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Martin Suter: ... und andere Geschichten aus der Business Class

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Martin Suter: ... und andere Geschichten aus der Business Class

Wie’s wohl jedem einmal widerfahren mag, bin ich mit Geschichten aus der Business Class von Martin Suter gestraft worden. Ein politisch korrekt geschulter Mensch wird selbstverständlich nicht daraus lesen, dass ich zu den Büchern gekommen wäre wie die Jungfrau zum Kind – gekauft hätt’ ich sie mir niemals, selbst wenn in der Zeit einmal gelobhudelt und – wie ich meine – eher rhetorisch denn ernstlich gefragt wurde, welcher Schriftsteller sich schon ins rücksichtslose Reich globalisierter Unternehmen wage und kenne, „darwinistische Rituale“ im Management durchschaue und sie dem Leser „genial und tiefgründig“ präsentiere, dass der Diogenes Verlag genötigt war, dieses Statement zu zitieren, gar noch eins im Klappentext draufzusetzen und zu behauptent: „Die Wirtschaft schwächelt, die Business-Class-Geschichten werden immer stärker – Martin Suter in Top-Form!“, was ich nun bei allen literarischen Göttern nicht vermerken konnte.

Was in homöopathischen Dosen verabreicht durchaus seinen Unterhaltungswert haben mag, langweilt nur noch als Sammlung.

Sicherlich finden sich Ausnahmen. Nahezu zeitlos und trefflich ist die „Börsenkunde“*, ein Dialog zwischen Vater und Tochter, der mit einfachsten Mitteln die Seele modernen Wirtschaftslebens kindgerecht offenbart, wo eines aus dem andern folgt, dass an der Börse verlorenes Geld nicht so einfach zu finden sei, wie ein verlorenes Spielzeug, und das eine Aktie eher einem Gutschein, denn Silberpapier entspreche, bis das Kind abschließend mit verblüffender Logik fragt,, »Warum … jemand ein Stücklein von einer Firma kaufen [will], die dringend Geld braucht?«

Aus dem neueren Werk vermag „Carstens Integration“** zu gefallen, aber nicht, weil besagter Herr neu in ein Management einsteigt, sondern weil trotz aller Globalisierung & Hektik die Sprache schon eine Reservation der Ruhe zu schaffen vermag. Als Carsten nämlich mit einem „Mahlzeit!“ auftritt, erfährt er ein Stück Schweizer Seele:
»En Guete. Bei uns sagt man: en Guete.«
»En Gute, dann.«
»Guete. Wir haben da noch ein e nach dem u. Guete. En Guete.«
»En Guete.«
»Na ja, macht nichts, das kommt dann schon noch.«
»Schmeckt prima, das Kartoffelpüree.«
»Stock. Bei uns sagt man Stock. Kartoffelstock.« … Mit der zwoten Portion des Mittagstisches zeigt Rüdisüli aufs Püree und sagt: »Seeli.«
Carstens schaut ihn fragend an.
»Das in der Mitte, die Bratensauce. Bei uns sagt man Seeli. Ein kleiner See. Das macht man bei uns immer in den Stock.«
»Ach so, ein kleiner See, verstehe. Ein kleiner Saucensee, sozusagen, nett.«
»Die einen machen ihn gleich kaputt, und die andern essen den Stock von den Ufern weg. Beides ist erlaubt.«
»Ich weiß das wirklich zu schätzen, dass Sie mich in die Gepflogenheiten einweihen, Herr Rüdisüli.«
»Nicht ülli - üüli, mit einem langen ü. Es gibt solche mit einem h nach dem ü und solche ohne. Ich bin einer ohne, aber beide spricht man gleich aus. Mit einem langen zweiten ü.« …

So hab ich zumindest noch etwas dazu lernen können.

*Martin Sutter: Huber spannt aus und andere Geschichten aus der Business Class, Zürich 2005, S. 174 ff.
** ders.: Das Bonus-Geheimnis und andere Geschichten aus …, Zürich 2009, S. 163 ff.

 

Ich glaube, hier könnte sogar der Herr (Dr. ade) von und zu Guttenberg noch etwas lernen.
Also jetzt nicht etwa vom Härdöpfustockseeli des Herrn Rüdisüli, sondern von deiner Rezension natürlich.
;) dot

 

Ich glaube, hier könnte sogar der Herr (Dr. ade) von und zu Guttenberg noch etwas lernen,
was wir doch hoffen wollen,

lieber dot,

dass die Schmalzlocke an sich ein lernfähiges System sei. Aber übertreiben sollten wir auch nicht ...

Und och haddet mich gejuckt, den Konjunktiv II zu wählen ...

Dennoch: danke!

Gruß & schönes Wochenende wünscht der

Friedel

 

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