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Eine kurze Geschichte in Briefen

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05.02.2014
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Eine kurze Geschichte in Briefen

1. Brief, 12. Mai 2015
An Frau Annabelle Bürger

Frau Bürger,

ich weiß von Ihnen. Das ist mein Vorteil. Denn ich kenne Ihren Namen, Ihre Adresse und ich weiß, dass Sie ein miserables Nagelstudio besuchen. Wer so schlecht geklebte pinke Tips hat, sollte das Studio verklagen. Aber dazu fehlen Ihnen augenscheinlich die Mittel, denn ich weiß, dass Sie im Netto an der Kasse sitzen und ich weiß auch, dass mein Ehemann, Anton Schwerter in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai bei Ihnen war und das dulde ich nicht.

Er glaubte wohl, dass mir Ihr billiges Parfum nicht auffiele. Natürlich habe ich es gerochen. Es hat sich mir förmlich aufgedrängt, als er zur Türe herein trat, so penetrant ist Ihr süßer Geruch und ich musste Melinda bitten, den Flur und das Schlafzimmer zweimal mit Lavendel-Wasser aus zu waschen. Das in Mitleidenschaft gezogene Jacket musste die Arme in die Reinigung bringen, als ob sie an dem Tag nicht schon genug Aufgaben zu erledigen hatte.

Selbstverständlich war ich in der Nacht, in der sich Ihr Duft in mein Innerstes drängte, in der Garage. Mich Ihrer Unreinheit auszusetzen, dazu bin ich nicht bereit und dann habe ich das Navigationssystem studiert, habe die zuletzt angegebene Adresse ausfindig gemacht. Der Rest war ein Kinderspiel und glauben Sie mir, wenn Ihre Tätigkeit an der Kasse zusätzlich mit Trinkgeld honoriert würde, sie gingen immer leer aus. Aber bald Frau Bürger, können Sie sich ein besseres Nagelstudio leisten. Denn ich fordere Sie auf, die Liaison mit meinem Mann zu beenden. Dafür werde ich Ihnen einen Betrag von 1.000,- Euro in die Filiale an der Weserstraße bringen lassen. In Anbetracht Ihrer Lage sollte das ausreichen.

Hochachtungsvoll, Béatrice Schwerter


2. Brief, 14. Mai 2015
An Frau Béatrice Schwerter

Hallo Béatrice,

den ledzden Brief hab ich in der Schule bekommen. Wenn man das Vergleichen kann, der kam nämlich nich mit der Post, sondern wurde unter den Tischen durch gereicht. Immer so Kästchen zum Ankreuzen. Willste mit mir gehen, ja, nein, vielleicht.

Du hast eine sehr schöne Handschrift. Hätt ich bei dem, was Anton so von Dir erzählt, gar nich erwartet. Ich bin überrascht. Dein Angebot aber muss ich ausschlagen. Anton is toll und das er jedzd öfters bei mir ist. Bea, seinen wir ehrlich zueinander, das liegt wohl auch an Dir. Anton hat mir nähmlich von Deinem Tick erzählt.

Aber mach Dir keine Sorgen, ich kümmer mich gut um ihn.

Küsschen, Annabelle


3. Brief, 18. Mai 2015
An Frau Annabelle Bürger

Auch wenn mir der Brief missfällt, muss ich Ihnen schreiben. Dass Sie sich über meinen Brief freuen, kann ich nur als schlechten Scherz verstehen. Wir sind keine Freundinnen. Sie sind der Schandfleck in meinem Leben und ich fordere Sie noch einmal vehement dazu auf, meiner Bitte nach zu kommen.

Mit welcher maßlosen Unverschämtheit Sie mir vorwerfen, ich sei an der Situation schuld. Anton wusste von Anfang an von meiner Zwangsstörung, sein Arzt hat sie bestätigt und in den letzten Jahren hat mich mein Anton auch immer unterstützt und es war bislang kein Problem. Bis Sie daher kommen und sich einfach penetrieren lassen. Sie sind der Schandfleck, der sich meinem Leben aufzwängt und ich will, dass Sie sich entfernen. Löschen Sie meinen Mann aus ihrem Gedächtnis, ansonsten sehe ich mich dazu gezwungen, zu anderen Mitteln zu greifen.

Hochachtungsvoll, Béatrice Schwerter


4. Brief, 25. Mai 2015
An Frau Béatrice Bürger

Hallo Bea,

das wird ja ein Spas. Ich hab mich richtig gefreut über Deine Zeilen und auch gleich meine Freundin angerufen und ihr dem Brief vorgelesen. Sie kam mit einer Flasche Hugo vorbei und wir hatten einen tollen Abend. Also danke für deinen zweiten Brief, das ist wirklich was ganz anderes als so eine WhatsApp. So richtig greifbar, das ist toll!

Küsschen, Annabelle

p.s.: Anton war gestern da, ihm habe ich natürlich nichts von den Briefen erzählt. Das bleibt unser Geheimnis unter Schwestern sozusagen.


5. Brief, 1. Juni 2015
An das Bürgerhospital
Für Frau Bürger
Hospitzstraße 110


Liebe Annabelle,

gestern habe ich von Deinem Unfall erfahren. Das ist ja furchtbar, wer macht nur so etwas? Mitten in der Nacht, dann abhauen, Dich einfach so liegen lassen. Sei froh, dass Du gefunden wurdest.
Bei so einem langen Krankheitsausfall wirst Du bestimmt gekündigt und die Abfindung kannst Du jetzt auch vergessen. Aber ich hoffe, dass Du bald wieder auf Deine hübschen Beine kommst. Es ist doch alles in Ordnung mit Deinen Beinen? Fahrerflucht. Das ist so ein schlimmes Vergehen. Werde bald wieder gesund.

Beste Grüße, Deine Béatrice

 

Die Damen, die Herren,

wenn der Versuch, eine Geschichte in Briefen zu schreiben für die Sparte "Experimente" zu unspektakulär ist, dann bitte in die Rubrik "Kurzgeschichten" verschieben.

Dank und Gruß,

Nina

 
Zuletzt bearbeitet:

Netter Versuch, Nina, das schon. Auch wenn ich beim besten Willen nichts Experimentelles im Sinne der Rubrik darin erkennen kann. Immerhin ist z.B. der Briefroman eine seit Jahrhunderten gebräuchliche literarische Gattung, derer sich schon unzählige Dichter - von Goethe über Böll bis Auster - angenommen haben.

Im Grunde erzählst du eine herkömmliche Geschichte. Ob die gewählte Form dafür die beste ist, sei mal dahingestellt. Immerhin schaffst du es aber - trotz der Kürze - den Figuren so was wie einen Charakter zu verleihen, obwohl man sich als Leser natürlich viel selbst zusammenreimen muss.
Ein Vorteil der Briefform ist natürlich, dass ich mir (als Kritiker) weder um die Rechtschreibung noch um den Stil den Kopf zerbrechen brauche. Fiktiven Figuren kann ich ja nicht gut sagen, also bitteschön, die Wortwahl da, die Formulierung dort usw.

Und der letzte Brief, diese Vorladung zur Einvernahme, also ich weiß nicht recht, ob du dir damit nicht die Pointe kaputtmachst, sie sozusagen mit dem Holzhammer erschlägst. Der letzte Brief der betrogenen Ehefrau erklärt doch eh schon alles.

Also wenn du da noch ein wenig Arbeit reinsteckst, vielleicht ein paar Briefe mehr, ein bisschen mehr hin und her, könnte das eine ganz witzige Geschichte werden. Momentan ist sie mir noch ein bisschen zu dürftig.


offshore

 

Guten Morgen ernst offshore,

wie Du siehst, habe ich den letzten Brief (Vorladung zum Verhör, wg. Ermittlungsverfahren d.d. StA) raus genommen und frage mich, warum ich mir so einen abgekrampft habe, den rein zu schreiben, ich kann mir nämlich nur schwer vorstellen, dass man beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht gleich abgeholt wird. Nun gut, danke für den Hinweis. So gefällt es mir besser.

Den Vorschlag, weitere Briefe mit rein zu nehmen und ein hin und her zu erzeugen, überdenke ich.

Dank und Gruß,

Nina

 

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