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Weinender Cowboy

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08.10.2008
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Weinender Cowboy

Auf der Faschingsparty unseres Betriebs saß sie mir gegenüber. Sie war als Prinzessin verkleidet, hatte ihr Gesicht voll geschminkt und trug ein rosa Kleid mit einem tiefen Ausschnitt. Ich saß da und fühlte mich elend in meinem Cowboy-Kostüm. Krampfhaft versuchte ich, nicht auf ihre Brüste zu sehen, während sie plapperte wie ein Wasserfall. Ich hörte ihr nicht wirklich zu, aber sie schien es nicht einmal zu bemerken. Laute Musik dröhnte und raubte mir den letzten Nerv.

Eigentlich hatte ich nicht zu dieser Feier gehen wollen. Es ist es nicht so mein Ding, albern verkleidet zu entsprechender Musik durch die Gegend zu hüpfen und ein großer Trinker bin ich auch noch nie gewesen. Aber man muss sich ja auch sehen lassen in der Firma und außerdem war mir die Gelegenheit ganz recht gekommen, einen Abend nicht mit meiner Frau verbringen zu müssen.
Ich hatte Edith einmal geliebt und ich empfand immer noch etwas für sie, aber in letzter Zeit war es beinahe jeden Tag zu Diskussionen gekommen. Sie ließ sich gehen, pflegte sich nicht, aber das war nicht der Grund. Ich wusste selbst nicht wirklich woran es lag, aber unsere Beziehung war in einer Krise, ich konnte ihr blasses, verbittertes Gesicht einfach nicht mehr sehen. Der einzige Grund, warum ich bei ihr blieb, waren die Kinder. Sie waren gerade mal in der Grundschule und ich wollte ihnen eine Trennung nicht zumuten, obwohl mir bewusst war, dass sie auch unter den ständigen Streitigkeiten sehr litten.
Und jetzt war ich auf dieser Party und saß ausgerechnet vor meiner Kollegin Barbara Schlatter, die mich schon seit langem bezirzte. Aus diesem Grund war ich ihr bei der Arbeit auch immer so gut es ging aus dem Weg gegangen.
Barbara beugte sich weit vor. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten und starrte direkt in ihren Ausschnitt. Sie schien es zu genießen und ließ blitzschnell ihre Zunge aufreizend über die Lippen fahren. Ich schaffte es irgendwie, meinen Blick von ihr loszureißen und schöpfte stattdessen etwas von der Bowle, die auf dem Tisch stand, in mein Glas. Tausende Fantasien spielten sich in einem Kopf ab. Früher hatte ich Frauen wie sie als billig und abstoßend empfunden. Jetzt konnte ich mich kaum zügeln. Wahrscheinlich lag das daran, dass zwischen mir und Edith seit über zwei Jahren schon nichts mehr lief.

Bevor ich Barbara noch einmal anschaute, griff ich lieber schnell zu meinem Glas, stocherte in den Früchten herum und trank es dann auf einen Zug leer. Der Alkohol betäubte die Gefühle aber nicht, sondern er verstärkte sie nur. Sie rasten durch meinen ganzen Körper. Ich dachte, ich würde gleich explodieren. Natürlich tat ich genau das falsche und trank gleich noch eine Bowle.
Jetzt war alles zu spät. Ich sah nur noch sie, ihr rosa Kleid und ihre rot gefärbten Lippen. - Ich musste einen Ausweg finden. Ich hatte eine Familie! Wie sollte ich das später meiner Frau erklären?
Ich nahm all meine Kraft zusammen und lallte etwas von einem Monatsbericht, den ich unbedingt noch fertig schreiben müsse. Dann stand ich auf und ging ohne einen Blick auf Barbara zum Aufzug.
Ich fuhr ein Stockwerk höher und ging in mein Büro, wo ich mich in einen Sessel fallen ließ. Immer noch aufgekratzt versuchte ich mich zu beruhigen. Doch schon kurze Zeit später öffnete sich die Tür und sie kam herein. „Musst du nicht arbeiten?“ Fragte sie und rollte das „r“ in der Aussprache. Es machte mich wahnsinnig. „Ich hhhhatte Probleme mit dem Drucken“ stammelte ich undeutlich. Sie kam zu mir und schlang die Arme um mich. Ich wollte mich wehren, aber der Alkohol hatte meine Sinne benebelt und ich reagierte nicht. Stattdessen starrte ich sie wie ein gieriges Tier an.

Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, ich riss ihr Kleid am Ausschnitt auf und schlüpfte ungewollt in die Rolle des wilden Cowboys, der die Prinzessin auf dem Bürostuhl liebt.

Danach sah sie gar nicht mehr aus wie eine Frau aus dem Königshaus. Ihr Kleid hatte ich zerrissen, sie hatte nur ihr schwarzes Top wieder angezogen. Ihre Schminke war total verschmiert und ihr Lippenstift klebte mehr an meinem Cowboykostüm als in ihrem Gesicht. Ich empfand rein gar nichts, außer Ekel.

Noch lange nachdem sie wieder aus dem Büro gegangen war blieb ich sitzen und dachte nach. Ich registrierte, was geschehen war und weinte – wahrscheinlich auch wegen des Alkohols, den ich nicht vertrug - bittere Cowboytränen.

Ich habe die Folgenden Wörter aus der Wörterbörse verwendet:
118.: Monatsbericht, Fasching, drucken, Prinzessin, erklären

 

Anmerkung

Meine erste Kurzgeschichte hier ;-)

Also habt bitte etwas Nachsicht...

Ich hoffe übrigends ich habe das mit der Wörterbörse richtig verstanden und auch keine Nummer genommen, die schon verwendet wurde. Ich war da -ehrlich gesagt- ein bisschen verwirrt.

Ich freue mich sehr über Antworten und Kritik :-)

Könnte man die Geschichte für kurze Zeit in "Sonstige" verschieben? Hab hier gelesen das ginge... Danke schonmal !

Gruß Eine wie Alaska

 

Hallo Eine wie Alaska,

du hast alles richtig verstanden. Postest du auch noch einen Satz neuer Wörter?

Verschoben aus der Wörterbörse nach Sonstige, bitte am 06.11. zurück-

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Eine wie Alaska,

wie sehr wird der Cowboy wohl erst weinen, wenn die Prinzessin das zerrissene Kleid am nächsten Arbeitstag zum Betriebsrat trägt? ;)
Dein Einstieg ist durchaus ansprechend, die Wörter hast du gut eingebaut, sodass sie kaum auffallen.
Mich persönlich störte der Rechtfertigungseinschub über den Zustand der Ehe. Der Konflikt wäre doch viel größer gewesen, wenn der Cowboy seine Frau noch liebte. Auch ist er mir zu narrativ und hopplahopp eingebaut. Da wäre es von der Dramaturgie her geschickter gewesen, wenn er während der aktuellen Situation immer als eine Art Flash an die Kinder und die Frau denkt.
Allgemein schreibst du etwas narrativ, verzichtest auf wörtliche Rede und auf direkte Interaktion, was möglicherweise zu Lasten der erotischen Spannung geht, die aufgebaut werden könnte.

Einige Details:

und trug ein rosa Kleid mit einem tiefen Ausschnitt.
in solchen Fall würde ich literarisch immer auf den unbestimmten Artikel verzichten: und trug ein rosa Kleid mit tiefem Ausschnitt (oder: ein tief ausgeschnittenes rosa Kleid)
Laute Musik dröhnte und raubte mir den letzten Nerv
Okay, jeden nervt etwas anderes, in diesem Fall könnte man natürlich bei der zweiten Geräuschquelle noch einmal auf die erste Bezug nehmen. Aber vor allem könnte man hier die Satzmelodie mal auflockern: Dröhnend laute Musik raubte mir (zusätzlich) den letzten Nerv.
Tausende Fantasien spielten sich in einem Kopf ab
sollte sicherlich "meinem" heißen, oder?
Natürlich tat ich genau das falsche
Der Artikel davor zeigt es schon an: Falsche
und weinte – wahrscheinlich auch wegen dem Alkohol
wegen des Alkohols
den ich nicht vertrug- bittere Cowboytränen
vertug - bittere

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim,

vielen Dank für Deine Antwort.

Den anderen scheint meine Geschichte wohl die Sprache verschlagen zu haben ;-)

Ich werde Deine Tipps sehr gerne aufnehmen und meine Geschichte so bald wie möglich verbessern.


Mich persönlich störte der Rechtfertigungseinschub über den Zustand der Ehe. Der Konflikt wäre doch viel größer gewesen, wenn der Cowboy seine Frau noch liebte.

Dazu möchte ich etwas sagen: Ich habe die Beziehung ziwschen dem Protagonist und seiner Frau absichtlich kriseln lassen, da ich mit der Geschichte den Konflikt des eigenen Ichs des Erzählers, das seine Frau sehr wohl noch liebt und die Beziehung auch noch nicht aufgegeben hat und dem "Cowboy in ihm", der gerne die Beziehung beenden und etwas Neues anfangen möchte, thematisieren wollte.

In der eigenen Beziehung läufts nicht mehr und man wagt nicht den Schritt, sie zu beenden, würde aber dann doch gerne jemand Anderen haben... Ich denke diesen Konflikt mit sich selbst kennt nahezu jeder...


Auch ist er mir zu narrativ und hopplahopp eingebaut. Da wäre es von der Dramaturgie her geschickter gewesen, wenn er während der aktuellen Situation immer als eine Art Flash an die Kinder und die Frau denkt.

Damit hast Du vollkommen Recht. Werde versuchen, das noch zu ändern.


wegen des Alkohols
Man, man, sorry. Das -wegen dem Alkohol- tut einem ja richtig in den Augen weh... Ich hoffe Du kannst noch sehen ;-) Wird ganz schnell geändert. Weiß auch nicht wie mir das passieren konnte.


MfG Eine wie Alaska

 

Hey,

beinahe jeden Tag zu Diskussionen gekommen. Sie ließ sich gehen, pflegte sich nicht, aber das war nicht der Grund. Ich wusste selbst nicht wirklich woran es lag, aber unsere Beziehung war in einer Krise, ich konnte ihr blasses, verbittertes Gesicht einfach nicht mehr sehen. Der einzige Grund, warum ich bei ihr blieb, waren die Kinder. Sie waren gerade mal in der Grundschule und ich wollte ihnen eine Trennung nicht zumuten, obwohl mir bewusst war, dass sie auch unter den ständigen Streitigkeiten sehr litten.
Ist ein eher berichtsartiger Abschnitt, der die erste Szene, überhaupt die Faschingsparty richtiggehend verdrängt.

Jo, sim hat aus meiner Warte aus absolut recht. Bisschen narrativ für so eine kurze Geschichte, auch bisschen oberflächlich, find ich, und dann ohne eine zündende Pointe oder eine Variation des Fredgeh-Themas, ist halt nur das Setting, die Faschingsparty eine winzige Variation, sonst … tjo. Nüx besonderes, für nen Einstieg nicht schlecht, toller Nick!

Gruß
Quinn

 

Hallo,

Eine sehr bewegende Darstellung eines durchschnittlichen Büro-Arbeiters, der sich in einer Beziehungskrise mit seiner Frau befindet. Ich habe eigentlich das Gefühl, dass ihm alles egal geworden ist: seine Frau, seine Arbeit. Ist alles zur Routine geworden. Und nun fällt er in eine Bürointrigen rein und unterliegt den Reizen einer Mitarbeiterin. Das alles unterstreicht seine Elend und Auswegslosigkeit der Situation in die er geraten ist. Du hast die situation sehr klar dargestellt. Alles passt zusammen und ist nichts überflüssiges drin. Und das hat mir auf jeden Fall sehr gefallen.

Die Lebenssonde

 

Sorry Lebenssonde,

ich habe Deine Antwort jetzt erst gelesen.
Es freut mich ganz arg, dass Dir meine Geschichte gefallen hat =)

Danke für Deine Antwort!

Es grüßt

Eine wie Alaska

 

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