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Copywrite Resurrectio

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01.01.2010
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Resurrectio

»- Schmerzen?«
Robert wendet den Kopf vom Fenster ab. »Bitte was?«
»Ich habe gefragt, ob Sie Schmerzen haben.« Pater Laske lächelt, vielleicht, um Trost zu spenden. Er hat die Leselampe über sich eingeschaltet, im grellen Schein wirkt seine Haut blasser. »Sie haben gestöhnt.«
Robert blickt wieder aus dem Fenster. Regentropfen verwässern die Sicht, er sieht Lichter in der Dunkelheit, die Umrisse einer Tragfläche.
»Nein«, antwortet er. »Momentan nicht. Aber ich fliege nicht gern.« Er weiß, es wird sein letzter Flug sein.
»Ich kenne das«, sagt der Pater. »Ich hatte früher schreckliche Flugangst. Heute macht es mir nichts mehr aus.«
»Ach ja? Was haben Sie dagegen getan?«
»Ich habe Bücher über das Fliegen gelesen. Gelernt, wie es funktioniert. Warum das Flugzeug oben bleibt. Ich meine - ist das nicht erstaunlich? Beinahe hundert Tonnen Gewicht, zwanzigtausend Liter Kerosin in den Tanks, und bei dreihundert Stundenkilometer hebt es ab. Als ich verstanden habe, warum das so ist, hatte ich keine Angst mehr.«
Robert sagt nichts. Die Wissenschaft hat in den vergangenen zwanzig Jahren Entwicklungen hervorgebracht, gegen die ein Flugzeug wirkt wie das Spielzeug eines Vierjährigen.
»Was ist? Haben Sie gedacht, ich hätte meine Angst durch Beten wegbekommen?«
»Nein. Nein, das nicht.« Schon bei der ersten Begegnung mit Pater Laske hat er bemerkt, dass sich der schmächtige Mann für den Fortschritt interessiert. Mehr, als Robert einem Mann der Kirche zugetraut hätte. »Ich dachte nur -« Robert beendet den Satz nicht. Das passiert ihm oft in diesen Tagen.
»Herr Bachmann, machen Sie sich keine Sorgen.« Pater Laske greift nach seiner Hand; sie fühlt sich kalt an. »Es ist normal, dass Sie Angst haben. Aber Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Das Purgatorium ist kein Ort, den man fürchten muss. Im Gegenteil, es garantiert, dass Ihre Seele in den Himmel aufgenommen und nicht verstoßen wird. Dass Sie auferstehen.«
»Ja, ja.« Robert ist genervt. Er hat bereits unterschrieben, Laske kann sich die Werbung sparen. Robert hat keine Angst vor dem Purgatorium, der Hölle oder irgendeinem anderen Ort im Jenseits. Ihn plagen irdische Sorgen: Schmerzen, die Aussicht auf das Hospiz. Das Sterben. Es wird kontrolliert ablaufen, aber macht es das einfacher? Er denkt an die letzten Momente; an den Arzt mit der Spritze, an seine beiden Töchter am Bett. Wird er ihre Hände halten, ihnen in die Augen sehen? Was spürt er, wenn die Spritze angesetzt wird? Wie soll er das Ausmaß dieses Augenblicks ertragen?
Der Schemen des Flughafengebäudes zieht an ihm vorbei. Er versucht, die leuchtenden Buchstaben zu entziffern; sie verschwimmen im Regen. Er hat das Gefühl, etwas sagen zu müssen. »Ich freue mich darauf, meine Töchter wieder zu treffen«, sagt er, weil ihm nichts anderes einfällt. Und weil es wahr ist.
»Das glaube ich«, sagt der Pater. »Ich freue mich darauf, Ihre ältere Tochter kennenzulernen. Agnes - nicht wahr?«
Robert nickt. Auf dem Monitor über ihm laufen Sicherheitsanweisungen.
Bei den bisherigen Treffen mit Laske war nur Sophie dabei. Agnes meidet alles, was auch nur entfernt mit der Kirche zu tun hat.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, wiederholt Laske. »Sie haben die richtige Entscheidung getroffen.«
Robert denkt an Agnes. Ob er sie nochmal sieht? Bestimmt taucht sie nicht im Sankt-Katharinen-Hospiz auf, und er wird ohne sie sterben. Er fühlt sich verlassen, und während das Flugzeug in Richtung Startbahn rollt, kommt es ihm vor, als sei er der einzige Mensch darin.

»Was sehen Sie hier?« Laske hielt ihm seine ausgestreckte Hand entgegen.
Robert überlegte, ob der Pater ihn veralbern wollte. Er blickte zu Sophie, doch die starrte auf Laskes Hand.
»Nun - Ihre Hand?«
Der Pater lächelte geduldig, als habe er mit einer falschen Antwort gerechnet und sei nicht enttäuscht worden. »Und warum sehen Sie meine Hand?«
Robert rutschte auf seinem Stuhl herum. Er hatte sich das Gespräch in Laskes Büro anders vorgestellt und mit Fragen zu seinem Glauben gerechnet. Hatte überlegt, ob der Pater seine Überzeugungen und Motive prüfen wolle.
»Also - wie meinen Sie, warum ich sie sehe? Weil sie da ist?«
Laske zog die Hand zurück. »Im Grunde sehen unsere Augen nichts. Sie lassen lediglich reflektierte Lichtwellen einfallen, die auf der Netzhaut in Impulse umgewandelt werden. Das eigentliche Bild entsteht im Gehirn.«
Der Pater machte eine Pause. Er wirkte winzig hinter seinem Schreibtisch. Über ihm hing ein Gemälde, das drei Frauen zeigte, die in einem Flammenmeer standen und flehentlich die Hände zum Gebet erhoben.
»Worauf ich hinauswill - die Lichtwellen erzeugen elektrische Impulse im Gehirn, die dazu führen, dass Sie eine Hand wahrnehmen. Sagen wir, es gäbe ein unsichtbares Feld zwischen meiner Hand und Ihren Augen, welches die Lichtwellen verändert - Sie würden etwas ganz anderes sehen. Andere Formen, andere Farben. Aber es wäre immer noch meine Hand, die ich Ihnen entgegenhalte, oder?«
Robert sagte nichts.
»Und das führt uns zur Frage, was wir eigentlich unter der Wirklichkeit verstehen. Ist sie die Summe unserer Wahrnehmungen? Falls ja, ist sie manipulierbar. Und falls nein - falls die Wirklichkeit unsere Wahrnehmung übersteigt - wie können wir sie dann erfahren? Und das führt uns in ein Dilemma.«
Robert verstand nun, worauf der Pater hinauswollte. Es waren Fragen, die mit Beginn des Simulierten Bewusstseins vor zwanzig Jahren aufgekommen waren. Wie jede tiefgreifende technologische Veränderung in der Geschichte der Menschheit hatte sie nicht nur zu wissenschaftlichen, sondern auch zu gesellschaftlichen und philosophischen Fragen geführt.
»Alles, was wir sehen, was wir fühlen, was wir denken - kurz, all das, was wir sind - lässt sich auf Impulse in unserem Gehirn zurückführen. Das Simulierte Bewusstsein macht sich genau diesen Umstand zunutze. Es erzeugt künstlich hervorgerufene Impulse, die zu beliebigen Wahrnehmungen führen können. Aber macht sie das weniger real?«
Robert hatte sich nie mit derartigen Fragestellungen beschäftigt. Er fand sie mühsam. Überhaupt hatte er sich nie für das Simulierte Bewusstsein interessiert, bis er vor drei Monaten die Diagnose bekommen hatte. Dann war ihm auch das Angebot der katholischen Kirche wieder eingefallen.
»Ist das für die Kirche nicht eine ziemlich rationale Sicht auf die Dinge?«, fragte Sophie. »Wir sind nicht mehr als irgendwelche Impulse, die wir noch nicht einmal selbstständig steuern können?«
Pater Laske hob die Hände. »Moment, nicht so voreilig. Das ist die Sicht der Wissenschaft. Selbstverständlich geht die Kirche weiter, denn wie wir wissen, besitzt der Mensch eine Seele. Und genau um sie geht es, wenn wir vom Purgatorium sprechen.«
Er lächelte. Robert griff nach Sophies Hand. Er war froh, dass sie ihn begleitete. Agnes hatte er sich nicht zu fragen getraut.
»Pater, wie wird das genau ablaufen?«
»Was wissen Sie über das Purgatorium?«
»Es ist das Fegefeuer. Seelen landen dort, bevor sie in den Himmel kommen.«
»Nun, wir nennen es nicht Fegefeuer. Das klingt so altertümlich. Es ist ein Zustand der Läuterung. Die Seele muss von ihren Sünden gereinigt werden, bevor sie in Gottes Gnaden auferstehen kann. Wir machen uns dabei die Technik des Simulierten Bewusstseins zunutze. Heutzutage kann man beinahe alles simulieren. Ferne Länder, vergangene Zeiten. Sie kennen die Angebote. Es gibt Menschen, die den Großteil ihrer Zeit in einer Simulierten Welt verbringen. Und wir simulieren das Purgatorium. Wie Sie wissen, ist es seit dem Dritten Vatikanischen Konzil unser achtes Sakrament. Es garantiert, dass Ihre Seele noch vor dem Tod geläutert wird und so direkt in den Himmel fährt.« Pater Laske beugte sich vor. »Mit anderen Worten, wir verhindern, dass sie in die Hölle kommt. Vielleicht würde sie das auch ohne unser Angebot nicht. Aber durch unser Angebot bekommen Sie Gewissheit.«
Fegefeuer, Hölle. Eigentlich glaubte Robert nicht an diese Dinge, aber was, wenn er sich täuschte? Schließlich hatte er auch mal geglaubt, gemeinsam mit seiner Frau alt zu werden.
Nun war seine Frau seit zwei Jahren tot, und er selbst würde das sechzigste Lebensjahr ebenfalls nicht erreichen.
»Wie sieht das aus?«, fragte Sophie. »Was simulieren Sie genau?«
»Das sagen wir nicht. Wir können es nicht sagen, selbst wenn wir es wollten. Das Purgatorium ist die einzige Simulierte Welt, aus der noch keiner zurückgekehrt ist. Wir lassen das nicht zu. Es gibt nur einen Ausweg, und der führt nicht zurück in das irdische Leben.«
Die Stille im Raum war bedrückend. Robert blätterte durch den Prospekt auf seinem Schoß. Im Grunde stand da dasselbe, unterlegt mit Bildern aus dem Hospiz. Ein blühender Garten. Geräumige Zimmer mit frisch bezogenen weißen Betten. Selbst das Jenseits - der »Himmel« - war abgebildet - ein gelber, scheinender Kreis vor blauem Hintergrund; wie die Sonne an einem Tag im Frühling.
»Aber man wird Schmerzen fühlen?«
»Nun, wir sind da ganz offen. Natürlich wird der Aufenthalt mit Qualen verbunden sein. Aber auch mit Hoffnung. Die Armen Seelen spüren die Liebe Gottes, empfinden sich ihrer aber nicht als würdig.«
Robert zeigte auf das Bild über Laske. »Ich finde nicht, dass die Frauen hoffnungsvoll aussehen.«
Er wusste, das Simulierte Bewusstsein konnte jede Empfindung vortäuschen, jede Art von Schmerz beliebig lange ausdehnen. Der Körper blieb dabei unversehrt unter Narkose.
Pater Laske schien seine Gedanken zu lesen. »Herr Bachmann, machen Sie sich keine Sorgen. Bedenken Sie, das Purgatorium ist der einzige Weg in die Auferstehung. Ganz gleich, was Sie dort wahrnehmen - die Alternative ist tausendmal schrecklicher.«

Das Flugzeug startet. Einhundert Tonnen erheben sich in die Dunkelheit, den Regenwolken entgegen. Roberts Hände sind feucht.
Im Geiste geht er den Ablauf der nächsten Wochen durch. Den Aufenthalt im Hospiz. Sie werden den Tag seines Ablebens frühzeitig festlegen. Dann die Spritze, die ihn narkotisieren und auf seinen ersten Aufenthalt in einer Simulierten Welt vorbereiten wird.
»Sie haben noch nie jemanden zurückgeholt?«, fragt er.
»Zurückgeholt?«
»Ja. Sie haben gesagt, Sie wissen nicht, wie das Purgatorium aussieht, weil Sie noch nie jemanden aus der Narkose zurückgeholt haben.«
Laske nickt. »Ja. Die Entscheidung ist endgültig. Aber selbst wenn -« Er zögert.
»Selbst wenn?«
»Selbst wenn wir jemanden zurückholen, wir würden kein genaues Bild bekommen. Das Purgatorium ist keine exakt definierte Umgebung. Die Leiden der Armen Seelen sind verschieden und hängen mit ihren Sünden zusammen. Das bilden wir nach. Wir scannen die Erinnerungen nach Sünden, und basierend darauf erzeugen wir unterschiedliche Wahrnehmungen. Es ist kompliziert.«
Das Flugzeug ruckelt; Robert spürt seinen Herzschlag im Augenlid.
»Letzten Endes«, fährt Pater Laske fort, »geben wir äußere Wahrnehmungen vor. Das Purgatorium unterscheidet sich da nicht von einer anderen Simulierten Welt. Sie können immer noch eigenständig denken, haben weiterhin einen freien Willen. Es bleibt Ihnen überlassen, wie Sie sich verhalten.«
Robert wünscht sich, Laske würde weitersprechen; das Gespräch lenkt ihn ab.
Drei Tage Narkose. Drei Tage Läuterung. Dann würde man ihn für immer einschlafen lassen.
»Warum drei Tage?«
»Bitte?«
»Warum ist man ausgerechnet drei Tage im Purgatorium?«
»Weil dies die Zeit ist, die Jesus im Totenreich verbracht hat, bevor er auferstanden ist.«
Robert kennt die Begründung, ebenso die Antwort der Kritiker. Papst Pius XIII. legte im Dritten Vatikanischen Konzil diese Zeit als ausreichend fest, um von den Sünden geläutert zu werden. Die Kritiker sagen, bei einer Dauer länger als drei Tage würde sich keiner dem Sakrament unterziehen. Die empfundene Zeit in einer Simulierten Welt entspricht immer der Echtzeit.
Er spürt weitere Erschütterungen, sieht unten kein Licht mehr. Sie müssen in die Wolken geflogen sein.
Robert fragt sich, ob er die richtige Wahl getroffen hat. Hör auf dein Herz, hat Sophie gesagt. Im Gegensatz zu Agnes, die etwas ganz anderes sagte.

»Wie kannst du nur so bescheuert sein?«
Sie griff nach dem Prospekt. »Das Purgatorium? Das kann unmöglich dein Ernst sein.«
Robert saß mit Sophie beim Essen, als Agnes hinzukam. Er hatte sie für heute Abend nicht erwartet.
»Ich spiele mit dem Gedanken«, antwortete er. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Wie kannst du überhaupt nur darüber nachdenken? Du hast nie was mit der Kirche zu tun gehabt, und jetzt willst du - jetzt willst du dich darauf einlassen?« Ihre Wangen waren gerötet, wie jedes Mal, wenn sie sich über etwas aufregte. Was oft vorkam. Sie war schon immer impulsiver gewesen als Sophie.
Robert holte Luft, überlegte, wie er es erklären sollte. Die Diagnose, keine sechs Monate mehr zu leben, zwang einen, die Dinge zu überdenken. Die Perspektive verschob sich. Aber Agnes würde das nicht verstehen. Sie war nicht nur Atheistin, sondern gleichzeitig eine der größten Kritikerinnen des Simulierten Bewusstseins. Darüber führte sie einen Blog im Internet, den jede Woche tausende von Menschen lasen.
»Ich weiß es noch nicht«, wiederholte er. »Wir waren dort nur zu einem ersten Beratungsgespräch, und jetzt -«
»Wir?« Agnes blickte zu Sophie. »Du hast ihn begleitet?«
Sophie nickte. »Herrje, Agnes. Es ist seine Entscheidung. Außerdem schadet es ja nicht, sich zu informieren, oder?«
Agnes setzte sich, stützte die Handflächen auf den Tisch. Diese Pose hatte sie schon als Kind eingenommen, wenn sie sich über eine Ungerechtigkeit in der Schule aufgeregt hatte. »Jetzt hör mal zu. Du darfst dich da auf keinen Fall drauf einlassen.«
Robert hatte keine Lust auf diese Diskussion. Er hatte an diesem Abend keine Schmerzen, wollte die Zeit nicht mit Streitereien verschwenden. »Agnes, lass doch -«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt nicht, was sie mit dir machen, das ist der Punkt. Du bist unter Narkose und ihnen völlig ausgeliefert. Du überlässt ihnen dein Bewusstsein, die totale Kontrolle. Ausgerechnet du. Du setzt dich noch nicht einmal in ein Flugzeug, weil du das nicht selber kontrollieren kannst.«
Robert nickte. »Ich weiß. Trotzdem -« Er beendete den Satz nicht.
»Es sind nur drei Tage«, sagte Sophie.
»Drei Tage? Weißt du, wie lang drei Tage sei können? Das Simulierte Bewusstsein wurde von der CIA als Folterinstrument eingesetzt. Sie haben die Opfer nur wenige Stunden betäubt, und die sind immerhin wieder aufgeweckt worden. Aber weißt du, in welchem Zustand die waren?«
»Das sind doch alles nur Spekulationen, die nie -«
Agnes hob die Hand. »Denk doch, was du willst. Es gibt glaubhafte Berichte. Aus dem Fegefeuer ist noch keiner zurückgekehrt. Die Kirche gibt keine Auskunft darüber, was sie dir vorspielen. Sie können alles Mögliche mit dir machen.« Agnes lehnte sich zurück. »Wenn Mama noch hier wäre, würde sie dir das ausreden. Sie würde das niemals zulassen.«
Robert bemerkte Tränen in ihren Augen. Das überraschte ihn. Selbst bei der Beerdigung ihrer Mutter vor zwei Jahren hatte Agnes kaum geweint. »Lass deine Mutter aus dem Spiel«, sagte er. »Sie hat damit nichts zu tun.«
»Ach ja?« Agnes blickte ihn an. »Bist du dir da so sicher?«
Niemand antwortete. Agnes stand auf. Sie nahm den Prospekt in die Hand. »Das Purgatorium - Ihr Weg in den Himmel«, las sie. »Wisst ihr, warum sie es Purgatorium nennen? Weil das harmloser klingt als Fegefeuer. Das ist doch alles Marketing. In Wirklichkeit ist es eine Qual. Sie lassen dich leiden, grundlos, und dann töten sie dich.«
Agnes zerknüllte den Prospekt.
»Moderner Ablasshandel ist das, nichts anderes. Das machen sie seit zweitausend Jahren. Verhalte dich so und so, und du kommst in den Himmel. Bezahle das und das, und du kommst in den Himmel. Jetzt sind sie eben im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen und sagen, geh in unser Fegefeuer, und du kommst in den Himmel. Es ist immer dasselbe. Blickt ihr das nicht? Das sind dieselben Versprechungen.«
Robert wünschte sich, ihm wäre dieses Gespräch erspart geblieben. Er hatte keine Argumente, es war sinnlos. Was hätte er sagen sollen? Dass es wichtig war, etwas versprochen zu bekommen? Dass ihm die Kirche das gab, was zuletzt so sehr fehlte: Hoffnung? Wie hätte Agnes das verstehen können?
Sie blickte ihn lange an. »Sie versprechen viel«, sagte sie. »Aber sie lügen.«

Sie sind jetzt über den Wolken. Robert sieht das Leuchten der Sterne, kalt und einsam; damit kommt es seiner Gefühlslage nahe.
»Ich war noch nie in einer Simulierten Welt«, sagt er. Er verspürt das Bedürfnis, zu reden. »Wie ist das mit Ihnen?«
Laske sieht in an. »Ja. Hin und wieder. Es entspannt mich.«
»Und wohin reisen Sie dann?«
»Meist auf den Bauernhof, in dem ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht habe. Ich bin dann wieder ein kleiner Junge und helfe meinem Großvater bei der Arbeit. Es sind schöne Erinnerungen.«
Der Flug wird ruhiger. Mit einem Klingen erlöschen die Anschnallzeichen. Für einen Augenblick ist Robert beunruhigt, aber das Gefühl verschwindet. Er schiebt es auf die Flugangst.
»Mit welchen Sünden werde ich im Purgatorium konfrontiert? Mit allen?«, fragt er.
»Nun, zumindest mit den Großen. Neid. Habgier. Den Verstoß gegen eines der Zehn Gebote.«
»Auch wenn ich sie vor dem Tod beichte?«
Der Pater nickt. »Ja. Nur die Heiligen entgehen dem Fegefeuer. Alle anderen sind nicht frei von ihren Sündenstrafen. Daher müssen sie vor der Auferstehung die Reinigung durchlaufen.«
»Aber -« Wieder hat Robert das Gefühl, etwas bemerken zu müssen. Es entgleitet ihm. »Wie groß werden die Schmerzen sein?«
Pater Laske lächelt, vielleicht, um ihn aufzumuntern. »Keine Sorge, wir schicken Sie nicht drei Tage in ein Feuer. Das wäre durchaus möglich. Drei Tage heiße Glut auf dem Körper zu spüren entspricht vielleicht einer alten Vorstellung des Fegefeuers, aber es hat nichts mit dem Prozess der Läuterung zu tun. Geläutert werden kann nur, wer seine Sünden bereut. Und deshalb müssen wir die Armen Seelen damit konfrontieren.«
Jetzt endlich erkennt Robert, was nicht stimmt. Sein Magen zieht sich zusammen.
»Ein paar Dinge wissen wir dann doch über unsere Simulation«, fährt Laske fort. »Wir wissen, dass die Armen Seelen einen Ort wahrnehmen, den sie zu Lebzeiten gemieden haben. Jemand, der Angst vor der Dunkelheit hatte, findet sich vielleicht in einer Höhle wieder. Jemand, der unter Klaustrophobie litt, sieht sich plötzlich in einer engen Kiste. Vielleicht einem Sarg. Und dann beginnt die Konfrontation mit den Sünden. Wissen Sie, was Thomas von Aquin über das Fegefeuer sagte?«
Robert schüttelt den Kopf. Er hat den Eindruck, draußen weniger Sterne zu sehen. Als würden sie verlöschen.
»Er sagte: Die geringste Strafe im Fegefeuer ist schlimmer als das größte Leid auf Erden.«
Robert spürt, wie sich die Haut an seinem Nacken spannt. »Ich dachte, Sie nennen es nicht Fegefeuer.«
»Normalerweise nicht.«
»Und warum nennen Sie es jetzt so?«
Der Pater beantwortet die Frage nicht. »Eine weitere Eigenschaft einer Simulierten Welt ist, dass man sich direkt darin befindet. Wie in einem Traum. Man hat keine Ahnung, wie man hineingelangte, keine Erinnerung an den Moment davor. Aber man akzeptiert das, egal, wie außergewöhnlich die Szene ist. Selbst wenn man plötzlich an einem Ort ist, den man normalerweise meidet.«
»Das würde mir nicht passieren«, sagt Robert.
Laskes Mund verzieht sich. Es ist kein Lächeln mehr; er will keinen Trost spenden, will nicht mehr aufmuntern. »Ach wirklich?«, sagt er.

»Ich weiß, warum du das tust«, sagte Agnes.
Es war tief in der Nacht, die alte Standuhr hatte bereits zwei Uhr geschlagen. Er saß auf dem Sofa, vor sich ein Glas Wein. Seit Stunden hatte er es nicht angerührt.
»Du wolltest immer alles kontrollieren. Erinnerst du dich, wie du mich und Sophie zur Schule gefahren hast? Und wie du mir verboten hast, Skateboard zu fahren, als ich zwölf war? Weil es zu gefährlich ist, hast du gesagt. Und als ich sechzehn war, wolltest du ständig wissen, wo ich bin. Und um spätestens zehn bist du dann dahin gefahren und hast mich abgeholt. Weißt du das noch?«
Robert sagte nichts. Er lauschte in seinen Körper, fragte sich, ob er in dieser Stille den Krebs hören könnte. Wie es wohl klang, dieses Geräusch, wenn der eigene Körper zerfressen wird?
»Ständig wolltest du alles wissen. Hast unsere Ferien akribisch geplant. Weißt du das noch? Alles Monate im Voraus, die Ausflüge, in welche Restaurants wir gehen, wann wir wo sind. Du hast nichts dem Zufall überlassen.«
Robert nickte langsam. Er erinnerte sich. Und auch daran, wie oft er mit Martina deswegen gestritten hatte.
»Aber du hast nie kapiert, dass es umsonst war. Dein ganzer Kontrollwahn. Hat alles nix gebracht. Schlimme Dinge können auch vor zehn Uhr abends passieren, und ein Urlaub kann auch scheiße werden, wenn man jeden Abend reservierte Plätze hat. In den meisten Fällen ist Kontrolle nichts als eine Illusion. Wenn du denkst, deine Tochter vor Verletzungen oder ungewollten Schwangerschaften schützen zu können, ist das eine Illusion. Beides wird nämlich passieren, wenn sie nicht vorsichtig ist. Da kannst du gar nichts machen.«
Robert vermied es, Agnes anzusehen. Einen Moment glaubte er, die Vibration ihrer Stimme würde seinen Wein zum Kräuseln bringen.
»Aber jetzt - ausgerechnet jetzt, wenn es an der Zeit wäre, die Kontrolle zu behalten - weil es diesmal eben keine Illusion ist - ausgerechnet jetzt willst du sie abgeben. Wenn du die aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen willst, geh doch um alles in der Welt zu einem privaten Anbieter statt zur Kirche. Die machen es, ohne dich drei Tage in die Hölle zu schicken.«
»Es ist nicht die Hölle«, sagte er, so, als wüsste er Bescheid. So, als würde es eine Rolle spielen.
»Ausgerechnet jetzt willst du die Kontrolle abgeben. Warum? Weil du denkst, du hast sie schon verloren?«
Robert schwieg. Bis auf das Ticken der Standuhr war nichts zu hören.
Kontrolle, dachte er. Was wusste sie schon? Er erinnerte sich an den grauen Wintermorgen vor zwei Jahren, als er Martina erzählt hatte, er müsse den ganzen Samstag arbeiten. Produktivsetzung, hatte er gesagt. Die brauchen mich dort. Das war nicht einmal gelogen, nur ging alles schneller, und als er am frühen Nachmittag fertig war, schrieb er die Nachricht: Hab bis heute Abend Zeit. Ich komm noch vorbei. Rasier dir schon mal die Möse, damit ich sie besser lecken kann. Corinna mochte es derb, und Robert genoss das. Er merkte eine halbe Sekunde zu spät, dass die Nachricht an Martina ging. Wenn es irgendwann eine Hölle in seinem Leben gegeben hatte, dann war es dieser Augenblick: Als er merkte, dass er etwas unwiderruflich zerstört hatte; als der Moment so frisch war, dass er meinte, er müsse nur die Hand ausstrecken und könne ihn ungeschehen machen.
Als die Häkchen von Grau auf Blau wechselten, wusste er, dass sie die Nachricht gelesen hatte. Er rief sie an, sie klickte ihn weg. Er rief nochmal an und hörte die Mailbox. Er setzte sich in sein Auto, es schneite, er fuhr nach Hause. Er überlegte sich Ausreden: Die Kollegen haben sich einen Scherz erlaubt. Oder: Das ist ein Virus, der macht das von alleine. Oder: Ich wollte mal schauen, ob du auf sowas stehst. Aber im Grunde wusste er, dass nichts mehr sein würde wie zuvor. Wie bei einer zerbrochenen Vase - man konnte sie vielleicht kleben, aber den Riss würde man ewig sehen.
Als er nach Hause kam, nass vom Schnee und dampfend vom warmen Auto, war sie weg. Er rief sie wieder und wieder an. Siebzehn Mal, bis die Polizei am Spätnachmittag klingelte, und erst drei Stunden später sah er sie im Krankenhaus wieder, als er sie identifizieren musste.
Hatte sie auf das Handy geschaut und war deshalb von der Straße abgekommen?
War sie so wütend gewesen, dass sie die Kontrolle verloren hatte?
Oder -
Aber nein. Das durfte er nicht denken.
»Dein eigenes Sterben«, sagte Agnes, »das kannst du heute kontrollieren. Glücklicherweise. Wenn du es in die Hand der Kirche legst, geht das nicht mehr.«
Erst jetzt blickte er sie an.
»Tu es nicht. Bitte.«
Sie dachte immer noch, er hätte eine Wahl.

Er hätte es nach dem Erlöschen der Anschnallzeichen merken müssen. Sein letzter Flug ist lange her, aber er erinnert sich, dass danach immer zahlreiche Gurte klackern, weil die Leute denken, man müsse sich abschnallen.
Diesmal nicht.
Von welchem Flughafen sind sie abgeflogen? Da war das Gebäude, ein grauer Betonblock in der Dunkelheit; die Schrift war verschwommen.
Warum um alles in der Welt sitzen sie in diesem Flugzeug?
Er dreht sich zum Pater, doch der ist verschwunden. Robert sitzt alleine, die Plätze neben ihm und in der Reihe gegenüber sind frei. Draußen ist es stockdunkel.
Vielleicht ein Traum. Vielleicht wache ich jeden Moment auf.
Wieder hat er das Bild von dem Arzt im Kopf, der mit einer Spritze vor ihm steht. Seine Töchter, die am Bett sitzen. Was ist das? Eine Erinnerung?
In diesem Augenblick gehen die Lichter im Flugzeug aus. Die Notbeleuchtung auf dem Boden taucht die Kabine in ein schummriges Licht.
Robert schiebt sich über die freien Plätze auf den Gang. Das Geräusch der Turbinen lässt den Boden vibrieren. Als er sich aufrichtet, sieht er, dass alle Sitze frei sind. Er ist allein in diesem Flugzeug. Aber irgendjemand muss es fliegen.
Langsam schreitet er durch den Kabinengang nach vorne in Richtung Cockpit. Es ruckelt nicht mehr. Er streicht mit den Händen über die Sitze, spürt das kalte Leder. Die Luft ist trocken, und Robert ist erstaunt, wie realistisch die künstliche Wahrnehmung in seinem Gehirn wirkt.
Es ist so real wie alles, was du jemals erlebt hast. Es sind nur elektrische Impulse zwischen Neuronen. Egal, ob du sterile Luft einatmest oder deine tote Frau identifizierst. Nur Neuronen, Impulse und Synapsen. Mehr ist es nicht, mehr war es nie, und mehr wird es nie sein.
Er schiebt den Vorhang zur Seite, der die Economy- von der ersten Klasse trennt. Der Gang ist schwach beleuchtet, und an dessen Ende kann er die geschlossene Tür des Cockpits sehen. Er geht darauf zu.
Immerhin war Agnes dabei. Sie ist ins Hospiz gekommen und hat meine Hand gehalten, als ich betäubt wurde. Wenigstens das ist ein Trost. Es sei denn, auch diese Wahrnehmung ist künstlich. Wer weiß das schon? Vielleicht ist seine Frau nie gestorben, vielleicht ist auch diese Erinnerung in einem Computer entstanden und über Elektroden in sein Gehirn gewandert.
Vielleicht haben seine Frau und seine Töchter nie existiert.
Vielleicht hat er nie existiert.
Wenn wir nur Impulse sind, was bleibt dann, wenn sie erlöschen?
Er steht jetzt vor dem Cockpit. Die Tür ist verschlossen, er klopft dagegen; keiner öffnet. Er klopft lauter. Mein Purgatorium, denkt er. Mein Weg in die Auferstehung.
Als er ein Geräusch hinter sich hört, dreht er sich um.
In der Kabine steht eine Gestalt, schwarz wie ein Schatten. Robert kann ihr Gesicht nicht erkennen, doch er ahnt, wer sie ist.
»Martina«, sagt er.
Sie rührt sich nicht.
»Martina«, wiederholt er. Er geht einen Schritt auf sie zu.
Und dann plötzlich sieht er sie, sieht all die Personen, die mit ihm an Bord dieses Flugzeugs sind: Sie kauern in ihren Sitzen und starren mit ausdruckslosen Gesichtern ins Leere; er kennt kein einziges davon. Die Münder stehen auf, weiße Haut spannt sich über Wangenknochen, und mit Entsetzen erkennt Robert, dass sie alle tot sind.
Er ist in einem Flugzeug voller Leichen.
»Martina?«, fragt er. Seine Stimme zittert. »Bist du es? Bitte, sag doch was. Sag mir, was damals im Winter passiert ist. Erinnerst du dich? Als du meine Nachricht bekommen hast. Sag mir, ob es ein Unfall war. Bitte. Sag mir das.«
Die Toten haben sich bewegt. Jene, die er nicht im Blick hatte, wie früher bei diesem Kinderspiel, als sich die anderen nur bewegen durften, wenn man nicht hinsah. Sie haben ihre Gesichter in seine Richtung gedreht.
Er geht einen Schritt zurück und stößt gegen die Tür des Cockpits.
»Bitte«, flüstert er.
Wieder haben sich die Toten gerührt. Sein Blick wandert hin und her, er sieht keine Bewegung, und doch sind einige aufgestanden. Nur die schwarze Gestalt steht reglos im Gang.
»Bitte nicht.«
Er kann sie nicht alle im Blick behalten. Er sieht nach links, nach rechts, erkennt, wie sie sich nähern.
Da erglimmt ein einzelnes Licht und beleuchtet das Gesicht der Gestalt; es ist das Gesicht seiner Frau, wie sie auf der Bahre im Krankenhaus vor ihm lag. Nur dass jetzt ihre Augen offen stehen.
Die Toten schieben sich weiter in seine Richtung, sie haben auf einmal so viel Platz.
»Nein«, flüstert Robert. »Nein, bleibt weg. Bleibt bitte weg.«
Sein Blick zuckt hin und her; er sieht blasse Gesichter, Leichengewänder; sieht, wie die Toten ihre Hände erhoben haben.
»Bleibt weg«, schreit er. »Es tut mir leid! Es tut mir leid!« Er schreit es immer wieder, doch die Prozession der Toten bewegt sich weiter auf ihn zu.
Zuletzt blickt er in das Gesicht seiner Frau.
»Halte sie zurück«, brüllt er.
Er spürt kalte Finger, die nach ihm greifen, ihn umklammern.
Dann sind sie über ihm.

 
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Hallo Schwups,
ich erinnere mich noch an das Original von Perdita und so habe ich Deine Geschichte gleich nach dem Einstellen gelesen, mit höchsten Erwartungen. Die sich erfüllten. Die Geschichte zieht rein. Sehr flüssig geschrieben. Irgendwie eine Parallelgeschichte zu Perditas Purgatorium. Diesmal kein USB-Stick. Alle Informationen und Gedanken bleiben im Gehirn. Ich weiss jetzt nicht, welche Version ich besser finde.
Der Schluss ist originell. Erst nach und nach habe ich kapiert, dass er sich im Purgatorium befindet und etwa so, wie es der Pfarrer verkauft hatte. Die Rückblenden haben ebenfalls gut funktioniert. Die Dialoge zu lesen, hat besonders Spass gemacht. Es bleibt mir nur, Dir zu gratulieren.

„Worauf ich hinauswill - die Lichtwellen erzeugen elektrische Impulse im Gehirn, die dazu führen, dass Sie eine Hand wahrnehmen. Sagen wir, es gäbe ein unsichtbares Feld zwischen meiner Hand und Ihren Augen, welches die Lichtwellen verändert - Sie würden etwas ganz anderes sehen. Andere Formen, andere Farben. Aber es wäre immer noch meine Hand, die ich Ihnen entgegenhalte, oder?“
Das erstaunt mich. Ein Pfarrer redet so? Die Stelle gefällt mir. Endlich mal ein Pfarrer, der sich für Physik interessiert.
„Wie sieht das aus?“, fragte Sophie. „Was simulieren Sie genau?“
Gute Frage von Sophie, die ja sonst wenig hinterfragt. Und die Antwort darauf ist religiös, traurig und absurd: „Das sagen wir nicht. Wir können es nicht sagen, selbst wenn wir es wollten. Das Purgatorium ist die einzige Simulierte Welt, aus der noch keiner zurückgekehrt ist. Wir lassen das nicht zu. Es gibt nur einen Ausweg, und der führt nicht zurück in das irdische Leben.“
„Selbst wenn wir jemanden zurückholen, wir würden kein genaues Bild bekommen. Das Purgatorium ist keine exakt definierte Umgebung. Die Leiden der Armen Seelen sind verschieden und hängen mit ihren Sünden zusammen. Das bilden wir nach. Wir scannen die Erinnerungen nach Sünden, und basierend darauf erzeugen wir unterschiedliche Wahrnehmungen. Es ist kompliziert.“
Auch diese Erklärung ist für mich einleuchtend und nachvollziehbar. Nach solchen Worten versteht man das Kommende.
„Er sagte: Die geringste Strafe im Fegefeuer ist schlimmer als das größte Leid auf Erden.“
Das kann Laske aber nur erzählen, wenn der Kunde den Vertrag schon unterschrieben hat. Wäre eher ein Satz, den Agnes sagen könnte. Vielleicht sollte der Pfarrer jetzt ergänzen, dass das Simulierte Purgatorium eben nicht so schlimm sei, wenn man die Goldversion bezahlt hat. Dann würde ein Teil der Schmerzen seines Krebses ins Simulierte Purgatorium eingerechnet.
Weil es zu gefährlich ist [sei], hast du gesagt.
Einen Moment glaubte er, die Vibration ihrer Stimme würde seinen Wein zum Kräuseln bringen.
Ich glaube, den Wein kann er wegwerfen. Gefällt mir trotzdem.
geh doch um alles in der Welt zu einem privaten Anbieter statt zur Kirche.
Das könnte Stoff für eine Fortsetzung sein.
Er merkte eine halbe Sekunde zu spät, dass die Nachricht an Martina ging.
Gute Idee!
Viele Grüsse
Fugu

 
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Die Toten schieben sich weiter in seine Richtung, sie haben auf einmal so viel Platz.
„Nein“, flüstert Robert. „Nein, bleibt weg. Bleibt bitte weg.*“

„Was denkt ihr ferner von den Leuten, die schwärmerisch von eingebildetem Erlaß ihrer Sünden träumen und wie mit der Uhr die Zeiträume des Fegefeuers ausmessen“, fragt seinerzeit Erasmus im Lob der Torheit, um – wie nebenbei – in einer Fußnote die Kette zu bilden „Fegefeuer - purgatorium, eine Erfindung Gregor I., also Priestertrug aus Geldgier. Die alte Kirche glaubte an folgendes Schema: Tod ---> Jüngster Tag ---> Himmel oder Hölle (Jesus Christus als Weltenrichter). Nun gilt:Tod ---> Himmel, Hölle oder Fegefeuer ---> Himmel. Das F. ist also der Ort der Seelenläuterung, durch Geldzahlung an die Alleinseligmachend kann der Aufenthalt verkürzt werden.“

Selbstverständlich weiß erasmus, dass die Protestanten all diese Geld- und Weißwäscherei ablehnen. Nun gut, im 16. Jh. gab es keine Flugzeuge und Simulatoren, kein Guugel und simulierende WeltWeitesgeWerbe – nicht dass es keine Rausch- und Wahnzustände gegeben hätte, die sind in ihrer Häufigkeit eher ein Zeichen für den Grad der Unterdrückung,

lieber Schwups,

aber wie schon der Muttertext gefällt mir diese ausgezeichnet, wobei ich den verdacht hab, ab hier

Er steht jetzt vor dem Cockpit. Die Tür ist verschlossen, er klopft dagegen; keiner öffnet. Er klopft lauter. Mein Purgatorium, denkt er. Mein Weg in die Auferstehung
(ich führe unbotmäßig fort: ins Gebirg, wie weiland Lenz, wenn auch nicht so hoch - der allerdings am liebsten auf'm Kopf 'gangen wäre, und strandet doch nur bei einem - glücklicherweise - ev. Pfarrer) aber zurück:

das entsimulierte P. könne in den frz. Alpen zu finden sein.

Interessant bis kurios die – wenn man von der Bedeutung her liest – die Namen er gegensätzlichen Töchter: Agnes (griech. hagnos), die Heilige, die Reine (Patronin der Kinder und Jungfrauen!), dass ich sie glatt mit dem von der Bedeutung her ungeklärten hebr./aram. Mirjam,lat. Maria (manche wollen in der Umlautund mare, das Meer erkennen, dass aber heutzutage wie eigentlich immer schon, alles andere als sauber ist, nämlich die Müllhalde, die alles vom Herkunftsort wegträgt, dafür andern Dreck anschwemmt), Agnes, die sich wie eine Sophie (Weihseit) verhält (vorsicht! Bauernregeln in der kalten S.!

Gleichwohl, bei der Länge des Textes sollt’ einiges zu finden sein. Wenig genug, dass ich schon auf solche Formulierungen zurückgreifen muss (keine Bange, Ähnliches ist gerade auch Markus widerfahren, wobei ich hier ganz anders verfahren kann)

Er spürt weitere Erschütterungen, sieht unten keine Lichter mehr.
Also brennt noch ein Licht …

Hier fällt mir zwomal das von mir so genannte German gerundium auf, wobei der erste Auftritt hier

Sie griff den Prospekt von der Kirche. „Das Purgatorium? Das kann unmöglich dein Ernst sein.“ Robert saß mit Sophie beim Essen, als Agnes hinzukam. Er hatte sie für heute Abend nicht erwartet.
„beim Essen“ also, noch durchging, nicht aber hier im vermengen von Gerundium und Infinitiv
…, keine sechs Monate mehr am Leben zu sein, …
Wo’s doch sparsamer wäre „…, keine sechs Monate mehr zu leben, …“ dort zu sehn. Naja, ist mir schon klar, dass nicht so klar ist, was wir denn nun mit den paar eingesparten Kröten, pardon, Buchstaben täten ... Riestern und Rüruppen, ganz andere Arten von Purgatorien wollen ja das Geld, das schon für gregorianisch-feurige Reinigungsbäder gebraucht würde. (Irgendwie wird man merken, dass ich gestern nicht in der Anstalt und heute in Buchenwald derzeit gestrandet bin.)

Ohne Komm

„Drei Tage? Weißt du, wie lang drei Tage sei können?
Drei Tage heiße Glut auf dem Körper zu spüren[,] entspricht vielleicht einer alten Vorstellung des Fegefeuers, aber es hat nichts mit dem Prozess der Läuterung zu tun.

Gern gelesen vom

Friedel,
der nach gefühlten hundert Jahren auch im Emsland mit den Moorsoldaten fühlte. Auch eine Art purgatorium ...

* Klingt am Ende weniger nach einer Aussage, denn nach einer Aufforderung!

 

Robert hatte sich nie mit derartigen Fragestellungen beschäftigt. Er fand sie mühsam. Überhaupt hatte er sich nie für das Simulierte Bewusstsein interessiert, bis er vor drei Monaten die Diagnose bekommen hatte. Dann war ihm auch das Angebot der katholischen Kirche wieder eingefallen.
Das ist eigentlich ein sehr schöner Effekt bei so „phantastischen Szenarien“, den man als Autor kennen und vielleicht auch suchen sollte, dass man Parallelen zu unserer Welt aufzeigt. Und auch bei uns geht’s sicher vielen so, dass sie sich erst für das Spiritistische und Jenseitige interessieren, wenn im Diesseits der Countdown anfängt. Man sagt doch auch: Im Schützengraben gibt es keinen Atheisten.
»Selbst wenn wir jemanden zurückholen, wir würden kein genaues Bild bekommen. Das Purgatorium ist keine exakt definierte Umgebung. Die Leiden der Armen Seelen sind verschieden und hängen mit ihren Sünden zusammen. Das bilden wir nach. Wir scannen die Erinnerungen nach Sünden, und basierend darauf erzeugen wir unterschiedliche Wahrnehmungen. Es ist kompliziert.«
Das Flugzeug ruckelt; Robert spürt seinen Herzschlag im Augenlid.
»Letzten Endes«, fährt Pater Laske fort, »geben wir äußere Wahrnehmungen vor. Das Purgatorium unterscheidet sich da nicht von einer anderen Simulierten Welt. Sie können immer noch eigenständig denken, haben weiterhin einen freien Willen. Es bleibt Ihnen überlassen, wie Sie sich verhalten.«
Das ist schon eine fantastische Idee. Weil da so viel drinsteckt, was sich durch unsere Vergangenheit als plausibel erwiesen hat. Dass die Kirche den Menschen das gibt, wonach die glauben wollen. So diese poetische Wahrheit. Das Gleiches mit Gleichem vergolten wird. Dass der Lügner die Zunge abgeschnitten bekommt. „Das sündige Körperteil“ muss bestraft werden. Das ist ja keine spirituelle Wahrheit, sondern das ist so ein tief verankerter, auch psychologischer Glauben in den Menschen, so was, was sie verstehen, so eine Scheinlogik.
Und dass die Kirche hier, in der Absicht wieder extrem wichtig zu werden, diese uralten Mechanimsen mit der neuen Technik wieder aufwärmt. Und dass die Menschen, egal zu welcher Zeit, sich nach diesen Dingen sehen: Das ist eine großartige Idee.
Dass die Kirche hier „Gewissheit“ verkauft. Man könnte ja sagen: Wir machen es ganz toll, das Paradies in der virtuellen Welt und dann geht’s in den Himmel.
Aber Nein, man muss sich das „verdienen“, damit es „echt“ ist. Dieses Denken ist so tief im Menschsein eingeprägt: Wer schnell hochkommt, der fällt auch tief! Wer was nicht zu schätzen weiß, dem wird’s rasch wieder genommen! Wenn eine Frau schön ist, dann ist sie auch durchtrieben und will dein Geld! Das sind so Denkmuster in unserer Kultur, die so tief verwurzelt sind, dass wir die überall sehen möchte.
Und die Kirche macht sich das zu Nutze. Dieses meisterhafte Spiel mit den Ängsten hat zu einer der düstersten Perioden der Menschheit geführt: Ihr seid alles Sünder, ihr müsst leiden fürs Paradies! Und dann bei den Nazis mit ihrer Ersatzreligion ja noch mal, wo man den Leuten das gesagt hat, was sie hören wollten: Ihr müsst leiden für den Endsieg. Und jetzt hat man das in unserer Zeit wieder: Ihr müsst Euch in die Luft jagen für die gute Sache.
Aus sich selbst heraus ist man verdammt und man muss sich erst, beweisen/verdienen/reinigen, damit man da rauskommt. Was da einfach für ein Selbstbild daraus spricht. Dass man Glück nicht von Geburt an verdient hat, sondern dass man es sich holen und erkämpfen und dafür über Leichen gehen muss. Das ist ja ein so tief verankerter Gedanke. Und es haben so viel davon so gut gelebt, weil sie darum wussten. Ist jetzt aber weit von der Geschichte weg.
Robert bemerkte Tränen in ihren Augen. Das überraschte ihn. Selbst bei der Beerdigung ihrer Mutter vor zwei Jahren hatte Agnes kaum geweint. »Lass deine Mutter aus dem Spiel«, sagte er. »Sie hat damit nichts zu tun.«
Da passt das, was er wahrnimmt und was du brauchst, um Informationen zu vermitteln, nicht zu seiner Handlung. Wenn er sieht, wie sehr sie das bewegt/beschäftigt, wäre er vielleicht selbst gerührt und würde eine Möglichkeit sehen, auf sie zuzuzugehen, und würde sie nicht so tadeln.
»Aber jetzt - ausgerechnet jetzt, wenn es an der Zeit wäre, die Kontrolle zu behalten - weil es diesmal eben keine Illusion ist - ausgerechnet jetzt willst du sie abgeben. Wenn du die aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen willst, geh doch um alles in der Welt zu einem privaten Anbieter statt zur Kirche. Die machen es, ohne dich drei Tage in die Hölle zu schicken.«
»Es ist nicht die Hölle«, sagte er, so, als wüsste er Bescheid. So, als würde es eine Rolle spielen.
»Ausgerechnet jetzt willst du die Kontrolle abgeben. Warum? Weil du denkst, du hast sie schon verloren?«
Robert schwieg. Bis auf das Ticken der Standuhr war nichts zu hören.
Ich finde das ist ein sehr kluger Dialog und eine wirklich interessante Frage. Warum Leute genau dann die Kontrolle abgeben und bereit sind, eine höhere Macht als „sich selbst“ zu akzeptieren. Das ist doch auch bei den anonymen Alkoholikern so, dass die akzeptieren müssen, dass sie nicht der „Gott“ in ihrem Leben sind, sondern dass es was Höheres gibt, wer auch immer. Dass man die Illusion von Kontrolle aufgeben muss, alles unter Kontrolle zu haben, damit es wirklich besser wird.
Dürrenmatt hat doch mal geschrieben, dass der Zufall den, der alles plant, am härtesten trifft. Vielleicht trifft Robert als Kontrollfreak der zufällige Krebs dann so hart. Weil das nicht im Plan war, genau wie der Tod seiner Frau, der ihn wohl schwer erwischt hat.
Wir wissen ja, dass Totgeweihte auch den letzten Quatsch machen, zu Schamanen/Naturheilern/Yogis gehen, nur um eine winzige Chance zu haben, weil sie nix mehr verlieren können.
An der Stelle des Textes ist die spannendste Frage ja: Womit hat Robert gesündigt, dass er glaubt, dieses Fegefeuer zu brauchen?
Hab bis heute Abend Zeit. Ich komm noch vorbei. Rasier dir schon mal die Möse, damit ich sie besser lecken kann. Corinna mochte es derb, und Robert genoss das. Er merkte eine halbe Sekunde zu spät, dass die Nachricht an Martina ging
Ah, alles klar. Das war jetzt auch genau der Punkt, an dem ich die Information erwartet hätte. Vielleicht ist das jetzt bisschen … naheliegend die Nummer. Aber das ist auch schwer da innovativ zu werden.
Hm, das Ende ist seltsam. Nicht nur durch die aktuellen Umstände mit Germanwings, sondern auch, von der Logik her. Was ich verstehen kann ist die Idee: Kontrollsüchtig - Albtraum: Kontrollverlust in einem Flieger.
Aber wo das herkommt mit: „Die Toten stehen auf, um sich an mir zu rächen“ - das wäre ja möglich, wenn er deren Tod verschuldet hätte - und nicht nur den von seiner Frau. So fand ich das eine komische Richtugn. Wenn auch der Twist, dass er übergangslos vom Flieger dahin im Purgatorim ist, sehr reizvoll ist.
Aber so die letzten paar Zeilen … nee, das fand ich kein gutes Ende für den Text.
Ansonsten: Ich finde das Copywrite hat dir extrem gut getan, wenn ich mir das herausnehmen darf. Ich fand bisher immer, das in deinen Texten, von denen, die ich gelesen habe, genau diese Unterfütterung fehlte, die hier da ist. Das soll wirklich kein vergiftetes Kompliment sein, aber dieses Gedankenkonstrukt dahinter hat den Text für mich enorm aufgewertet. Und hat zu sehr klugen Dialogen und Ideen geführt.
Vielleicht am Ende noch mal drübergehen, wie man diese letzte Szene eindrucksvoller gestalten kann. Ansonsten ist das ein wirklich tolles Szenario hier, mit der „menschgemachten Hölle.“

 

Hallo Fugusan

ich erinnere mich noch an das Original von Perdita und so habe ich Deine Geschichte gleich nach dem Einstellen gelesen, mit höchsten Erwartungen. Die sich erfüllten. Die Geschichte zieht rein. Sehr flüssig geschrieben. Irgendwie eine Parallelgeschichte zu Perditas Purgatorium. Diesmal kein USB-Stick. Alle Informationen und Gedanken bleiben im Gehirn. Ich weiss jetzt nicht, welche Version ich besser finde.
Der Schluss ist originell. Erst nach und nach habe ich kapiert, dass er sich im Purgatorium befindet und etwa so, wie es der Pfarrer verkauft hatte. Die Rückblenden haben ebenfalls gut funktioniert. Die Dialoge zu lesen, hat besonders Spass gemacht. Es bleibt mir nur, Dir zu gratulieren.

Vielen Dank, das freut mich wenn die Geschichte so gut für dich funktioniert hat. Stimmt, in der Originalversion gibt es Kopien des Bewusstseins, die außerhalb des Körpers funktionieren – bei mir werden die Reize direkt in das Gehirn übermittelt.

Das mit dem Ende war natürlich so beabsichtigt, dass der Leser erst spät mitbekommt, dass Robert bereits im Purgatorium ist. Ich habe kurz vor der Abgabe noch überlegt, ob es nicht besser gewesen wäre, ihn dort mit seiner Familie sitzen zu lassen anstatt mit dem Pfarrer. Die Idee ist, dem Leser über den Pfarrer weitere Infos zum Purgatorium zukommen zu lassen – das könnte man auch über Rückblenden oder über Zitate aus einem Buch, wie es Perdita im Original ja auch gemacht hat.

Gute Frage von Sophie, die ja sonst wenig hinterfragt. Und die Antwort darauf ist religiös, traurig und absurd:

Es ist halt auch ganz schwierig, hier zu präzisieren. Wenn man sich mit dem Fegefeuer mal befasst und mit der Idee dahinter – nun, wie sieht das aus? Auf vielen Bildern sieht man eben das Flammenmeer, der Name impliziert das ja auch schon, aber dahinter steht ja eher ein Gefühl; etwas zu spüren – die Liebe Gottes – der man sich nicht würdig fühlt. Und das verursacht dann die Schmerzen. Aber das ist etwas ganz Individuelles, finde ich, und deshalb wollte ich es in der Geschichte auch so darstellen. Das Fegefeuer, das würde wohl jeder anders erleben.

Das kann Laske aber nur erzählen, wenn der Kunde den Vertrag schon unterschrieben hat

Ja sicher. Das ist ja auch die Stelle, wo es klar wird, wo Robert sich befindet. Laske hat hier nichts mehr zu verschweigen oder zu beschönigen.

Vielleicht sollte der Pfarrer jetzt ergänzen, dass das Simulierte Purgatorium eben nicht so schlimm sei, wenn man die Goldversion bezahlt hat. Dann würde ein Teil der Schmerzen seines Krebses ins Simulierte Purgatorium eingerechnet.

Ja, das wäre wieder eine Parallele zum Ablasshandel. Im Original von Perdita ist von einer neokatholischen Kirche die Rede. Ich hatte mir hier auch eine andere Kirche vorgestellt, aber keine fortschrittlichere, sondern mit einem (noch) konservativeren Verständnis, demzufolge man im Purgatorium zwangsweise büßen muss und sich nicht freikaufen kann, auch nicht teilweise. Ich hatte mir noch überlegt, diese neue Kirchenentwicklung irgendwo in den Text mit einzubauen – aber letzten Endes hätte das wohl eher gestört, daher hab ich es bei ein paar Andeutungen („Drittes Vatikanisches Konzil“) belassen.

Gute Idee!

Vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar, Fugusan, hat mich sehr gefreut.

***

Hallo Friedel

das entsimulierte P. könne in den frz. Alpen zu finden sein.

Ja, ich war mir bewusst, dass diese Assoziation kommt, obwohl mir schon vor dem Absturz klar war, dass Roberts Fegefeuer in einem Flugzeug spielen würde. Ich habe mich hier für die Flugangst entschieden, weil ich das zum einen gut kenne – ich selbst hatte die früher ziemlich stark – und ich andererseits auch dachte, dass da der eine oder andere Leser auch mitfühlen kann.

Interessant bis kurios die – wenn man von der Bedeutung her liest – die Namen er gegensätzlichen Töchter:

Ja stimmt, ist genau umgekehrt – ist mir nicht aufgefallen, aber hier hab ich die Namen und die Einstellungen der Töchter einfach eins zu eins aus dem Original genommen.

Gleichwohl, bei der Länge des Textes sollt’ einiges zu finden sein.

Anmerkungen sind übernommen, nur die Kommas, das muss ich noch korrigieren. Wie immer sehr aufmerksam von dir, auch solche Dinge zu finden :)

aber wie schon der Muttertext gefällt mir diese ausgezeichnet

Auch dir vielen Dank für den Kommentar und das Lob, Friedel, werde mich in den nächsten Tagen revanchieren :).

***

Hallo Quinn

Und auch bei uns geht’s sicher vielen so, dass sie sich erst für das Spiritistische und Jenseitige interessieren, wenn im Diesseits der Countdown anfängt. Man sagt doch auch: Im Schützengraben gibt es keinen Atheisten.

Ich hab mich das auch gefragt, welche Leute sich für ein solches Angebot der Kirche überhaupt interessieren würden. Und bin dann nicht nur auf die streng gläubigen gekommen, sondern auch auf solche, die meinen, etwas wiedergutmachen zu müssen – und sich deshalb selbst einer Strafe unterwerfen wollen. Von daher trifft es Robert dann auch doppelt – nicht nur die beiden Schicksalsschläge (Tod der Frau und Krebs), sondern damit verbunden auch Roberts gefühlte Schluld am Tod seiner Frau.

Das ist schon eine fantastische Idee.

Sehr schön, wie du es ausführst und anhand von Beispielen zeigst, wie tief der Gedanke – auch abseits von Religionen – heute noch verwurzelt ist.

Und dass die Kirche hier, in der Absicht wieder extrem wichtig zu werden, diese uralten Mechanimsen mit der neuen Technik wieder aufwärmt.

Ja, das ist genau das, was Agnes auch meint, wenn sie sagt, früher war es eben der Ablasshandel, jetzt ist es das Purgatorium. Es ist genau dasselbe. Wie du sagst, die Kirche verkauft Gewissheit. Als ich die Idee schon ziemlich weit gedacht hatte, kamen mir plötzlich Zweifel, denn es könnte ja jemand kommen und sagen: hey, warum braucht es das simulierte Purgatorium überhaupt, warum soll ich dafür zahlen? Nach eurem Verständnis komme ich ja ohnehin in das „richtige“ Fegefeuer, bevor ich in den Himmel einziehe. Aber dann genau hab ich auch daran gedacht:

Dass die Kirche hier „Gewissheit“ verkauft.

Das genau sagt Laske an einer Stelle – ja, möglicherweise geht es auch ohne uns, aber vielleicht fährt deine Seele auch direkt in die Hölle. Wer weiß das schon? Wenn du aber unser Purgatorium durchläufst, hast du eine Garantie für den Himmel – und damit greift dann auch der von dir erwähnte Mechanismus wieder.

Warum Leute genau dann die Kontrolle abgeben und bereit sind, eine höhere Macht als „sich selbst“ zu akzeptieren.

Es müssen harte persönliche Schicksalsschläge sein. Wenn jemand zu den Anonymen Alkoholikern geht, ist er in der Regel ja auch ganz unten angekommen, und muss sich an jemanden Außenstehenden wenden, weil er nicht mehr weiterkommt.

Hier, bei Robert, gibt es ja – wie du schreibst – auch zwei Ereignisse: den Krebs und den Unfall der Frau. Ich habe bei ihm den Unfall der Frau als wesentlicher betrachtet, um zu erkennen, dass er nichts kontrollieren kann. Daran denkt Agnes im Gespräch nicht, sie spricht über die Krankheit, weil sie auch nicht weiß, dass Robert sich am Tod der Frau schuldig fühlt.

Hm, das Ende ist seltsam. Nicht nur durch die aktuellen Umstände mit Germanwings, sondern auch, von der Logik her. Was ich verstehen kann ist die Idee: Kontrollsüchtig - Albtraum: Kontrollverlust in einem Flieger.

Ja, ich verstehe das. Es ist halt extrem schwierig, da am Ende ein passendes Szenario darzustellen. Ich hab mir sogar überlegt, auf die Beschreibung des Purgatoriums komplett zu verzichten – egal, was da steht, der Leser kann sich etwas Schlimmeres vorstellen, weil es eben auch ein ganz persönliches Empfinden ist.

Den Kontrollverlust hab ich dabei noch nicht einmal im Vordergrund gesehen – die Kontrolle gibt er ja schon ab, wenn er sich dem Verfahren überhaupt unterzieht. Aber klar, der Absturz von Germanwings weckt natürlich diese Assoziation.

Ich versuche immer gern, ein rundes Ende für die Geschichte zu finden, also irgendwelche Fäden zusammenlaufen zu lassen. Ich musste dann auch an Sieben denken, wo ja etwas ähnliches gemacht wird: die Sünde wird gegen den Sünder gekehrt, und jeder stirbt auf eine Art, die direkt mit seiner Sünde in Zusammenhang gebracht werden kann. Ich hab mir da auch überlegt, wie ich das ausgestalten kann, es war klar, dass die Frau auftaucht – aber dann? Es ist dann doch ein zu beliebiges Szenario geworden. Ich muss da nochmal ran. Der Leser hat da einfach andere Erwartungen am Schluss, weil die ja durch den Text auch geweckt werden.

Ansonsten: Ich finde das Copywrite hat dir extrem gut getan, wenn ich mir das herausnehmen darf.

Ja sicher darfst du das :). Wie du ja weißt, schätze ich deine Kommentare sehr, und umso mehr freut es mich, dass du viel Positives gefunden hast. Ich wollte in diesem Text hauptsächlich die Fragestellungen und Konsequenzen, die sich aus einer solchen simulierten Welt ergeben, in den Fokus stellen. Wie dieses Fegefeuer schlussendlich aussieht, was der einzelne erlebt – das war mir gar nicht mehr so wichtig, und deshalb ist vielleicht auch der Schluss etwas in die Hose gegangen. Mal sehen, was ich damit noch mache.

Auf jeden Fall vielen Dank Quinn für deine Zeit und das interessante und ausführliche Feedback.

 

Hallo Schwups

Wie Du weisst, bin ich an sich kein Copywrite-Leser, diese Inkonsequenz mag nun gegen oder für mich sprechen, es ist einerlei. Was mich veranlasste, der Neugierde folgend zumindest die einleitenden Absätze zu lesen, war, dass ich letzthin einen kurzen Ausschnitt aus einem der Kommentare mitbekam. Dies vermischte sich mit meiner Erinnerung, dass Du mal ein Interesse an theologischen Interpretationen geäussert hattest, und wurde so zum anstossenden Stachel in meinem Fleisch. Aus dem Schnuppern am Thema wurde nichts, da es mich bis zu Schluss nicht mehr losliess.
Eigentlich wäre auch ein Abwägen mit dem „Original“ angesagt, um einer diesbezüglichen Rezension gerecht zu werden, doch muss ich zu meiner Schande eingestehen, dass ich das Stück von Perdita noch nicht gelesen habe – und es nicht in Kürze nachholen kann. So bleibt mir nur den gewonnenen Eindruck über das hier Vorliegende kurz zu äussern.

Der Beginn weckte mir Erwartungen, die vermischt mit dem Titel mir zum Teil vorhersehbar erschienen. Ungewöhnlich wirkte mir hingegen die Örtlichkeit eines Flugzeugs. Da schnell klar wurde, dass ein Todgeweihter auf dem Weg in ein Hospiz war, deutete ich es dann erst als angemessenes Transportmittel. Dass es ein Simulations-Objekt ist und es perfider Weise mit den theoretischen Überlegungen eines simulierten Bewusstseins korrespondiert, nimmt zunehmend Gestalt an. Das vermeintlich Vorhersehbare zerbröselte mir zusehends, der Überraschung weichend.

Die Umsetzung des hier eingebrachten Sündenablasses fand ich köstlich, wenn auch nicht widerspruchsfrei in Bezug auf das Bewusstsein und der Wirklichkeit. Beim Lesen hatte ich spontan Ansätze Bemerkungen einzuwerfen, Relativierungen vorzubringen. Doch war ich mir zugleich bewusst, es geht hier um den dargelegten Stoff, und nicht um eine andere Meinung zu dem was Pater Laske sagt, so hatte ich mich an der Kandare und fiel nicht eigentlich aus dem Lesefluss.

Auch wenn die Idee dieser Form einer Sterbehilfe durch die katholische Kirche völlig aus der Luft gegriffen ist. Zudem von in theologisch Disputen Unbedarften als ketzerisch aufgefasst werden könnte, darf man ohne Zweifel annehmen, dass die Geistlichkeit sich über das Thema durchaus des langen und breiten schon in Diskursen ausgelassen hatte. In gewisser Weise ist es ihr ureigenes Territorium, dem sie sich verschrieben haben, nur eben in eigener Ausprägung. So relativierte sich mir das Utopische etwas, gewann ganz in der gezeigten Handlung seinen ernsten Unterhaltungswert.

Die Figur von Pater Laske, das Erscheinungsbild, sein Denken und seine Äusserungen, liessen mir ihn lebendig aufscheinen. Die gewählten Worte als auch die Gesten passen stimmig ins Bild. Auch Robert erfüllt sein Rollenspiel glaubhaft, ein Todgeweihter, dessen Zweifel sich mit einer Ungewissheit mischen. Mit seinen unterschiedlichen Töchtern hätte dieser Druck noch verstärkt werden können, obwohl Agnes nur an der kirchlichen Beteiligung und deren Anspruch an dessen Seele Anstoss nimmt. Etwas mehr Brisanz hätte vielleicht noch etwas Schliff gegeben.

Der Ausgang der Geschichte erschien mir nicht unbedingt ideal, wie ein Bruch zu dem Vorgehenden, da es zombiehafte Züge annimmt. Das Schuldgefühl seiner verstorbenen Frau gegenüber, dessen Kausalität vorgehend eloquent eingeflossen war, hätte sich hier direkt angeboten, wie ein Requiem aufzuerstehen und dann in Absolution überzugehen.

Soweit das Wesentliche zusammengefasst, wie die Geschichte auf mich wirkte. Ich habe sie gern gelesen. Dein Schreibstil hat manche Gedankensprünge, die dem Leser abgefordert werden, doch angenehm erträglich gemacht.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Schwups,
eigentlich ist mir im Moment nicht nach Kommntieren. Einfach keine Lust. Aber jetzt wollte ich doch mal reinspitzeln in deine Kopie. Und es war derartig spannend, dass ich wirklich nicht mehr aufhören wollte.
Ich hab jetzt keinen der anderen Kommentare gelesen, aber das macht nichts, denn handwerklich hab ich eh nichts zu bemeckern, da wird sich also bestimmt nichts wiederholen. :) Und der Rest sind eben meine Eindrücke.
Ich hatte Perditas Original aus irgendeinem dummen Grund nie gelesen, wenn es deiner Geschichte gleichkommt, werde ich das unbedingt nachholen. Ich finde sie sehr beklemmend. Den Atem nehmend.

Es hat ganz schön gedauert, bis ich gemerkt habe, dass er nicht auf dem Weg zum Purgatorium ist, sondern schon mitten darin. Und das Verhalten des Paters, ohje, da merkt man schon, dass du aus dem Horror stammst, als der sagt:

»Das würde mir nicht passieren«, sagt Robert.
Laskes Mund verzieht sich. Es ist kein Lächeln mehr; er will keinen Trost spenden, will nicht mehr aufmuntern. »Ach wirklich?«, sagt er.
da erscheint dieser reizende, verständnisvolle Pater schon sehr, als sei er selbst eine Heimsuchung.

Überhaupt, die ganze Idee, man ist am Ende seines Lebens und hat dann nicht mehr viel vor sich, keine Chance mehr auf einen Neuanfang, dann einen Schlussstrich ziehen zu wollen, Bilanz zu ziehen und sich reinwaschen zu wollen, das ist eine so nahe, vielleicht urmenschliche Reaktion, da wird ein Ungläubiger gläubig. Ich kann mir das gut vorstellen, dass man sich dann zur Kirche hinwendet, obwohl es nicht mein Fall wäre. Aber der Trieb als solcher, zu bekennen, sich zu reinigen, reinen Tisch zu machen, ich glaube, der ist bei vielen drin. Was mir auffällt, er ist auch in allen möglichen psychologischen Programmen drin. Was weiß ich, anonyme Dingens und so, da müssen die Leute auch immer bekennen, und sich entschuldigen. Also dieses Phänomen kennt jeder, es wird in sehr vielen Programmen als moralischer Neuanfang genutzt, als das Sich-bereit-machen für eine höhere Existenz.
Ich wüsste aber noch nicht mal sicher, ob dieses Denken wirklich so urmenschlich ist oder nicht eines durch Kirche und Moral (auch unabhängig von Religion) erzeugtes. Was ich dabei erschreckend finde, das ist, dass die wirkliche echte Reue den Sünder nicht retten wird.
Also dieses unbedingte Büßen und eine Art Fegefeuer durchlaufen müssen, das fand und finde ich persönlich schon immer eine sehr schreckliche, abschreckende und unmenschliche Vorstellung. Wenn noch nicht einmal die Reue, die echte Reue genügen soll.

Was ich so beklemmend und eben auch so großartig an deiner Geschichte finde, das ist, dass du eben genau diese Bedürfnisse eines Menschen am Ende seines Lebens, sich reinigen, reinwaschen zu wollen vor einer höheren Instanz, nutzt, um deine Geschichte rund um Robert zu erzählen. Und es ist komisch, es steht nirgendwo so genau drin in deiner Geschichte, aber gleichzeiitg empfindet man einen gigantischen Betrug, der den Menschen in ihrer Not angetan wird. Wie ein Riesenbeschiss. Wirklich sehr sehr bklemmend.


Die Mittel, die du verwendest, sind eigentlich gar nicht so schwer, ein paar Rückblenden, das Zurückhalten der Information, wo er sich tatsächlich befindet, das allmähliche Aufklären seiner hauptsächlichen Sünde.
Ich finde auch die beiden Hauptfiguren schön gezeichnet: den Robert und seinen Laskeverführer.
Die Idee, dass jeder mit seiner speziellen Sündenvariante gestraft wird, ist auch nicht neu, aber es ist gut ins Werk gesetzt hier mit dem Kontrollwahn, dann dem Verlust der Kontrolle ausgerechnet in einem Flieger, in den Robert sich Zeit seines Lebens eher selten reingesetzt hat. Also der unangenehme, im Leben gemiedene Ort, an dem man im Purgatorium erwacht.
Aber es ist wohl die Kunst, dass man die guten alten Tricks eben richtig bedienen muss, so dass der Leser beim Lesen gar nicht mehr merkt, was da jeweils verwendet wird.

Ich hab nur einen einzigen Kritikpunkt, und der ist jetzt auch nicht so weltbewegend, aber beim Ende habe ich eben so eine leichte Enttäuschung verspürt. Dass seine Frau auftauchen muss, das ist klar. Das muss auch so sein. Aber dass da so eine Zombiearmee sich über ihn hermacht, okay, dass die ihn so einstrudeln und er in ihnen untergeht, das kann ich mir noch erklären, aber trotzdem das wirkt ein bisschen willkürlich auf mich. Wenn die wenigstens alle so aussehen würden wie seine Frau, das fände ich viel besser. Dann geht er in dem Meer seiner eigenen Schuld unter.

Also ich hab das supergerne gelesen und zum Glück gruselt und bittert es mich jetzt auch nicht mehr ganz so. Für was das Kommentieren alles gut ist.
Also, das hast du schon verdammt verdammt gut gemacht, hier.

Ein schönes Osterfest wünscht dir die immer noch leicht beklommene Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

„Dann hätten wir noch diesen Bachmann.“
„Der, was die rasierte Möse gevögelt hat?“
„Jou. Genau der. Und seine Alte hat’s gecheckt.“
„Hehe. Na ja, der wird schon seine Gründe gehabt haben. Was haben wir noch von ihm?“
„Kontrollfreak. Ach ja, und Flugangst hat er.“
„Flugangst? Ja, das ist gut. Hm … Ha, ich weiß schon was. Wir stecken den Spinner in einen Flieger. Allein.“
„Bingo. Das ist echt cool. Der Typ wird sich vor Angst in die Hose scheißen, wollen wir wetten?“
„Vielleicht ein paar Zombies dazu? Hehe.“
„Genau. Und dann taucht noch seine Alte auf. Heilige Scheiße, der wird bereuen, dass es nur so kracht.“
Ich bereue! Ich bereue zutiefst! Mann, das wird ein Spaß.“
„Du sagst es. Hach, ich mag diese Bescheuerten.“

Aber jetzt im Ernst, Schwups,
stilistisch, dramaturgisch, erzähltechnisch ist die Geschichte wirklich klasse geworden, so viel sag ich dir gleich vorweg. (Bevor du dir Fingernägel abkaust.) Und darüber hinaus ist es eine Geschichte, die nicht nur gut unterhält, sondern gleichzeitig unheimlich viel zum Nachdenken bietet. So was mag ich.
(Einen klitzekleinen Punkteabzug gibt‘s nur für das Ende.)

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich erstmals Perditas „Purgatorium“ gelesen habe und wie sehr ich von der Geschichte damals beeindruckt war, und ehrlich, ich hätte mich darauf zu wetten getraut, dass du dir diese Geschichte vornimmst.
Immerhin geht es darin um ein Thema, dass wirklich viel hergibt, oder besser gesagt, um einen ganzen Komplex von Themen, oder, noch anders gesagt, um nichts anderes, als um das Thema schlechthin:
Wir Menschen sind endlich und müssen sterben. Und wie gehen wir mit dieser Gewissheit um?
Das ist ja ein wirklich nackenhaarsträubendes Thema und nackenhaarsträubend ist auch das, was du daraus gemacht hast, bzw. ist nackenhaarsträubend all das, worüber es mich beim Lesen dann zwangsläufig ins Nachdenken brachte. Und das waren natürlich ziemlich dieselben Gedanken, die mir schon bei der Lektüre von Perditas Vorlage durch den Kopf gegangen sind.

Ähnlich wie beim Originaltext dachte ich mir auch hier wieder, die Geschichte habe eigentlich einen Logikfehler. Weil ich mich beim Lesen sehr bald fragte: Warum macht das „die Kirche“ überhaupt? Warum treibt sie so einen gewaltigen Aufwand mit der "Fegefeuer-Simulation"? Was hat sie davon?

Okay, sie lässt sich ihre absurden Versprechungen vermutlich teuer bezahlen, wie sie es in realitas in Form des Ablasshandels ja tatsächlich getan hat. Das ist einfach ein Bombengeschäft. Mit der Blödheit der Menschen ließ und lässt sich ja schon immer die meiste Kohle scheffeln. (Man denke nur an Lotto, Homöopathie, Horoskope, Nahrungsergänzungsmittel, usw. Das ließe sich jetzt endlos fortsetzen.) Sie verarscht die Blödmänner, die es nicht anders wollen, einfach nach Strich und Faden, darin hat sie ja jahrhundertelange Erfahrung.
Aber dann frage ich mich halt schon auch, warum treibt sie dann überhaupt diesen Aufwand mit der komplizierten Simulation? Wenn es doch genügen würde, den Heilssuchenden irgendeinen Quatsch zu erzählen? Die Tatsächlichkeit der Simulation ist ja für niemanden nachzuprüfen, es gibt ja quasi keine Zeugen, weil die Probanden am Ende ihres persönlichen Fegefeuers so oder so tot sind.
Ohne die Idee der „Simulation“ gäbe es allerdings deine Geschichte nicht, also muss ich mich wohl damit abfinden, dass die Kirchenvertreter den Zinnober, den sie da auftischen, wirklich selber glauben.

„Selbstverständlich geht die Kirche weiter, denn wie wir wissen, besitzt der Mensch eine Seele.“
„Und so lasset uns diese Seele das läuternde Bad einer computergenerierten, virtuellen Schrecklichkeit durchwaten, auf dass sie anschließend in ewiger balsamischer Glückseligkeit mit einer siebzigjährigen bla bla bla …“

Und das ist halt der Moment, wo es mir wirklich die Haare aufstellt, da geht’s mir dann so wie bei den täglichen Nachrichten, egal ob im Radio, im Fernsehen oder sonst wo. Nämlich wenn diese aberwitzige Diskrepanz so augenscheinlich wird, die Diskrepanz zwischen dem vermittelnden Medium und der vermittelten Message. Da wird über Rundfunk, Internet, was auch immer, also mittels unpackbar komplizierter, technologisch großartiger Errungenschaften, die ja eigentlich handfeste Zeugnisse für die Fähigkeiten der Spezies Mensch darstellen, dafür, was für gewaltiges schöpferisches Potential in uns wohnt … also da wird in diesen hypermodernen Medien dann in aller Ernsthaftigkeit und Seriosität über vollkommen und bizarr irrationale Verhaltensweisen eben jener Spezies Mensch berichtet, als wäre das ganz normal. Als wäre das ganz normal! Da flitzen Bits und Bytes durch Glasfaserkabel, reisen mittels Radiowellen zu Satelliten und wieder retour, um uns dann davon zu erzählen, wie sich Menschen gegenseitig anzünden, sich die Köpfe abschneiden, sich vergewaltigen verstümmeln sich zu Millionen abschlachten … aargghhh
Als wäre das genau so normal und selbstverständlich wie die Wahl eines Bürgermeisters oder die Erfindung der Glühbirne ...

Und in der Geschichte hier ist es nicht anders: Diese absurde Unverhältnismäßigkeit eben, auf der einen Seite diese grandiosen technischen Errungenschaften, und auf der anderen Seite deren Missbrauch für vollkommen anachronistischen, bescheuerten Hokuspokus.
Ich tu mir einfach wahnsinnig schwer damit, Irrationalität (vulgo Spiritualität vulgo Religiosität), als etwas Positives zu begreifen. (Und auch wenn ich mir noch hundertmal die Dritte Symphonie von Bruckner oder Verdis Requiem anhören werde, wird sich das nicht ändern.)

Na ja, und das Ende: Also die Zombies stören mich ehrlich gesagt nicht. (Ich lese ja so Horrorkram fast nie, also bin ich entsprechend nicht davon übersättigt.)
Aber irgendwie geht das halt alles nicht so richtig auf für mich. (Kann es den Gesetzen der Logik entsprechend vermutlich auch gar nicht.) Ich dachte mir am Schluss nämlich schon, ja, und was ist jetzt mit Bachmanns "Reue"? Wie äußert sich die? Was ist an seinem jetzigen Zustand anders als vor der Simulation? Was ist Reue überhaupt? Das Erkennen und sich Eingestehen einer Schuld, okay, aber die Schuldgefühle hatte er doch vorher auch schon und für eine wahrhaftige Läuterung (was immer das sein mag) hat er doch gar keine Zeit mehr, weil er ja jetzt offenbar wirklich stirbt. (Genauso wenig, wie er vermutlich Zeit für die Erkenntnis hat, dass er eben ganz gewaltig verarscht worden ist.)
Ach, keine Ahnung, mir ist dieser ganze metaphysische Krempel einfach zu hoch, mir sträubt sich regelmäßig das Hirn, wenn ich mir vorzustellen versuche, was in den Köpfen von gläubigen, religiösen Menschen vorgeht. Ich will da eigentlich gar nicht drüber nachdenken.

Jetzt hab ich’s doch wieder einmal getan. Und warum, Schwups? Einfach weil dir eine wirklich mitreißende (toll ausgedachte und toll geschriebene) Geschichte gelungen ist.

Vielleicht hat er nie existiert.
Und nein, darüber will ich jetzt wirklich nicht nachdenken.
Pff, irgendwie hat mich die Story total fertig gemacht.

Drei Winzigkeiten noch:

Sie griff den Prospekt von der Kirche.
Das ist wirklich die einzige Formulierung, die mir nicht gefällt.
von der Kirche“ würde ich ersatzlos streichen, weil es unschön und missverständlich klingt.
Und „Sie griff den Prospekt.“ Hm, sagt man das so in der Schweiz? Also für mich (Wiener) klingt das einfach eigenartig.
Sie griff nach dem Prospekt/Sie ergriff den Prospekt/Sie nahm sich den Prospekt?

und an dessen Ende kann er die verschlossene Tür des Cockpits sehen.
Sehen kann er höchstens, dass die Tür geschlossen ist, nicht aber dass sie verschlossen (abgesperrt) ist.

Sie kauern in ihren Sitzen und starren mit ausdruckslosen Gesichtern ins Leere; er kennt kein Einziges davon.
einziges klein, weil es sich ja adjektivisch auf die Gesichter bezieht.

 

Liebe Novak, lieber Anakreon, lieber ernst

Entschuldigt, dass ich euch hab warten lassen mit meiner Rückmeldung. Habe eure Kommentare schon vor Tagen gelesen und mich sehr darüber gefreut.

Bevor ich einzeln auf euer Feedback eingehe, ein genereller Punkt:

Anakreon schrieb:
Der Ausgang der Geschichte erschien mir nicht unbedingt ideal, wie ein Bruch zu dem Vorgehenden, da es zombiehafte Züge annimmt.

Novak schrieb:
Ich hab nur einen einzigen Kritikpunkt, und der ist jetzt auch nicht so weltbewegend, aber beim Ende habe ich eben so eine leichte Enttäuschung verspürt.

ernst offshore schrieb:
(Einen klitzekleinen Punkteabzug gibt‘s nur für das Ende.)

Wenn sich alle Kritiker einig sind, dann muss was dran sein – und ihr habt natürlich Recht, das Ende passt nicht. Ich werde da auch nochmal drüber gehen, aber jetzt ist der Gag – Robert befindet sich bereits im Purgatorium – natürlich vorbei. Ja, ich hab mich da schwer getan. Eigentlich war alles fertig, aber auch einen Tag vor Abgabe hatte ich noch keinen Schluss und hab den Teil dann Montagabends noch geschrieben. Wäre es kein Copywrite gewesen, hätte ich vermutlich noch gewartet, aber gut, die Deadline gehört nunmal dazu (gell feirefiz und Perdita ;)). Wie gesagt, ich hab sogar mal mit dem Gedanken gespielt, auf die Darstellung des Purgatoriums ganz zu verzichten und irgendwo da aufzuhören, wenn Robert feststellt, dass er allein im Flugzeug ist und die Lichter ausgehen. Vielleicht wäre das besser gewesen, vielleicht auch nicht befriedigend, aber na ja. Mal schauen. Die nächsten Tage komme ich jedenfalls nicht dazu, aber ich werde da noch was anpassen.

So, nun aber zu den einzelnen Kommentaren:

Lieber Anakreon

Wie Du weisst, bin ich an sich kein*Copywrite-Leser, diese Inkonsequenz mag nun gegen oder für mich sprechen, es ist einerlei. Was mich veranlasste, der Neugierde folgend zumindest die einleitenden Absätze zu lesen, war, dass ich letzthin einen kurzen Ausschnitt aus einem der Kommentare mitbekam. Dies vermischte sich mit meiner Erinnerung, dass Du mal ein Interesse an theologischen Interpretationen geäussert hattest, und wurde so zum anstossenden Stachel in meinem Fleisch. Aus dem Schnuppern am Thema wurde nichts, da es mich bis zu Schluss nicht mehr losliess.

Es freut mich, wenn du der Geschichte trotz Copywrite eine Chance gegeben hast. Das Intersse an theologischen Interpretationen ist richtig. Ich bin zwar getauft und komme aus einer katholischen Familie, aber als gläubig würde ich mich nicht bezeichnen, zumindest nicht im traditionell-christlichen Sinn. Was mich an dem Thema interessiert, geht dann auch mehr in den philosophischen Bereich oder den historischen Kontext, und entsprechend habe ich auch versucht, solche Punkte in dieser Geschichte anklingen zu lassen.

Der Beginn weckte mir Erwartungen, die vermischt mit dem Titel mir zum Teil vorhersehbar erschienen. Ungewöhnlich wirkte mir hingegen die Örtlichkeit eines Flugzeugs. Da schnell klar wurde, dass ein Todgeweihter auf dem Weg in ein Hospiz war, deutete ich es dann erst als angemessenes Transportmittel. Dass es ein Simulations-Objekt ist und es perfider Weise mit den theoretischen Überlegungen eines simulierten Bewusstseins korrespondiert, nimmt zunehmend Gestalt an. Das vermeintlich Vorhersehbare zerbröselte mir zusehends, der Überraschung weichend.

Das war genau die Intention. Ohne dass es gesagt wird, wollte ich, dass der Leser denkt – ok, der ist auf dem Weg ins Hospiz. Aber warum er das in einem Flugzeug ist, oder warum in Begleitung des Pfarrers, ohne die Familie - das sind Fragen, die man sich als Leser zu Beginn vielleicht gar nicht stellt, sondern mal als gegeben hinnimmt und vielleicht denkt, ok, das wird noch erklärt. Aber genau so stellt es sich für Robert auch dar – er nimmt das so hin, ohne zu überlegen, warum sitze ich hier, wo fliegen wir hin?

Auch wenn die Idee dieser Form einer Sterbehilfe durch die katholische Kirche völlig aus der Luft gegriffen ist.

Interessant, dass du diesen Punkt aufbringst. Aber es stimmt natürlich, aktive Sterbehilfe und katholische Kirche – das passt nicht (und es passt natürlich auch nicht zur geltenden Gesetzeslage in Deutschland). In der Geschichte greift eben das, was ich in einem vorangegangenen Kommentar kurz erwähnte – die Kirche hat bei diesen Fragestellungen mittlerweile eine andere Position eingenommen. Es ist nicht mehr die Kirche, wie wir sie heute kennen. Das weiter auszuführen erschien mir dann aber zu unwesentlich für die Geschichte, auch wenn es sicher interessant gewesen wäre. Es soll eben so rüberkommen, dass es mit dem „Dritten Vatikanischen Konzil“ gewisse Anpassungen im Dogma gegeben hat, und die aktive Sterbehilfe auch nur in Verbindung mit dem Purgatorium möglich ist. Agnes erwähnt das an einer Stelle, wenn sie von „privaten Anbietern“ spricht, bei denen es ohne Purgatorium geht.

Mit seinen unterschiedlichen Töchtern hätte dieser Druck noch verstärkt werden können, obwohl Agnes nur an der kirchlichen Beteiligung und deren Anspruch an dessen Seele Anstoss nimmt. Etwas mehr Brisanz hätte vielleicht noch etwas Schliff gegeben.

Ja, die Töchter stehen verglichen mit Robert und Laske etwas im Hintergrund. Das stimmt. Besonders Sophie. Im Original von Perdita nehmen die deutlich mehr Platz ein. Ich hab da auch überlegt, ob ich da noch was machen kann – aber weitere Szenen wären mir wie Füller vorgekommen, ohne wirkliche Notwendigkeit. Ich hab ja auch mal mit dem Gedanken gespielt, seine Töchter mit Robert ins Flugzeug zu setzen anstatt Pater Laske.

Soweit das Wesentliche zusammengefasst, wie die Geschichte auf mich wirkte. Ich habe sie gern gelesen. Dein Schreibstil hat manche Gedankensprünge, die dem Leser abgefordert werden, doch angenehm erträglich gemacht.

Vielen Dank für deinen Kommentar und die klugen Anmerkungen, Anakreon. Es hat mich sehr gefreut, dass du vorbeigeschaut hast :).

***

Liebe Novak

eigentlich ist mir im Moment nicht nach Kommntieren. Einfach keine Lust. Aber jetzt wollte ich doch mal reinspitzeln in deine Kopie. Und es war derartig spannend, dass ich wirklich nicht mehr aufhören wollte.

Toll, dass du mir trotzdem Feedback gibst, auch wenn dir momentan nicht so danach ist. Und schön, dass es gleich mit einem Lob startet, gerade wenn man länger hier nichts mehr veröffentlicht hat, ist man schon gespannt, wie der Text ankommt.

Ich hatte Perditas Original aus irgendeinem dummen Grund nie gelesen, wenn es deiner Geschichte gleichkommt, werde ich das unbedingt nachholen.

Ja unbedingt! Das lohnt sich.

Es hat ganz schön gedauert, bis ich gemerkt habe, dass er nicht auf dem Weg zum Purgatorium ist, sondern schon mitten darin

… was natürlich genau so beabsichtigt war :)

Überhaupt, die ganze Idee, man ist am Ende seines Lebens und hat dann nicht mehr viel vor sich, keine Chance mehr auf einen Neuanfang, dann einen Schlussstrich ziehen zu wollen, Bilanz zu ziehen und sich reinwaschen zu wollen, das ist eine so nahe, vielleicht urmenschliche Reaktion, da wird ein Ungläubiger gläubig. Ich kann mir das gut vorstellen, dass man sich dann zur Kirche hinwendet, obwohl es nicht mein Fall wäre.

Ja, denke ich auch. Auch wenn die Kirche in unserer Gesellschaft mittlerweile sehr in den Hintergrund gerückt ist und eher durch negative Schlagzeilen auffällt, wenn Menschen in Not sind, suchen sie oft dort Halt. Das merkt man, wenn bei Katastrophen Menschen sich in Kirchen versammeln oder eben Beistand suchen bei individuellen Schicksalen. Ich denke auch, dass es ein realistisches Szenario ist, wenn jemand, der nicht viel mit der Kirche zu tun hatte (im Sinne eines Agnostikers vielleicht) sich in einer extremen Notlage plötzlich der Kirche zuwendet.

Aber der Trieb als solcher, zu bekennen, sich zu reinigen, reinen Tisch zu machen, ich glaube, der ist bei vielen drin. Was mir auffällt, er ist auch in allen möglichen psychologischen Programmen drin. Was weiß ich, anonyme Dingens und so, da müssen die Leute auch immer bekennen, und sich entschuldigen. Also dieses Phänomen kennt jeder, es wird in sehr vielen Programmen als moralischer Neuanfang genutzt, als das Sich-bereit-machen für eine höhere Existenz.

Genau, Quinn hat das auch erwähnt und als Beispiel die anonymen Alkoholiker genannt.

Ich wüsste aber noch nicht mal sicher, ob dieses Denken wirklich so urmenschlich ist oder nicht eines durch Kirche und Moral (auch unabhängig von Religion) erzeugtes.

Gute Frage. Man gibt sein Leben in das eines anderen, weil man selbst nicht mehr weiterkommt. Sucht Halt, Schutz, eine Rettung. Das könnte darauf hindeuten, dass es durchaus urmenschlich ist, vermutlich findet man ähnliche Muster auch in anderen Kulturen oder in früheren Zeiten.


Was ich dabei erschreckend finde, das ist, dass die wirkliche echte Reue den Sünder nicht retten wird.
Also dieses unbedingte Büßen und eine Art Fegefeuer durchlaufen müssen, das fand und finde ich persönlich schon immer eine sehr schreckliche, abschreckende und unmenschliche Vorstellung. Wenn noch nicht einmal die Reue, die echte Reue genügen soll.

Ja, das finde ich auch. „Fegefeuer“ - der Name deutet ja schon auf körperliche Schmerzen hin, auch wenn die Idee dahinter eher eine spirituelle ist: echte Reue ergibt sich dadurch, dass die Armen Seelen Gottes Liebe spüren, dieser aber (aufgrund ihrer Sünden) noch nicht würdig sind. Aus diesem Gefühl heraus ergibt sich dann auch die von dir erwähnte echte Reue – aber der Schmerz ist abstrakt, deshalb (und natürlich auch aufgrund des Namens) hat man irgendwie immer das Flammenmeer vor Augen. Dabei ist echte, tiefempfundene Reue auch im echten Leben schon ein schmerzhaftes Gefühl, im Fegefeuer halt nochmal verstärkt. Aber stimmt, die Verknüpfung von psychischem und physischem Schmerz, die schwingt immer mit, hier im Text natürlich auch.

Und es ist komisch, es steht nirgendwo so genau drin in deiner Geschichte, aber gleichzeititg empfindet man einen gigantischen Betrug, der den Menschen in ihrer Not angetan wird. Wie ein Riesenbeschiss.

Eigentlich freut es mich, wenn du so schreibst, weil während dem Schreiben war genau das die Intention. Robert wird betrogen. Es gibt eine Stelle im Text, da steht, die erlebte Zeit im Purgatorium entspricht immer der Echtzeit. Ich hab mit der Idee gespielt, dass sich das am Ende als nicht wahr herausstellt, und Robert sich für (gefühlte) viele hundert Jahre im Purgatorium befindet – ein handfester Beschiss also. Aber das gab Probleme dann mit der Perspektive, und ich wusste nicht richtig, wie ich das einbauen kann, also hab ichs gelassen.

Ich hab da auch drüber nachgedacht - Beschiss oder nicht - , aber ich bin da zwiegespalten: letzten Endes gibt es einen Bedarf nach dieser „Reinigung“, und die Kirche – zumindest in diesem Text – zwingt ja niemanden, auf dieses Angebot einzugehen. Früher, mit dem Ablasshandel und Verpflichtungen und der festen Verankerung der Kirche in der Gesellschaft – da sieht es anders aus. Aber hier? Wenn man den Preis bezahlt, bezahlt man ihn vielleicht für ein reines Gewissen? Für Hoffnung? Für die letzten Wochen, wo man dann mit sich selbst zumindest im Reinen sein kann? Ist das nicht auch etwas wert? Also ich bin da hin- und hergerissen, es als Beschiss zu bezeichnen, aber wie gesagt, ursprünglich war das durchaus meine Absicht (weil ein handfester Verrat der Geschichte auch ein viel düsteres Ende gegeben hätte, was ich ja, wie du weißt, sehr mag :)).

Also ich hab das supergerne gelesen und zum Glück gruselt und bittert es mich jetzt auch nicht mehr ganz so. Für was das Kommentieren alles gut ist.
Also, das hast du schon verdammt verdammt gut gemacht, hier.

Das freut mich sehr, Novak. Vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar und deine Gedanken zum Text.

***

Lieber ernst

„Dann hätten wir noch diesen Bachmann.“
„Der, was die rasierte Möse gevögelt hat?“
„Jou. Genau der. Und seine Alte hat’s gecheckt.“
„Hehe. Na ja, der wird schon seine Gründe gehabt haben. Was haben wir noch von ihm?“
„Kontrollfreak. Ach ja, und Flugangst hat er.“
„Flugangst? Ja, das ist gut. Hm … Ha, ich weiß schon was. Wir stecken den Spinner in einen Flieger. Allein.“
„Bingo. Das ist echt cool. Der Typ wird sich vor Angst in die Hose scheißen, wollen wir wetten?“
„Vielleicht ein paar Zombies dazu? Hehe.“
„Genau. Und dann taucht noch seine Alte auf. Heilige Scheiße, der wird bereuen, dass es nur so kracht.“
„Ich bereue! Ich bereue zutiefst! Mann, das wird ein Spaß.“
„Du sagst es. Hach, ich mag diese Bescheuerten.“

Du sagst es :D. So (oder so ähnlich) muss es abgelaufen sein.

stilistisch, dramaturgisch, erzähltechnisch ist die Geschichte wirklich klasse geworden, so viel sag ich dir gleich vorweg. (Bevor du dir Fingernägel abkaust.) Und darüber hinaus ist es eine Geschichte, die nicht nur gut unterhält, sondern gleichzeitig unheimlich viel zum Nachdenken bietet. So was mag ich.

:bounce:

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich erstmals Perditas „Purgatorium“ gelesen habe und wie sehr ich von der Geschichte damals beeindruckt war, und ehrlich, ich hätte mich darauf zu wetten getraut, dass du dir diese Geschichte vornimmst.

War auch mein allererster Gedanke. Ohne nachzuschauen hatte ich von Perdita sofort zwei Geschichten im Kopf – Purgatorium und „Die doppelte Frau Lottmann“. War mir sofort nach der Auslosung sicher, es wird Purgatorium, dann hab ich erstmal lange nichts gemacht (weil ich erst so richtig in die Gänge komm, wenn die Deadline sich nähert), und als ich mich dann dransetzen wollte, ist mir lang nix eingefallen, und ich hab dann doch eine Alternative gesucht – bin dann aber doch zu dem Text zurückgekehrt.

Immerhin geht es darin um ein Thema, dass wirklich viel hergibt, oder besser gesagt, um einen ganzen Komplex von Themen, oder, noch anders gesagt, um nichts anderes, als um das Thema schlechthin:
Wir Menschen sind endlich und müssen sterben. Und wie gehen wir mit dieser Gewissheit um?

Ja, das Thema ist wirklich gut. Und der Umgang mit dem Tod ist doch sicher auch ein Hauptgrund dafür, dass es so etwas wie Religionen überhaupt gibt.

Ähnlich wie beim Originaltext dachte ich mir auch hier wieder, die Geschichte habe eigentlich einen Logikfehler. Weil ich mich beim Lesen sehr bald fragte: Warum macht das „die Kirche“ überhaupt? Warum treibt sie so einen gewaltigen Aufwand mit der "Fegefeuer-Simulation"? Was hat sie davon?

Den einen Punkt erwähnst du selbst – Geld natürlich. Wobei das als alleiniger Grund zu kurz gegriffen ist, finde ich.
Ich bin sicher, Überzeugung ist ein weiterer Grund. Ich mag die Vorstellung nicht eines Kirchenvertreters, der über seinen Bilanzen sitzt, sich die Hände reibt und denkt – hab ich den Dummköpfen mal wieder ihre Kohle abgeknöpft. Na gut, die gibt es. Ich bestreite es nicht. Aber es sind auch nicht alle so. Viele machen die Arbeit auch aus Überzeugung, aus einer Art Berufung heraus, „das Richtige“ zu tun. Die sind nicht alle geldgeil. Und das ist ein Grund, warum die Kirche auch einen solchen Apparat wie das Purgatorium verwendet: weil sie glaubt, den Menschen damit etwas Gutes zu tun.

Sie verarscht die Blödmänner, die es nicht anders wollen, einfach nach Strich und Faden, darin hat sie ja jahrhundertelange Erfahrung.
Aber dann frage ich mich halt schon auch, warum treibt sie dann überhaupt diesen Aufwand mit der komplizierten Simulation?

In meiner Vorstellung – aus Überzeugung. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass das alles ein großer eingeschworener Bund ist, in dem alle sagen – Purgatorium und das ganze Zeug, wissen wir doch, dass es das nicht gibt, aber wer so blöd ist, das zu glauben, hat es nicht besser verdient. Und die technischen Mittel sind nunmal da.

Du bist der Kirche gegenüber sehr kritisch aufgestellt – und da gibt es sehr vieles auch sehr zu Recht zu kritisieren. Aber es gibt eben auch diese Nachfrage auf spiritueller Ebene – und wenn die Kirche das bedient und Antworten auf Fragen gibt, die viele Menschen bewegen, und wenn sie so Beistand und Hoffnung spendet – dann finde ich, ist das auch etwas wert und es ist auch ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag. Dass das oft mit fragwürdigen Methoden geschieht – ja, hast du Recht. Du zählst auch andere Beispiele auf. Hier in der Schweiz gibt’s diesen Mike Shiva noch, wo man anrufen kann und eine „Beratung“ bekommt für 5 CHF / min – das find ich auch zum Kotzen sowas und das ist in meinen Augen Verarsche (die Kirche gibt dir immerhin im Gegensatz zu diesen „Beratern“ keine Antwort auf die Frage, ob du im nächsten Jahr die große Liebe triffst und wie sich deine Finanzen entwickeln).

also da wird in diesen hypermodernen Medien dann in aller Ernsthaftigkeit und Seriosität über vollkommen und bizarr irrationale Verhaltensweisen eben jener Spezies Mensch berichtet, als wäre das ganz normal.

Das ist ein echt interessanter Punkt, den du da aufwirst. Aber da sieht man halt auch, wie heuchlerisch das alles ist. So Radikal-Islamisten wie der IS, die lehnen alles ab, was modern und westlich ist, filmen aber ihre Greueltaten mit dem Handy. Weil es halt auch eine Propaganda-Maschine ist, und weil man dazu alles nutzt, was vorhanden ist. Die Kirche greift heute ja auch auf solche Technologien zurück: vieles passiert im Internet, der Papst hat sogar seinen eigenen Twitter-Account.

Und in der Geschichte hier ist es nicht anders: Diese absurde Unverhältnismäßigkeit eben, auf der einen Seite diese grandiosen technischen Errungenschaften, und auf der anderen Seite deren Missbrauch für vollkommen anachronistischen, bescheuerten Hokuspokus.

Du reduzierst es auf Hokuspokus – ich sehe da schon mehr darin. Wenn Robert durch die Entscheidung, dieses Purgatorium zu durchlaufen, in den letzten Wochen seines Lebens ein ruhiges Gewissen hat – ist das nichts wert? Und wie nutzt man denn eine solche Technologie sinnvoll? Es erinnert ja an Second-Life, das es vor ein paar Jahren gab, wo man dann dachte, in Zukunft leben wir alle nur noch virtuell. Ich finde die Vorstellung erschreckend, ebenso wie das in der Geschichte vorgestellte Simulierte Bewusstsein. Wenn man mal überlegt, wie sich eine Gesellschaft verändert, wenn jeder jederzeit in eine komplette virtuelle Realität wechseln kann – was ist dann überhaupt noch „real“, wie entscheidet man das? Das schwingt ja auch so ein bisschen mit in dem Text – wenn alles auf dieselben Impulse zurückgeht, wo macht man dann einen Unterschied? Wer garantiert dir, dass alles um dich herum „echt“ ist und nicht nur neuronale Blitze in deinem Gehirn sind, ausgelöst durch irgendwas?

Ich tu mir einfach wahnsinnig schwer damit, Irrationalität (vulgo Spiritualität vulgo Religiosität), als etwas Positives zu begreifen.

Ich weiß, und du nimmst da auch kein Blatt vor den Mund :) (was ich mag). Ich seh vieles davon auch kritisch, sehe es aber nicht nur negativ. Es sind auch Fragen, die mich beschäftigen – wo kommen wir alle her, das Universum, was passiert, wenn wir sterben, gibt es so etwas wie die Seele etc. Ich glaube nicht den Antworten einer Religion (egal welcher), aber ich glaube auch nicht, dass die Antworten darauf komplett in unser naturwissenschaftliches Weltbild passen.

Jetzt hab ich’s doch wieder einmal getan. Und warum, Schwups? Einfach weil dir eine wirklich mitreißende (toll ausgedachte und toll geschriebene) Geschichte gelungen ist.

Das Lob freut mich sehr, ernst, und dein Kommentar hat mich auch nochmal richtig zum Nachdenken gebracht. Vielen Dank für das tolle Feedback und damit, dass du dich so ausführlich mit dem Text beschäftigt hast, auch wenn du vieles davon grundsätzlich nicht nachvollziehen kannst. Aber das zeigt mir umso mehr, dass dir der Text gefallen hat, von daher waren all deine Gedanken auch ein schönes Kompliment. Deine Anmerkungen hab ich eingearbeitet, das mit dem Prospekt klingt wirklich komisch, über die Stelle bin ich auch beim Durchlesen selber immer mal wieder gestolpert, keine Ahung wie die es in die finale Fassung geschafft hat :).

So. Euch drei nochmal vielen lieben Dank fürs Feedback & bis zum nächsten Mal.

 

Hallo Schwups,

werd die Tage auf jeden Fall das Original lesen. Plot und Setting sind einfach wunder-, äh, grauenvoll. Im positiven Sinne. Obwohl ich schon ahnte, dass der Dialog im Flugzeug ein Teil des Resurrectio ist, hat mir dieser nahtlose Übergang, die Idee an sich sehr zugesagt. Das war spannend. Da gab es doch mal diese Ratekrimis hier. War irgendwie so ähnlich. Hab immer nach Indizien gesucht, die diesen Flug als falsche Realität entlarven. Am auffälligsten war natürlich die Flugangst und dass Probanden im Resurrectio immer mit ihren größten Ängsten konfrontiert werden. Intelligent gestrickt.
Das Ende gefiel mir von Effekt her, das haut richtig rein. Nur, ich weiß nicht, ich habe da noch einen kleinen Twist erwartet, dass seine Frau irgendetwas sagt, dass mich als Leser noch mal staunen lässt. Oder was Ähnliches. Vielleicht erwarte ich hier zu viel. Das Ende ist konsequent. Es gibt ja Geschichten, bei denen möchte man einfach nicht, dass sie so schnell vorbei sind. Das war sicher so eine.
Handwerklich top, kein Stolperstein. Das mit dem Autounfall: Ehefrau ergreift nach Streit die Flucht und kommt von der Fahrbahn ab. Ich weiß nicht, das ist mir zu sehr Klischee. Kommt mir so vor, als hätte ich das in mehreren Geschichten schon genauso oder ähnlich gelesen. Eine Alternative fällt mir aber spontan auch nicht ein. Einen Suizid durch Tablettenüberdosis oder so fände ich auch übertrieben.

Jedenfalls sehr gern gelesen!

Hacke

 

Hallo Hacke

Hab immer nach Indizien gesucht, die diesen Flug als falsche Realität entlarven.

Es gibt ein paar ganz leise Andeutungen, aber dabei wollte ich es dann auch belassen:

Der Schemen des Flughafengebäudes zieht an ihm vorbei. Er versucht, die leuchtenden Buchstaben zu entziffern; sie verschwimmen im Regen.

Er fühlt sich verlassen, und während das Flugzeug in Richtung Startbahn rollt, kommt es ihm vor, als sei er der einzige Mensch darin.

Ich hab da überlegt, noch mehr hineinzupacken, aber dann hatte ich Angst, dass es zu schnell zu offensichtlich wird. Offenbar war es bei dir aber genau die richtige Dosis :).

Ach ja, die guten alten Ratekrimis ... an die denk ich auch gern zurück.

Das mit dem Autounfall: Ehefrau ergreift nach Streit die Flucht und kommt von der Fahrbahn ab. Ich weiß nicht, das ist mir zu sehr Klischee. Kommt mir so vor, als hätte ich das in mehreren Geschichten schon genauso oder ähnlich gelesen. Eine Alternative fällt mir aber spontan auch nicht ein. Einen Suizid durch Tablettenüberdosis oder so fände ich auch übertrieben.

Da bin ich einverstanden, das ließe sich besser lösen. Es war mir hier aber auch wichtig, dass nicht ganz klar ist, was mit der Ehefrau passiert: Unfall oder Suizid? Ich wollte beide Möglichkeiten im Raum stehen lassen, eine Überdosis wäre da schon wieder zu eindeutig.

Vielen Dank fürs Lesen der Geschichte und dein Feedback ... und natürlich für das Lob, vor allem dieses hier freut mich besonders:

Es gibt ja Geschichten, bei denen möchte man einfach nicht, dass sie so schnell vorbei sind. Das war sicher so eine.

:)

Viele Grüsse,
Schwups

 

He Schwups,

spät, aber hier kommt mein Kommentar zu deinem Copy.
Und was bleibt mir zu sagen: WOW!
Ist ja wirklich eine verdammt gute Runde, das muss ich festhalten und auch deine Geschichte trägt ganz klar dazu bei.
Das hat mich so in seinen Bann geschlagen, dass ich gleich danach Perditas Original lesen musste (Ja, ist mir tatsächlich entgangen damals).
Mensch, bei der Vorlage, da hätte ich mich echt nicht rangetraut, umso spannender, was du daraus gemacht hast.
Den Braten habe ich relativ früh gerochen, dass die Geschichte ins Simulierte Bewusstsein übersetzen wird. Aber das hat dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan, denn letztlich kitzelte immer die Frage: Wann es denn passieren wird, oder ob es denn schon so weit ist.
Da hast du einen gekonnten Faden ausgelegt. Überhaupt, so langsam wie du das ganze entrollst und dabei doch gleich diese unterschwellige Spannung. Der Clou ist natürlich der Tod seiner Frau. Man weiß von Anfang an, dass das irgendwie der Schlüssel sein wird, aber das hältst du versiert zurück. Bis dann die Bombe platzt. Clever, dass du alles offen lässt. Selbstmord? Naja, schon etwas überzogen vielleicht. Wegen einer SMS? Aber es ist ja auch der Unfall möglich.
Anders als Perdita widerstehst du nicht dem Versuch, das Fegefeuer zu zeigen. Also was heißt, widerstehen, du ziehst den Leser eben mit in die Läuterungsphase.
Diese Zuspitzung am Ende, das empfinde ich als den schwächsten Punkt der Geschichte.
Gut ist, dass du seine Frau nichts sagen lässt. Ich glaube, das ist wahre Folter für ihn, denn letztlich will er doch Erlösung von ihr. Schweigen, das ist hart.
Aber die Untoten? Die sind so ein bisschen wie das klassische Beiwerk, das eben in dieses Setting hinein gehört. Also eine andere Verbindung sehe ich da nicht. Auch, dass sich der Ring am Ende um ihn zusammenzieht, schon die Hände an seiner Kehle sind, das ist ja schon quasi das Ende. In meiner Wahrnehmung dürfte das aber nicht der Höhepunkt der Qual sein, was ist denn mit den drei Tagen?
Für meinen Geschmack hätte ich hier mehr mit Andeutungen gespielt und den Sack nicht gleich zugemacht.
Also klar, die Untoten können jetzt auch noch drei Tage lang an ihm knabbern oder so und die Folter geht weiter, aber das suggeriert mir das Bild am Ende nicht.
Naja, das ist Gejammer auf hohem Niveau, aber vll überdenkst du das ja noch mal in einer ruhigen Minute.

Sehr gerne gelesen

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi weltenläufer

Und was bleibt mir zu sagen: WOW!
Ist ja wirklich eine verdammt gute Runde, das muss ich festhalten und auch deine Geschichte trägt ganz klar dazu bei.

Toll, vielen Dank für das Kompliment gleich zu Beginn. :)

Den Braten habe ich relativ früh gerochen, dass die Geschichte ins Simulierte Bewusstsein übersetzen wird.

Ja, ich hab schon damit gerechnet, dass der eine oder andere Leser dem früh auf die Schliche kommt. Schön aber, dass es dir den Lese-Spaß trotzdem nicht geraubt hat.

Selbstmord? Naja, schon etwas überzogen vielleicht. Wegen einer SMS? Aber es ist ja auch der Unfall möglich.

Ich hatte ursprünglich geplant, da einen längeren Teil einzubauen, der auch die Ehe beleuchtet, und aus dem klarer hervorgeht, dass es auch andere Probleme gab - evtl. sogar psychische Probleme der Ehefrau. Das sollte die Selbstmord-Theorie noch ein wenig untermauern, wenn sie zuvor schon labil war, dann kann die Untreue des Mannes durchaus in einer Kurzschluss-Reaktion münden ... aber so wichtig war mir der Teil dann doch nicht, ich hatte später den Eindruck, es würde die Geschichte verwässern. So, wie es jetzt dasteht, ist tatsächlich der Unfall der wahrscheinlichere Fall, aber wenn du dich in die Lage des Mannes versetzt - selbst wenn nur der Hauch einer Chance besteht, es sei wirklich Selbstmord gewesen, so etwas nagt natürlich an einem. Da kann man dann auch mit "rationalen" Argumenten nicht mehr kommen, diese Ungewissheit, das macht einen fertig. Und sollte bei ihm dann eben auch der ausschlaggebende Punkt sein, sich auf das Angebot der Kirche einzulassen.

Anders als Perdita widerstehst du nicht dem Versuch, das Fegefeuer zu zeigen. Also was heißt, widerstehen, du ziehst den Leser eben mit in die Läuterungsphase.
Diese Zuspitzung am Ende, das empfinde ich als den schwächsten Punkt der Geschichte.

Ja. In dem Punkt sind sich alle einig :) Hätte ich es nur weggelassen.

Für meinen Geschmack hätte ich hier mehr mit Andeutungen gespielt und den Sack nicht gleich zugemacht.

Sehe ich auch im Nachhinein als die bessere Alternative. Ich hab ja weiter oben geschrieben, ich hatte mal die Idee, die Folter gefühlt viel länger dauern zu lassen als drei Tage - aber die Info kann ich nicht sinnvoll im Text unterbringen, ich sehe zumindest nicht, wie.

Vielen Dank, weltenläufer, für deine Zeit und die Komplimente. Freut mich, dass dir die Geschichte über weite Teile gefallen hat, auch wenn der Schluss nicht so richtig sitzt (was schade ist, weil mir der immer sehr wichtig ist, aber ein gutes Ende zu finden ist manchmal das mit Abstand schwierigste an einem Text ... und wenn dann noch die Copywrite-Deadline naht ...).

Viele Grüsse
Schwups

 

Hallo Schwups,

ich fand das sehr, sehr spannend, deine Version von dem Thema. Und es steckt sehr viel drin, das ich erst mal verarbeiten muss. Also ich werde dir auf jeden Fall noch einen ausführlichen Kommentar schreiben, ich wollte nur eine kurze Rückmeldung geben, dass ich den Text endlich gelesen habe und sehr gut fand, nachdem ich es durch meine ewige Bummelei so lange aufgeschoben hatte. :)

Grüße von Perdita

 

Hey Schwups,

und meinen Glückwunsch zu dieser wirklich großartigen Geschichte. Ich entschuldige mich auch, für meine Zeitverzögerung und bin mir fast sicher, Du hast mit der Geschichte inzwischen schon abgeschlossen, aber egal. Lob nimmt man ja immer gern und ich will es Dir nicht vorenthalten: Toll!

Ich kenne die Vorlage nicht (noch nicht, wird nachgeholt, bin jetzt sehr neugierig drauf), insofern ist das mit dem Ideenlob jetzt so eine Sache, weil ich gar nicht weiß, wem ich was zuschreiben soll.
Was ich aber getrost loben kann, ist der Spannungsaufbau, Stil und die Figuren. Ich habe wirklich nicht ein Kreuzchen auf meinem Ausdruck, nichts unterstrichen oder so. Vielleicht, weil ich so in die Geschichte vertieft war und das Thema mich wirklich gepackt hat. Wahrscheinlicher aber, weil es einfach gut ist.
Diese moderne Form des Fegefeuers, diese Persönlichkeitsänderung, wenn die Diagnose Tod erst ausgesprochen ist - das ist schon eine ziemlich spannende Kombination aus der sich sicher hunderte von Geschichten schreiben lassen. Dafür das Du Horrorfan bist, geht deine ja recht mild aus und das Ende habe ich einfach nicht gekauft. Das passt nicht zum Verlauf, das wirkt so dran, so - irgendwie muss das ja jetzt auch mal fertig sein, ist ja eine Kurzgeschichte. Ich streiche das für mich einfach. In dem Dialog mit der Tochter, wo diese Manipulation auch als Foltermethode erwähnt wird, da läuft dann schon ein mächtiger Film los. Bei Dir ergibt sich im Laufe der Geschichte dann, dass er mitten drin steckt und ich dachte, dass ist ja doch recht glimpflich für ihn. Während er mit seiner Flugangst konfrontiert wird, hält ihm noch jemand Händchen und redet beruhigend auf ihn ein. Ich fand das sehr anständig, aber ich weiß nicht, dass war dann irgendwie so Watte, nach dem, was im Hintergrund bei mir angestoßen wurde. Auf der anderen Seite habe ich mich aber auch für ihn gefreut. Ich habe der Kirche gleich ganz viel Böses unterstellen wollen.
Die SMS - ja klar. Schön auch das Spiel mit der Ungewissheit. Unfall oder Selbstmord? Und er wird nie eine Antwort auf diese Frage bekommen. Das hätte man anstatt der Zombies schön quälend auswälzen können. Nur seine schweigende Frau im Flieger und ihn, wie er versucht eine Antwort darauf zu bekommen. Steigern könnte man dies, indem er nicht sehen kann, dass die SMS von ihr überhaupt je gelesen wurde. Ich kann das nicht sehen und dann würde es noch einen Punkt mehr auf der quälenden Frage- und Schuldliste geben.
Das nur so als Gedankenexperiment Ergänzung. Dennoch, so wie die Geschichte jetzt da steht :thumbsup:.

Sehr, sehr gern und interessiert gelesen. Spannend, tolles Thema, handwerklich beachtenswert gute Umsetzung. Ende schwächelt in meinen Augen. Das ist so Deus ex machina like. Der Tod kommt und erlöst ihn doch ziemlich rasch.Er hat ja kaum Zeit, seine Sünden aufzuarbeiten. 30 Zeilen Qual - da ginge ein bisschen mehr ;).

Liebe Grüße, Fliege

 

Hallo Schwups,

ich find den Text sehr gut, der hätte eigentlich ne Empfehlung verdient. Es sind gute Ideen drin, und du Umsetzung passt, du schaffst es, dein ukunfstszenario folgerichtig und plausibel zu machen. Das Ende ist okay, aber halt ein bisschen mau. Also dass alle tot sind und dann stürzen sich fremde Zombies auf ihn, die er nicht kennt - okay. Das wird hier ja keinem das Grauen einflößen. Da entsteht ja kaum ein Bild. Viel spannender ist das doch mit seiner Frau. Und dann ist das doch Schade, dass sie kein Wort sagt. Ich weiß nicht. Jo hat mir erst vor kurzem erklärt, dass sie bei rachsüchtig gleich an Frau denkt. Stell dir vor, du triffst deine tote betrogene Exfreundin im Fegefeuer.
Mein Vorschlag: Er geht auf die Knie und fleht um Vergebung. Und sie spannt ihn bisschen auf die Folter, was den Unfall angeht und so, lässt ihn so hängen, und er fleht und fleht, und zum Schluß sagt sie "leck mich" und spreizt sie die Beine. Und dann muss er sie auslecken, und überall krabbeln da Maden drin rum und so.
Fände ich folgerichtig. Wegen dem SMS und glatt rasieren und so weiter. Dass das dann wieder kommt. Irgendwer hat das gesagt: die besten Enden sind total überraschend auf den ersten Blick, und total einleuchtend und folgerichtig auf den zweiten.

Ist die Frage, ob dass dann ein bisschen zu trashig kommt. Ich weiß nicht. Vielleicht ein bisschen. Ich schreib selten so Zeug, ist die Frage, wie man machts. Bei dir ist das so stilsicher und alles, ich glaube, das geht einfach glatt runter.
Vielleicht fällt dir auch noch was anderes dazu ein. Ich denke, im Fegefeuer erwartet der Leser halt was, das wird doch ewig aufgebaut, das ist doch das große Fragezeichen, das einem durch den Text zieht, und dann auf die Bremse drücken .. bin ich kein Fan von. Da ruhig abgehen und die Szene doch als Chance ansehen, als Gelegenheit. Du hast schon die ganze harte Vorarbeit geleistet, und jetzt folgt dir der Leser ins Fegefeuer. Das schaffen die meisten Schreiber gar nicht. Eigentlich müsstest du dir an der Stelle die Hände reiben und sagen: Jetzt gehts los ...

Aber wie auch immer, habs sehr gern gelsen, ist wirklich ein guter Text.

MfG,

JuJu

 

Hallo Schwups,

ich finde den Text auch sehr gut. Der ist sehr gut geschrieben, flüssig, die Dialoge sind top. Mich stört im Text nur die eine Tochter, die sich so gegen simuliertes Bewusstsein engagiert, das wirkt irgendwie aufgesetzt, direkt mit der Webseite und so. Braucht es gar nicht. Ihre Argumente sind auch so absolut fundiert. Der Kniff, dass er sich die ganze Zeit schon im Purgatorium befindet, finde ich super. Hat mich an so mindfucks erinnert wie Memento oder Fight Club, so von der Machart. Geil!

Das Ende. Du könntest die Story jetzt noch weiterführen, Juju hat das auch schon erwähnt, ob das jetzt mit dem madigen cunnilingus sein muss, weiß ich nicht, hätte Roger Corman in der Verfilmung die Regie, dann sicher!:D Nein, aber ich denke, hier hast du die Möglichkeit, nochmal zwanzig Normseiten draufzupacken, einfach weil du den Leser so mühelos an diese Schwelle geführt hast.

Tolle Geschichte, mit einer der besten, die ich hier seit längerer Zeit gelesen habe.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Perdita

dass ich den Text endlich gelesen habe und sehr gut fand,

Das freut mich, auf deinen Kommentar bin ich natürlich besonders gespannt :)

***

Hallo Fliege

Du hast mit der Geschichte inzwischen schon abgeschlossen, aber egal. Lob nimmt man ja immer gern und ich will es Dir nicht vorenthalten: Toll!

Klar, das hör ich gerne, und so ganz hab ich (noch) nicht damit abgeschlossen, sie geistert mir immer wieder im Kopf herum, auch wenn ich momentan eigentlich an einem anderen Text bin und auch sonst ziemlich ausgelastet bin.

Dafür das Du Horrorfan bist, geht deine ja recht mild aus und das Ende habe ich einfach nicht gekauft.

Der einzige Grund, warum ich das Ende noch drinstehen habe, ist, weil ich gespannt bin, ob irgendwann jemand kommt und es gut findet ;). Nein, es ist natürlich nichts. Darin sind sich ausnahmslos alle einig. Deshalb hab ich auch mit der Geschichte noch nicht richtig abgeschlossen.

In dem Dialog mit der Tochter, wo diese Manipulation auch als Foltermethode erwähnt wird, da läuft dann schon ein mächtiger Film los.

Ja, da hab ich auch gedacht, in diese Richtung könnte man die Idee auch entwickeln. Wenn man dann die gefühlte Zeit noch beliebig lange ausdehnen könnte … dann hat man sie im wahrsten Sinne des Wortes, die Hölle auf Erden.

Ich habe der Kirche gleich ganz viel Böses unterstellen wollen.

Zu Recht natürlich auch. Das Purgatorium ist ja auch nichts Angenehmes. Die Kirche bietet diesen „Service“ an, das Gefährliche daran ist, dass man nicht genau weiß, worauf man sich einlässt, quasi die Katze im Sack kauft. Aber anders kann es auch nicht funktionieren. Wenn man tief gläubig ist und büßen will, dann büßt man – man schaut nicht vorher, wie sieht das genau aus, und wenn es einem nicht gefällt, verzichtet man. Das ist das Gefährliche an diesem „Deal“, aber eben, anders geht es nicht.

Steigern könnte man dies, indem er nicht sehen kann, dass die SMS von ihr überhaupt je gelesen wurde. Ich kann das nicht sehen und dann würde es noch einen Punkt mehr auf der quälenden Frage- und Schuldliste geben.

Vor allem würde er dann schlimmer zwischen den Extremen schwanken – es gäbe sicher Momente, wo er sich dann sagt, hatte alles mit meiner SMS sicher nichts zu tun – und solche, wo er genau das Gegenteil annimmt. In gewisser Weise wäre das also tatsächlich quälender.

Sehr, sehr gern und interessiert gelesen. Spannend, tolles Thema, handwerklich beachtenswert gute Umsetzung. Ende schwächelt in meinen Augen. Das ist so Deus ex machina like. Der Tod kommt und erlöst ihn doch ziemlich rasch.Er hat ja kaum Zeit, seine Sünden aufzuarbeiten. 30 Zeilen Qual - da ginge ein bisschen mehr

Ich freue mich über dieses Fazit, auch weil ich den einzigen Kritikpunkt absolut teile und eigentlich beim Einstellen der Geschichte auch schon ahnte (wusste), dass er kommen würde. Ja, ich habs glaub irgendwo schon mal erwähnt, es ist dann beim Copywrite halt irgendwann auch mal die Zeit, die abläuft, und schade merkt man das dem Text an.

Vielen Dank, Fliege, für deinen Kommentar und das Lob :)

Auch euch schonmal vielen Dank, JuJu und jimmy, hab mich auch über euer Feedback sehr gefreut, Antwort kommt etwas später, bin schon wieder auf dem Sprung …

 

Hallo JuJu

Und dann ist das doch Schade, dass sie kein Wort sagt. Ich weiß nicht. Jo hat mir erst vor kurzem erklärt, dass sie bei rachsüchtig gleich an Frau denkt. Stell dir vor, du triffst deine tote betrogene Exfreundin im Fegefeuer.

Das ganze Problem an der Schluss-Szene ist ja, dass es sehr schwierig ist, ein solches Setting wie das Purgatorium überhaupt zu beschreiben. Das ist so ein grundlegendes Problem im Genre, das ja auch schon oft beschrieben wurde (und das ich oft auch in meinen Texten habe): Es ist nicht so schwer, an der Spannungsschraube zu drehen, aber dafür, das Ganze zu einem überzeugenden Ende zu treiben. Oder anders: Bei ganz vielen Filmen knabbern die Leute an ihren Nägeln, so lange man das „Monster“ nicht sieht – bis es plötzlich auftaucht und viel von seinem Schrecken verliert. Dann sitzt man da und sagt sich vielleicht: Ist gar nicht so schlimm, weil man mit viel Schlimmerem gerechnet hat. Ich glaube in der „Weiße Hai“ dauert es fast bis zum Ende des Films, bis man überhaupt mal den Hai zu Gesicht bekommt. Aber natürlich muss man dem Leser / Zuschauer auch irgendwann mal zeigen, was man „in der Hand hat“. Das ist das Problem an der Schluss-Szene. Ich glaube, jeder hat da ein ganz eigenes Bild, und es ist schwierig, der Vorstellung gerecht zu werden.

Und, um jetzt zu deinem Vorschlag zurückzukommen, so ähnlich ist es auch mit dem Verhalten der Frau. Fliege meint, die Frau solle schweigen, während er eine Antwort versucht zu bekommen, du schlägst vor, sie solle reden. Aber kann die Situation durch irgendwas, was die Frau sagt, wirklich schlimmer werden für den Mann? Du ziehst das Beispiel mit der betrogenen Exfreundin. Ist aber ein Streit nicht schlimmer, wenn die Freundin plötzlich überhaupt nicht mehr spricht? Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass etwas Grundlegendes kaputt gegangen ist, wenn man nicht mal mehr weiß, ob sie sich aufregt? Manchmal ist Schweigen schlimmer, das sollte hier transportiert werden. Ich glaube, durch alles, was sie sagt, wird es für den Mann einfacher.

Mein Vorschlag: Er geht auf die Knie und fleht um Vergebung. Und sie spannt ihn bisschen auf die Folter, was den Unfall angeht und so, lässt ihn so hängen, und er fleht und fleht, und zum Schluß sagt sie "leck mich" und spreizt sie die Beine. Und dann muss er sie auslecken, und überall krabbeln da Maden drin rum und so.

Das wäre noch eine schöne Ekel-Szene zum Schluss :)


Irgendwer hat das gesagt: die besten Enden sind total überraschend auf den ersten Blick, und total einleuchtend und folgerichtig auf den zweiten.

Gute Enden sind mit Abstand das Schwierigste. Deshalb gibt es auch nur so wenige davon.

Ich denke, im Fegefeuer erwartet der Leser halt was, das wird doch ewig aufgebaut, das ist doch das große Fragezeichen, das einem durch den Text zieht, und dann auf die Bremse drücken .. bin ich kein Fan von. Da ruhig abgehen und die Szene doch als Chance ansehen, als Gelegenheit. Du hast schon die ganze harte Vorarbeit geleistet, und jetzt folgt dir der Leser ins Fegefeuer. Das schaffen die meisten Schreiber gar nicht. Eigentlich müsstest du dir an der Stelle die Hände reiben und sagen: Jetzt gehts los ...*

Ich glaube halt, dass es dann auch viel vom Text kaputt machen kann. Vielleicht hab ich mich auch deshalb nicht so richtig getraut. Ich habs ja mal geschrieben, vielleicht wäre es am besten, überhaupt nicht im Detail auf die Szene einzugehen, aber das wirkt dann sicher auch unbefriedigend.

Aber wie auch immer, habs sehr gern gelsen, ist wirklich ein guter Text.

Danke JuJu für deine Zeit, schön dass du kommentiert hast, hab mich über dein Feedback gefreut.


Hi jimmy

Mich stört im Text nur die eine Tochter, die sich so gegen simuliertes Bewusstsein engagiert, das wirkt irgendwie aufgesetzt, direkt mit der Webseite und so. Braucht es gar nicht.

Ist natürlich dem Original geschuldet von Perdita :D

Nein, ich finde es schön, da auch einen Gegenpol zu haben. Ich finde solche Diskussionen spannend und mochte auch die Idee, das zumindest im Ansatz im Text unterzubringen. Sie spielt ja keine richtig große Rolle.

Der Kniff, dass er sich die ganze Zeit schon im Purgatorium befindet, finde ich super. Hat mich an so mindfucks erinnert wie Memento oder Fight Club, so von der Machart. Geil!
[...]
Tolle Geschichte, mit einer der besten, die ich hier seit längerer Zeit gelesen habe.

Cool dass es so gut funktioniert hat bei dir. Freue mich sehr über ein Lob jimmy, vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommentar.

 

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