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Auszeit

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24.07.2009
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Auszeit

Heim fuhr vier Stationen. Es war Mai, beinahe Sommer. Sonne und mäßig warm. Der Bahnhof lag etwas außerhalb. Es gab zwei Wege, den ins Dorf und einen schmalen Pfad in den Wald, vorbei an Gestrüpp und einigen offenen Wasserflächen.

Er ließ den Bahnhof leer werden. Nach dem letzten Menschen ging auch er. Als nichts mehr außer Wald zu hören war, blieb er stehen, trat das Unkraut flach, legte seinen Rucksack darauf, setzte sich.

Er spielte mit einer Zigarette, ließ sie über die Fingerrücken wandern, bis sie beim Übergang vom Mittel- zum Ringfinger zerbrach. Tiere machten Geräusche. Ameisen auf seinen Schuhen, auf seinen Beinen.

Er kehrte erst im Dunkeln zurück. Ein Junge lehnte im Hauseingang und rauchte. Heim schloss die Tür. Im Schlafzimmer lag das Telefon. Er ging in die Küche und nahm eine Pizza aus dem Kühlschrank.

Um 10.00 Uhr schrieb er Anni eine Nachricht: „Vielleicht kann ich später vorbeikommen.“

Draußen sprach jemand. Heim schaltete das Licht aus, schlich zum Fenster, den Mund offen. Er sah zwei Jungen auf dem Bürgersteig, vielleicht der eine der Junge vom Hauseingang. Sie bewegten ihre Arme kaum, manchmal nur und der eine hob dabei seine Stimme.

Gegen Mittag zog Heim sich an und ging auf die Straße. Er lief schnell, wie getrieben.

Ein paar Mädchen spielten mit einem Ball. Eine griff daneben und der Ball kam auf ihn zu. Er kickte, oder wollte es, strich den Ball nur mit dem Außenriss, so dass er fast im rechten Winkel zur Seite lief, an eine Mauer eckte und langsam torkelnd zurückrollte.

Im Laden war er der einzige Kunde. Die Kassiererin war hübsch, das Gesicht, Brüste.

Zu Hause nahm er ein Glas aus dem Schrank. Er schaltete den Herd an und legte zwei Brötchen hinein. Die Sachen brachte er ins Badezimmer. Dort betrachtete er sich im Spiegel, zog das T-Shirt aus, betrachtete sich erneut. Vielleicht vier, vielleicht fünf Minuten musterte er Gesicht und Arme.

Er hatte in der Nacht eine Nachricht an Anni geschickt. Sie möge doch bitte erwachsen werden. Es sei unter seiner Würde und wenn sie ihn so weiter behandle, würde seine letzte Erinnerung an sie etwas mit einem Penis im Mund zu tun haben.

Früher in der Schule hatte Heim Stunde um Stunde damit verbracht, auf einen Stift zu starren und ihn mit Gedankenkraft zur Bewegung zu bringen. Manchmal hatte er auch einfach nur Dinge auf dem Stift balanciert, Bücher, Hefte, andere Stifte, und den Moment gesucht, in dem alles in sich zusammenbrach.

In den Pausen hatte Andre Zauberstücke probiert, die niemals funktionierten, weil Andre es für echte Magie erklärte. Irgendwann kurz vor dem Abitur war er mit einer Theorie erschienen: s1 = s0. Wenn sowieso alles zwingend aufeinanderfolgt, dann steht alles schon fest und existiert bereits, nur in einer anderen Form, präexistent.

Als Heim Jahre später in Wannsee auf den Zug wartete, sah er Andre wieder. Sie gingen hinüber, über die Straße, auf eine Bank am See. Andre drehte eine Tüte.

„Ich habe es gewusst“, sagte er und meinte das hier.

 

Hallo und Herzlich willkommen auf Kg.de

Vornweg: Hat mir sehr gut gefallen, weil du aus wenig Handlung und mit wenig schnickschnack drumherum eine unterhaltsame Geschichte gemacht hat. Allerdings bist du im Erzählstil teilweise etwas inkonsequent:

Heim fuhr vier Stationen. Es war Mai, beinahe Sommer. Sonne und mäßig warm. Der Bahnhof lag etwas außerhalb. Es gab zwei Wege, den ins Dorf und einen schmalen Pfad in den Wald, vorbei an Gestrüpp und einigen offenen Wasserflächen.
das 'einigen' kann weg
Er ließ den Bahnhof leer werden. Nach dem letzten Menschen ging auch er. Als nichts mehr außer Wald zu hören war, blieb er stehen, trat das Unkraut flach, legte seinen Rucksack darauf, setzte sich.
unterstrichen könnte weg ;)
Er spielte mit einer Zigarette, ließ sie über die Fingerrücken wandern, bis sie beim Übergang vom Mittel- zum Ringfinger zerbrach. Tiere machten Geräusche. Ameisen auf seinen Schuhen, auf seinen Beinen.
weißt schon.
Er kehrte erst im Dunkeln zurück. Ein Junge lehnte im Hauseingang und rauchte. Heim schloss die Tür. Im Schlafzimmer lag das Telefon. Er ging in die Küche und nahm eine Pizza aus dem Kühlschrank.
Hier würde ich mal ein Partizip verwenden: Ein Junge lehnte im Hauseingang, rauchend.
Draußen sprach jemand. Heim schaltete das Licht aus, schlich zum Fenster, den Mund offen. Er sah zwei Jungen auf dem Bürgersteig, vielleicht der eine der Junge vom Hauseingang. Sie bewegten ihre Arme kaum, manchmal nur und der eine hob dabei seine Stimme
.Der Satz holpert: manchmal nur ... ?
Gegen Mittag zog Heim sich an und ging auf die Straße. Er lief schnell, wie getrieben.
Kannst du einen Satz drauß machen mit Komma nach Straße, dann passt es schön in den Kontext.
Ein paar Mädchen spielten mit einem Ball. Eine griff daneben und der Ball kam auf ihn zu. Er kickte, oder wollte es, strich den Ball nur mit dem Außenriss, so dass er fast im rechten Winkel zur Seite lief, an eine Mauer eckte und langsam torkelnd zurückrollte.
Den Satz würde ich mal komplett ändern, weil der poltert mE komplett aus dem Erzählrhythmus raus.
Im Laden war er der einzige Kunde. Die Kassiererin war hübsch, das Gesicht, Brüste.Vielleicht so: Im Laden war er der einzige Kunde, die Kassiererin war hübsch: Gesicht, Brüste. <-- Normalerweise schreibt man das so nicht und in jeder anderen Geschichte käme das auch nicht gut, aber bei dem Erzählstil finde ich es als Stilmittel einen guten Akzent. ;)
Zu Hause nahm er ein Glas aus dem Schrank. Er schaltete den Herd an und legte zwei Brötchen hinein. Die Sachen brachte er ins Badezimmer. Dort betrachtete er sich im Spiegel, zog das T-Shirt aus, betrachtete sich erneut. Vielleicht vier, vielleicht fünf Minuten musterte er Gesicht und Arme.
Er hatte in der Nacht eine Nachricht an Anni geschickt. Sie möge doch bitte erwachsen werden. Es sei unter seiner Würde und wenn sie ihn so weiter behandle, würde seine letzte Erinnerung an sie etwas mit einem Penis im Mund zu tun haben.
Hier passt die Änderung im Erzählstil hervorragend.

Wie gesagt, mir hat es gut gefallen und die paar Anmerkungen, ist halt nörgeln auf hohem Niveau. Vielleicht kannst du ja was damit anfangen.

Lg, Ph:)nix

 

Diese Geschichte hat mich ein bisschen gegruselt, weil ich aus irgendetwas heraus immer denken musste "jetzt passiert gleich was", irgendwie eine bedrohliche Stimmung die da in der Luft lag, als würde die Hauptperson jeden Moment überschnappen...

 

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