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Tanja Langer: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

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29.01.2010
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Tanja Langer: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Die letzte Nacht von Henriette Vogel und Heinrich von Kleist.
Feinfühlig und bedacht spürte die Autorin den beiden nach, welche Gedanken, Gefühle und Worte bei ihnen in diesen Stunden wohl aufgekommen sein mochten. Sie blickt zurück in deren Leben, lässt sie schöne, besinnliche und traurige Momente wiedererleben und miteinander darüber sprechen. Etwa die Zeit von Kleist, als er als Kriegsgefangener im Fort de Joux, im französischen Jura, eingekerkert war. Es wurde ihm zu einer seltsamen Begegnung mit Émile Liberté, einem Rebell und Maler aus Santa Domingo. Diese Erfahrung beflügelt ihn und bleibt trotz der Entbehrungen in guter Erinnerung. Auch Vogel hat viele Erinnerungen aus ihrem Leben, die nun plötzlich gegenwärtig sind. Da ist ja auch ihre kleine Tochter Pauline, an die sie liebevoll denkt, und doch … Noch einmal bäumt sich die Lebenslust auf gegen die Absolutheit des Vergänglichen. Gibt es ein Zögern im letzten Moment, ein Verwerfen des gegenseitigen Versprechens. Zusammen lesen oder überfliegen sie das Buch, Klagen oder Nachtgedanken, von Edward Young. «Hölderlin hatte ihn verehrt, auch Novalis; ihnen allen hatte es gefallen zu vernehmen, dass ihre Schwermut das Zeichen einer göttlichen Erkenntnis sei.» Kleist brauchte keinen Gott, er glaubte auch so Young, dass nach dem Tod ein anderes Leben auf ihn wartet. «Der Tod ist ein sanfter Schlaf, für den des Lebens müden.» Beide meinten, dem Zeitgeist entsprechend, das Jenseits offenbare sich in einem guten Sein. Doch sind es nur Momente, in denen sie in dieser Frage hadern. Die Vergangenheit, die Erinnerung sind in dieser Nacht die tragenden Momente. Am Morgen selbst sind sie voller Heiterkeit trotz weitgehend durchwachter Nacht. Keiner der sie sah, ahnte auch im entferntesten, dass ihre Ausgelassenheit der Vorspann zu einem schwerwiegenden, letzten Schritt sein würde.

Tanja Langer hat es fertiggebracht, die Emotionen und Erinnerungen höchst poetisch einzubinden. Der Dichter Kleist und seine Weggefährtin werden dem Leser in ihrer Lebensart auf angenehme und weniger bekannte Weise nähergebracht. Zwei Schicksale, die sich kreuzten, und einen doch seltsamen Pakt schlossen.

Kleist, der unter Goethes Ablehnung litt, konnte damals nicht ahnen, ja hoffen, dass er das werden würde, was er heute nach zweihundert Jahren ist, einer der meistgespielten und -gelesenen Autoren.


Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv, 2011, € 9.90

 

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