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Serie Elements: Zirkulation

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03.01.2001
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Elements: Zirkulation

Daniel Polster

Elements: Zirkulation


Wo bin ich? Wie bin ich hier hergekommen? Und... was bin ich? Meine Gedanken kreisen, doch kann ich mich an so gut wie nichts erinnern. Was war passiert?, versuche ich mein Denken zu steuern. Es kostet mich meine ganze Konzentration, diese Leistung zu vollbringen. Meine Erinnerung reicht nicht allzu weit zurück, von Klarheit ganz zu schweigen, doch fallen mir nach und nach ein paar Fragmente wieder ein. Ich befand mich in einem Raum mit durchsichtigen Wänden und offener Decke - in Begleitung mehrerer anderer meiner Art, schießt es mir plötzlich durch meinen Geist. Ein paar von ihnen... mir schaudert als sich mir die grausigen Bilder ins Bewusstsein schieben... ein paar von ihnen waren in einer Art Kältestarre oder Stase gefangen. War das auch mein Los gewesen? Setzt mein Erinnerungsvermögen vielleicht deshalb erst zu diesem Zeitpunkt ein? Plötzlich tauchen noch mehr Bilder vor meinem inneren Auge auf. Es gab ein Erdbeben... oder etwas in der Art. Dann wurde es dunkel - und ich fiel. Eine Art senkrecht abfallender Schlauch hatte sich meiner angenommen und führte mich direkt in diese Kaverne, in der ich mich jetzt befinde - zusammen mit Unzähligen Leidensgenossen. Es ist unglaublich finster. Auch drängt sich mir die Frage auf, was soll ich hier?

Plötzlich bricht die Panik aus. Ein unvorstellbarer Sog zieht uns in eine Ecke der Höhle, in der ich vermeine, den Schlund der Hölle zu erblicken. Ich werde im Strom der Masse mitgerissen und halte direkt auf dieses grässliche Portal zu, das größer und größer wird. Meine Bemühungen zum Stillstand zu kommen, sind allesamt zum Scheitern verurteilt. Zu stark ist der Sog und der Druck meiner Kameraden, die hilflos an mir vorbei gezerrt werden... Mit einem Mal bin ich durch. Und der Schmerz beginnt.

Wieder eine Höhle. Neben mir meine Kameraden, vom Schrecken der letzten Stunden gezeichnet. Nur schemenhaft und widerwillig rufe ich mir diese Momente in mein Bewusstsein zurück. Ein Labyrinth aus Röhren, Kanälen und Kanälchen riss uns in fortwährender Agonie mal hier, mal dorthin. Unerklärlich starke Söge pressten uns durch viel zu kleine Öffnungen. Nur selten gab es einen Augenblick der Ruhe, und wenn, war es nur eine Frage von Sekunden ehe die Tortur von Neuem begann. Obwohl ich eigentlich nicht in der Lage bin, äußerlichen Schmerz zu spüren, so habe ich ihn dennoch irgendwie... gefühlt. Anders kann ich es nicht beschreiben. Wahrscheinlich eine Frage der Suggestion. Ich bin körperlich unversehrt, doch das empfundene Leid war einfach schrecklich. Der letzte Teil der Reise war der Schlimmste gewesen. Titanische Kräfte zerrten von allen Seiten, drohten mich innerlich zu zerreißen. Und nun war ich hier. Noch immer in absolute Finsternis getaucht, lauschte ich den Worten meiner "Mitgefangenen". Gerüchte wurden laut, dies wäre eine Station auf dem Weg zur Freiheit, zum Licht. Doch ich bleibe misstrauisch. Hoffnung kann Enttäuschung bringen. Enttäuschung bringt Leid.

In der Ferne erklingen Schreie, und ich wappne mich auf das, was vermutlich kommen wird. Ein neuer Schmerz. Und tatsächlich scheine ich Recht zu behalten, als die Achterbahnfahrt von Neuem beginnt. Doch plötzlich... ich traue meinen Sinnen nicht. Licht! Nicht das Licht der Sonne, aber nichtsdestotrotz ist es Licht. Das Röhrensystem liegt hinter mir, fast vergessen sind der Kummer und das Leid der jüngsten Vergangenheit, sehnsüchtig tanke ich jedes Fünkchen Helligkeit, dass sich mir entgegenstreckt. Dann umschlingt mich wieder die Finsternis. Doch etwas ist anders. Diese neue Röhre ist um ein vielfaches größer als alle bisher gewesenen - und sie führt in ständig größere. Was ich davon halten soll, weiß ich nicht. Ich lasse einfach geschehen und ergebe mich meinem Schicksal. Was bleibt mir anderes übrig?

Fast hatte ich mich aufgegeben. Fast! Doch da war sie - die Sonne! Um mich herum Tausende und Abertausende meiner Art. Wir wandern unter ihrem heiligen Antlitz, lassen uns von ihren Strahlen berühren. Ich könnte die anderen fragen, wohin wir ziehen, doch das hat Zeit. Zunächst genieße ich den Augenblick. Wer weiß, wielange das Glück noch anhält? Unsere Gruppe wird immer größer, mehr und mehr schließen sich uns an, unserem Zug der Freiheit.

Nach ein paar Tagen meldeten die Späher, wir hätten unser Ziel erreicht. Auf mein Fragen, was denn unser Ziel sei, meinten sie, ich müsse es persönlich sehen. Und das tat ich. Dies war das Paradies, da war ich mir völlig sicher. So weit ich blicken konnte, bedeckte die ganze Welt ein Teppich, gewebt aus meinen Leuten, aus Wesen wie mir. Mit einem Schlag kam mir die unbegründete Erkenntnis, dass mir niemals wieder Leid widerfahren würde. Wir waren die Herrscher der Erde. So und nicht anders konnte... nein, musste es sein! Nicht einmal der Horizont setzte der wogenden Masse meines Volkes eine Grenze. Ich fühlte mich leicht, als schwebte ich im siebten Himmel. Erst nach und nach realisierte ich, dass das in gewisser Weise der Wahrheit entsprach. Die Sonne hatte mich zu sich gerufen, ihre Wärme hatte mir Flügel verliehen, ließ mich hoch über die anderen aufsteigen. Ich war gesegnet.

Und so fliege ich nun. Hoch oben in den Lüften. Der Wind treibt mich weiter, so dass ich ferne Länder blicken kann. Unter mir färbt sich die Erde weiß. Was für ein wunderschöner Anblick - aber irgendwie vertraut und... eine Alarmglocke schrillt tief in meinem Bewusstsein. Auf einmal ist es ganz kalt geworden. Wahrscheinlich ist die Temperatur schon die ganze Zeit gefallen, nur habe ich es bisher noch nicht bemerkt. Auch werden mir erst jetzt die anderen bewusst, die in meiner unmittelbaren Umgebung meine Reise teilen. Plötzlich bricht einer von ihnen mit einem erstickten Stöhnen aus der Reihe und trudelt der Erde entgegen. Was ist passiert?, frage ich die anderen von Panik erfüllt, doch keiner gibt mir eine Antwort. Ein zweiter sackt zu Boden, dann ein dritter und ein vierter. Auch ich kann jetzt die Gravitation spüren, wie sie zieht, wie sie nach mir ruft. Erschrocken stelle ich fest, dass selbst meine Gedanken immer schwerer werden. Nur träge wird mir bewusst, dass ich an Höhe verloren habe.

Ich falle. Doch weit schlimmer ist die Kälte.

Mir ist so kalt... so unbeschreiblich kalt.

Dann erstarren meine Gedanken.

***

Elements III: Water

 

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