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Wasted papers

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12.04.2007
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Wasted papers

Wasted papers –​
Hensels gebläute Gräte letz tork ’baut ßæcks​

Gegen Mittag wird die Mülltonne laut klappernd an ihren gewohnten Abstellplatz hinters Haus gebracht. Nachdem der Zweibeiner gegangen ist, klappert die Mülltonne immer noch, dass der Gelbe Sack, der schlapp an der Wand herunterhängt, sich in seiner Ruhe gestört fühlt und fragt, was denn solch’ Vergnügen bereite.

„He, Tonne, was amüsiert dich so?“, fragt der Sack und ergänzt: „Kriegst dich ja gar nicht mehr ein …“
Die alternde Mülltonne antwortet klappernd und gackernd wie ein junges Huhn: „Junger Freund, was ich von gestern Abend bis heute früh bei der Arbeit erlebt habe, ist unglaublich“, kräht einmal heftig und fährt fort: „Du wirst es mir wohl nicht glauben, wenn ich es dir erzähle. – Ich glaube schon fast, dass es niemand mir glauben wird. Es ist ja auch unglaublich!“

„Du machst es aber spannend und mich neugierig“, sagt der Gelbe Sack.
„Erzähl, Alte!“
Und die Mülltonne erzählt: „Du hast ja mitbekommen, dass ich gestern ziemlich spät erst in der Abenddämmerung vors Haus gebracht wurde. Dort richtete man mich ordnungsgemäß aus, wie es sich einfach gehört für die Arbeit: exakter Abstand zum Bordstein und die Schnauze nach vorn, der Straße zugewandt. –
Doch was ich dort im Halbdunkel erkannte, schockierte mich …“
Die Tonne lacht schon wieder, dass der Gelbe Sack ungehalten ruft: „Ja, was denn? Sag schon und krieg dich wieder ein!“, und noch heftiger schließt: „Hör auf zu gackern, du bist kein Huhn!“
Lachend stottert die Mülltonne vor sich hin: „Da steht doch - wahrhaftig - äußerst schlampig und direkt am Straßenrand eine Tonne - doppelt so groß wie ich und die redet wirres Zeug, als wir ins Gespräch kommen, denn sie war besoffen.“ Und plötzlich ist das Gegackere nackter Erregung gewichen: „Besoffen zum Dienst, wo gibt’s denn so was!“

„Gibt’s denn so was? - Woher weißt du denn, dass die Tonne betrunken war?“, versucht der Sack seine alte Freundin zu beruhigen. „Torkelte sie, - doch sicherlich nicht. - Lallte sie?“
Die Tonne beruhigt sich wieder: „Nein, junger Freund, nichts von alledem, aber du kannst meinem Urteil vertrauen. Denn sie behauptet, dass sie vielbelesen wäre und somit klug. –
Hat man so etwas schon mal von einer Abfalltonne gehört? Quasi, als wäre sie die Intellektuelle unter uns Tonnen!“
„Und – ist sie?“, fragt der Sack.
„Nun, sie behauptet, sie habe ganze Wälder zu fressen gekriegt, vor allem bedruckt mit den Stäben der Buche. Sie und ihre Verwandtschaft hätten in den letzten zwei Jahren zwei Millionen Exemplare von Feuchtgebeten und gerade eine halbe Million Stoßgebiete – oder so ähnlich – verpacken, entschuldige, verdauen müssen …“
„Unglaublich …“, meint der Sack. „Da hätt’s mir aber den Darm zerrissen. Wochenlang Dümmpfiffi und der Geruch nach faulen Eiern. – Mich ekelt! Als wenn nicht null Finanzierung reichen würde wie Miet me und hier werden Sie geholfen. Flachsinn ist eben unkaputtbar …“ und übergibt sich, dass der Plastikmüll sich vor der Tonne ergießt.

Liebes Publikum, es kann dauern, bis sich der Verdauungstrakt des Sackes wieder beruhigt hat – das kennen wir! Schon tausendmal erlebt - dass wir derweil getrost in einen andern Trakt – und zwar: des hiesigen Rathauses abschweifen können und geben einen kurzen Bericht zur Sachlage:

Unter der Anleitung des Gemeindepräsidenten Herrn Borries Munichousen werden von Hilfsbütteln zwo Tonnen geschoben, die sich allein durch die Farbgebung unterscheiden: in einer grauen Tonne mit einem blauen Deckel steht Herr Kolping, in einer grell-blauen Tonne steht der Parteifreund des Gemeindepräsidenten Karlfriedrich Hieranonymus. Beide reden auf das Parlament ein.
Will Kolping die Kinder- und Jugendarbeit mit dem Überschuss, den er sich aus dem Altpapierhandel verspricht, finanzieren, so will Hieranonymus allein nichtsnutzigen Kram wiederverwerten, kurz: Wohltäter der Menschheit werden.
Das Parlament schreit auf gegen Herrn Kolping: Welche Jugendarbeit, alles Lüge, denn Kolpings Jugend ist lange verflossen, die Jugend ausgestorben. Kinder stehen auf der Liste der bedrohten Arten, Kindergärten gehören abgeschafft, Kinder gibt's kaum noch und Kids gehören in Disney- oder Legoland. Und als Hieranonymus dem Parlament garantiert, dass die Entsorgung kostenlos erfolge, erhält er prompt den Zuschlag.

Derweil hat der Sack sich erholt. Nun ja, flau wird ihm noch einstweilen bleiben. Aber zum Beleg berichtet die Mülltonne von einer gerade versenkten Broschüre der bekannten Wochenzeitung Nr. 33 eines modernen Hensel und Grätel, dem Puppenspieler Sarkozy und seiner Sarkosin:

Liebe Carla, hast du das Gefühl, dass Sex ein großes Thema sei? –
Ich wünschte mir das, aber ich seh es nicht! Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema, und dennoch wird’s nur heimlich besprochen. Schon unter Freunden wirds Reden über Sex schnell zum Tabu.
Sollten wir wieder mehr über Sex reden, ma chère? –
Ja doch, jeder Tabubruch wie’n offnes Gespräch über Sex, wär gut, hebt die Isolation auf, die wir alle empfinden. Wenn ich mit andern nicht über Sex reden kann, denk ich, ich wär mit meinen Problemen ganz allein auf der Welt. Während einer Beziehung spricht doch kaum einer über sexuelle Probleme. Die erzählt man sich erst, wenn alles kaputt ist. Dann sind die Leute wieder ehrlich.
Ehrlich? - Was bedeutet Sex für dich, liebe Carla? –
Sex hat was Magisches, beinah Tierisches. Man kann nicht kontrollieren, ob man gut ineinanderpasst. Entweder knallt’s zwischen zweien oder nicht. Guter Sex kommt direkt aus dem Neandertal, sieht scheiße aus, hört sich ekelhaft an und riecht etwas nach Fisch. Doch wenn man die Droge gefunden hat und andre sieht, die noch danach suchen, dann macht das sehr stolz. Michel Houellebecq …
Ich bewundere dich, liebe Carla, wen du so alles kennst … -
… Michel Houellebecq hat einmal gesagt, es gäb eine klare Trennung zwischen Menschen, die Sex hätten, und Menschen ohne Sex. Und Mama sagte immer: es gibt solche und solche, von den andern gar nicht erst zu reden. Mama hat recht und erst recht Michel Houellebecq!
Liebe Carla, siehst du Menschen an, wenn sie keinen Sex haben? –
Glaub schon. Flirten, Frauen ansprechen und Sex haben, sind Dinge, die man verlernen kann. Ich seh Menschen an, wenn sie schon längre Zeit nicht mehr mit jemand oder etwas geschlafen haben. Ich glaub auch, dass viele Frauen flüchten, wenn sie bemerken, dass ein Typ keinen Sex mehr hat. Jedem Single wär zu raten:

Bums jeden, den du finden kannst,
dann bleibst du in der Übung und entspannst …​

Ich kenne sehr wenige Menschen, die über Sex sprechen ... –
...ich red mit ein paar Leuten darüber. Beim Joggen oder beim Zahnarzt. Aber ich glaub auch, dass sie mit mir sprechen, weil sie wissen, dass ich mich für dieses Thema interessier.
Nur für dieses Thema, liebe Carla, nur dafür, musst du zugeben -
Sie erzählen mir von der Einsamkeit. Einsamkeit ist doch etwas für alte Leute, die zur Massage gehen, damit sie mal von jemand berührt werden, oder sich freuen, wenn der Frisör ihnen durchs Haar fährt - da muss man nicht eigenhändig ans Eigengemächte - und die wuscheligen Augenbrauen stutzt, dass die nicht mehr die Suppe durchs Gesicht ziehn und aussehn wie Loriots Nudelmann. Einsam ist man noch lang genug in Sarg oder Urne. Wenn man jünger ist und öfter in Clubs geht, dann sind Berührungen etwas Normales. Beim Tanzen rücken die Körper eng aneinander. Aber mit 35 oder 40 ist die Gefahr, körperlich zu vereinsamen und sich nicht mehr zu spüren, sehr groß.
Verliert man sein Körpergefühl, meine Kleine? –
Nein, das Selbstbewusstsein.
In den Affären der letzten Monate ging es allerdings sehr viel um Sex: Kachelmann, Berlusconi, Strauss-Kahn und Roche ... Geht es da nicht um Gewalt? Ist Gewalt denn nicht die am stärksten entäußerte Form von Sexualität? –
Pathologischer Sex ist für mich ganz uninteressant. Da sollen sich Polizei und Justiz drum kümmern. All diese Fragen um Macht, Geld, Körper, unterdrückte Frauen, Kinderarbeit. Ich interessier mich allein für den freiwilligen Sex.
Aber kann man nicht sagen, dass durch die Skandale die Begierden des Körpers wieder in den Mittelpunkt getreten wären? Im täglichen Leben dagegen kann man seinen eigenen Körper ja durchaus vergessen, man braucht ihn eigentlich nicht mehr. –
Für mich ists anders: Wenn ich Körper bin, bin ich glücklich. Joggen, Schwimmen, Schwitzen, körperliche Arbeit, Sex, Yoga, alles schön. Den Körper nicht mehr zu nutzen, sondern nur noch zu denken, wär ein Albtraum.
Je weniger wir unsern Körper brauchen, desto stärker wird er Ziel von Projektionen. Du projizierst ja auch etwas in deinen Körper hinein, wenn du sagst, dass er dich glücklich mache, indem er dich zwinge, deinen Gedankenfluss zu unterbrechen. –
Ich hab aufgehört, Sport zu treiben, um meinen Körper zu optimieren. Ich verachte Frauen, die Yoga treiben, um keine schlaffen Oberarme zu bekommen. Gerad hab ich auf Eurosport Gewichtheberinnen gesehn. Ekelhaft! Sport ist für mich ein geistiger Zustand geworden.
Ist es nicht ein schönes Gefühl, in einem schönen Körper zu leben, meine kleine Prinzessin? –
Ja, aber ich will Yoga nicht länger als diese Beauty-Kacke missbrauchen. Ich geh nicht mehr joggen, um meinen Körper zu tunen, sondern ich stell mir vor, dass ich ein Afrikaner im Busch und meine Beine allein zum Laufen da wären.
Schönheit bedeutet doch auch Freiheit. –
Nach Schönheit zu hecheln hieße, sich selbst ein Gefängnis zu bauen. Ich seh viele Frauen, die stundenlang ins Fitnessstudio gehn, um minimale Veränderungen am Körper zu erreichen. Männer nehmen das oft gar nicht wahr. Ich will so sein, wie ich bin: Ich bin klein, wenn auch größer als du, mon petit Nicolas, meine Beine sind kurz, mein Arsch ist, wie so ein durchschnittlicher Arsch eben ist. Ich mach keine Übungen mehr für irgendeinen Arsch. Ich hab keine Lust mehr darauf.
Du hast einen ziemlich geilen Arsch, und das weißt du auch. Kannst du nicht gerade deshalb die Freiheit des Körpers fordern, weil du alle Schönheitskriterien erfüllst? Wir können erst von Zwängen reden, wenn wir Normen erfüllen. Wir können über Sex reden, weil wir nicht so aussehn, als hätten wir keinen. –

Der Arsch liefert uns das Stichwort, ins Rathaus abzuschweifen. Nun erleben wir authentisch und hautnah hinter den Kulissen, wo sich die Parteifreunde Hieranonymus und Borries zum Triumph treffen.
Munichousen sagt: „Bei deinem Auftritt gerade kam aber deine Vergangenheit stark durch, Alter.“
„Ja, Jungchen, das ist richtig. – In Wirklichkeit kostet alles. Die Investitionen vorweg zehren einen auf und wenn man dann keinen guten finanziellen Hintergrund hat, ist man schnell pleite. Aber glaubt denn einer im Ernst, dass die Entsorgung nix koste? Sie kostet so viel als die Herstellung des Mülls. Wenn wir aber erst einmal den heiligen Dämel niedergerungen und aus dem Konkurrenzlauf verdrängt haben, werden wir’s schon richten.“
Er hebt ein Glas Wein und stößt mit Borries an: „Und heißt nicht schon der alte Spruch: Was nix kostet ist auch nix wert? –
Das kann doch keiner wollen! -
Und, lieber Freund, meine unternehmerischen Freunde und ich wir arbeiten schon an einem nächsten Projekt: der sinnvollen Entsorgung von Menschengut. Denn siehe, warum sollen sie einfach nur ins Erdreich getan werden, wenn man sie doch dem Erdreich zumindest als preiswerten Dünger anheim geben könnte. Die Devise lautet dann: Fleisch statt Torf!
Und die jüngeren Leute könnten zu Fleischprodukten verwertet werden, wie doch schon unser alter Parteifreund Fritz Haarmann es uns vormachte. Denn du weißt: Menschen und Schweine schmecken gleich! Die Sache hätte ferner einen positiven Effekt: wir könnten die neue Produktpalette in die islamische Welt exportieren und den Exportmarkt erweitern… -
Wie sagt doch die Wissenschaft so schön: There’s no point of return!“

Borries hakt sich unter in seinen väterlichen Parteifreund und beide singen zur Melodie, dass ganz Paris von der Liebe träume:

„Warte, warte nur ein Weilchen,
bald kommt Haarmann auch zu dir,​
mit dem kleinen Hackebeilchen,
macht er Hackefleisch aus dir.

Aus den Augen macht er Sülze,
aus dem Hintern macht er Speck,
aus den Därmen macht er Würste
und den Rest, den schmeißt er weg.“​


Einer anderen Version wie „In Hannover an der Leine, Rote Reihe Nummer 8, wohnt der Massenmörder Haarmann, der schon manchen umgebracht,“ vermögen wir, liebes Publikum, hier nicht zu folgen, schließlich geben wir nichts als die nackte Wahrheit wieder, denn Haarmann wohnte zuletzt im Dachgeschoss in der Roten Reihe zwo, nicht acht, wie im Lied behauptet. Besonders stolz macht uns – natürlich – dass sein Schicksal mit dem hervorragenden Götz George in der Titelrolle verfilmt wurde. In diesem Film erkennt man, dass Haarmann eine einfache Seele war und niemals einer Münchhausen-Partei angehört haben kann – naja, vielleicht aber angestiftet wurde.

Aber es soll doch alles politisch korrekt zugehen!

Und schon sind wir wieder beim Spiel der Sarkozy und seiner Sarkosin:

Ich ertrag diese Frauen nicht mehr, die nie essen, worauf sie Lust haben, merk den Frauen ihr Leiden sofort an, ich seh, wenn ein Körper nicht das bekommt, was er fordert. Ich find Frauen, die langsam verfallen, viel schöner. Das ist eine Gelassenheit, von der ich glaub, dass sie auch Männer anziehe. Ein Frauenbauch, Stillbrüste, Hängebrüste - Frauen sollten das an sich akzeptieren, dann können sie sich auch im Bett gehen lassen.
Du warst magersüchtig? –
Ja. Aber wie so viele Süchte, die ich hatte, ging auch die dank der Therapie vorbei und wurde durch andere Süchte abgelöst: Alkohol, Shopping - you name it, I hate it! Ich glaube, dass Bilder uns Frauen krank machen. Wir sind ständig mit retuschierten Fotos von Frauenkörpern konfrontiert, irgendwann glauben wir, wir müssten so aussehn. Das kränkt mich. Erst wenn man sich von diesen Bildern fernhält, wird man wieder gesund! Jetzt ess ich, was ich will, wann ich will, und hab nicht mehr so eine magersüchtige angespannte Ausstrahlung.
Du bist eine schöne Frau, ma chère! –
Ich find mich nicht schön. Wenn es mir schlecht geht, find ich meine Brüste zu klein, und auch alles andere gefällt mir nicht. Es mag sein, dass ich schlanker bin als andre und dicke Frauen denken: Carla, halt die Fresse! Aber ich möchte über meine Komplexe reden und schreiben. Wenn ich etwas schreib, dann hab ich den Anspruch, dass es absolut neu ist. Ich will, dass es so etwas noch nicht gibt. Außerdem sollen meine Bücher mutig sein. Ich will darin fast bis zur Selbstaufgabe ehrlich bleiben. Eine tolle Erfahrung! Auch pornografische Sachen, also der Duschkopf in der Vagina, der Penis in der Saugdüse und so, das sind lustige Übertreibungen. Aber die ernsten Dinge, die mir wichtig sind, finden auch die Leser wichtig. Wenn ich dann vor jungen Frauen les, die alle an den richtigen Stellen lachen, und merke, dass man für die sprechen kann, ist das eine große Aufgabe. In solchen Momenten sag ich mir: Ich darf die nicht verraten! Und wenn das die Macht ist, von der du sprichst, lieber Nicolas, ja, dann hab ich welche. Macht im Sinne von Verantwortung.
Du selbst hast dir nie einen Duschkopf zwischen die Beine geschoben? -
Rein? Bist du bekloppt? Nein! Du hast doch auch nie mit dem Staubsauger gebumst!

Doch, ma petite, das war ein Höllentrip. Meine einzige Antwort auf Staubsauger und Tod heißt Sex. Das ist eine Erkenntnis aus der ambulanten Therapie: Nach so einem Unfall ist man vollkommen traumatisiert. Man hat unfassbar viel Ängste, die auch nicht mehr verschwinden. Angstzustände kommen und Panikattacken, gegen die man dann die ganze Zeit zu kämpfen versucht, um sie zu kontrollieren. Aber das funktioniert nicht, man rennt gegen Windmühlen an und bleibt diesen Ängsten ausgeliefert. Man kämpft dauernd gegen den Tod, obwohl der gar nicht da ist. Man steckt ja nur in der Düse. Es passiert mir immer wieder, ich sitz scheinbar gelassen irgendwo, trink einen Kaffee mit Angela – Du kennst Angela? - und hab innerlich Todesängste und versuch zu verhindern, dass die Grande Nation sterbe. Dauernd erleb ich Stromschläge, Überschwemmungen, ich stell mir vor, wie Versailles über uns einstürzt. Ich bin in Dauererregung, in ständiger und totaler Anspannung. Irgendwann hat meine Therapeutin gesagt, dass ich meine Ängste mit Sexualität überlagere. So kann man mein Werk verklären. Die andern denken, wenn sie das lesen: Wie krass! Aber für mich ist das gar nicht so, denn das, was in meinem Innern passiert, ist viel, viel krasser.
Also versteht man dich gar nicht, wenn man dich ohne den Unfall denkt, lieber Nicolas? -
Ich hass Politiker, die ernst genommen werden wollen. Wenn jemand mich falsch versteht, dann mach ich doppelt und dreifach mit. Wenn mich jemand auf Pornografie reduzieren will, dann sag ich: Gern, und steig voll drauf ein. Alles andere wäre total peinlich.
Aber da sich die aktuelle Politik wie ein Kommentar auf die alte liest, lieber Nicolas, gibt es offensichtlich das Bedürfnis, die Dinge richtigzustellen. -
Natürlich wollt ich klarstellen, dass alles einen tieferen Sinn hat! Gerade junge Autoren – Fängt mit einem „au“ an und hört als Tor auf!
- werden ja oft dem Verdacht ausgesetzt, sie wüssten nicht, was sie tun. Als wäre der Erfolg, den sie haben, Zufall. Bei mir ist alles, was ich tu, massiv geplant. Ich mach mir sehr viele Gedanken über alles, was ich tu. Das war schon damals so, als ich noch als Ententainer moderiert hab. Ich hatte jede Moderation vorher im Kopf und hab dann so getan, als wär’s spontan. Meine Lesungen sind der reinste Fake, ich spiel, dass ich authentisch wäre. Denn ungebrochene Authentizität ist das langweiligste, was es gibt. Das ist peinlich und oft nur platt. Der Zuschauer will die perfekte Simulation des Authentischen, nur beim Sex soll alles wirklich sein.
Warum ist Sex die Antwort auf den Tod? -
Ich bin schon immer sehr von Sex angezogen worden, vor allem von verbal sexuellen Leuten. Das war schon vor dem Unfall so. Sex ist so lebensbejahend, weil er ohne den Kopf auskommt, nur der Körper agiert. Wenn ich mit jemand schlafe, muss ich an nichts mehr denken, vergess all meine Ängste. Wenn ich keinen Sex hab, hab ich Angst.
Ist dies das heimliche Projekt unserer Generation: lebenslanger Sex mit ein und derselben Person? Auch als eine Antwort auf das Liebeschaos der 68er? -
Ich glaub, dass es keine Generation vor uns gab, die an ihren Beziehungen und ihrer Sexualität gearbeitet hat wie wir. Die Leute gehen massenhaft zum Paartherapeuten und viele sind hinterher glücklicher. Auch der Sex wird oft wieder besser, denn dafür müssen Blockaden gelöst werden. Man muss reden, reden, reden. Dann kommt auch der Flow wieder.
Woher aber stammt unser Bedürfnis nach lebenslangen Beziehungen? -
Aus der Angst vor Einsamkeit und auch davor, mit immer wieder neuen Partnern dieselben Fehler zu machen. Ich find es viel klüger, bei einem zu bleiben, mit dem man alt werden kann.
Das klingt einerseits sehr spießig und trägt andererseits die Illusion in sich, dass man sein Leben lang derselbe bleiben kann. Ändern wir uns nicht, sagen wir, alle zehn Jahre und werden zu einem anderen? -
Das ist total spießig. Ultraspießig. Klar. Aber vielleicht und hoffentlich darf man sich in einer langen Beziehung auch die ganze Zeit verändern. Dann kann man zusammenbleiben, obwohl man sich alle zehn Jahre verändert. Bei mir passiert das übrigens eher jedes Jahr!
Ich hab aber auch das Gefühl, dass viele Leute in unserem Alter kleinkarierte und überschaubare Beziehungen führen. Luftdicht und vakuumverpackt. -
Wir leben unfassbar domestiziert. Und sosehr ich es mir wünsch, dass unsere Beziehungen halten, so groß ist meine Angst, dass uns alles um die Ohren fliegt. Ich glaub auch, dass es wenig Menschen gibt, die wissen, dass Sex und Liebe nicht dasselbe sind. Sie glauben, dass sie mit dem Menschen, mit dem sie Sex hatten, auch zusammen sein müssten. Deshalb machen sich viele etwas vor, wenn sie eine Affaire beginnen - in Wahrheit suchen sie nach einem Ausstieg aus ihrer Beziehung. Ich hab noch nie jemand getroffen, der nur Sex wollte. -
Dabei glaub ich, dass es hilft, fremdzugehen, um bei der großen Liebe bleiben zu können. Dieser domestizierte Mann, der von sich behauptet, nur auf seine eigene Frau zu stehen, nie fremd- oder in den Puff zu gehen, ist auch ein Ergebnis eines falsch verstandenen Feminismus. Wir verachten den sexuell aktiven Mann so wie die sexuell aktive Frau.
Was bleibt am Ende? Sex als Rettung? -
Absolut. Zuerst verschwindet in den Beziehungen der Sex, und dann geht auch alles andere den Bach runter wie die Helene und der Silvio. Buchhalter, die sich nur um 55 Mrd. verrechnen, übernehmen sich. Europa ist ein unglaublich fragiles Gebilde. Eines Tages schaut man den Partner an und merkt, wie man langsam begonnen hat, ihn zu verachten. Dann will man sich auch nicht mehr öffnen. Die Körper begegnen sich nicht mehr, und plötzlich denken die beiden darüber nach, ob es nicht auch möglich ist, ohne Sex zusammenzubleiben. In solchen Stadien wird die Verachtung für den Partner offen zur Schau getragen, der andere vor Freunden gedemütigt. Wenn ich so Paare sehe, rufe ich innerlich wie beim Boxkampf: Sechs, sieben, acht, neun … neunzehn … siebenzwanzig ... „Das beweist aber nicht, dass jemand betrunken ist“, wendet der Sack scharfsinnig ein. „Man ist, was man isst. Also gibt die Tonne gerne an.“
„Nee, nee, das sicher nicht. Sie sammle Altpapier …“
Nun muss der Gelbe Sack selber lachen: „Hat man jemals davon gehört, dass es Jungpapier gäbe?“, dass die Tonne zugibt: „An sich hast du Recht. Aber damit meinte sie, all den Papierkram, den die Menschen loswerden wollen …“
„So wie bei uns die schöne neue Verpackungswelt, - ah ja, ich verstehe!“
„Aber, liebe Freundin, wie um alles in der Welt will sie vom hiesigen Werbemüll, den Kurieren und Reports, der Blödzeitung und der Tagespost klüger werden, als sie ohnehin schon ist? Gar gebildet?“
„Einbildung ist auch ’ne Bildung“, murmelt die Tonne, was den Sack nicht sonderlich beeindruckt: „Aber wie kommst du darauf, dass man bei solchen Behauptungen nicht mehr nüchtern sei?“
„Ja, mein lieber junger Freund, heute früh als die Sonne aufging sah ich es ganz deutlich: die Tonne ist blau, also eine dicke besoffene Tonne …“

Aber nicht diese Tonne ist besoffen, sondern jene, die darin ganze Wälder versenken. Aber wir wollen nicht jammern, sondern uns noch einmal dem Rathaus zuwenden, wo gerade nach mehr als dreijähriger Odyssee durch deutsche Lande folgendes Schreiben eintrudelt:

Brief unter Kollegen zum 13. Februar 2008

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

seien Sie mir aufs herzlichste gegrüßt mein lieber Freund und Kollege Herr Borries Freiherr von Munichousen!

Ihr letzter Brief erreichte uns letzten Mittwoch, da der Stadtrat hiesigen Orts das Aschenkreuz gerade empfangen und den traditionellen politischen Aschermittwoch mit einem gemeinsamen Katerfrühstück beging und die Fastenzeit mit Maßen Starkbieres und mit Karaffen roten und weißen Weines begrüßte, den Mund aber hernach mit Enzian, Korn, Slibowitz und anderem Gesöff spülte und desinfizierte. Nicht nur, dass die Ätzung köstlich war und das vorfrühlingshafte Wetter inmitten der kalten Jahreszeit unsere Herzen erwärmte, Ihr sehr verehrtes Schreiben entlockte uns Jubelrufe und manches begeisterte Händeklatschen: eine Wahl souverän gewonnen und eine Reform, was schreib ich, eine Reformation vollendet, gegen die jene von vor fast einem halben Jahrtausend als ein laues Lüftchen wirkt.
Wir gratulieren Ihrem Landesvater Wulfila und Ihnen als Stadtvater mitsamt Ihren Stadtältesten zu einem triumphalen Sieg übers linke Pack, das niemals sich mehr von dieser Niederlag’ erholen möge!
Aber uns hier in der Ferne freuts noch mehr, dass mit der Reform eines nicht unbedeutenden Teiles des Staatsdienstes der Fortschritt in Ihrer Region weiter fortgeschritten ist. Diesen Schritt sind wir bereits im vorletzten Jahrhundert gegangen und wir haben es bis heute nicht bereut. Wie schön, dass unsere Erkenntnisse Sie nun im hohen Norden erreicht haben. Und wir sind sicher: Sie werden es auch nicht bereuen!
Denn durch die Reform wird Ihre Polizei modernisiert, tat- und schlagkräftig. Sie hat eine präventive Wirkung, denn das Verbrechen wird von mancherlei übler Tat abgehalten werden. Die Statistiken werden es gar bald beweisen: Die Zahl der Verbrechen wird zurückgehen, die Aufklärungsrate bis zu tausend Prozent steigen. Nun wird man durch die anstehenden, aber notwendigen Investitionen einige Mehrausgaben haben, die sich aber parallel zur Entwicklung der günstigeren statistischen Zahlen durch entsprechende proportionale und angemessene Einsparungen beim Personal wieder ausgleichen lassen.
Um wie vieles eleganter sieht heute ein moderner Polizist in seiner neuen Uniform aus als in dem früheren grün, als wäre die Polizei jemals Teil der Forstverwaltung gewesen. Die neuen Polizeifahrzeuge sind auf modernstem Stand und farblich auf die Uniformen abgestimmt. Das erzeugt ein harmonisches Gesamtbild von funktionalem Werkzeug und dem modisch chicen Outfit dynamischer und kreativer Beamter. Letztlich erfreut das Bild das Auge des betrachtenden Bürgers. Kurz: Ich und der Stadtrat von Seldwyla beglückwünschen Sie und die politischen Entscheidungsträger zu dem grandiosen Sieg über die linken vaterlandslosen Gesellen und die Reformation des Polizeidienstes. Dabei erfüllt es die Stadtältesten von Seldwyla mit Stolz, dass der hiesige Beschluss von 1873, die durch unseren Stadtschreiber Gottfried Keller mit der Aktenbezeichnung „Kleider machen Leute“ novelliert wurde, vorbildlich von Ihnen und Ihrem sehr verehrten Landesvater Wulfila umgesetzt wurde.
Stolz macht es uns, dass durch diese Reformation durch den guten Geschmack und des ästhetischen Empfindens unserer gesetzten Novelle von 1873 spät, aber doch immerhin gefolgt wurde. Bald schon wird Ihre Reform großen Erfolg haben, dass wir Euch zurufen: Nur weiter so und jeder ist seines Glückes Schmied, erst recht, wenn er so tüchtig ist wie Eure Regierung.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Der Stadtpräsident zu Seldwyla

 

Lieber Friedel

Ein gesellschaftspolitisches Panoptikum, aus deiner spitzen Feder, schonungslos die Kleinen karikierend und den Grossen in die Schuhe schiebend. Oder liegt es zwischendrin, sich hin und her verschiebend? Wer sind denn letztlich die Kleinen und wer die Grossen, in der Politik doch wohl ein Wechselspiel.

„Du machst es aber spannend und mich neugierig“, sagt der Gelbe Sack.

Wieso weisst du das, so ergeht es mir, dabei bin ich doch nicht Gelb, weise eher eine nachsommerliche Brauntönung auf.

Sie und ihre Verwandtschaft hätten in den letzten zwei Jahren zwei Millionen Exemplare von Feuchtgebeten und gerade eine halbe Million Stoßgebiete – oder so ähnlich – verpacken, entschuldige, verdauen müssen …“

Da meinte ich vorwitzig, dich im anstössigen Feuchtgebiet freudscher Vertipper erwischt zu haben, doch sechs Wörter weiter musste ich Gelb anlaufend, meinen Gedanken zurückbuchstabieren.

Gebannt folge ich dem Gespräch aus dem Palais de l’Élysée. Studiert Carla da wohl dialogisch einen Text für ein neues Lied ein? Meine Bruni‘sche Liedersammlung freut sich darauf.

Sollten wir wieder mehr über Sex reden, ma chere? –

Auch wenn die allmächtige Zensur die erste Antwort von Carla vertuschte, :zensiert: weg mit diesem ollen Balken!:
Also mein lieber Nicolas, auch wenn dein Baumstamm nach Ungarn verästelt ist, korrekt bin ich: ma chère.

Zu wenig bewandert im aktuellen Kaleidoskop der Politikeraffären, freue ich mich darauf, vor meinen weit aufgerissenen Augen, die weiblichen Gespielinnen vorgeführt zu erhalten. Doch da geht es, im spannendsten Augenblick, schon zurück ins Rathaus, wo der vergreiste Geist Haarmanns in Moritaten noch sein Unwesen treibt.

Natürlich wollt ich klarstellen, dass alles einen tieferen Sinn hat! Gerade junge Autoren – Fängt mit einem „au“ an und hört als Tor auf!

Also für diese Weisheit, ist dem kleinen Nicolas ein Platz im Panthéon, im 5. Arrondissement, gewiss.

All diese neuen Erkenntnisse muss ich nun erst mal sortieren, etikettieren, gut durchdenken und dann verdauen, eine geballte Ladung, die sich da bot. Ironischerweise, ich weiche der Politik aus wie ein Schattenboxer im Tai-Chi, kenne ich mich jetzt dann wohl gar in der aktuellen Politlandschaft aus. Dies 29 Jahre nach dem Tod meines leibeigenen Ratgebers, Pardon, der Einstellung der Zeitschrift „pardon“.

Da beginnt es schon, mein grosses Nachsinnen über diese hemmungslos satirische Welt. Oder war es Satire über diese hemmungslose Welt? Na ja, das Thema meiner Träume der nächsten Stunden ist klar. Nein, natürlich nicht Christian, der stand der Zeitschrift „konkret“ näher, aber da war doch noch so eine Wibke, die schrieb darin so spannend, nein nicht die Bruhns. Du siehst meine Politkenntnisse sind unter null.

Gern und angeregt gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

das ist schön, dass Du diesen kleinen Jahresrückblick ind der Methode Guttenberg i. V. m. der Methode Karl Kraus' angeregt gelesen und kommentiert hast.

Ja, es ist ein wahres Panoptikum und mancher alte Sack ist hierzulande politisch und/oder von der Leber her gelb (wobei ich keineswegs auf den Wastarwalla-Thronfolger anspielen will). Da ist nicht nur Groß und Klein im Wechselspiel. Zu Brauntön(ung)en hat ja Dion schon einen ganzen Leitartikel eingestellt ... Da werden die Braunen aber die blauen Uniformen fürchterlich fürchten.

Also mein lieber Nicolas, auch wenn dein Baumstamm nach Ungarn verästelt ist, korrekt bin ich: ma chère,
ist eine schöne Ergänzung, vor allem aber korrekt. Wahrscheinlich schlich sich gerade in dem Augenblick das Ersatzteillager Cher (ohne Sonny &) in meinen Schädel. Immerhin wurde Mr. Bono ja Bürgermeister.

Gruß & Dank vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Moinsen Friedel,

„Besoffen zum Dienst, wo gibt’s denn so was!“
:D das ist so sehr deutsch, ich liebe es.

Sie und ihre Verwandtschaft hätten in den letzten zwei Jahren zwei Millionen Exemplare von Feuchtgebeten und gerade eine halbe Million Stoßgebiete – oder so ähnlich – verpacken, entschuldige, verdauen müssen …“
Vergiss es, die stehen in Lederimitat-Buchhüllen in den Eiche-rustikal-Schrankwänden der Best-Ager, die bei Gelegenheit lüstern darin herumblättern und von dem verruchten Leben mit schmutzigen Frauen träumen, das sie versäumten. ich habe die Bücher oft genug verkauft, wenigstens in drei Hamburger Stadtteilen war das genau die Klientel.

Unter der Anleitung des Gemeindepräsidenten Herrn Borries Munichousen werden von Hilfsbütteln zwo Tonnen geschoben, die sich allein durch die Farbgebung unterscheiden: in einer grauen Tonne mit einem blauen Deckel steht Herr Kolping, in einer grell-blauen Tonne steht der Parteifreund des Gemeindepräsidenten Karlfriedrich Hieranonymus. Beide reden auf das Parlament ein.
Will Kolping die Kinder- und Jugendarbeit mit dem Überschuss, den er sich aus dem Altpapierhandel verspricht, finanzieren, so will Hieranonymus allein nichtsnutzigen Kram wiederverwerten, kurz: Wohltäter der Menschheit werden.
Das Parlament schreit auf gegen Herrn Kolping: Welche Jugendarbeit, alles Lüge, denn Kolpings Jugend ist lange verflossen, die Jugend ausgestorben. Kinder stehen auf der Liste der bedrohten Arten, Kindergärten gehören abgeschafft, Kinder gibt's kaum noch und Kids gehören in Disney- oder Legoland. Und als Hieranonymus dem Parlament garantiert, dass die Entsorgung kostenlos erfolge, erhält er prompt den Zuschlag.

Der Abschnitt geht komplett an mir vorbei :shy: Allein schon diese Farbcodes, die so sehr was bedeuten wollen!

Liebe Carla, hast du das Gefühl, dass Sex ein großes Thema sei? –
Ich wünschte mir das, aber ich seh es nicht! Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema, und dennoch wird’s nur heimlich besprochen. Schon unter Freunden wirds Reden über Sex schnell zum Tabu.

was soll das: wär's und wird's und dann wirds?
was will der Satz "Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema, und dennoch wird’s nur heimlich besprochen." überhaupt bedeuten?

Sex hat was Magisches, beinah Tierisches. Man kann nicht kontrollieren, ob man gut ineinanderpasst. Entweder knallt’s zwischen zweien oder nicht. Guter Sex kommt direkt aus dem Neandertal, sieht scheiße aus, hört sich ekelhaft an und riecht etwas nach Fisch.

Yeah, yeah! Das ist gut erfunden, damit hast du die ganze Sache mal wieder geltend gemacht. Wir alle lesen ja öfter von Sex, so soll er sich also anfühlen, man darf weiter gespannt sein.

Michel Houellebecq hat einmal gesagt, es gäb eine klare Trennung zwischen Menschen, die Sex hätten, und Menschen ohne Sex.

Was der so erzählt oder ob Lars von Trier eins seiner Interviews gibt oder ob Thomas Bernhard den hasserfüllten Figuren seiner Bücher nach dem Mund redete. Alles Typen, die für authentisch in ihrer Wut und in ihrem Selbst- und Menschekel gehalten werden. Einige meiner besten Freunde verehren die, und die sprachliche Gewalt und das erzählerische Vermögen gestehe ich denen zu, aber ich glaube diesen Schriftstellern nicht, die sind nicht echt. wenigstens unterstelle ich ihnen, dass sie ihr Leid forcieren und kultivieren. in meinen Augen spielen die das Theater, das die Leute hören und sehen woll(t)en. Voll ätzend, damit sind oder waren die Jungs Vorreiter für die Selbstvermarktung des Schreibers in unseren Zeiten. Hauptsache Staub aufwirbeln und Skandale verursachen, gibt halt keine schlechte Publicity. Wenn man so Zeug schreibt, sollte man in Klausur gehen und die Fresse halten wie Pynchon.

Glaub schon. Flirten, Frauen ansprechen und Sex haben, sind Dinge, die man verlernen kann. Ich seh Menschen an, wenn sie schon längre Zeit nicht mehr mit jemand oder etwas geschlafen haben.

Sehr gut, den ohnehin verunsicherten und verängstigten Zweibeinern noch einen mit auf den Weg geben. Mag wirklich sein: Sex und Erotik ist allgegenwärtig, aber vielleicht nehmen Bilder und Worte immer mehr den Platz des realen Akts ein. Diese Bilder- und Wortflut knabbert stetig am Selbstbewusstsein vor allem der Frauen, ist mein Eindruck. Ich kenne in meinem näheren Umfeld vor allem Mädels von 25 - 30. die meisten sind attraktiv, treiben bisschen Sport, achten auf Ernährung und Outfit. Aber ausnahmslos jede klagt über diese eingeredeten Problemzonen - Bauch, Beine, Po. Passenderweise hat jedes Fitnessstudio die zum Thema passenden Kurse. Das ist ein echtes Problem.

Einsamkeit ist doch etwas für alte Leute, die zur Massage gehen, damit sie mal von jemand berührt werden, oder sich freuen, wenn der Frisör ihnen durchs Haar fährt - da muss man nicht eigenhändig ans Eigengemächte - und die wuscheligen Augenbrauen stutzt, dass die nicht mehr die Suppe durchs Gesicht ziehn und aussehn wie Loriots Nudelmann.

Einsamkeit ist vor allem eins: Besser als ihr Ruf.
das kriegt nur niemand mit, weil alle der Herde hinterherlaufen. und die Ausnahmen soziopathische Tendenzen bis zur Sprechunfähigkeit haben. Bei manchen Themen frag ich mich immer stärker, ob das Gefühl "an sich" das Problem ist oder nicht vielmehr diese gesellschaftlichen Regularien, die einem wortlos bedeuten, was richtig und was falsch ist - das funktioniert nämlich auch in unseren aufgeklärten Scheißegalzeiten, die Mechanismen sind nur subtiler geworden. Einsamkeit ist allerdings auch schwierig zu haben, weil überall Leute rumlaufen und heutzutage alle so furchtbar nett sind, man muss sie unter halbwegs normalen Umständen schon sehr wollen.

Na ja, ich geh hier sehr off-topic, merke ich gerade, das liegt an meiner ziemlich lang gezügelten Meinungsfreudigkeit. wie auch immer, Texte wie der hier sind mit der Grund, warum ich seit bestimmt zwei Monaten kein Buch mehr lesen kann: Ich hatte einen fürs Erste ausreichenden Leseanteil an wortspielerischen und hyperintelligenten Texten, die keinen für mich erkennbaren Bezug zur Alltagsrealität haben. ich erkenne auch hier die sehr gekonnte Handhabung des schreiberischen Werkzeugs an, aber zur Freude fehlen mir hier anfassbare Passagen, das steht mir zu sehr in der Sphäre des Imaginären.

hat mich gefreut,
Kubus

 

Vorab: Anführungszeichen mag ich, gerade bei komplexen Dialogen. Hebt die Lesbarkeit.
Sprachlich und inhaltlich ist da einiges drinnen, was mir sehr gut gefällt: "Wenn ich keinen Sex hab, hab ich Angst", ist eine wunderbare, tiefe Wahrheit, wo erst beim zweiten, dritten Durchlauf im Hirn der Korken knallt.

Trotzdem mag ich den Stil nicht sonderlich, es schwurbelt mir zuviel, es springt herum ohne erkennbaren Grund, es kommt mir vor wie eine total enthemmte Fingerübung, die herummäandert ohne Ziel und Grund.

Die sprachlichen Perlen, die reich vorhanden sind, werden dadurch verdeckt.

btw: Die Staben der Buche haben sooo einen Bart im Baum, dass es im Lauf der Jahre die Ringe von den Fingern der Kuppe zieht.

 

Bon jour mes amis,

schön, von Euch zu lesen!, hab hier aber nur noch fünf Minuten. Komm drauf zurück,

Okay?

Dank Euch!

Friedel

 

Hallo,

Ihr Lieben,

hier bin ich wieder mit’n bissken mehr Zeit.

Hallo Anakreon,

bzgl. des Zitates

… 29 Jahre nach dem Tod meines leibeigenen Ratgebers, Pardon, der Einstellung der Zeitschrift „pardon“
trag ich nach – ohne nachtragend zu sein! - dass wir Leibeigenen schwer am Verlust der pardon zu tragen haben – die Titanic war mir nie ein vollwertiger Ersatz - und ich trauer noch mehr um Robert Gernhardt, dem Adorno der Neuen Frankfurter Schule …

das ist so sehr deutsch, ich liebe es
Wir haben – will ich meinen – mehr als das gemeinsam,

lieber Kubus.

Du hast

die Bücher oft genug verkauft,

- wie, Du bist der klinkenputzende Bibelverkäufer aus so manchem Streifen aus dem freien und umso wilderen Weste®ns?
Aber im Ernst: mir ist durchaus seit dem ZOOLOGEN Alfred Kinsey (nicht zu verwechseln mit Alfred Brehm) bewusst, wer dergleichen braucht, oder genauer: zu brauchen glaubt.

Der Abschnitt geht komplett an mir vorbei
Kann passieren …
Allein schon diese Farbcodes, die so sehr was bedeuten wollen!
Und doch nichts bedeuten – wie die Mülltrennung hierzulande eh nur Beschäftigungstherapie ist. Wäre die Mülltrennung ernstlich mit der Farbsymbolik verknüpft (grün = Hoffnung), ich müsste fürchten, außer Cohn-Bendit hätte noch nie ein Grüner Rimbaud gelesen oder überhaupt ein verantwortlicher Repräsentant! Was haben die mit Poesie oder Kunst am Kopf?, vor allem aber darin? Kein Wunder, dass die Dichter die Brocken hinwerfen und Waffenhändler werden.

was soll das: wär's und wird's und dann wirds?
Das täte mir leid, bereiteten Wechsel zwischen Konjunktiv und Indikativ Probleme. Ganz kurz nur (es muss hier kein Seminar abgehalten werden), es ist die Spannung zwischen Potenzialität und Aktualität, eine sehr asymmetrische Beziehung: A kann niemals ohne P, umgekehrt aber allemal!

was will der Satz "Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema, und dennoch wird’s nur heimlich besprochen." überhaupt bedeuten?
Anders gesagt: Über Probleme unter Partnern offen zu sprechen ist in jedem Fall sinnvoller, als Geheimnisse daraus zu machen oder sie stumm in sich hineinzufressen. (Aber wir sind hier doch nicht bei IKEA oder der Lebensberatung, geschweige in angewandter Mathematik!)

Yeah, yeah!
Ah, der Lockruf aus’m Starclub. Aber nicht ich, sondern Carla wäre zu loben.

Das ist gut erfunden, damit hast du die ganze Sache mal wieder geltend gemacht.
Da wär ich aber froh!, pardon, das freute mich, wenn’s so einfach wäre.

Was der so erzählt oder ob Lars von Trier …
Und meine Meinung zur Authentizität sollte bekannt sein. Die Rollentheorie aus den 50-er Jahren ist gültig wie am ersten Tag (dt. Vertreter: Dahrendorf). Wir haben einiges gemein! (s. o.)

Ab und zu muss man Luft ablassen – und warum nicht hier? Für mich gilt SCHREIBEN eh als Selbsttherapie, also auch das Sprechen (und sei’s schriftlich) darüber.

off-topic
muss auch mal sein, lässt sich gar nicht verhindern ...

Grüß Dich, phiberoptic,

schön, dass Du auch mal vorbeischaust, trotz (oder wegen?) Deiner Liebe zum Anführungszeichen, das einen durchaus „anführen“ und an der Nase herumführen kann.
Dieser kleine Text fußt – ich hatte es unter # 3 am 14. d. M. schon gegenüber Anakreon geäußert – auf den Methoden Guttenberg und Kraus, wonach – um es kurz zu machen – die grellsten Erfindungen Zitate sind und in der Umkehrung: Erfindungen setze man zwischen schnatternde Gänsefüßchen und versehe sie mit einem Namen – und schon sind sie Zitat. Vielleicht kann man gar niemandem mehr trauen in einer Gesellschaft von Monaden (Horkheimer, der selten zu Ironie neigte, sah Individuum und Monade in den bürgerlichen Gefängnissen in den Einzelzellen verwirklicht, und weil’s das Thema noch hergibt in der Reihe Sex – Angst – Tod sei auch noch auf folgendes Bonmot hingewiesen, als eine vom wesenden Sein Heideggers Ergriffene behauptete, der habe die Menschen wieder vor den Tod gestellt, beschied Max Horkheimer ihr, dass Ludendorff das viel besser besorgt habe.)
Nun ja, dass man meinen Stil nicht mag, damit kann ich leben. Ich hab nämlich gar keinen. Heute schreib ich so und morgen in Jamben. Aber Du tauchst auch nicht gern nach Perlen, gelt?

Die sprachlichen Perlen, die reich vorhanden sind, werden … verdeckt.
Bis zum Einzug in einen Zitatenschatz und dort ordentlich gesammelt & sortiert ist’s noch weit …

Noch einmal zurück zu Kubus:

Einsamkeit ist vor allem eins: Besser als ihr Ruf.
Wäre – an sich - ein schönes und – wie ich finde – angemessenes Schlusswort. Man lese nur die Alten. Der Held (und erst recht der Antiheld, hier im deutschsprachigen Raum wäre es Ortnit, der sich nicht abnabeln kann) ist grundsätzlich allein, ein Adjektiv, in dessen paradoxer Zusammensetzung von dem einen / eins / einziger und über der Vielzahl all [mit seinen diversen Endungen] alles der modernen Einsamkeit mitschwingt: da ist EINER unter ALLEN / ALLEM Trubel einsam. Schau Dir die Kraft der Eremiten in harten Zeiten an wie etwa im Parzival oder dem Simplizissimus.

So, erstmal genug sinniert ...

Gruß & Dank vom

Friedel

 

Hi Friedel,

ich mach's kurz: sehr schön.

Die Investitionen vorweg zehren einen auf und wenn man dann keinen guten finanziellen Hintergrund hat, ist man schnell pleite. Aber glaubt denn einer im ernst, dass die Entsorgung nix koste?
im Ernst?

LG

MiK

 

Hi MiK,

ich mach's[auch ma']kurz: sehr schön -
was ich auch find'. Meine Frage wäre nun, wie ernst die Frage nach dem Ernst gemeint ist. Geh mal vom heiligen Unernst aus ... Aber so naiv wird keiner sein zu glauben, Ent- würde weniger kosten als die Versorgung und letztlich ist es inzwischen unsere Pseudonatur geworden, Dinge zu produzieren, die keiner braucht, die aber vorgeblich nachgefragt würden, um dann vermüllt zu werden -

was auch die literarische Ebene betrifft.

Ich dank Dir und ein schönes Restwochenende wünscht der

Friedel

 

Hallo Friedel,

sehr kreativer Einstieg mit den Mülltonnen, herrlich geschrieben! :)

Der Text besteht eigentlich aus mehreren Geschichten, da viele Abschnitte nicht zusammenhängend sind.
Jede der Geschichte hat zahlreiche interessante Kritikpunkte. Darüber könnte man sicherlich lange diskutieren ... :)
Besonders schön beschrieben find ich die Sache mit der Einsamkeit, wenn sie auch nur kurz erwähnt wird.

Die Überleitungen find ich witzig. V.a.:

Der Arsch liefert uns das Stichwort, ins Rathaus abzuschweifen
Einfach, aber gut! ;D

So manch eine Torheit, hat mir als unerfahrene Autorin Aua gemacht, so bring ich das Zeugs am besten gleich der besoffenen Tonne ;D

Wünsche Dir übrigens ein frohes neues Jahr!

 

Grüß Dich, AbeC!,

schön, dass Du Dich für diese böse Sache erwärmen konntest und vor allem die Eingangsworte

sehr kreativer Einstieg ..., herrlich geschrieben
und das Lob wird fortgesetzt
interessante Kritikpunkte .... Überleitungen find ich witzig

Es ist richtig, dass es anb sich ein Dreiteiler ist, die aber insgesamt in einer Welt und gleichzeitig geschehen (korrekt muss es im Konjunktiv sein, also häng jch ein Hilfsverb an) können.

... schön beschrieben find ich die Sache mit der Einsamkeit, wenn sie auch nur kurz erwähnt wird
auch in der Masse kann man allein / einsam sein. da ist es immer gut, wenn man's nur kurz wäre und noch besser, nur kurzzeitig ist. Selbst der geübte Eremit ist noch ein soziales Wesen. Schau Dir die Rolle der Eremiten im Parzival (Wolfram ist entgegen landläufiger Meinung) voller Ironie und den Simplicissimus an.

Ich wünsch Dir auch ein gutes neues Jahr -
bevor's wieder vorbei ist!

Friedel

 

Charlotte Roche hat wieder geschrieben! Der Zeit Literatur vom heutigen Tage ist es eine wahnsinnige Rezension wert

Da gebe es die Marie. Die helfe der Christine mit dem Baby und im Haushalt. Und dann gebe es noch den Jörg. Christines Mann.
"Das kann ja heiter werden!" (Zeit Nr. 41, Oktober 2015 Literatur S. 36)

Vorige Tage (Montag oder so) hatte sich die WAZ wesentlich ausführlich darüber ausgekotzt (findet sich nun in der Blauen Tonne in der Gemeinschaft der Altpapiere. Der Gott des Waldes sei ein gnädiger!)

Gleichwohl dem faulen Hund ein Anlass, die alte Mär über Herrschaften, Sex und Müll wieder auszugraben, statt neu zu schreiben ...

Friedel

 

Hallo Friedel,

habe gerade ein wenig in deinen Texten gestöbert und bin auf "Wasted papers" gestoßen. Gerade hat sich meine Familie nach Südfrankreich verabschiedet und mich meiner wohlverdienten Einsamkeit überlassen.
Man hat mir noch ausdrücklich ans Herz gelegt, ja die Mülltonnen nicht zu vergessen. Es ist damit wohl klar, dass ich an deinem Text hängen blieb.

Ich konnte praktisch mit allen Anspielungen was anfangen, auch den Houellebecq habe ich gelesen. Und wenn ich auch "Brigitte" früher abonniert hatte, so bin ich doch ein durch und durch politischer Mensch, der darauf achtet, auf der Höhe der "Zeit" zu sein.
Was du über Sex verlauten lässt, hat mich amüsiert. Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. Oder geht es mehr um "Soll und Haben"? Hier halt ich es mit dem badischen Spruch: Es gibt sottige un sottige, was ja so ähnlich schon Mama formuliert hat. Im Forum mache ich meistens einen Bogen um solche Texte, ich gebe zu, aus angeborener Feigheit. Lesen ja, aber kommentieren?
Jedenfalls sind deine Texte samt Kommentaren ein Fundgrube, so dass auch ein total verregnetes Pfingsten seine Schrecken verloren hat.

Das muss einmal gesagt werden.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Da hastu aber ein richtiges Schätzchen (eigentlich sind's ja gleich drei, die dann zusammenwuchsen, weil's halt passte) ausgegraben,

liebe wieselmaus, und dass meine Version des Allen Tutels "Was Sie immer mal über Sex wissen wollten" amüsiert, gefällt mir natürlich außerordentlich.

Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. Oder geht es mehr um "Soll und Haben"?
Um beides, behaupt' ich mal. Und wie der Zufall so spielt, könnte ja demnächst die Namen Sarkozy und Bruni wieder in der Politik auftauchen.

Dass ich die Schrecken verregneter Pfingsten vertreibe, wird mir sogar die kalte Sophie verzeihn.

Das muss einmal gesagt werden.

So isset

meindet Dante Friedchen

 

Hallo Friedrichard,

schon lange liegt diese Satire bei mir in der To-do-Liste, immer wieder hab ich es verschoben gehabt.

Nu aber:

Tja, wie sag ich's? Im Grunde genommen bist du, was die Frage der Gestalt einer Geschichte anbelangt, hier bei uns Wortkriegern schon immer der Exot gewesen. Ich mache mir bei deinen Texten oft Gedanken darüber, ob es eine Geschichte ist oder ob du nicht ganz unverschämt all das, was du sagen möchtest, einfach sagst und nur ein wenig Stoff hinzu nimmst, der aus dem Ganzen eine leichte Geschichtenhülle ergibt. Es ist immer so wenig, dass ich grübele, ob oder ob nicht und doch immer noch so viel, dass die Zweifel für den Angeklagten sprechen. Ich sage es mal so: Deine Geschichtendamen sind immer höchst leicht bekleidet. :D

Das vorweg.

Deine Geschichtenkolumnensatire hat mir dennoch gar nicht mal so schlecht gefallen, weil es dir anfänglich gelingt, mich reinzuholen mit den sprechenden Mülltonnen und meiner Gier, zu erfahren, was du daraus machst. Und nachdem ich mich an deinen Stil, alles und jedes immer verklauselt darzulegen, endlich gewöhnt hatte, habe ich hie und da meine inneren Positivhäkchen drunter gesetzt, weil viele deiner Aussagen meine Zustimmung erfuhren.

Ich finde zwar die Gewichtung in Bezug auf das französische Pärchen recht überwuchtig, hätte gerne mehr Handlung gehabt (siehe oben), aber deine Seitenhiebe haben mir gut gefallen.

Ich glaube, du bist mit Walter Moers verwandt, weil er, wenn auch ein ganz anderes Genre, diese Art in voller Phantasiemontur von Thema zu Thema zu hüpfen in Vollendung schreibt und ich das bei dir wiederfinde.
Man ist eben grad in einem Thema drin, z.B. den Mülltonnen und möchte nun wissen, wie es weitergeht, da befindet man sich, wie mit einem Zauberstab verhext, sogleich an einem anderen Ort, bei einem anderen Thema und kann nicht zurück, weil da auch etwas Spannendes passiert. Wie ein Irrweg durch den Satzdschungel der Geschichtenanfänge und doch alles getragen von deiner Art, an Gott, der Welt und ihren darauf befindlichen Menschen Kritik zu üben.

Ich glaube, du würdest dich höchst wohl fühlen, wenn hier die Regeln sich lockerten und auch Kolumnen zugelassen wären, nicht wahr? Immerhin könntest du dir die Mühe sparen, eine Handlung zu ersinnen.

Was ich nicht gelungen fand, war deine Abkürzeritis, hier mal ein Beispiel stellvertretend für viele Textstellen:

Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema, und dennoch wird’s nur heimlich besprochen. Schon unter Freunden wirds Reden über Sex schnell zum Tabu.
Sollten wir wieder mehr über Sex reden, ma chère? –
Ja doch, jeder Tabubruch wie’n offnes Gespräch über Sex, wär gut, hebt die Isolation auf, die wir alle empfinden.

Hier finde ich die Verkürzungen nicht gelungen, es wirkt flapsig und zwar so sehr gewollt flapsig, dass es stört, ich würde alles konsequent ausschreiben. Dann hatte ich an manchen Stellen Probleme, festzustellen, wer da gerade redet. Was hinderte dich, die klassischen Anführungszeichen zu verwenden?

Partnerschaften wär’s ein so wichtiges Thema
Soll da wirklich da "s" bleiben?

Während einer Beziehung spricht doch kaum einer über sexuelle Probleme. Die erzählt man sich erst, wenn alles kaputt ist. Dann sind die Leute wieder ehrlich.

Verdammt gut beobachtet, mein Berufsstand, speziell die Familienrechtler, lebt von dieser Sprachlosigkeit. :D Wär ja vielleicht auch noch einen Seitenhieb wert.

Der Text enthält viele kleine Angriffe, die mir gefallen haben.

Aber vor allen Dingen bleibt mir dein moershafter Stil in Erinnerung, die Art, wie du deine Phantasie in die Tonne packst und Kultmüll draus machst. Herrlich.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

schon lange liegt diese Satire bei mir in der To-do-Liste, immer wieder hab ich es verschoben gehabt.

Schön, dass Du dem Aufschieben ein Ende bereitet hast,

liebe lakita,

und dass ich hierorts (wenn auch nicht unbedingt immer) exotisch wirk, ist doch seit unserer ersten Begegnug (Einsatzgeschichte) kein Geheimnis.

Ich mache mir bei deinen Texten oft Gedanken darüber, ob es eine Geschichte ist oder ob du nicht ganz unverschämt all das, was du sagen möchtest, einfach sagst
und, um es geschmacklich aufzubereiten, gelegentlich auch noch nachwürz.
Deine Geschichtendamen sind immer höchst leicht bekleidet.
Eine Folge der plötzlich und unerwartet eintretenden Erderwärmung. Da will doch keine freiwillig ihren Pelz rausholen ...

Deine Geschichtenkolumnensatire
ja, jeder andere hätte da drei Geschichten draus machen wollen ...
hat mir dennoch gar nicht mal so schlecht gefallen, weil es dir anfänglich gelingt, mich reinzuholen mit den sprechenden Mülltonnen und meiner Gier,
nicht schlecht - da muss ich mal nachdenken - nicht gut? Aber eben nicht schlecht genug, um ordentlich ... Naja. Aber Du und Gier, wie passt das? Achja, Neugier.

Ich finde zwar die Gewichtung in Bezug auf das französische Pärchen recht überwuchtig, hätte gerne mehr Handlung gehabt (siehe oben), aber deine Seitenhiebe haben mir gut gefallen.
Das frz. Pärchen ist kabarettreif - gelle? Und zwar ziemlich zeitlos in losen Zeiten.

Ich glaube, du bist mit Walter Moers verwandt,
nunja, wenn ich verrat, dass ich an sich auch zeichnen kann ... wird die Verwandtschaft noch enger ...

Wie ein Irrweg durch den Satzdschungel der Geschichtenanfänge und doch alles getragen von deiner Art, an Gott, der Welt und ihren darauf befindlichen Menschen Kritik zu üben.
Schöne Beschreibung ... und treffend!

Was ich nicht gelungen fand, war deine Abkürzeritis, hier mal ein Beispiel stellvertretend für viele Textstellen:

Über die Verkürzungen werd ich noch mal nachdenken ...

Dann hatte ich an manchen Stellen Probleme, festzustellen, wer da gerade redet.
An sich könnte sowohl Sa... als auch Br... die Rolle des anderen übernehmen. Das Gespräch über Sex könnte - jetzt aus dem Gedächtnis, durchlesen muss ich mir das Ganze eh noch mal, zu lange her, jedes Wort noch zu wissen - von diesem oder jener ausgehen und den Partner in die andere Rolle, die des Antwortenden, überführen. Aber da muss ich noch mal gucken ...

Während einer Beziehung spricht doch kaum einer über sexuelle Probleme. Die erzählt man sich erst, wenn alles kaputt ist. Dann sind die Leute wieder ehrlich. Verdammt gut beobachtet, mein Berufsstand, speziell die Familienrechtler, lebt von dieser Sprachlosigkeit. Wär ja vielleicht auch noch einen Seitenhieb wert.
Schau'n wir mal!

Der Text enthält viele kleine Angriffe, die mir gefallen haben.

Aber vor allen Dingen bleibt mir dein moershafter Stil in Erinnerung, die Art, wie du deine Phantasie in die Tonne packst und Kultmüll draus machst. Herrlich.


Dank Dir für's Lesen & Kommentieren und auch noch mal Danke an wieselmaus, das Teil wieder entdeckt zu haben!

Gruß

Friedel

 

Lieber Friedrichard

jetzt wär's womöglich von Vorteil, hätte ich den Keller gelesen, anstatt ihn auf dem Regal auf meine Aufmerksamkeit warten zu lassen.
Wasted Papers also: mm, da erwarte ich was Düsteres, weil ich da an einen Fil denken muss: Wasteland. Ich fang mal an zu lesen, welche Satire von dir geliefert wird. Am Ende gehts um Sex, um Politik und das Wesen der Menschen und ihrer Beziehungen zueinander.
Du hast eine ganz individuelle Herangehensweise, mich hat es sehr amüsiert. :Pfeif:

Dort richtete man mich ordnungsgemäß aus, wie es sich einfach gehört für die Arbeit
für die Arbeit, der Müllsack als solcher arbeitet nix, oder?

doppelt so groß wie ich und die redet wirres Zeug, als wir ins Gespräch kommen, denn sie war besoffen.“
ist? du wechselst hier sehr munter die Zeiten, zuvor verwendest du Präsens...

hätten in den letzten zwei Jahren zwei Millionen Exemplare von Feuchtgebeten und gerade eine halbe Million Stoßgebiete – oder so ähnlich – verpacken, entschuldige, verdauen müssen …“
:D

und übergibt sich, dass der Plastikmüll sich vor der Tonne ergießt.
kotzen wäre besser ausgedrückt :)

Kids gehören in Disney- oder Legoland.
smaland :)unbedint smaland, da kannst du die Plagen den ganzen Tag abliefern...

em Puppenspieler Sarkozy und seiner Sarkosin:
der singenden Carla Bruni; bei der Eröffnungsfeier der EM hat man diesen Plattenaufleger David Getta qutetschen lassen mit den und das noch auf Englisch, wo es eine Carla Bruni, eine Patricia Kaas, eine Loane gibt und es für das Gockelland besser gepasst hätte eine Jeanne d!Arc ins Rennen zu schicken...

Sex hat was Magisches, beinah Tierisches. Man kann nicht kontrollieren, ob man gut ineinanderpasst. Entweder knallt’s zwischen zweien oder nicht. Guter Sex kommt direkt aus dem Neandertal, sieht scheiße aus, hört sich ekelhaft an und riecht etwas nach Fisch. Doch wenn man die Droge gefunden hat und andre sieht, die noch danach suchen, dann macht das sehr stolz. Michel Houellebecq …
oui monsieur :)

Geht es da nicht um Gewalt? Ist Gewalt denn nicht die am stärksten entäußerte Form von Sexualität? –
so gesehen ist jede Interaktion zwischen Menschen Gewalt...

Sport ist für mich ein geistiger Zustand geworden.
aha

Schönheit bedeutet doch auch Freiheit. –
gewagte These

wir könnten die neue Produktpalette in die islamische Welt exportieren und den Exportmarkt erweitern… -
das ist gewagt, jetzt, wo Ramadan is(s)t

Doch, ma petite, das war ein Höllentrip. Meine einzige Antwort auf Staubsauger und Tod heißt Sex.
;)

Ich hass Politiker, die ernst genommen werden wollen.
da hast du das Problem mit Seehofer und Hillary Clnton...:)wohingegen Trump perfekt für dieses Bild ist

Ach: und zu viel Bier macht liebsmüde, Friedel
viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

jetzt wär's womöglich von Vorteil, hätte ich den Keller gelesen, anstatt ihn auf dem Regal auf meine Aufmerksamkeit warten zu lassen.
Gottfried Keller lohnt sich auf jeden Fall, schau mal hier in den Crashkurs http://www.wortkrieger.de/showthread.php?44831-Leben-um-von-zu-erzählen-dass-kein-Krieg-um-Troia-sei
(einfach nur anklicken, funktioniert wahrscheinlich)

liebe Isegrims,

aber Erwartungen enden oft in Enttäuschung, wie der Zahnarzt, der die Praxis standesgemäß an den Sohnemann übergeben will, der aber lieber Müllwerker wird. Man täuscht sich allzu leicht selbst.

Am Ende gehts um Sex, um Politik und das Wesen der Menschen und ihrer Beziehungen zueinander.
So isset
Du hast eine ganz individuelle Herangehensweise, mich hat es sehr amüsiert.
Kabarett halt.

der Müllsack als solcher arbeitet nix, oder?
Doch, doch, arbeitet er. Er kann Abeit mit dem Angenehmen verbinden und hängt zumeist einfach ab.

du wechselst hier sehr munter die Zeiten, zuvor verwendest du Präsens...
Schon wieder ne Erwartung: Was kann/darf man von einer Mülltonne denn erwarten?

und übergibt sich, dass der Plastikmüll sich vor der Tonne ergießt.
kotzen wäre besser ausgedrückt
ich denk drüber nach

Kids gehören in Disney- oder Legoland.
smaland unbedint smaland, da kannst du die Plagen den ganzen Tag abliefern...
Klingt nach knäckebröd ...

em Puppenspieler Sarkozy und seiner Sarkosin: der singenden Carla Bruni; bei der Eröffnungsfeier der EM hat man diesen Plattenaufleger David Getta qutetschen lassen mit den und das noch auf Englisch, wo es eine Carla Bruni, eine Patricia Kaas, eine Loane gibt und es für das Gockelland besser gepasst hätte eine Jeanne d!Arc ins Rennen zu schicken...
warte nur, bis der Zwerg den Niederländer ersetzt ...

Sex hat was Magisches, beinah Tierisches. Man kann nicht kontrollieren, ob man gut ineinanderpasst. Entweder knallt’s zwischen zweien oder nicht. Guter Sex kommt direkt aus dem Neandertal, sieht scheiße aus, hört sich ekelhaft an und riecht etwas nach Fisch.
Doch wenn man die Droge gefunden hat und andre sieht, die noch danach suchen, dann macht das sehr stolz. Michel Houellebecq … oui monsieur

Geht es da nicht um Gewalt? Ist Gewalt denn nicht die am stärksten entäußerte Form von Sexualität? – so gesehen ist jede Interaktion zwischen Menschen Gewalt...
Nicht alles ist das substantivierte Partizip des Waltens. Gelingende Beziehungen walten halt, haben was utopisches vom herrschaftsfreien Raum.

Sport ist für mich ein geistiger Zustand geworden.
aha
soso!

Schönheit bedeutet doch auch Freiheit
. – gewagte These
Aber Un-Freiheit ist un-schön

wir könnten die neue Produktpalette in die islamische Welt exportieren und den Exportmarkt erweitern…
- das ist gewagt, jetzt, wo Ramadan is(s)t
aber der geht zu Ende, während die Märkte erhalten bleiben

Doch, ma petite, das war ein Höllentrip. Meine einzige Antwort auf Staubsauger und Tod heißt Sex.
Jo, einstweilen, bis Freund Hein vorbeischaut ...

Ach: und zu viel Bier macht liebsmüde, Friedel
Echt? Da seh ich wieder, wie riskant mein Leben ist.

Dank Dear, für lesen und besprechen, quatsch, beschreiben und uns allen einen schönen Abend diesen Abend vom

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

ich habe mir diese erste Geschichte ausgewählt, weil mich der Titel angesprochen hat und mir Satire gefällt. Bissig, politisch angehaucht, etwas absurd (die sprechenden Tonnen meine ich. Aber ich mochte die Idee und ich mag auch absurde Komödien. Der Begriff ist an dieser Stelle also positiv konnotiert) und mit sehr viel Lebensweisheit erzählst du (etwas episodenhaft) und innerhalb einer Rahmenhandlung die Geschichte von den Politikern, die sich im Kern nicht wirklich unterscheiden, sich aber trotzdem voneinander abgrenzen müssen (so habe ich die Farbsymbolik gedeutet), dem Trugspiel zwischen Politikern und dem Bürger (hier hatte ich das Gefühl, den politisch desillusionierten Friedel rauszuhören), von der Einsamkeit, den unrealistischen Schönheitsstandards und noch vieles mehr, was ich nicht erwähnen möchte, weil ich sonst die Geschichte nur nacherzählen würde.
Grundsätzlich gefällt mir Vielfalt, aber ich bin -was Form und Inhalt einer Kurzgeschichte angeht- sehr konservativ eingestellt und ein Verfechter des einfachen Handlungsstrangs. Als ich mir deine Erzählung durchgelesen hatte, hatte ich immer und immer wieder diesen Gedanken : "Das liese sich gut in ein Theaterstück adaptieren". Genug Kreativität und Denkanstöße bietest du ja schon.
Die Symbolik mit den Tonnen, die 'Bücher' wie 'Feuchtgebiete' enthalten, deute ich lieber mal als Kulturverfall, denn ich bin mir zu fast 99,99% sicher, dass du kein Charlotte Roche Fan bist ;)
Unten habe ich Passagen gelistet, die mir gefallen haben aber irgendwann war ich richtig im Flow und musste aufhören, zu zitieren.


Sie und ihre Verwandtschaft hätten in den letzten zwei Jahren zwei Millionen Exemplare von Feuchtgebeten und gerade eine halbe Million Stoßgebiete – oder so ähnlich – verpacken, entschuldige, verdauen müssen …“

Die Anspielung verstehe ich. Leider...

Gemeindepräsidenten Karlfriedrich Hieranonymus

Die hier auch, aber ich müsste mal gucken, welche Funktion sie erfüllt

Sarkozy und seiner Sarkosin

Okay, hier spürte ich, wie meine Mundwinkel zuckten

Während einer Beziehung spricht doch kaum einer über sexuelle Probleme. Die erzählt man sich erst, wenn alles kaputt ist. Dann sind die Leute wieder ehrlich.

Touché

Ich geh nicht mehr joggen, um meinen Körper zu tunen, sondern ich stell mir vor, dass ich ein Afrikaner im Busch und meine Beine allein zum Laufen da wären.

Ich mag diese Vorstellung.


Ich weiß, dass es noch viel mehr Metaphern, Symbole etc. gibt, aber die wollen an mir selbst beim zweiten Lesen vorbeizischen. Aber die, die ich ausmachen konnte, haben mir gefallen :)

Ich habe deine Geschichte gern gelesen und freue mich auf weitere

MFG- Nova

 

Ui,

da hastu Dir aber einen Brocken ausgesucht, aus dem man auch drei Bröckchen hätte zimmern können,

liebe Nova,

vor allem aber schön, dass Du Dich getraut hast, mal vorbeizuschauen. Als lakita archäologisch tätig geworden war, musste ich mir das gute Stück selber noch mal durchlesen. Und dass ich Gottfried Keller eher vergötter als Frau Roche verehr, kann da kein Geheimnis sein ...

Dank Dir und bis bald!

Friedel

 

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