontiert werden, denn was wäre der Anfang denn ohne ihn? Einfach nur eine Sexszene, das holt keinen ab. Vielleicht sehe aber nur ich das so. Kann sein, dass ich meine Lesegewohnheiten aufs Schreiben übertrage. Ich habe nicht wirklich viel Geduld mit Texten, außer ich hab für sie bezahlt. ;) Aber der große Leser war ich noch nie, und wenn eine Kurzgeschichte nicht zündet, vor allem bei einer solchen Länge, bin ich schnell am Querlesen. Bei meinen eigenen stories bin ich da besonders kritisch. Ist ne blöde Angewohnheit, die dafür sorgt, dass ich den Metzger aus dem ersten Absatz einfach nicht verbannen kann.

Ich sehe das im gesamten. Es beginnt leise, harmonisch, schön. Sex, etwas tolles. Dann nach und nach bröckelt die Fassade und der Leser kommt dahinter, dass es für die Protagonistin, alles andere als schön ist. Und dann kommen die Hintergründe, der Konflikt, die Rückblenden. Bambambambam.

Der Text ist dir zu zahm, der Sex zu detaillarm? Okay, damit hab ich jetzt nicht gerechnet und ich weiß jetzt auch nicht, was ich da spontan ändern könnte. Klar, die Rückblende könnte man eleganter einbauen, da geb ich dir recht, und sei versichert, ich überleg mir da was, aber den Sex ekelhafter gestalten? Dann springen mir die Leser ja gleich ab. Haben so schon einige hier Probleme, das Ding bis zum Ende durchzuhalten. Eventuell feil ich da noch dran, aber da muss ich nochmal drüber schlafen. Hab so Zweifel, ob das wirklich besser wär.

Wie soll ich am besten ausdrücken, was ich denke ... ich glaube, meine, denke, dass ein Wechselspiel zwischen der gegenwärtigen Sexszene mit Dave und den Erinnerungen sehr sehr stark wirken könnten. Nadelstiche der Erinnerungen sozusagen. Ich bin halt auch ein Gefühlsdusel. Ob du das so einarbeiten willst, musst du wissen. Aber darüber schlafen? Mindestens 7 mal! =)
Seit wann hat starren etwas mit Veränderung zu tun?

starren Vb. ‘steif sein, strotzen von etw., mit unbewegtem Auge blicken, unentwegt in eine Richtung blicken’. Zugrunde liegen zwei ursprünglich getrennte, aber etymologisch verwandte Verben. Ahd. storrēn ‘steif, starr hervorragen’ (11. Jh.), got. andstaúrran ‘Unwillen zeigen’ und (durch Ablaut unterschiedenes) mhd. starren, (md.) staren ‘starr, steif sein oder werden’‘steif sein, strotzen von etw., mit unbewegtem Auge blicken, unentwegt in eine Richtung blicken’.

Ich wollte damit andeuten, dass Claudia sich nicht gerade auf den Sex freut, dass sie reglos daliegt und einfach nur abwartet, anstatt Lust zu verspüren.

Dagegen ist begutachten (jmdn. prüfend betrachten und beurteilen) doch eher unpräziser. Und mit Verlaub, das klingt doch ziemlich nach Beamtendeutsch.


Genau das meinte ich. Beamten. Die machen auch nur ihre Arbeit, emotionslos und monoton. Wie Claudia den GV. Wobei begutachten tatsächlich ziemlich komisch klingt, ich gebe es zu. Das starren gefällt mir denoch nicht, aber es ist nur ein Wort. Ich starre halt normalerweise auf Dinge, welche nicht so sind, wie sie sein sollten oder so besonders sind, dass sie gar außergewöhnlich toll erscheinen. Ein zwei rüssliger Elefant, ein brennendes Auto, überflutete Straßen, wohlgeformte, natürliche Brüste. Blickt Claudia vielleicht gefolgt von einem leichten schaudern, auf ihren Venushügel? Ganz ehrlich, keine Ahnung. Ich zerrede es dir nicht weiter, sorry :D

Ich freu mich über deinen Kommentar, auch wenn ich jetzt ein bisschen trotzig klinge. Das ist nicht bös gemeint, lieber schwarze sonne.

Ich hab mit kleinen Kindern am Hut und kann dir eines bescheinigen: das klingt nicht trotzig.

Beste Grüße,


Sonne

 

Hey gibberish,

ja, man liest sich erst Jahre lang nicht und dann immerzu :D.

Bevor ich auf deine Geschichte eingehen nur ganz kurz eine Bemerkung zum Original:

Hab mir überlegt, dass ich mir "Ausgetrocknet" vornehme und umschreibe, zumindest die Perspektive (Du) ändere, was denkst du, lohnt sich?

Ganz unbedingt: Ja.

Nun aber. Also, ein immer wiederkehrender Rat hier bei Wk - geh in die Szene rein, deute nicht an, sondern halt das aus ... den musst Du Dir echt nicht anhören. Und das ganze dann auch noch bei einer Missbrauchsgeschichte, weiß nicht, ob ich mir je eine solche Vorlage aussuchen würde, weil ich da ganz gewiss nicht in die Szene reingehen will. Bei mir würde der Text auch immer mit Andeutungen auskommen müssen und das tut dem Text meist nicht gut. Also, es nimmt ihn schon ein schönes Stück Intensität. Und intensiv ist dein Text allemal.
Ich habe keine Ahnung, was Missbrauch alles mit der Psyche anstellen kann (wahrscheinlich wirklich alles) und welche Bewältigungsstrategien das Leben da bereithält. Ich fand es anfangs befremdlich, dass sie da so auf den Sex aus ist, aber irgendwann kamst du damit, dass es für sie eine Art Daseinsberechtigung ist, und das kam mir auch irgendwie plausibel vor. Und weil ich davon keinen Plan hab, nehme ich das einfach mal so hin.

So, Plan habe ich aber von stilistischem Kram und deshalb krame ich mal :).

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, befühlte Claudia die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.
Es war dunkel im Raum, nur der Mond schien und Licht drang aus dem Spalt unter der Badezimmertür. Daves Wohnung war spärlich eingerichtet. Schrank, Tisch, Bett, mehr nicht. Er lebte noch nicht lange in Hooper Bay, war erst vorgestern angekommen. Er hatte gesagt, er würde nicht lang bleiben. Er arbeite als Hochseefischer und müsse in den nächsten Tagen aufbrechen. Die Krabbensaison beginne bald. Wellen, Stürme, stundenlanges Schuften. Während er Whiskey kippte, hatte Claudia gefragt, wo er wohne. Sie hatte sich dabei leicht vorgebeugt, so getan, als suche sie etwas in ihrer Handtasche, damit Dave ihren Ausschnitt bewundern konnte. Dann lächelte er schüchtern und sagte, er wohne in einer kleinen Hütte mitten im Dorfe. Weil sie billig sei und nah am Hafen.

Ich weiß, Details schaffen Atmosphäre, aber wenn Details eigentlich nix zu sagen, keinen "Mehrwert" haben, dann sollte man schon auch vorsichtig mit ihnen sein. Dann sind sie wie Popkorn. Nimmt viel Platz weg und macht nicht satt;). Obwohl ich Popcorn eigentlich gern habe ...

Wenn ich mal ganz kurz drüber dürfte:

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Sie strich über ihren Venushügel, so wie es damals der Metzger im Keller tat.
Daves Wohnung war spärlich eingerichtet. Schrank, Tisch, Bett. Er lebe noch nicht lange in Hooper Bay, er würde auch nicht lang bleiben. Er sei Hochseefischer und müsse in den nächsten Tagen aufbrechen. Die Krabbensaison beginne.

So, fertig. Alles drin, was der Leser an Infos noch braucht. Ja sie macht ihn an, aber wenn sie sich zwei Stunden später freiwillig in seinem Bett befindet, ja, was sonst?
Ich will nicht sagen ist besser, ich will nur zeigen, was alles raus könnte ;).

Dave blieb stehen, nickte dann. „Ja, du hast recht.“ Sein Blick verharrte zwischen ihren Schenkeln, dann wandte er sich ab, als wär ihm etwas Wichtiges eingefallen. „Sicher ist sicher“, sagte er und ging zum Nachttisch, kramte etwas hervor. Es war ein Kondom.

Das wird dramaturgisch aufgezogen, als ob hier gleich sonstwas ... Er holt ein Kondom verdammt. Nur ein Kondom.
Ich mag nicht, wenn Pillepalle so dramatisch aufgewertet wird. Wenn einem ein Leberwurstbrot als Schnitzel mit Bratkartoffeln serviert wird.

„Das brauchst du nicht, ich nehm die Pille“, sagte Claudia. Sie wusste nicht, wann sie zuletzt die Pille genommen hatte. Sorgen brauchte sich Dave dennoch nicht zu machen, sie war schon schwanger.

Sehr schön! Ab da hattest Du mich.

Claudia hatte dagelegen, nackt und wund; und das Gefühl, jemanden glücklich zu machen, war verschwunden, wurde ersetzt von Ekel und einer einschläfernden Leere. (Ein Loch in der Brust, das sich mit jedem Atemzug ausdehnte und ihren Körper erkalten ließ, bis sie glaubte, nie wieder etwas anderes zu spüren.)

Ich brauch das Nachtreten nicht.

Sie knipste kein Licht an und setzte sich auf die Toilette. Die Brille war kühl, bereitete ihr eine Gänsehaut. Claudia betrachtete ihre Füße und wackelte mit den Zehen, während sie pinkelte. Als das Tröpfeln verklang, stand sie auf und spülte nicht. Der Mond spendete etwas Licht; Claudias Haut wirkte im Mondlicht beinahe leichenhaft. Sie streifte ihr Höschen über, blickte dabei in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Ihr Bauch war noch flach, von Schwangerschaft keine Spur. Sie war auch erst in der sechsten Woche. Wer der Vater war, wusste sie nicht. Vielleicht der Inuit, mit dem sie am Wochenende nach Weihnachten gesoffen hatte, bis sie nicht mehr gehen und sprechen konnte.

Hier auch wieder Detailflut ohne Infos.

Sie knipste kein Licht an und setzte sich auf die Toilette. Die Brille war kühl, bereitete ihr eine Gänsehaut. Claudia betrachtete ihre Füße und wackelte mit den Zehen, während sie pinkelte. Sie spülte nicht, streifte ihr Höschen über und blickte dabei in den Spiegel. Ihr Bauch war noch flach. Sechste Woche. Wer der Vater war, wusste sie nicht. Vielleicht der Inuit. Vielleicht der Elektrotyp. Vielleicht der Student. Einer von denen. Es war Weihnachten.

Als das Tröpfeln verklang - klingt sehr schräg. Da bin ich unbedingt für streichen. Die Aufzählung möglicher Väter ist auf jeden Fall intensiver, als der Inuitenbegegnung irgendwie Raum zu geben. Sie nimmt keinen Raum in ihr ein.
Damit sie nicht ganz so billig dasteht, würde ich das mit Weihnachten zugeben. Nicht allein sein wollen, Freude verschenken und so ... muss man nicht erklären. Weihnachten ist speziell für Leute ohne Familie.

Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, versuchte das Leben zu spüren, das in ihr heranwuchs. Die Pille hatte sie nur unregelmäßig genommen, wochenlang gar nicht. Claudia sagte sich, sie vertrage sie nicht, obwohl es dafür keine Anzeichen gab.

Weil ich es in den Kommentare gelesen hab, das Pillending hast Du gut hinbekommen. Ich finde das total plausibel.

Während sie dastand und ihren Bauchnabel betrachtete, fragte sie sich, warum. Vielleicht wollte sie unbewusst schwanger werden, ihr Leben ändern und eine Familie gründen; aber dann kamen die Erinnerungen (hoch) und Claudias Magen verkrampfte. Ihr Gesicht war eine Silhouette, fast eins mit dem Halbdunkel der Hütte, wären diese funkelnden Augen nicht, diese grauen Kreise. Sie waren immer bei ihr, würden es immer sein. Was Claudia auch tat – ob sie ihr Spiegelbild betrachtete, duschte oder gefickt wurde -, immer stellte sie sich diese grauen Augen vor.

Was auch immer das mit den grauen Augen soll - tue es nicht :D. Man kann Dinge auch echt totkauen.

Claudia fuhr nach Hause. Eine Schneeschicht bedeckte den Asphalt und die Häuserdächer Hooper Bays. Claudia zitterte und konnte ihren Atem sehen. Die Fenster beschlugen. Sie stellte die Heizung ihres Chryslers auf die höchste Stufe, obwohl sie wusste, dass sie ihr Zuhause erreichte, bevor es warm im Auto würde. Es war eine windige Nacht. Flocken wirbelten im Scheinwerferlicht umher und Schneehaufen, die sich an den Wegesrändern auftürmten, wurden verweht. Feiner Schnee prasselte gegen die Windschutzscheibe. Im Radio spielte ein Song von Taylor Swift. Claudia pfiff die Melodie und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, kräftig und im Takt. Als Miss Swift verstummte und die tiefe Stimme eines Nachrichtensprechers erklang, da umklammerte Claudia das Lenkrad, starrte auf die Straße und pfiff nicht mehr. Sie wollte den Sender wechseln, doch so nah am Beringmeer empfing sie nur den einen.

Der Ganze Absatz - ??? Wozu?

Der zugefrorene See glitzerte im Mondlicht. Das Gewässer war nicht sonderlich groß, zu klein für Boote. Aber es lebten Fische darin, (mehr brauchte Claudia nicht). Manchmal ging sie Eisfischen, nahm ihren Campingstuhl und ihre Angelrute und setzte sich vor ein Loch, wartete darauf, dass etwas anbiss. Ihr kleiner Bruder würde ihr sicher gern Gesellschaft leisten, aber er war in Deutschland und würde/kann nicht kommen. Nicht, solange er im Gefängnis saß.

Natürlich braucht sie mehr als Fische. Das hast Du jetzt über Absätze hinweg versucht an den Leser zu bringen.

Claudia betrachtete das Bild; und wenn sie lang genug draufblickte, glaubte sie, das Gezwitscher von Amseln zu hören, (die in den Kronen von Eichen hockten). (Im Wald ertönte) das Klopfen eines Spechts. Die Saar plätscherte, Rehe tranken daraus. (Sonnenlicht fiel durch die Baumkronen, warf helle Flecken auf ihr braunes Fell.) Ein Junge radelte auf einem klapprigen Damenrad durch den Wald und schreckte die Tiere auf. Claudia schloss die Augen und erinnerte sich.

Alles nur Vorschläge. Aber da ersticken sich sie Details wirklich gegenseitig. Beim Jungen hört man dir eigentlich schon nicht mehr zu, weil man ungeduldig wird.

Das mal so als Input. Wie gesagt, kannst auch gern alles im Klo versenken.

Alaska fand ich auch schön. Das Eisangeln. Der Gedanke, ach, vielleicht doch Familie, der Gedanke, ich werde keine gute Mutter. Ihr Scheitern beim Versuch monogam zu sein. Ich finde den Text nicht an allen Stellen überzeugend, er ist oft überfrachtet mit Zeugs. Eigentlich steckt da nämlich eine ganz fein gezeichnete Claudia drin. Die Figur als solche, hat mir wirklich gefallen. Ob ich ihre Seegedanken am Ende brauch, weiß ich nicht. Eigentlich haste genug Drama. Aber wenn sie dir wichtig sind, bin ich froh, dass es nur Gedanken sind ;).

Spannend, gute Geschichte. Steckt echt viel drin. Dafür meinen vollen Respekt.
Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Fliege,

Ich habe keine Ahnung, was Missbrauch alles mit der Psyche anstellen kann (wahrscheinlich wirklich alles) und welche Bewältigungsstrategien das Leben da bereithält. Ich fand es anfangs befremdlich, dass sie da so auf den Sex aus ist, aber irgendwann kamst du damit, dass es für sie eine Art Daseinsberechtigung ist, und das kam mir auch irgendwie plausibel vor. Und weil ich davon keinen Plan hab, nehme ich das einfach mal so hin.

Ja, beim Missbrauch gibt es wahrscheinlich die verschiedensten Aspekte, Bewältigungswege und Auswirkungen. Das macht es ein bisschen einfacher, darüber zu schreiben. Man muss es nur anständig rüberbringen, dann kann man mit der Psyche der Protagonisten alles anstellen. Schön ist das Schreiben einer solchen Story trotzdem nicht, man muss sich ja zwangsläufig alles vorstellen, es wieder und wieder vor dem inneren Auge ablaufen lassen. Gibt wahrlich Angenehmeres. Dennoch bin ich froh, den Versuch hier gewagt zu haben. Dazu ist das Copywrite ja da. Und ich finde, so missraten, dass es an Intensität mangelt, ist der Text dann doch nicht. ;)

Ich danke dir vielmals für deine Kürzungsvorschläge. Die meisten habe ich umgesetzt, einige wiederum (noch) nicht. Besonders bei dem Absatz mit Claudias Fahrt nach Hause habe ich mir schwergetan. Ich finde ihn wichtig für die Atmosphäre und die Darstellung der Umgebung. Kürzer ist er nun trotzdem. Immerhin, der Text ist jetzt im Vergleich zu der ersten Version 400 Wörter leichter. Das ist schon recht ordentlich, finde ich. Aber klar, kürzer geht immer.

Alaska fand ich auch schön. Das Eisangeln. Der Gedanke, ach, vielleicht doch Familie, der Gedanke, ich werde keine gute Mutter. Ihr Scheitern beim Versuch monogam zu sein. Ich finde den Text nicht an allen Stellen überzeugend, er ist oft überfrachtet mit Zeugs. Eigentlich steckt da nämlich eine ganz fein gezeichnete Claudia drin. Die Figur als solche, hat mir wirklich gefallen. Ob ich ihre Seegedanken am Ende brauch, weiß ich nicht. Eigentlich haste genug Drama. Aber wenn sie dir wichtig sind, bin ich froh, dass es nur Gedanken sind

Freut mich, dass mir Alaska gelungen zu sein scheint. Gott sei Dank wurde dieser Ort in Isegrims' Vorlage erwähnt, sonst wär mir das wohl nie eingefallen. Ja, da ist auch viel drin, vielleicht ist das dem Copywrite geschuldet. Ich wollte alle Aspekte des Originals einbringen und genügend eigene schaffen. So kommt es, dass zum Beispiel der Bruder da ist, den ich wohl nicht drinhätte, wenn die KG allein meinem Kopf entsprungen wäre. ;)

Dass zu viele Details drin sind, das kann schon sein. Ich achte eigentlich darauf, dass sie auch einen Sinn haben, aber das gelingt natürlich nicht immer. Ein paar Sachen habe ich noch rausgeschmissen, über die Tage werden sich noch mehr dazugesellen. Hab momentan leider noch Studien-Kram zu erledigen, da kann ich nicht so intensiv über die Story nachdenken, wie ich gern würde. Aber ja, ich werde versuchen, das Ganze minimalistischer zu gestalten. Ist halt modern und äußerst beliebt, richtig? ;)

Es freut mich, dass dir die Claudia gefallen hat. Wenn die Protagonistin funktioniert, ist schon mal viel erreicht. Und ja, die Seegedanken bleiben Gedanken ... oder doch nicht? Na, solange der alaskische Winter andauert, wird das Eis schon nicht brechen. ;)

Vielen Dank für deine Zeit und Mühe, ich weiß das wirklich zu schätzen.

Liebe Grüße,
gibberish

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Weg zum ernstzunehmenden Autoren ist noch weit.

Da bin ich mir nicht so sicher, lieber gibberish. Sprachlich ist das insgesamt souverän, stellenweise richtig richtig gut, zumindest meiner Meinung nach.

Also die Geschichte hat mir sehr gefallen, auch wenn ich grundsätzliche Probleme damit hatte. Gefallen hat sie mir, weil sie mir Claudia als Figur sehr nahe bringt, weil sie starke und stimmige Landschaftsbeschreibungen (die Karibus!), überzeugende Szenen und Bilder enthält.

Schwierigkeiten hatte ich, meine Frage beantwortet zu bekommen, was genau mir diese Geschichte als Geschichte erzählen will. Denn ein grosser Teil der Wirkung – so habe ich das empfunden – erhält der Text durch seinen krassen Inhalt, durch das Explizite (und durch die erwähnten Bilder / Szenen). Was mir gefehlt hat, ist die narrative Gestaltung, dass sich z.B. der Konflikt (Abtreibung) wirklich aus der Geschichte heraus ergibt. Der war mir etwas zu aufgepfropft, war schon am Anfang da, kommt am Schluss wieder. Und dazwischen diese lange Rückblende, die erklären soll, weshalb Claudia so ist, wie sie ist. Da wusste ich nicht mehr genau, wo der Fokus liegt. So erhält die ganze Geschichte ein wenig die Form eines Berichts, einer Darstellung einer bestimmten Situation und der Plot, die Entwicklung geraten in den Hintergrund. Während ich also den Text im Detail grossartig fand, hat er mich als Ganzes nicht völlig überzeugen können.
Mir ist bewusst, dass Kritiken häufig mehr über den Kritiker aussagen, als über den Text, und vielleicht gehören meine Ausführungen in diese Kategorie. Wenn du damit was anfangen kannst, umso besser.

Es folgt Detailkritik auf hohem Niveau (des Textes). Ganz allgemein denke ich, dass ein gewisses Kürzungspotential vorhanden ist, vor allem, was erklärende Passagen betrifft.

Zwei Stunden nachdem sie Dave in einer Kneipe kennen gelernt hatte, lag Claudia nackt auf seinem Bett. Während er im Badezimmer eine Melodie pfiff, befühlte Claudia die raue Bettwäsche und starrte auf ihren Venushügel; das hatte sie häufig getan, damals im Keller des Metzgers.

Starker Einstieg. Den Nachsatz finde ich gut, auch wenn ich Sonnes Bedenken nachvollziehen kann, aber mit diesem Satz machst du den Leser neugierig, man merkt, dass es nicht nur um das Hier und Jetzt geht, sondern um mehr.

Es war dunkel im Raum, nur der Mond schien und Licht drang aus dem Spalt unter der Badezimmertür.

Klingt jetzt oberpingelig, aber ich würde mich für eines von beiden entscheiden – und den Mond streichen. Das macht das Bild übersichtlicher.

Weil sie billig sei und nah am Hafen.

Erstens: Wieso diese Info? Zweitens: Wieso ist es wichtig, dass die Wohnung nah am Hafen ist? Wenn ich das richtig verstanden habe, wird er wegziehen, wenn die Saison beginnt und bis dahin braucht er nicht zum Hafen zu gehen.

Nichts lieber als das“, sagte Dave und entledigte sich seiner Shorts, warf sie in eine Ecke.

Kannst du den nicht etwas Vernünftigeres sagen lassen, bitte?

Er schlenderte Richtung Tür, um das Licht anzuknipsen; er wollte Claudia besser sehen.

Würde ich streichen. Erstens weil unnötig und zweitens, weil ich hier dachte, die Perspektive habe gewechselt.

Sie sagte: „Lass es aus, der Mond ist hell genug. Das ist romantischer, findest du nicht?“

Auch das würde ich streichen. Sie braucht keine Argumente in dieser Situation. Und der Dialog würde dadurch härter, kälter, der Situation angemessener.

„Du schmeckst so gut“, sagte Dave.
„Fick mich endlich“, sagte Claudia und spreizte die Beine.

Stark! Das passt! Was danach kommt, liesse sich meiner Meinung nach stark kürzen, ich brauche das Lusttröpfchen und andere Details nicht, um mir ein Bild davon zu machen, wie der Sex zwischen den beiden aussieht. Aber das ist ganz eindeutig Geschmacksache und ich sehe schon auch die Funktion dieser expliziten Stellen.


Er sah dem Metzger nicht ähnlich. Nein, zum Glück nicht. Aber er roch nach ihm, nach warmem Fleisch und Sperma.

Würde ich streichen. Insgesamt hätte ich mir den Text etwas offener gewünscht, mit mehr Raum für Kopfkino, mehr Raum für Fragen, wie die, was im Kopf der Prota vorgeht. Und darum hat mich dieser Kommentar, diese Wertung gestört. Die folgende Passage ist dann ganz stark, da beschreibst du (bis auf „Ekel“ und „Leere“) nur, und die Ambivalenz der Prota wird dennoch, oder deswegen, extrem gut spürbar.

Der Mond spendete etwas Licht; Claudias Haut wirkte im Mondlicht beinahe leichenhaft.

Der Mond als Stimmungsmacher wird ziemlich strapaziert.

Vielleicht wollte sie unbewusst schwanger werden, ihr Leben ändern und eine Familie gründen;

Eine überflüssige Erklärung, finde ich.

Als Miss Swift verstummte und die tiefe Stimme eines Nachrichtensprechers erklang, da umklammerte Claudia das Lenkrad, starrte auf die Straße und pfiff nicht mehr.

Ich weiss nicht. Will dieses „da“ die Bedeutung des Geschehens unterstreichen? Ich würde es streichen.

Der zugefrorene See glitzerte im Mondlicht.

Du weisst schon!

Abtreibungspillen lagen darauf. Dunkelblaue Kapseln, die im Licht schimmerten. Claudia hatte sie - im Austausch für gewisse Gefälligkeiten - von einem Trucker bekommen, der das örtliche Krankenhaus mit Medikamenten belieferte.

Vielleicht eine Passage, wo sich etwas Grundsätzliches festmachen lässt. Es gibt ein paar Stellen, die berichtend daherkommen, sehr nüchtern Informationen vermitteln, die für den Leser bestimmt sind. Und das hat sich auf meine Lektüre doch stark ausgewirkt, hat verhindert, dass ich ganz in die Perspektive Claudias eintauchen konnte. Aus ihrer Perspektive sind das DIE Pillen und du müsstest irgendwie zeigen, wozu sie die braucht. Und woher sie die hatte: In ihrer Erinnerung ist das nicht ein Austausch „gewisser“ Gefälligkeiten gewesen, sie erinnert sich daran, wie der Trucker gestunken hat, oder was er gesagt hat oder was auch immer. Das müsstest du für meinen Geschmack entweder weglassen oder auserzählen, dieses Mittelding, die blosse Information, das ist weder Fisch noch Vogel.


Sie öffnete die oberste Schublade ihres Nachttisches. Eine Postkarte lag darin. Die Ränder der Pappe waren scharf, konnten einem in die Finger schneiden. Auf der Karte standen nur wenige Sätze, mit krakeliger Handschrift geschrieben, hier und da fehlte ein Komma. Hallo Claudia. Mir geht es gut und wie geht es dir? Claudia nahm die Karte heraus und drehte sie um. Die Vorderseite war glatt und glänzte im Lampenschein. Bäume waren darauf zu sehen. Sie waren voller sattgrüner Blätter, anders als die kahlen Äste Alaskas. Der Himmel war blau. Im Hintergrund ragte ein Kirchturm in die Höhe. Rechts unten stand in geschwungener Schrift Komm ins Saarland. Claudia betrachtete das Bild; und wenn sie lang genug draufblickte, glaubte sie, das Gezwitscher von Amseln zu hören. Im Wald ertönte das Klopfen eines Spechts. Die Saar plätscherte, Rehe tranken daraus. Ein Junge radelte auf einem klapprigen Damenrad durch den Wald und schreckte die Tiere auf. Claudia schloss die Augen und erinnerte sich.

Und hier eine tolle Passage als Kontrast. Wirklich stark gemacht, ganz bei Claudia, vieles klingt an, die scharfen Ränder, die fehlenden Kommas, alles verweist auf mehr, aber auf unaufdringliche Weise.

Dann die ganze Rückblende. Da habe ich den Fokus nicht ganz gefunden. Zunächst das Verhältnis zum Bruder, dann die Passage mit den Rehen (an sich sehr gut), dann die ganze Geschichte mit der Abtreibung. Ich denke, das liesse sich noch eindampfen, die Rückblende erhält sonst in meinen Augen ein zu grosses Gewicht, es gab einen Moment, als ich dachte, aha, das ist die eigentliche Geschichte, die der Autor erzählen will, und alles andere ist bloss Klammer und Beiwerk. Das wäre natürlich schade.

Dann verstaute Michael das Fotoalbum mit den Intimbildern unter einem Schrank

Wiederum: Für Claudia sind es einfach die Bilder, sie würde sie niemals „Intimbilder“ nennen, behaupte ich jetzt mal.

Seine Enttäuschung zu sehen, machte Claudia mehr zu schaffen, als sie sich eingestehen wollte.

Wer sagt das? Wenn das ein Gedanke von Claudia ist, dann gesteht sie sich das ja ein und der Satz wird zu einem performativen Widerspruch.

„Du kommst aus Chicago?“
„Jep, geboren und aufgewachsen.“
„Und was führt dich hier hoch?“
„Arbeit. Hab daheim in einem Lager gearbeitet, nahe des Hafens. War auch ganz nett, aber dann kam die Wirtschaftskrise und all der Scheiß. Schwups, war ich arbeitslos.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „War keine gute Zeit. Mein Bruder hat mir dann einen Job auf einem Kutter besorgt. Beim Krabbenfischen kann man gutes Geld verdienen, meinte er. Und recht hat er. Ist ein toller Kerl, mein Bruder.“

Ist immer so ne Sache. Du willst natürlich auch den Dave dreidimensional gestalten, ihm einen Background geben, ihn einbetten. Dennoch habe ich mich gefragt, weshalb du mir das hier erzählst. Ich sehe hier Kürzungspotential, leg den Fokus ganz auf Claudia, wäre mein Vorschlag.


So saßen sie auf dem See und schwiegen, kein Fisch biss an, Dave leerte sein zweites Bier. Dann erhob er sich ruckartig und deutete gen Horizont. „Hey Claudia, sieh doch.“ Eine Tierherde wanderte über die Ebene. Große Viecher mit Geweihen und dichtem Fell. „Das sind Karibus, nicht wahr?“, fragte Dave. Seine Augen leuchteten, als sähe er etwas Großartiges zum allerersten Mal.
„Ja, sie kommen manchmal hier vorbei und suchen Futter“, sagte Claudia.
Dave nickte. „Schön.“ Er stellte sein Bier weg und winkte einem Bullen zu. „Wirklich schön.“
Ein Inuit winkte zurück. Er trug Tierfelle und umklammerte einen gekrümmten Wanderstock. Claudia kniff die Augen zusammen. Kurz dachte sie, er wäre der Vater ihres Kindes; aber sie konnte das Gesicht nicht erkennen. Er trieb die Karibus vorwärts, rief etwas in einer fremdartigen Sprache. Atem dampfte aus den Nüstern der Tiere, als sie zu laufen begannen. Sie verschwanden in der Ferne, wirkten bald so klein wie Käfer.

Grossartig! Die ganze Passage. Ich hätte hier vielleicht den Text enden lassen, aber ich finde es stark, dass du am Ende noch mal dorthin gehst, wo es wehtut:

Sie trank etwas Wasser und schluckte die Kapsel.

Gern gelesen, gibberish!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

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