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Werbungskakophonie-Phobie

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18.04.2002
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Werbungskakophonie-Phobie

Kann ich den Ansprüchen genügen?
Es ist der reinste Stress, trotzdem rein ins unausweichliche Unvergnügen, ganz unbedacht, ich lebe bunter, mach mir Freude auf, weil ich es mir wert bin, ganz munter, mitunter. Bin bereit für etwas völlig Neues, vertraue Pink, auch Reparieren oder Austauschen, saugünstig und so, alles wird jeden Tag ein bisschen besser, gibt mir mehr Kraft gegen Fett, macht sogar Kinder froh, aber es macht meinen Kopf nicht glücklich, ich bin doch nicht blöd – oder?
Voller Energie sagen die, im TiVi, der Energiehase, hat’s an der Blase, doch da hilft ganz geschwind, der Granufink, dieser Vogel, kein Uhu, doch denk ich an den, denk ich ans Vögeln, tropffrei und sauber, Spaß ist stärker als Schmutz. Sauberkeit ist wichtig, vor allem in Töpfen, die sind nicht quadratisch, dafür aber praktisch, lupen- und stubenrein auch Schüsseln des Klos, bis man sich drin spiegeln kann, wer immer das will. Überall gilt – Heil dir, citrusfrüchtiger Sakrotan – das sakrosankte Reinheitsgebot, auch für Bier, bauchnabelprickelnd, egal ob Kölsch oder Lager. Wobei das Bettenlager seltsamerweise ein dänisches ist. Dänen sind doch eher bekannt für äquatoriales Aquavittrinken, das lässt den Menschen hinken und tiefer sinken.
Alles ist möglich – nur mir nicht. Man trinkt und sinkt und singt: ‚das verleiht Flüüügel‘, ganz oben wollen wir sein, erleben, was verbindet im ‚alles aber günstig‘ Verein, mindestens Bankkarriere, ganz ohne Schwere: Leistung, die Leiden schafft ohne Rampenlicht, nur eine Lampe aus dem Geizistgeil-Markt mit Quecksilbergift. Kommt das in die Erde, vergiftet es sogar Pferde, ganz schlecht ist das für so ein ‚Vorsprung durch Technik‘ Auto‚ denn: vergiftete Pferde haben keine Pferde-Stärke (untauglich für Pudding), die es eigentlich sowieso nicht mehr gibt sondern nur Pril durchspültes Watt; da biste platt wie das Deutsch nördlicher Länder, wobei die Deutschländer Würstchen doch schmecken, qualitätsgeprüft, als ob Pferde in ihnen stecken, die gerade ver … -wundert schauen, wie sie mit Yoghurt unblähend verdauen, sonst ein Wunsch junger, dynamischer Frauen, die, zugegeben, an ihrer Q10 Hautlotion kleben, weißer geht’s nicht, so ist ihr Leben, im Hipp-(ex) und Hop Werbungs-Einheitsbrei, denn guter Geschmack ist unsre Natur, natürlich, wir wissen, was Natur kann, dann und wann. Ich will raus aus diesem einschleimenden Sumpf, will nicht ‚was Mann will‘, keinesfalls um- und nicht beworben werden, mit Zeug. Tatsächlich: ich liebe es nicht.

Na gut, da wollen wir mal das Schweigen der Verdammnis über diesen Tatbestand drüber ziehen - üben Sie den folgenden Werbeslogan, damit das Ganze nicht umsonst ist:

‚Saugen Sie Staub sauber mit dem Saugrüssel Sauger!‘

Und dann schreien Sie vor Glück.

 

Hallo Goldene Dame,

Zitat von Woltochinon


"Genau – das ist es ja! Es geht um eine Phobie, eine (eigentlich) unbegründete Angst. Warum lässt man die Macht der Werbungskakophonie zu?

wenn du die Antwort weißt, schreibst du sie auch nieder, damit ich sie nachlesen kann?"


Ich denke, es liegt am ‚Verbraucher‘ auch wenn ich es sonst nicht gut finde, was der ‚Verbraucher‘ alles beeinflussen und regulieren soll.
Der Käufer glaubt durch seinen Kauf über den eigentlichen Nutzen einer Ware hinaus etwas zu gewinnen (sog. ‚Zusatznutzen‘): Man wäscht sich nicht nur, sondern wird dadurch attraktiver, jünger, man gewinnt Gruppenzugehörigkeit, wenn man das richtige Bier trinkt, löst Probleme (‚Mach dir Freude auf) – wen man trotzdem noch Probleme hat, stimmt doch irgendetwas nicht. Geschickt wird mit Sex, sozialem Druck oder der Möglichkeit sich selbst etwas Gutes zu tun (‚weil ich es mir wert bin‘) gearbeitet. Letztlich kann man sich da nur entscheiden, sich auszuklinken, Bedürfnisse nicht zu übernehmen, sondern zu wissen, was man wirklich will.

Aber das hast du sicher schon gewusst …

Hallo Dion,

„Und dann tut ihr – mitsamt Autor, dem Schlawiner – noch so, als ob ihr dem nicht entfliehen könnt.“

Aber nein doch – hab‘ ich es nicht als Phobie bezeichnet?

„Dabei thronen die Werbetexter auf dem Gipfel des Olymps, wenn es darum geht emotional und prägnant zu formulieren. Habt ihr schon vergessen, dass Bertolt Brecht, Frank Wedekind, Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Rainer Maria Rilke auch Werbetexte geschrieben hatten?“

Ja – wo sind denn bei den abertausenden Textern die Nachfolger von den erwähnten Größen? Haben die aus Not oder Passion getextet?
Damals ging es auch noch hauptsächlich um Texte kaum professionell, etwas so:

Hiermit möchte ich der Öffentlichkeit höflichst anzeigen,
dass ich meinen Wäschereibetrieb in der XY Straße zum
1 Februar des Jahres eröffnen werde.
Beste Qualität und Preise werden zugesichert.

Heute gibt es ganze Werbekonzepte, Farbpsychologen, Akustiker, Musikpsychologen, Duftkompositeure …
Aber klar – abgesehen vom Zweck des ganzen kann man manche Prägnanz und Originalität bewundern.

L. G.,

Woltochinon


Hallo Friedrichard,

was ist Minimax?

Anti-Werbung – vielleicht ist das die Lösung …

‚Siehst du die Gräber dort in Tal?
Das sind die Raucher von Reval!‘


L. G.,

Woltochinon

 

Heute gibt es ganze Werbekonzepte, Farbpsychologen, Akustiker, Musikpsychologen, Duftkompositeure …
Klar doch, aber in deiner Geschichte geht es nur um Texte – daher mein Hinweis auf die Werbetexter von einst.

Es gibt sie natürlich auch heute. Ich meine, die Schriftsteller, die in der Werbebranche angefangen haben: Frédéric Beigbeder, Martin Suter und Frank Schätzing.

 

Hallo Dion,

"Klar doch, aber in deiner Geschichte geht es nur um Texte – daher mein Hinweis auf die Werbetexter von einst."

Hatte ich auch so verstanden, mit der Erwähnung der Werbekonzepte wollte ich nur einen Gegenpol zu der von mir erfundenen naiven Werbung früherer Zeiten darstellen.

Danke für die Nennung neuer Namen, weißt du vielleicht, was z. B. Schätzing getextet hat? Für Nordsee? :D

Tschüß ...
Woltochinon

 

Hai, Freunde des gepflegten Marketings und PieAar (abgek. PR)!

In der Reihenfolge ihrer Erscheinung:

was ist Minimax?

Ein Brandschutz Komplett-Anbieter (d. h., er legt die Brände - wie die Feuerwehr) zur Umsatzsteigerung auch mal selbst - an sich -

Tucholskys Reim zielte aber auf den Inhalt des kleinen, bombenartigen, in roter Warnfarbe gehaltenen Geräts.

Anti-Werbung – vielleicht ist das die Lösung …

Ist vielleicht in Vergessenheit geraten, aber Peter Rühmkorf schrieb in den 1960-er Jahren über das Volksvermögen, worunter in seinem Fall nicht das Bruttoinlanfsprodukt oder ähnliche Abstraktionen und / oder Zahlenwerke gemeint sind, sondern die Schöpferische Kraft des Volksmundes, der dann auch die von W. genannte kleine Dichtung entfaltete:

‚Siehst du die Gräber dort in Tal?
Das sind die Raucher von Reval!‘

Alternativ wurde der Tod der Rothändle Raucher besungen:

"Siehst Du die Kreuze am Wegesrand?
Es sind die Raucher der Roten Hand."

Das relativ umfangreiche Sammel-Arbeit Rühmkorfs (ich weiß gar nicht mehr, ob auch eigene Schöpfungen von ihm dabei waren außer den Analysen und verbindenden Texte. Insofern und im Rückblick auf R.s Leben könnte man ihn als Aufklärer und Anti-Werber bezeichnen.

Das eigentliche Problem ist doch schon seit Kraus' Zeiten (der übrigens, wenn auch eher sporadisch, Ähnliches wie Rühmkorf verbrochen hat), dass der naive Konsument in den Medien nicht mehr "Reklame" (wie's Kraus noch nannte) von der Nachricht im engeren Sinn (Werbung hat ja auch 'ne Botschaft: Du bist toll - genau in dem Sinne, wie ich's gestern bei Jo untergebracht hatte - und wirst noch toller, wenn Du meine Botschaft frisst und dies Produkt (das in Wirklichkeit zur Ware mutiert ist) und somit auch mich bezahlst, ob sie so nötig gebraucht werde wie ich oder nicht.

Man, jetzt werd ich abere sentimental!

Tschüss & schönes Wochenende von einem, der Morgen mit Werbung erschlagen wird in welcher [Firma-]Arena auch immer und sehne mich nach Bökelberg, Parkstadion, St. Rote Erde ...

Friedel

 

Würde unter andern Bedingungen in einer andern Rubrik gelandet sein, gehört aber idealerweise zum Thema. Es ist ein winziger Vorgriff und Ausschnitt auf die Mitternachtspitzen (Jürgen Becker, WDR 3, 21.40 Uhr), wo Bettina und Christian sich heut einmal ausführlich unterhalten:

Christian
Ich werde das aussitzen. -
Offensiv. -
Dafür habe ich schon das Motto meiner Präsidentschaft auf das Jackett geschrieben.

Bettina
Was? –
‚Der Islam gehört zu Deutschland?’

Christian
Nee!
‚Hier könnte Ihre Werbung stehen.’

Bettina
Als der Pfarrer in der Messe gesagt hat, dass wir alle in den Himmel auffahren, hast du nich Amen gesagt. Sondern laut gefragt, ob’s dafür ein Upgrade gibt.

Das Gespräch in der Reihe (überschätzte) Paare der Weltgeschichte sind natürlich nicht die Eheleute Wulff, sondern Wilfried Schmickler und Uwe Lyko.

Sind denn nicht die meisten von uns lebende Litfaßsäulen, ob wir wollen oder nicht?

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Woltochinon

Montagmorgen viel zu früh habe ich Deine Geschichte gelesen. Sie hat mir doch tatsächlich ein Schmunzeln ins müde Gesicht gezaubert. You made my day!

Das Spiel mit den Worten und die äusserst gelungenen Verbindungen der Werbeslogans haben mich wieder einmal realisieren lassen, wie viel Werbung den Menschen zugemutet wird.

Als Frischling bei KG mache ich mir vielleicht noch ganz andere Gedanken, interpretiere das Geschriebene, ich nenne es mal, naiver, als der geübte Schreiber und Leser.
Natürlich habe ich auch die Kommentare verschlungen und bin auf die Frage gestossen, ob es denn eine Geschichte ist und eine Handlung habe oder eben nicht. An diesem Punkt las ich den Text nochmals und liess ihn auf mich wirken. Jetzt war ich ja wach.

Für mich gibt es zwei Handlungen – wenn auch irgendwie passiv – kann man sagen passive Handlungen? Nee, das klingt zu verwirrend. Ich versuche es trotzdem.

Einerseits fesseln doch die Mitteilungen den Zuschauer, die ihm weiss ich nicht was vorgaukeln, am Tivi oder auch vor Werbeversprechungen auf Papier. Irgendwie werfen die doch ihre Lassos nach dem Konsumenten aus. Andererseits lässt sich der Zuschauer fangen, fesseln und sich beschwatzten. Die Handlung des Zuschauers ist passiv, ja. Doch geniesst er die berieselnde Werbeflut, das goldene Nichtstun etwa? Oder lassen ihn die Versprechungen träumen? Das sind doch alles auch irgendwie Handlungen. Gut das ist eben meine Fantasie.

Ich habe Deine heitere Geschichte über ein nervtötendes Thema gerne gelesen und sie hat mir Freude bereitet.

Gruss Rosalia

 

Hallo Friedrichard,

‚Minimax‘ – minimales Maximum?

„Peter Rühmkorf schrieb in den 1960-er Jahren über das Volksvermögen, worunter in seinem Fall nicht das Bruttoinlanfsprodukt oder ähnliche Abstraktionen und / oder Zahlenwerke gemeint sind, sondern die Schöpferische Kraft des Volksmundes“

Ich hatte vermutet, dass dieser ‚Reval-Reim‘ aus dem Volksmund stammt, irgendwie/wo entstanden ist, wie so mancher Witz.
Wie unbedarft ging man doch früher mit den Zigaretten um, gab es doch den ‚Zigarettenfang‘ – einfach so (‚volksmündig‘ ;) ) entstanden oder gar schon raffinierte PR durch die Industrie?

Vielleicht erlebt das von dir genannte „Volksvermögen“ eine Renaissance, dank Internetaktionen, dem Aufschrei der Bürger, Nationen:

Über die Kraft des wohlformulierten Schreis:

„Du musst gar nicht ausrufen ‚Nieder mit Putin!‘, schrei statt dessen ‚Es lebe die Sonne!‘“

Oleg Kulik


„dass der naive Konsument in den Medien nicht mehr "Reklame" (wie's Kraus noch nannte) von der Nachricht im engeren Sinn (Werbung hat ja auch 'ne Botschaft: Du bist toll – […]“ [unterscheidet], deshalb auch Dinge konsumiert, die er nicht benötigt und auch noch vom Homo sapiens zum Homo Litfaßiensis mutiert, wie du so schön anmerkst:

„Sind denn nicht die meisten von uns lebende Litfaßsäulen, ob wir wollen oder nicht?

Facebook-Anhänger erstarren auch zur Säule, dank der Datenaura, die sie umgibt.

L. G.,

Woltochinon


Hallo Rosalia,

„Einerseits fesseln doch die Mitteilungen den Zuschauer, die ihm weiss ich nicht was vorgaukeln, am Tivi oder auch vor Werbeversprechungen auf Papier. Irgendwie werfen die doch ihre Lassos nach dem Konsumenten aus. Andererseits lässt sich der Zuschauer fangen, fesseln und sich beschwatzten. Die Handlung des Zuschauers ist passiv, ja. Doch geniesst er die berieselnde Werbeflut, das goldene Nichtstun etwa? Oder lassen ihn die Versprechungen träumen? Das sind doch alles auch irgendwie Handlungen.“
Vielleicht würde man das ‚emotionale Interaktion‘ nennen, unter ‚Handlung‘ versteht man doch eher Aktionen, die auch eine gewisse Körperlichkeit haben. Die Aspekte die du erwähnst, Emotionen, Gedankengänge könne sicher fesselnd sein.

„Ich habe Deine heitere Geschichte über ein nervtötendes Thema gerne gelesen und sie hat mir Freude bereitet.“

Vielen Dank! Wenn du sogar sagst: „„You made my day!“”, dann habe ich mit dem kleinen Text mehr erreicht, als mit manchem komplizierten Text.

L. G.,

Woltochinon

 

‚Minimax‘ – minimales Maximum?
,

richtig erkannt,

lieber Woltochinon,

selbst studierte Ökonomen sind weiland der Verballhornung des ökonomischen Prinzips aufgesessen. Die korrekte Form taucht in zwei Varianten auf: ein bestimmtes Ziel mit minimalem Aufwand zu erreichen und mit gegebenen Mitteln das maximale Ergebnis zu erzielen. Flachköpfe haben (aber, muss man zugeben, aus der gleichen Disziplin) haben das Minimax-Prinzip entwickelt: Mit geringsten Mitteln den größten Erfolg zu holen.

Was sind die geringsten Mittel (= absolutes Minimum = Null), und manch kleiner Mann hat's gefressen.

Gruß

Friedel

 

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