Was ist neu

Lieben, lügen, loslassen!

Mitglied
Beitritt
18.06.2001
Beiträge
19
Zuletzt bearbeitet:

Lieben, lügen, loslassen!

Ich wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte und mir endlich in die Augen schaute. Die Stunde der Wahrheit war gekommen, soviel wusste ich, ohne dass er auch nur ein Wort hätte sagen müssen.
Wir setzten uns wie betäubt auf das gemeinsame Sofa unseres Wohnzimmers. Alles erschien fremd und falsch.
Sein Gesichtsausdruck beunruhigte mich. Hätte man mich gefragt wieso, mir wäre keine passende Antwort eingefallen. Es war einfach nicht richtig. Seine Züge waren kalt und distanziert, sie verrieten nicht, was er dachte.
Die Arme waren über die Brust verschränkt und die Hände, deren sanften Berührungen ich immer so genossen hatte, waren außerhalb jeder Reichweite. In einer Sekunde entdeckte ich den Ehering an seinem Finger, dann verschwand er in der Achselgrube.
Mein Verstand verlangte, dass ich mich entspannte. Es würde schon nicht so schlimm kommen, wie ich es mir in meinen Alpträumen ausmalte. Bestimmt hatte er gute Gründe, die ihn veranlasst hatten, sich die letzten Tage zurückzuziehen.
Aber mein Herz wog schwer wie Blei und meine Lunge fühlte sich an, als hätte jemand einen unnachgiebigen Eisenring darum gelegt. Ich konnte nicht atmen.
Volker schaute mich immer noch an. Versteinert und unruhig gleichermaßen. Seine Augen lagen in dunklen Schatten, als hätte er die letzten Nächte schlaflos verbracht. „Silvia, ich muss mit dir sprechen.“
Nein, dachte ich. Schließlich glaubte ich, dass mir klar war was er wollte, und daraus ergab sich, dass ich nicht hören wollte, was er zu sagen hatte. Sicher gab es eine andere vernünftige Erklärung für seine unruhigen Nächte. Vielleicht hatte ihm seine Allergie den Schlaf geraubt. Vor unserer Wohnung stand doch noch immer die hässliche Birke, die ihn so oft in der Nase juckte.
Diese verdammte Birke, die ihm den Schlaf im Sommer raubte.
- Aber jetzt war es Oktober.
Keine Allergie.
Ich beschloss, schnell einen imaginären Schutzwall vor meinen Gefühlen aufzubauen. Er sollte mich nicht verletzen. Sicher konnte er hören, wie mein Atem erwartungsvoll immer schneller ging.
Seine Miene verdunkelte sich, als hätte jemand einen schwarzen Vorhang darüber gelegt. Die Gesichtszüge, markant und einst so liebevoll, blieben starr. „Es fällt mir nicht leicht“, sagte er. Die Stimme war bloß noch ein Flüstern.
Wieder dachte ich: Oh nein! Er will mir das Herz aus der Brust reißen und nur ein klaffendes Loch zurücklassen. „Volker?“ antworte ich und spürte wie meine Lippen bebten.
Panik kroch mit eiskalten Händen meinen Körper hinauf. Wie paralysiert, konnte ich nur den Blick seiner einst funkelnden Augen, die so sehr das Lachen liebten, erwidern und blieb stumm.
„Ich werde ausziehen, Silvia.“
Auch wenn ich es geahnt hatte, in diesem Moment überrollte mich erbarmungslos der Schock. Wieso? Warum? In meinen Gedanken wirbelte ein Chaos, aber ganz schnell verschwand es wieder und hinterließ eine gähnende Leere.
Das Herz schlug mir bis in den Hals und aus einem Impuls heraus war ich aufgestanden und hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Aber ich liebe dich!“ schoss es förmlich aus mir heraus. „Gehe nicht. Was ist passiert?“
Volkers athletischer Körper sackte zusammen, als könnte er nicht genügend Kraft für das Gespräch aufbringen. Ich sah ihm an, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Wir waren erst drei Jahre verheiratet und es hatte nie Anzeichen gegeben, dass eine Trennung bevorstand.
Nur selten hatten wir uns gestritten. Die Beziehung war in jeder Hinsicht vorbildlich gewesen. Allerdings wohl nur für mich, wurde mir klar. Diese Erkenntnis machte mich traurig.
Ich hatte immer gehofft, dass wir zusammen alt werden würden.
„Meine Gefühle für dich sind“, er zögerte, „sie sind verschwunden.“
„Aber wie? Wie können Gefühle einfach verschwinden?“ fragte ich, langsam wurde ich wütend und ich spürte, wie sich meine Augen mit schimmernden Tränen füllen mussten. Das verärgerte mich nur noch mehr. „Vor ein paar Tagen war doch noch alles in Ordnung. Ich verstehe nicht.“
Meine Stimme bebte und ich bemerkte, wie sich in Volkers vormals reglosem Gesicht nun doch eine Bewegung abzeichnete. Er war traurig, bedauerte er etwa, was geschah? Oder war es nur Mitleid, weil ich nicht in der Lage war, meine Gefühle so sehr zu kontrollieren, wie er es vermochte?
„Es ist doch schon lange nicht mehr wie früher“, flüsterte er verbittert. „Ich werde erst einmal ein Zimmer in einem Hotel nehmen. Wir sollten einfach ein paar Tage Pause machen.“
„Nein, bleib hier“, bettelte ich. Ja, ich bettelte. Wie konnte ich ihn denn so ziehen lassen? Wer könnte so etwas?
„Mach es nicht nur noch schwerer“, entgegnete er. Augenscheinlich wollte er so schnell wie möglich von mir weg, aber ich war nicht bereit, ihn einfach so aufzugeben.
Also machte ich genau den Fehler, den wahrscheinlich viele andere Frauen auch tun würden. Ich wurde trotzend. „Ist es eine andere? – Sag schon. Hast du eine andere?“ forderte ich ihn heraus.
Und sein Mitgefühl verschwand. Sofort zog er sich noch weiter zurück und blickte zur Tür. „Nein“, beteuerte er. „Und das ist es, was mir zu denken gibt. Es ist keine andere Frau.“
Jetzt befiel mich Lethargie. „Und was soll aus uns werden?“
„Ich weiß es nicht. Es tut mir leid.“
„Aber wir wollten Kinder…“ Meine letzten Worte wurden immer leiser.
„Du wolltest immer welche.“ Eine lange Pause entstand. „Ich nicht.“
Eine verheerende Erschöpfung machte sich in mir breit und verlangte von mir, dass ich aufhören sollte zu kämpfen. Ergib dich einfach dem Schmerz, forderte sie. Also schaffte ich es nicht die Wut erneut zu mobilisieren, sondern akzeptierte einfach die Wahrheit. Die Wahrheit?
Volker und ich waren verschieden. Niemals würde es uns gelingen, die gleichen Ziele zu verfolgen. Aber warum hatte er es mir nicht sofort gesagt? Warum hatte er mich belogen und mir nur etwas vorgemacht? Vielleicht hätte es noch eine Chance gegeben, dass wir uns hätten zusammenraufen können.
„Und nun?“ fragte ich. Ich konnte die seelischen Wunden beinahe als körperlichen Schmerz fühlen. Und es tat sehr weh.
„Ich rufe dich an“, sprach er und machte sich daran einfach zu verschwinden, - einfach aus meinem Leben zu verschwinden.
Und so endete es. Vor nur wenigen Tagen, war meine Welt noch in Ordnung gewesen und ich hatte mich noch über gemeinsam erlebte Dinge gefreut, wie die wunderschöne Hochzeit, die wir gefeiert hatten. Niemals hätte ich erwartet, dass das Leben so schonungslos zuschlagen würde.
Ich blieb noch eine Weile wie gelähmt an der Tür gelehnt stehen, bis ich meinen Beinen befehlen konnte mich zurück zum Sofa zu tragen. Dort ließ ich mich schwer wie ein Stein einfach fallen.
Mein Gesicht sackte auf ein weiches Kissen und ich spürte wie heiße Tränen in das weiche Velours sickern. Träume zerplatzten. Plötzlich war alles unwichtig und ich fühlte mich für etwas schuldig, was ich vielleicht gar nicht hatte ändern können.
Auf dem Tisch vor mir lag ein kleines Plastikgehäuse. Erst jetzt bemerkte ich es, da mein Blick die ganze Zeit von Tränen verschwommen gewesen war. Volkers Handy. Behutsam nahm ich es in die Hand und starrte auf den Bildschirm.
Für einen kleinen Augenblick verebbte der Schmerz und die Neugier siegte. Ob es schaden konnte, wenn ich mir die Nachrichten anschaute?
Ein Klick, und die Tastensperre war gelöst, das kleine Display flackerte auf. Ein weiterer Klick auf eingegangene SMS ließ die Schmerzen erneut aufwallen und plötzlich weinte ich nur noch erbitterter, als ich das Datum der Nachrichten las.
Dann klingelte es an der Tür. Ich wusste wer es war, doch blieb ich reglos sitzen. Meine Lippen formten nur noch einen Satz: „Ich liebe dich nicht mehr!“

(Die Worte, auf denen diese Geschichte beruht waren: markant * Schatten * Oktober * Birke * schlaflos)

 

Hallo Silmaril,

Er sagt ihr, dass er sich von ihr trennen will. Mir ist das Gespräch der Beiden zu oberflächlich, sie resigniert mir zu schnell. Auch in sich widerspricht sich doch:

Volker und ich waren verschieden. Niemals würde es uns gelingen die gleichen Ziele zu verfolgen. Aber warum hatte er es mir nicht sofort gesagt? Warum hatte er mich belogen und mir nur etwas vorgemacht? Vielleicht hätte es noch eine Chance gegeben, dass wir uns hätten zusammenraufen können.
Oder hat das etwa Volker zu ihr gesagt und sie resümiert das einfach? Dann musst du das anders formulieren, so jedenfalls ist es verwirrend.

Ich wartete bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte und mir endlich in die Augen schaute.

wartete, bis
Wir setzten uns wie betäubt auf das gemeinsame Sofa, unseres gemeinsamen Wohnzimmers.
Komma weg - einmal gemeinsam reicht doch, beim gemeinsamen Sofa ist doch klar, dass das Wohnzimmer auch gemeinsam ist

Seine Züge waren kalt und distanziert, sie verrieten nicht was er dachte.
nicht, was


Mein Verstand verlangte, dass ich mich entspannte. Es würde schon nicht so schlimm kommen, wie ich es mir in meinen Alpträumen ausmalte. Bestimmt hatte er gute Gründe, die ihn veranlasst hatten sich die letzten Tage zurückzuziehen.
hatten, sich

Nein, dachte ich. Schließlich glaubte ich, dass mir klar war was er wollte, und daraus ergab sich, dass ich nicht hören wollte was er zu sagen hatte.
wollte, was

Seine Mine verdunkelte sich, als hätte jemand einen schwarzen Vorhang darüber gelegt. Die Gesichtszüge, markant und einst so liebevoll blieben starr.
Miene / liebevoll, blieben

„Volker“, antworte ich und spürte wie meine Lippen bebten.
Ist es nicht eher so, dass sie fragend spricht: Volker? (was willst du mir sagen?)
In meinen Gedanken wirbelte ein Chaos, aber ganz schnell verschwand es wieder und hinterließ eine gähnende Leer.
Leere

Die Beziehung war in jeder Hinsicht vorbildlich gewesen. Allerdings wohl nur für mich, wurde mir klar. Und traurig machte mich diese Erkenntnis.
Diesen Satz solltest du anders formulieren. Dieses Und ist deplatziert.

„Aber wie? Wie können Gefühle einfach verschwinden?“ fragte ich, langsam wurde ich wütend und ich spürte wie sich meine Augen mit schimmernden Tränen füllen mussten.
spürte, wie

Er war traurig, bedauerte er etwa was geschah?
etwa, was

Oder war es nur Mitleid, weil ich nicht in der Lage war meine Gefühle so sehr zu kontrollieren, wie er es vermochte?
... Lage war, meine


„Es ist doch schon lange nicht mehr, wie früher“, hauchte er.
Komma weg / hauchte? ein Mann haucht verbittert so einen Satz? Vielleicht eher noch flüstern.

„Ich werde erste einmal ein Zimmer in einem Hotel nehmen. Wir sollten einfach ein paar Tage Pause machen.“
erst einmal
Augenscheinlich wollte er so schnell wie möglich von mir weg, aber ich war nicht bereit ihn einfach so aufzugeben.
bereit, ihn


„Nein“, beteuerte er. „Und das ist es was mir zu denken gibt. Es ist keine andere Frau.“
... es, was mir

Volker und ich waren verschieden. Niemals würde es uns gelingen die gleichen Ziele zu verfolgen.
gelingen, die
Dort ließ ich mich schwer wie ein Stein einfach fallen.
Mein Gesicht fiel auf ein weiches Kissen und ich spürte wie heiße Tränen in das weiche Velours sickern.
Wortwiederholung

Und die Poente der Geschichte?
Pointe - und eigentlich will ich so eine Erklärung gar nicht lesen müssen.
1. Pointen müssen sich durch die Geschichte selbst erklären
2. Meintest du eher: Die Moral der Geschichte ... / ... die Essenz ...

Diesen letzten Absatz würde ich komplett streichen. Lass den Leser selbst überlegen. Du springst damit auch auf eine andere Erzählebene, die meiner Ansicht nach nicht paßt - demnach hättest du die Geschichte anders aufbauen müssen.

Ich würde die Ehefrau kämpferischer zeigen, mehr Fragen stellend. Die Verzweiflung beschreibst du gut, aber an der wichtigen Stelle, als er ihr sagt, dass er geht, bleibt sie zu farblos in ihren Handlungen.

Ach, die Wörter sind mir im Text gar nicht aufgefallen, also sind sie gut eingearbeitet :) - aber sie sind ja auch nicht so "auffällig".

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Bernadette,
danke für die ausführliche Kritik.
Die vielen Kommafehler habe ich jetzt beseitigt. Danke für Deine Hilfe.
Die anderen Kritikpunkte habe ich auch beherzigt und so gut es geht verbessert.
Gerne würde ich die Geschichte bearbeiten und die Ehefrau etwas kämpferischer (wie von dir gefordert) darstellen. Dazu meine Frage, darf ich das denn so einfach? Die Geschichte würde sich dadurch leicht verändern.

Ich halte mich selbst für nahezu unfähig über Gefühle zu schreiben. (tja)
Hast du evtl. ein paar Tipps, wie ich bei diesem Problem dennoch Boden fassen kann?

Liebe Grüße
Silmaril

 

Gerne würde ich die Geschichte bearbeiten und die Ehefrau etwas kämpferischer (wie von dir gefordert) darstellen. Dazu meine Frage, darf ich das denn so einfach? Die Geschichte würde sich dadurch leicht verändern.

Aber natürlich! Das Forum hier ist dafür da, dass man an den Geschichten arbeitet und nach Gutdünken die Vorschläge der anderen mitverarbeitet :)
Manche Geschichten werden dadurch um einiges anders, aber es ist dein Text und du alleine kannst letztendlich entscheiden, was du damit machst.

Unter der Geschichte kannst du mit dem Bearbeiten-Button nach Herzenslust in deiner Geschichte Änderungen vornehmen.

 

Für zwei Wochen aus der Wörterbörse nach Alltag verschoben.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom