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Der Anschlag

Monster-WG
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18.06.2015
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Der Anschlag

Georg betritt die Kneipe und schaut sich um. Vorne an der Theke ein Mann, der ein Pils vor sich stehen hat. Er trägt einen Hut und hat fleischige Tränensäcke unter den Augen. Neben ihm sitzt eine Frau. Sie sieht aus wie eine verdurstete Gazelle, der man eine schwarze Perücke aufgesetzt hat. Zweifellos ist sie einmal schön gewesen. Georg mustert ihre roten Lippen und ihre kniehohen Stiefel. Sie ist meine Tochter, sagen die Augen des Alten. Georg wird die beiden in Ruhe lassen.
Er blickt nach hinten in das dunkle Gewölbe. Dort, an einem runden Tisch, sitzen drei Kinder, die in den Körpern von Fünfundzwanzigjährigen stecken, schwarzen Kaffee trinken und sich gewiss als Teil einer verlorenen Generation betrachten. In den nächsten Minuten werden sie bunte Moleskine-Notizbücher aufschlagen und mit der eleganten Handschrift ihrer Eltern lange Sätze niederschreiben, denen nie ein Komma fehlt.
„Woran kann man heute noch glauben?“, hört Georg den einen Jungen fragen.
„An den Glauben zu glauben ist obsolet geworden“, sagt der andere und rückt seine dickrandige Brille zurecht.
„Nach dem Ende der grossen Erzählungen bleiben nur noch Kurzgeschichten“, sagt das Mädchen.
Sie sind Georgs Ziel. Er öffnet die Knöpfe seines schweren Wintermantels und greift in die Innentasche. Georg fühlt das kalte Metall.

Sein Grossvater hat sie ihm geschenkt, die Bibel mit silbernen Beschlägen, die er immer bei sich trägt, wenn er Sinn stiften geht. Georg zieht sie aus der Manteltasche und knallt sie auf den Tisch.
„Ihr wollt glauben?“, fragt er die drei Kinder. „Dann glaubt an den Herrn.“
Zwei unrasierte Gesichter schauen ihn an. Die junge Frau blickt auf die Bibel. Die drei sehen auf einmal bedrohlich aus.
„Jetzt nicht dein Ernst?“, fragt der eine Mann.
„Eh, Alter!“, sagt die Frau.
„Lest und ihr werdet erkennen.“
„Lass uns in Ruhe“, sagt der andere Mann. Dann zeigt er auf das Kreuz, das den Buchdeckel verziert.
„Mit sowas könnte man gut Katzen ficken. So anal. Ist gerade dünn genug. Sähe lustig aus.“ Die anderen kichern.
Georg weiss nicht, was er darauf antworten soll. Der Anschlag ist misslungen. Behutsam packt er die Bibel wieder ein, geht zur Theke und bestellt ein alkoholfreies Bier. Vielleicht würde er den Alten mit der toten Gazelle doch noch ansprechen.

 

Hallo Peeperkorn,

eins muss ich vorab sagen: ich habe deine Wilderer-Geschichte gelesen und schon diese Geschichte hat mir gefallen und nun lese ich die neue Geschichte und muss sagen: brillant wie du es schaffst en miniature, mit verdickender Textlänge deine Botschaft im beiläufigen zu vermitteln.

Natürlich ist die Situation absurd und unreal und die Figuren sind überzeichnet und die Botschaft allzu plakativ, aber es ist einfach im perfekten Maß geschrieben. Respekt :)
Ein einziger Satz gefällt mir nicht :

„Nach dem Ende der grossen Erzählungen bleiben nur noch Kurzgeschichten“, sagt das dritte Kind.
Das ist mir zu viel intellektuelle Blödelei
Dafür das :
Sie sieht aus wie eine verdurstete Gazelle, der man eine schwarze Perücke aufgesetzt hat.

und das :
In den nächsten Minuten werden sie bunte Moleskine-Notizbücher aufschlagen und mit der eleganten Handschrift ihrer Eltern lange Sätze niederschreiben, denen nie ein Komma fehlt.

viele Grüße in die Bergespracht
Isegrims

 

Hihi, lustig: "Der Anschlag ist misslungen". Das gefällt mir am Besten. Misslungene Anschläge der Rechtschaffenheit (?) auf die selbstgerechte intellektuelle Kneipenrunde. Doch warum nennt er sie Kinder, wenn er sie nicht wirklich retten will? Da vermischt sich Anschicht des Autors vielleicht mit der Ansicht des Protagonisten? Wäre schöner zu lesen, wenn der Portagonist sich da treu bleibt. Hällt er sie für Arschlöcher oder verlorene Kinder?

 

Liebe Isegrims

Besten Dank für die Rückmeldung - auch zu der Wilderer-Geschichte. Ich bin hin und her gerissen. Ich sehe deinen Punkt ("zu viel intellektuelle Blödelei"), aber eigentlich geht's ja genau darum. Mal schauen, vielleicht ändere ich es doch noch. Selbstentlarvende Rede ist so verdammt schwierig auszutarieren.

Mit liebem Gruss
Peeperkorn

Hallo paula2001

Merci für den wertvollen Hinweis. Die Idee war, dass Georg sie zunächst für Kinder hält, die man retten könnte, dann aber eines besseren belehrt wird. Ich habe den Text so angepasst, dass das deutlicher wird, die Kinder also - wenn die Bibel auf dem Tisch liegt - zu Erwachsenen mutieren.
Die Frage nach dem Verhältnis von Autor und Protagonisten nehme ich zur Kenntnis. :)

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Peeperkorn,
deine Geschichte habe ich mit unterschiedlichen Gefühlen gelesen. Sie kam mir insgesamt zu reduziert vor. Dabei kann ich noch nicht einmal genau sagen, ob es die inhaltliche Verknappung oder die - wie mir schien - recht vordergründige Aussage deines Textes war. Weil ich deine bisherigen Geschichten sehr gerne gelesen habe, versuche ich mal, mich auch diesem Text zu nähern.
Der Protagonist deiner Parabel ist Georg, der in seiner Manteltasche eine alte Bibel trägt, mit der er

Sinn stiften
möchte. Er bietet sie den
drei Kinder(n), die in den Körpern von Fünfundzwanzigjährigen stecken, schwarzen Kaffee trinken und sich gewiss als Teil einer verlorenen Generation betrachten
an.
Das „gewiss“ würde ich wegnehmen, weil hier wirklich der Autor hervortritt.

Es sind gebildete Kinder:

In den nächsten Minuten werden sie bunte Moleskine-Notizbücher aufschlagen und mit der eleganten Handschrift ihrer Eltern lange Sätze niederschreiben, denen nie ein Komma fehlt.

Sie schreiben in Moleskine-Notizbücher, über die ich gelesen habe, dass mittlerweile Moleskine-Notizbücher
Synonym (ist) für Kultur, Reise, Erinnerung, Phantasie und persönliche Identität – in der realen wie in der virtuellen Welt. … Ein weltweites Symbol für zeitgenössisches Nomadentum – in engem Zusammenhang mit der digitalen Welt durch ein Netz von Website, Weblog, Online-Communities und virtuelle Archive. (Moleskine - Die Geschichte eines legendären Notizbuches)

Aber obwohl sie diese schönen, langen Sätze in einer schönen Schrift schreiben können, haben sie ein großes Problem

„Woran kann man heute noch glauben?“, hört Georg das eine Kind fragen.
„An den Glauben zu glauben ist obsolet geworden“, sagt das andere und rückt seine dickrandige Brille zurecht.

und ziehen ein Fazit, das hier verkürzt und ohne seinen echten Zusammenhang (Lyotards Gedanken zur Postmoderne) zur Phrase wird:
„Nach dem Ende der grossen Erzählungen bleiben nur noch Kurzgeschichten“, sagt das dritte Kind.

Georg bietet ihnen seine Bibel an:
„Ihr wollt glauben?“ fragt er die drei Kinder. „Dann glaubt an den Herrn.“
Mit Verachtung, Hohn und Blasphemie
Mit sowas könnte man gut Katzen ficken. So anal. Ist gerade dünn genug.
weisen die Kinder ihn und die Bibel zurück.

Pepperkorn, ich kann nur vermuten, was du mit deinem Text sagen willst.
Die jungen Leute möchten in ihrem Zustand des „Nichtglaubenkönnens“ verharren, sie wollen weiterhin schöne Sätze in schöner Formatierung in kulturbehaftete Notizbücher schreiben. Sie öffnen die Bibel nicht mehr, machen sich derb lustig über das Symbol der Oberfläche, setzen sich nicht mit dem Inhalt auseinander.
Sie wollen gar nicht raus aus der Situation, sie möchten auch weiterhin eine „verlorene“ Generation bleiben. Sie geben an, nach etwas zu suchen, woran sie glauben können. Der Glaube kann es nicht mehr sein, er ist obsolet für sie. Anstelle dessen werfen sie undurchschaute Phrasen, die gedanklichen Tiefgang vorgeben, in den Raum und verunglimpfen mögliche Antworten nach Sinn ebenso, wie denjenigen, der ihnen diese anbietet.
Sie delektieren sich an dem Satz

„An den Glauben zu glauben ist obsolet geworden“
und glauben mit diesem leeren Spruch eine tiefe Weisheit gefunden zu haben.

Dein Text scheint darauf hinzuweisen, dass sich diesen fünfundzwanzigjährigen „Kindern“ weder der Glaube an etwas noch die Frage nach dem Sinn erschließen wird. Zumindest solange nicht, wie sie sich in Selbstmitleid ergehen und darüber weinen, dass sie zu einer „verlorenen Generation“ gehören, keinen Glauben mehr haben, gleichzeitig aber alles, was ihnen einen Sinn zeigen könnte, verhöhnend abwehren. Sie haben sich mit ihrem Kaffee, ihren kulturschwangeren Notizbüchern und ihren Phrasen komfortabel eingerichtet.

Georg, der Spinner, möchte sie retten, der „Anschlag“ misslingt, muss misslingen. Er wendet sich anderen zu.

Vielleicht würde er den Alten mit der toten Gazelle doch noch ansprechen.
Peeperkorn, so, wie du den Georg skizzierst, wird er für mich leider auch zum oberflächlichen Sonderling, der nervt, wenn er „Sinn stiften“ geht.
... und knallt sie auf den Tisch
Letztendlich antwortet er auf die Glaubens-Suche der jungen Leute mit dem Hinwerfen der Bibel, fast so, wie man einem Hund einen Knochen hinwirft: Friss oder stirb. Auch wenn die jungen Leute phrasenhaft mit ihrer Suche nach Glauben oder Sinn umgehen, so wird das alleinige Hinwerfen von etwas Sinn-Gebendem sie so nicht erreichen. Und da wird die Situation schon beinahe kafkaesk in der Darstellung der Unmöglichkeit einander zu erreichen, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Beide Seiten zeichnest du plakativ und setzt sie so der Kritik aus. Aber vielleicht war es ja genau das, was du beabsichtigtst. Ich weiß es nicht. Auf deine Antwort bin ich gespannt.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn!

Wie gesagt, man liest sich! - Hier also mal mein Eindruck von Deiner Geschichte.

verdurstete Gazelle
Ich schwanke: einerseits ein originelles Wortbild, andererseits kann ich mir nichts drunter vorstellen; habe kein Bild vor Augen.

Sie ist meine Tochter, sagen die Augen des Alten.
Können Augen wirklich solche Informationen ausdrücken? Finde ich schwierig. Vor allem, wie sie "sagen" können, dass das seine Tochter ist. Die Augen können natürlich abwehrend blicken oder so.
Hm.

„Woran kann man heute noch glauben?“, hört Georg den einen Jungen fragen.
„An den Glauben zu glauben ist obsolet geworden“, sagt der andere und rückt seine dickrandige Brille zurecht.
„Nach dem Ende der grossen Erzählungen bleiben nur noch Kurzgeschichten“, sagt das Mädchen.
Diesen Dialog finde ich ganz ausgezeichnet! Ich mag den doppelten Boden, den Du hier bereitest.

Georg weiss nicht, was er darauf antworten soll.
Finde ich unbefriedigend.
Erst so ein Tammtamm, das Heranpirschen, das Metall und Pipapo und dann "Schwupps", ein paar freche Worte von einem Mittzwanziger und Herrn Missionar geht schon die Puste aus?

Auch finde ich den "Bruch" zwischen den relativ elitären Worten der drei Twens und dem leicht aggresiv vulgären Sprech an dieser Stelle etwas zu radikal. Kommt zu plötzlich.

Grundsätzlich:

Die Idee finde ich gut und nachvollziehbar. Einen Missionsversuch als "Anschlag" zu tarnen, den Leser ein bisschen aufs Glatteis zu führen. Find ick jut!
Das Ganze gekleidet in eine Satire wäre passend.

Allerdings lese ich wenig bis kaum Satirisches in Deiner Erzählung. Satire ist ja: Spott, Ironie, Übertreibung. Und das Ganze recht böse und scharf gewürzt.

Dabei gibt es viele Punkte, aus denen Du noch mehr rausholen könntest. Insbesondere Stichwort Übertreibung.
Z.B. hier:

Georg fühlt das kalte Metall.
"Er schloss seine Finger um das kühle Metall und atmete tief ein. Er würde ihre Köpfe zum Explodieren bringen mit dem scharfen Geschoss, das er in seinen Händen hielt. Es gab keine Waffe, die mächtiger war als diese ...

Usw.

Ich fände es auch cool, wenn der Missionar die Twens dann vielleicht "jagen" würde, wie es ein richtiger Attentäter täte. Natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass er es mit den "heiligen Worten" tut.
Ein paar passende Sprüche aus der Bibel bereit hält usw.
Bei diesem Katzengedöns könnte z.B. irgendwas kommen aus dem Alten Testament:

"Du sollst auch bei keinem Tier liegen, dass du mit ihm verunreinigt werdest. Und kein Weib soll mit einem Tier zu schaffen haben; denn es ist ein Gräuel." (3.Mose.18,23)

Oder so ... :)

Und auch wenn mir die Stelle mit dem Twen-Dialog sehr gut gefällt, - Ich frage mich, ob es nicht klüger wäre, wenn die über was ganz anderes reden würden, was Deinem Protagonisten nicht so nahe kommt. Dann wäre die Distanz "der beiden Welten" größer, der Konflikt tiefer.

Soweit mein Blick auf die Dinge.

Beste Grüße

Runa

 

Hallo Barnhelm, hallo Runa Phaino

Vielen Dank für eure sorgfältige Lektüre und die differenzierten Rückmeldungen. Ich antworte euch beiden gleichzeitig, weil ihr ähnliche Punkte ansprecht. Der Text ist eher eine Skizze als eine Kurzgeschichte und ihr habt das sehr gut aufgezeigt und am Detail festgemacht. Georg bleibt blass und verkürzt, so wie der ganze Gehalt der Geschichte. Ja, ich wollte Georg auf keinen Fall als positiven Helden stilisieren und eher die Distanz zwischen den beiden Fronten thematisch werden lassen - was ihr in euren Kommentaren ja auch ansprecht. Aber dabei bin ich wohl einerseits zu weit gegangen und habe die Figur andererseits zu wenig differenziert dargestellt.
Ihr findet aber auch, dass die Sache Potential hat, was mich sehr freut und was mich daran denken lässt, an der Geschichte weiterzuarbeiten, obwohl das ursprünglich nicht geplant war. Besten Dank!

Ein anderer Punkt lässt mich noch etwas grübeln:

Das „gewiss“ würde ich wegnehmen, weil hier wirklich der Autor hervortritt.

Können Augen wirklich solche Informationen ausdrücken? Finde ich schwierig. Vor allem, wie sie "sagen" können, dass das seine Tochter ist. Die Augen können natürlich abwehrend blicken oder so.
Hm.

Bei beiden Passagen versuche ich die Welt aus der Perspektive Georgs zu beschreiben, d.h., etwas näher an die Figur heranzutreten. Das "gewiss" denkt Georg und ich dachte, gerade damit einen Abstand zum Erzähler der Geschichte herzustellen. Dass die Augen "Das ist meine Tochter" sagen, findet ebenfalls in Georgs Kopf statt. Ich verzichte in solchen Fällen gerne auf umständliche Formulierungen wie "Georg dachte, dass..." oder "Die Augen schienen zu sagen" und versuche sowas wie literarische Wahrheit zu schaffen. Eure Rückmeldungen veranlassen mich, genauer darüber nachzudenken, ob und wie solche Mittel funktionieren.

Vielen Dank und liebe Grüsse
Peeperkorn

 

„Woran kann man heute noch glauben?“, hört Georg den einen Jungen fragen.
„An den Glauben zu glauben ist obsolet geworden“, sagt der andere und rückt seine dickrandige Brille zurecht.
„Nach dem Ende der grossen Erzählungen bleiben nur noch Kurzgeschichten“, sagt das Mädchen.
Sie sind Georgs Ziel. ...

Ja, kneip mich ma’, da wächst hierort was heran, mit dem wir noch viel Freude haben werden,

lieber Peeperkorn,

und der Hinweis

… und mit der eleganten Handschrift ihrer Eltern lange Sätze niederschreiben, denen nie ein Komma fehlt
wird nicht auf mich gemünzt sein, steck ich doch mit meiner ganzen Kindlichkeit in einem Renntier. Tatsächlich betrifft die einzige, von mir gefundene flüchtige Fluse, ein Komma, in einem der wundersam/–baren Dialoge
„Ihr wollt glauben?“[,] fragt er die drei Kinder. „Dann glaubt an den Herrn.“
dieses trotz misslingenden Anschlags gelungenen Textes.

Aber das Wort Anschlag ist vieldeutig, obwohl man meinen müsste, dass das zugrundeliegende Verb „schlagen“ eigentlich eindeutig wäre. Der Konjunktiv verrät’s: Es ist alles andere als eindeutig und wird nicht durch die Vorsilbe an… eindeutiger. Das ahd. anaslahan (mhd. aneslahem) war ein kalkulatorischer Ausdruck im Sinne eines „ungefähr berechnen“. Veranschlagen nennen wir’s heute, wenn anschließend der Voranschlag uns überreicht wird. Aber auch ein Fahndungsaufruf für ein Attentat – das selbst als Anschlag bezeichnet werden kann – wird angeschlagen usw. Als Attentat (…tum = Versuchtes) galt vordem nur das „versuchte“ Verbrechen, mit der frz. Vormachtstellung wurde es zum Mordanschlag („auf einen politischen Gegenspieler“ sagt der Herkunftsduden).

Nach dem Ende der großen Erzählung will Georg (georgos = Landmann, Bauer) missionieren mit dem Buch der Bücher, das 39 Bücher und vier Evangelien (in denen wiederum kleinere Geschichten enthalten, die man Gleichnisse nennt) sowie einer Apostelgeschichte und diverse Briefe enthält und mit DER Apokalypse schließt. Aber was immer der unheilige Georg für eine Heilslehre verbreiten will - ob er nun den Drachen mit der Heiligen Schrift erschlagen will oder nicht - er läuft auf. Ihm, dem mutmaßlichen Wortkrieger, verschlägt’s die Sprache.

„Lass uns in Ruhe“, sagt der andere Mann. Dann zeigt er auf das Kreuz, das den Buchdeckel verziert.
„Mit sowas könnte man gut Katzen ficken. So anal. Ist gerade dünn genug. Sähe lustig aus.“
Ein schweigender Missionar ist keiner mehr. Aber es ist kein Ende der Dogmen

Feines Textil hastu da gewebt!, meint der

Friedel

 

Lieber Friedel

Ganz lieben Dank für deinen Kommentar. Ich werde in Zukunft wohl stets an dich denken, wenn ich Namen für Protagonisten wähle - habe es schon dieses Mal getan. Vielleicht webe ich weiter an diesem Text. Aber zuvor lege ich eine längere urlaubstechnische Pause ein.

Mit liebem Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

schon lange steht diese Geschichte auf meiner Liste, um ihr das verdiente Feedback zu geben.

Eine hoch verdichtete, facettenreiche Geschichte ist dir da gelungen. Ich mag das Kurze manchmal sehr gern. Hier passt es. Da werden so viele Gedanken durch die kurze Handlung angeschoben, das finde ich sehr gut.
Die toughe, aber glaubenslose Gesellschaft, die sich eigentlich nach einem Glaubenshalt sehnt, aber wenn sie ihn präsentiert bekommen soll, wenn sie es wagen soll, dann weicht sie vor Schreck zurück, denn das, was man kennt, gibt viel mehr Halt als das, was man nicht kennt.

Oder ist es en vogue, der Glaubenslose zu sein, gehört man dazu, wenn man darüber diskutiert, aber sich nicht bewegt? Ist es nicht gerade etwas hoch Zeitgeistiges, dass wir alle ein Volk von Rednern geworden sind? Wir reden und reden und diskutieren und stimmen ab und reden weiter und am Ende sind wir schlappgeredet und können keine Taten folgen lassen. So wirken auch die drei auf mich. Aber das ist nur eine (weitere)Facette deiner Geschichtenaussage.
Fein gemacht, diese Vielschichtigkeit.

Wie oft frage ich Autoren hier bei den Wortkriegern, was für eine Aussage ihre Geschichte eigentlich haben soll. Bei dir müsste ich fragen: "Und welche noch?" ;)


Die Art, wie dein Protagonist sein Bekenntnis unter die Leute bringen möchte, ist ebenfalls höchst beachtenswert. Er riskiert was, ist mutig, aber vielleicht ist es nur der Mut des Unwissenden, vielleicht kann man nur Neues verbreiten, wobei es hier ja das Hervorholen des Alten ist, wenn man ein Stückweit die Realität ausblendet. Er wirkt so wunderbar verschroben in seinem Auftreten, dass man sich geradezu gewundert hätte, wenn er Erfolg gehabt hätte.

Ist der Mutige eigentlich stets der Gefahrenunkundige?
Wären deine drei Ungläubigen glücklicher mit der Bibel?

Der Titel "Anschlag" erinnert auch leise an die Thesen, die Luther an die Kirchenpforte anschlug. Auch hier könnte man Parallelen ziehen und darüber nachsinnen, wie viel Heil und auch Unheil dadurch entstand. Was würde dein Anschlags-Protagonist alles anrichten, wenn er Erfolg gehabt hätte?

Gefallen haben mir auch viele deiner ausgefeilten Formulierungen, angefangen von der verdurstenden Gazelle und den Moleskinesüchtigen bis hin zu der Szene, in der Georg, seine Pistole zieht. :D

Prima Geschichte! Mehr davon!

Lieben Gruß

lakita

 
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Hallo lakita

Schon wieder so eine nette Überraschung, schön, dass du hier reingeschaut hast. Das ist ja eine meiner ganz frühen Geschichten, ich weiss noch, wie ich sie in der Euphorie, die Wortkrieger entdeckt zu haben, geschrieben habe. Sie ist mir inzwischen beinahe in Vergessenheit geraten, fügt sich nicht gerade nahtlos in das ein, was ich sonst so schreibe.

Oder ist es en vogue, der Glaubenslose zu sein, gehört man dazu, wenn man darüber diskutiert, aber sich nicht bewegt? Ist es nicht gerade etwas hoch Zeitgeistiges, dass wir alle ein Volk von Rednern geworden sind?
Die Art, wie dein Protagonist sein Bekenntnis unter die Leute bringen möchte, ist ebenfalls höchst beachtenswert.
Ja, ich wollte hier gleichzeitig zwei Fraktionen im „Sinndiskurs“ etwas auf die Schippe nehmen, die beiden Extreme gewissermassen, den Fanatiker ebenso wie die Abgebrühten, und dies durch die Brille der jeweils anderen Position.
Freut mich, dass dich der kleine Text zu den Überlegungen anregen konnte, die du hiergelassen hast und die ich sehr gern gelesen habe. Vielen Dank!

Hallo Ronnie

Auf was ist das eine Satire? Das erschließt sich mir nicht.

„Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typisches Stilmittel der Satire ist die Übertreibung.“ (Wikipedia)
Du findest hier insgesamt vier Personen, die (bzw. deren Ideologien) mit Hilfe der Übertreibung (Bibel, Moleskine-Bücher, die Dialoge) angeprangert werden. Hilft das weiter? Ob das gut gemacht ist, ist natürlich eine andere Frage.

Was ist nur los mit mir? :confused:

Da hätte ich schon die eine oder andere Hypothese, aber wir wollen ja über Texte reden, nicht über uns. Was sich auf alle Fälle sagen lässt, ist, dass wir nicht dieselben Vorstellungen haben, was das Schreiben anbelangt.

Das hab ich erst so gelesen:
... die Bibel mit silbernen Beschlägen, die er immer bei sich trägt, wenn der Sinn stiften geht.

An der Stelle habe ich lauthals lachen können.


Was willst du mir damit sagen? Wenn ich jetzt schreibe, dass ich statt „lauthals lachen“ laut Halt machen gelesen habe und das lustig fand, was machst du mit dieser Information?

Bei dem gewählten Titel muss ich die ganze Zeit an den Tausend-Seiten-Roman von Stephen King denken (geht mir nicht aus dem Kopf) Wie aber kann ich ihn mit deinem Text in Verbindung bringen?

Ich verstehe den Sinn der Frage nicht so ganz, aber ich kann sie dir gerne beantworten: Beide Texte haben denselben Titel.

Gruss
Peeperkorn

 

@ Ronnie,

Eine Satire kann sich z.B. auf Helmut Kohl beziehen. Man macht seine Aussprache nach, man zitiert eine seiner Ansprachen im Fernsehen, man imitiert vielleicht seine Gestik. Der Witz: Jeder kennt Kohl (falls er nicht auf dem Mond zuhause ist) und kann sich von daher an den Überspitzungen (der Satire also) erfreuen.
Damit bringst du mich auf den Plan.

Nein, eine Satire im klassischen Sinne (Himmel, wie oft ich diesen Satz schon hier geschrieben habe) ist es nicht, es ist eine Parodie.
Eine Parodie bedient sich zwar der Überspitzung, aber nicht der Verfremdung. Das Nachahmen der Sprache, Gestik, der Wortwahl, der Satzwahl, der Aussagen einer Person ist der klassische Fall der Parodie.
In einer Satire über Kohl würde Kohl als Person nicht auftauchen. Aber man würde ihn trotzdem, wenn es eine gelungene Satire ist, wieder erkennen.
Klar jetzt? :D

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ronnie

Deine Personen kenne ich nicht - und sie sind auch keine typisch Vertreter von Menschen unserer Gesellschaft.

Das sehe ich anders. Christlicher Fundamentalismus ist ziemlich weit verbreitet. Nihilismus ebenfalls.

Was hat dein Text mit deinem Titel zu tun? Ist der Anschlag etwas, dass der alte Georg den anderen mit Zitaten aus der Bibel kommt?

Ja. Anschlag auf den Werteverfall der Gesellschaft.

Wenn ich so etwas geschrieben hätte (als Neuling hier im Theater) dann würden mich die Moralisten hier drin (und das sind nicht wenige) in der Luft zerreißen. Ein altgedienter Haudegen wie du darf das ungestraft (nur mal so als Feststellung)

Ich habe den Text einen Monat nach meiner Anmeldung im Forum eingestellt. Ich bin kein alter Haudegen hier, weniger als ein Jahr mit dabei. Aber darum geht es dir eh nicht, habe ich den Eindruck, da lasse ich mich von deiner Formulierung, es handle sich nur um eine Feststellung nicht blenden. Es geht um deine Rolle hier im Forum.

Mir scheint, dass du Schwierigkeiten hast, dich im Forum (dass du es "Theater" nennst, finde ich ziemlich bezeichnend) zurechtzufinden, dich einzupendeln, gewissermassen. Das kann ich sehr gut verstehen, ging mir auch so. Aber ich habe gelernt, dass ich das mit mir selbst ausmachen muss. Und ich habe gelernt, dass man hier in erster Linie durch die Bereitschaft, an sich und seinen Texten zu arbeiten, überzeugt. Durch gute Texte und durch begründete, fundierte Kommentare. Durch die ehrliche Wiedergabe von Leseeindrücken, konstruktive Kritik. Daran gilt es zu arbeiten. Alles andere ist schlicht Pipifax.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ronnie

Danke auch dir für deine Antwort. Wir nähern uns so langsam an. ;)

Was mir missfällt, ist, dass manche Leute hier die Objektive Oberhoheit darüber vertreten wollen, was Gut und was Schlecht ist. Dazu kommt noch eine gute Portion moralische Beurteilung, auf die ich in der Literatur gut und gerne verzichten kann.

Da will ich nicht auf die inhaltliche Diskussion einsteigen. Mein Punkt liegt eher auf der Ebene: "Was nun?". Stell dir vor, du kommst neu in einen Betrieb, und verkündest nach einer Woche vor versammelter Belegschaft, dass deiner Meinung nach einige deiner Mitarbeiter ziemlich faul seien und zudem engstirnige Moralvorstellungen hätten. Selbst wenn du damit richtig liegen würdest, wäre das doch keine gute Strategie, die Zusammenarbeit besser zu machen, nicht? Ich will nicht sagen, dass man sich in alles fügen muss, nicht dagegen halten soll, wenn eine Kritik nicht überzeugt, aber ich denke, es ist besser, wenn man dabei konkret und beim Text bleibt. Rundumschläge gegen "manche Leute hier" scheinen mir halt wenig konstruktiv. Aber du anerkennst ja grundsätzlich die Qualität dieses Forums, wenn ich dein letztes Postskriptum richtig verstehe, und ich denke, das kommt schon gut.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

@ Ronnie,

Aber insgesamt ist es dann doch Satire, weil dieser Mensch überzeichnet dargestellt wird.
Mein Korinthenkackerherz muss doch noch mal sein Wissen darüber schütten.

Ja und nein, oder: es kommt darauf an.

Im ursprünglichen Sinne ist eine Parodie eher eine Untergattung des Humors. Man zieht quasi über jemanden her und verulkt ihn, macht sich über ihn lustig. Ich verfolge etliche Sendungen im Fernsehen, die sich als Kabarett-, Satiresendungen bezeichnen und finde, dass sehr sehr oft, einfach nur in Form der Parodie ein witziges Verhalten, das jemand an den Tag legt, zum Hauptthema der Darstellung genommen wird.
Beispiel: Wenn ein sog. Kabarettist oder Parodist die Merkelraute, also ihre besondere Art, die Hände gleich zweier Dreieicke gegenanander zu setzen, darstellt, dann schmunzelt man und lacht gar darüber. Das ist dann zwar ein merkelsches Verhalten, welches parodiert wird, aber es steckt eigentlich nichts weiter dahin als Klamauk. Deswegen Klamauk, weil mit der Darstellung ihrer besonderen Geste nichts ausgesagt wird. Der Darstellende will einfach nur belustigen, indem er verschiedene Persönlichkeiten darstellt und das Publikum sich darüber freut, dass er deren Marotten und Eigenheiten so gut darstellen kann, dass man die gemeinte Person wieder erkennt.

Zurück zur Satire und deiner Behauptung, die Parodie sei ein Unterfall der Satire. Ja, das ist die Pardodie dann, wenn neben der Darstellung des quasi Opfers, das sich der Parodist vorgeknüpft hat und dem, wenn er es gut macht, Wiedererkennen durch das Publikum, aber auch noch eine andere Aussage rübergebracht wird. Diese, die Satire ausmachende Doppeldeutigkeit der Darstellung, fehlt bei einer reinen Parodie.
Ich kann dir jede Menge Kohlsätze hintereinander zitieren und es wäre alles nur urkomisch, aber ich kann auch ganz bestimmte urkomisch wirkende Sätze zitieren bzw. parodieren, deren Aussagen darauf verweisen, dass ich mit dem, was Herr Kohl als Politiker tut, überhaupt nicht einverstanden bin. Dann wäre es Satire in Form der Parodie.

Satire geht, um Satire zu sein, immer einher mit einer Kritik, während das bei einer Parodie, um eine zu sein, nicht erforderlich ist.

Ok, ab jetzt halte ich aber meine Schnute in Sachen Satire und so. :D

Was mich aber, ich habe die letzten Beiträge hier unter dieser Geschichte noch gelesen, etwas irritiert, ist dein Angriff auf Unbekannt.

Was mir missfällt, ist, dass manche Leute hier die Objektive Oberhoheit darüber vertreten wollen, was Gut und was Schlecht ist.
Ich hasse solche Art von Rundumschlag, denn du stellst jetzt alle die Personen, die sich berechtigt oder nicht berechtigt angesprochen fühlen, unter Generalverdacht.
Solch Anwürfe sind wirklich geeignet, die Stimmung auf solch einer Internetseite gehörig niederzureißen.
Du greifst letztendlich alle an, die sich mit dir jemals beschäftigt haben.
Ich z.B. fühle mich durch deinen Angriff angesprochen und frage mich nun, an welcher Stelle ich dir mit "Oberhoheitlichem" Verhalten gekommen bin.

Mein Vorschlag lautet, du nennst schlicht Ross und Reiter und bringst konkrete Beispiele. Auf diese Weise kannst du beweisen, dass du mutig genug bist, in die direkte Auseinandersetzung zu gehen.
Dieses pauschale in den Raum werfen, kommt bei mir echt ziemlich mies an.

Allerdings wäre es gut, wenn hierzu ein eigener Thread, z.B. im Kaffeekranz von dir eröffnet wird, denn unter diese Geschichte gehört es nun wirklich nicht. Oder du schreibst denjenigen per PM an und teilst ihm mit, was dir an seinem/ihrem Verhalten missfallen hat.

Lieben Gruß
lakita

 

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