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26.02.2011
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Zeitgeber

Der Zeitgeber
von Wendel Schäfer

Dass die Zeiger grosser Uhren sich mehr beeilen müssen, also schneller drehen, um über die Runde zu kommen, ist einleuchtend.
Für Erdfried Uhrich wenigstens. Einen für Sonderheiten hellen, ansonsten sehr betulichen Kopf.
Er liebte die Langsamkeit, pflegte sie und gönnte sie seinen Mitmenschen. Schmähte die Eile, mied Drängeln und Unrast. Alles erledigte er mit Bedacht und aufreizender Behäbigkeit des Körpers vom Kopf bis zu den Füßen runter. Das `Faultier´ von Umtriebigen prallte an ihm ab. Faultiere haben Millionen Jahre überlebt. Sind beständiger als alle die kurzlebigen Schnellfüßler. Auch das mag einleuchten. Dem Uhrich sowieso.


Zunächst stieß die Idee mit den kleinen und kleinsten Uhren mit winzigen Zeigern auf wenig Verständnis und Gegenliebe. Erdfried ließ sich aber nicht beirren. Waren sie wegen ihrer Langsamkeit doch eher geeignet, den Menschen mehr Ruhe und Muße für das Eigentliche zu verschaffen.
In einem Heim mit älteren Mitbewohnern meist, konnte er seine gewiss zeitlose Idee der Uhrenverkleinerung und Zeitvergrößerung ohne Mühe verwirklichen..Bei seinen Zimmergenossen fing er an. Die waren schnell zu überzeugen, weil sie jetzt viel mehr Zeit brauchten für das und jenes. Erdfried besorgte von überall her Uhren so klein wie Briefmarken, ja 1 Cent Münzen.

Am Ende waren die Uhren so klein, dass sie niemand mehr lesen oder aufziehen konnte. Dann bastelte er Ührchen aus Spanholz oder Pappe mit Zeigerchen, die nur noch mit gespitzem Fingernagel oder einer Nadel weitergeschoben werden konnten. Die Insassen gewöhnten sich auch daran und gaben es endlich auf, nach der Zeit zu schauen. Fütterungen zwischen Licht an und Licht aus, oder Läden rauf und runter wahren ihnen Tageslauf genug. Sie alle schienen glücklich. Und Erdfried Uhrich ging mit geschwellter Brust.

Es war bei einem der nur noch seltenen Ausgänge.Quer durch den Park der Anstalt über den Marktplatz. Vorbei an einer großen Uhr auf gläsernem Sockel. Erdfied Uhrich überkam es, er griff den Papierkorb daneben und zerschlug das Machwerk. Als das wieder mal am Bahnhof passierte und später mit Drohungen hoch zum Kirchturm zu eskalieren drohte, blieb der Freigang für Erdfied Uhrich gesperrt.

Er blieb jetzt allein im Zimmer. Durch die Gitter seines Zellenfensters nur der Blick auf eine große Rathausuhr, die ihm den Rest des Lebens im Vierteltakt zerhackte.

 

Hallo vimana,

Dass die Zeiger grosser Uhren sich mehr beeilen müssen, also schneller drehen, um über die Runde zu kommen, ist einleuchtend.
So richtig einleuchtend finde ich das nicht. Die Bahngeschwindigkeit eines außengelegenen Punkts auf einem längeren Zeiger ist höher, aber der Zeiger geht immer gleich schnell. Die Winkelgeschwindigkeit berechnet sich aus Pi und der Umlaufzahl, der Radius ist dafür nicht maßgebend.
Klar, Dein Held ist im Irrenhaus und die Geschichte steht bei Experimente*, das sind schon zwei Gründe, es mit der Physik nicht ganz so genauzunehmen. Andererseits schien mir, im Subtext stünde die Botschaft: Seht den Weisen, wie er in die Klapsmühle kommt, während die Ignoranten weiterregieren und etc und Symbol und Metapher.
Wäre Uhrichs Vision Hauptsache gewesen, sein Innenleben, sein Zeitgefühl und seine immerhin in sich schlüssige Logik, würde ich das mit der Physik nicht bemängeln. In dem Fall hätte ich es wahrscheinlich auch lieber gelesen, denn Menschen interessieren mich viel mehr als Aussagen und Botschaften. Denen glaube ich auch manchmal, weil die Geschichte es einfach wert ist.
Hier las ich aber: Der Text blickt auf seine Figuren herab, benutzt sie und vernachlässigt dabei noch die Logik, weil er sich in abgegriffener Symbolik sicher fühlt.
Vierteltakt
Und was ist das? Sowas wie ein Halbton? :aua:

Ich bin für Deinen Erstling nicht Zielgruppe, aber das soll Dich nicht erschüttern. Es sind nicht alle so wie ich.
Willkommen auf KG.de!

Makita.

*P.S. Ich denke, der Text wird auch in eine andere Rubrik wandern, denn mit Experimenten sind eher Dinge gemeint wie Ganz ohne Verben, Ausschließlich zusammengesetzte Nomen oder sowas. :)

 

Hallo vimana

Einleuchtend muss ja nicht logisch sein! Ich assoziiere hier jetzt einfach die Täuschungen, welche das menschliche Auge ermöglicht. :lol:

Erdfried Uhrich, endlich wieder mal einer, der die Betulichkeit der Ruhe entdeckte. Bei diesem Vornamen beinah eine Pflichtübung, doch Uhrich erinnerte mich an die Unruh der Uhr.

… Zeitvergrößerung ohne Mühe verwirklichen..Bei seinen Zimmergenossen …

Zwei Punkte zwischen den Sätzen statt eines Leerschlags. Das bringt den Leser etwas aus der Ruhe.

… seltenen Ausgänge.Quer durch den Park …

Auch hier, trotz Gemächlichkeit, ein Leerschlag zur Besinnung sollte man den Sätzen gönnen.

Köstlich diese beinah anekdotisch kurze Geschichte.

Gruss

Anakreon

 

Salü vimana

Schweizer? Dann darfst du groß auch gross schreiben.
(Das ß habe ich mir bei Jynx ausgeliehen):p

Ich fand die absurde Idee, durch Verkleinerung des Zeitmessers, der ja in den Augen Erdfrieds für das Dilemma des Zeitmangels verantwortlich ist, Zeit zu gewinnen, ganz hübsch.
Die Logik der Bahngeschwindigkeiten liesse sich einfach auf Uhrichs Warnehmung reduzieren und bekäme so die Existenzberechtigung:

Obwohl der verrückte Professor immer etwas anderes behauptete, stand für Erdfried Uhrich eines fest: Zeiger grosser Uhren mussten sich mehr beeilen, um über die Runden zu kommen, . Er liebte die Langsamkeit, ... usw.​

Experimentell im Sinn von werkimmanent wars leider nicht, und die Rechtschreibfehler hemmten bei mir ziemlich arg den Lesefluss.

In einem Heim mit älteren Mitbewohnern meist, konnte er seine gewiss zeitlose Idee der Uhrenverkleinerung und Zeitvergrößerung ohne Mühe verwirklichen..Bei seinen Zimmergenossen fing er an.
Mein Vorschlag:
Bei seinen meist älteren Mitbewohnern im Heim konnte er seine gewiss zeitlose Idee der Zeitgewinnung durch Uhrenverkleinerung ohne Mühe verwirklichen. Mit seinen Zimmergenossen fing er an.​

Mach was draus, ich schlage Rubrik "Sonstige" vor. (Cross over von Gesellschaft, (leiser) Humor, Seltsam)

Gruss dot.

 

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